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Sonntag, 17. Juli 2022

Kapitel 9 - Hannahs kleiner Teufel​


Obwohl das Leben im Herrenhaus immer wieder neue Überraschungen für sie bereithielt, war Hannah es langsam Leid, hier zu sein. Sie wollte doch nur, dass der Graf endlich herkam, damit sie diesen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen konnte. Langsam aber sicher verlor sie wirklich die Geduld.
Und das bemerkten am nächsten Abend alle, die sich zum Abendessen zusammengefunden hatten, wobei es sich bei "allen" nur um Gabriel und Jerret handelte.
Hannah stand neben der Tür, die Arme verschränkt und warf der Standuhr neben sich immer wieder verärgerte Blicke zu. Die Spannung im Raum war so deutlich spürbar, dass selbst Gabriel schwieg.
Wo blieb er nur? Hannah tippte ungeduldig mit ihrem Fuß auf den kahlen Steinboden. Sie hatte ihm doch gestern erst  klar und deutlich gesagt, dass er gefälligst zu den Mahlzeiten zu erscheinen habe! Doch auch an diesem Abend wartete sie vergeblich auf Aiden.​


Aber das würde sie nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Nein, dieses Mal nicht! Sie hatte ihr ganzes Leben nur nachgeben müssen und nun würde sie sich nicht auch noch von dem verzogenen Bengel ihres Peiniger auf der Nase herumtanzen lassen.
Mit einer ungeheuren Wut im Bauch stiefelte sie zu dem verhassten Zimmer des Jungen, nur um überrascht festzustellen, dass es leer war.​


Aiden war nirgends zu finden. Weder unterm Bett, noch im Schrank und auch nicht auf dem Stuhl hinter der Tür. Wo war er nur hingegangen? Er ging doch sonst auch niemals weg! Oder zumindest entfernte er sich niemals sehr weit von seinem Zimmer.
Und dann kam ihr auf einmal etwas in den Sinn.
Der Schreck durchfuhr sie so plötzlich, dass sie scharf einatmen musste. Ihre Beine setzten sich fast von selber in Gang. Raus aus dem dunklen Zimmer und drei Meter nach rechts. Mit schweissassen Händen stieß sie die Tür zu ihrem Zimmer auf, obwohl das sowieso nicht nötig gewesen wäre, stand die Tür doch schon offen.​


Es traf sie beinahe der Schlag, als sie sah, was dieser kleine Teufel mit ihren Habseligkeiten angerichtet hatte.
Bücher, Schuhe, Kleider, alles aus den Kommoden und Taschen gerissen, unter dem zerwühlten Bett, inmitten der Landschaft aus zerissenen Papieren und Fotos.
Das konnte doch nicht wahr sein! 
Sie kniete sich neben die Überreste eines lächelnden Mädchens, das sie mit großen, schwarzweißen Augen ansah. Alle Erinnerungen waren zerstört! Er hatte alles vernichtet! Die Tränen kamen ihr so plötzlich, dass sie sich nicht einmal im Stande dazu fühlte, sie zurückzuhalten.
Jetzt war er eindeutig zu weit gegangen!​


Kurz darauf saß sie Harriet Morgen gegenüber in deren kleinem Büro. Doch eigentlich war ihr nicht nach Sitzen zumute. Sie hätte viel lieber gestanden, um ihrer Wut richtigen Audsruck zu verleihen.
Kahle Wände und ein unfreundliches Gesicht starrten ihr hart entgegen. Der Kamin rechts von ihr gähnte sie mit schwarzem, leeren Mund,bedrohlich an.​
"Aiden!", begann sie mit einem bitteren Unterton in der Stimme. "Ich wünsche, dass der Junge in ein Internat kommt!"
Ihre Forderung war lächerlich und eigentlich wusste sie das auch. 
Harriet Morgen blieb gewohnt ruhig. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Reaktionen, aber dennoch konnte Hannah genau sagen, was sie von ihrer Forderung hielt.
"Darüber haben weder Sie, noch ich die Entscheidungsbefugnis", erklärte sie mit spitzen Mundwinkeln.



Hannah schüttelte energisch den Kopf. "Das weiß ich! Genau deshalb bitte ich Sie ja, einen Brief an den Grafen zu schreiben und ihn, in meinem Namen natürlich, zu bitten, dass wir Aiden in ein Internat schicken dürfen."​
"Wie haben Sie sich das vorgestellt? Der Graf würde das niemals zulassen. Und ich werde meinen Namen nicht für solch eine lächerliche Aktion hergeben!", beharrte Harriet Morgen mit einem ungeduldigen Murren.
Hannah seufzte. "Aber der Junge ist außer Rand und Band! Er hat hier einfach keine Grenzen, keine Regeln und ich bin nicht in der Lage, ihm jetzt noch welche zu setzen. Ich habe es ja probiert, aber deshalb rebelliert er jetzt gegen mich. Ich möchte doch nur, dass er nicht auf die schiefe Bahn gerät."



Die alternde Frau mit dem strengen Gesicht erhob sich, die Hände gefaltet.
"Ich möchte Sie bitten, zu gehen! Es ist nicht meine Aufgabe, den Jungen zu erziehen, das sollte eigentlich die Ihre sein. Und wenn Sie mit dem Kind nicht umgehen können, dann werde ich den Grafen gerne um eine neue Gouvernante bitten."​
Hannah sprang entsetzt auf!
"Auf keinen Fall!" Sie schlug sich die Hand vor den Mund, als sie merkte, dass ihr Temperament drohte, mit ihr durchzubrechen. "Ich werde mich einfach ein wenig mehr mit Aiden beschäftigen müssen. Ich bin mir sicher, dass sein störrisches Verhalten nur auf dem Tod seiner Mutter beruht."
Harriet Morgen bedachte sie mit einem prüfenden Blick. Hatte Hannah sich etwa verraten, als sie so auf ihr Bleiben beharrt hatte? Schöpfte Harriet Morgen etwa Verdacht?
"Dann einen Guten Abend!", zerschnitt Harriet Morgens strenge Stimme die Stille.


Hannah war heilfroh, als sie den Raum endlich wieder verlassen hatte. Sie atmete erleichtert auf. Es war sicher ein Fehler gewesen, herzukommen und mit ausgerechnet dieser Frau über ihr Problem mit Aiden - über ihre Schwäche - zu reden. Was dür ein Teufel hatte sie denn bitte geritten, in die Höhle des Löwen zu gehen?
Doch leider kannte sie die Antwort bereits.​


Sie hatte bereits gesehen, dass es nichts gebracht hatte, den Jungen zu ignorieren, also hatte sie sich entschlossen, das Gespräch mit Aiden zu suchen. Irgendwo musste sein Problem mit ihr liegen und sie würde es auf jeden Fall herausfinden.
Doch die Suche nach dem Jungen stellte sich als schier aussichtlos heraus. Stundenlang irrte sie nur durch die neugebauten Gänge. Sie hatte sich bereits hoffnungslos verlaufen. Denn jeder Gang glich dem vorherigen. In jedem befanden sich die selbe Anzahl an Fenstern, in jedem waren genau die gleiche Zahl an Türen in die Wand eingelassen.
Irgendwann hatte sie begonnen, jede einzelne Tür aufzureißen, doch hinter jeder erwartete sie nur ein weiterer dunkler Raum - meistens sogar leer. Und von Aiden sowieso keine Spur.​


Dass sie sich in den neugebauten Gängen verlaufen hatte, hatte im Nachhinein trotzdem noch etwas Gutes. Nach einer Ewigkeit der Wanderschaft nämlich fand sie endlich einen Raum, den sie bald schon als Büro des Grafen erkannte. Ein Namensschild auf seinem Schreibtisch kennzeichnete ihn zumindest als ebensolchen.
Der Raum war ein fensterloses Zimmer, mit hässlichen Holztäfelungen, die überhaupt nicht zu dem ungewohnt hellen Boden passten. Die Möbel schienen wahllos zusammengestellt. Von jeder Kultur und jeder Zeitepoche schien sich hier etwas zu finden.
Doch das interessierte Hannah nicht im Geringsten. Das, was sie suchte, war keines dieser Kunstwerke, für das man sicher eine Menge Geld bekommen würde.
Nein, das, was sie suchte, war vielleicht für andere wertlos, doch bedeutete es für sie alles. Mit diesem Dokument würde sie alles verändern können, würde sie endlich beweisen können, dass der Graf ein Betrüger war.​


Auch wenn es leider fraglich war, ob dieses Dokument überhaupt noch existierte. Sie kontne nur darauf hoffen, dass es stimmte, was sie schon ein paarmla gehört hatte. Dass Betrüger oft gerade das Beweisstück behielten, das sie als Betrüger entlarvte.
Und genau deshalb begann sie auch nur, danach zu suchen, seine Schränke und Schubladen danach zu durchwühlen. Wenn er es noch besaß, dann musste es irgendwo hier zu finden sein.​

 
"Was tun Sie da?"
Hannah schmiss die Schublade des alten, grünen Schrankes mit so viel Wucht zu, dass der ganze Schrank erzitterte. Ertappt sah sie sich um und als sie den Eindringling endlich entdeckte, blieben ihr die Worte im Hals stecken.
"Was tun Sie da?", fragte er mit mehr Nachdruck in der Stimme.
Hannah sah ihn an, öffnete ihren Mund und schloss ihn wieder. Ja, was tat sie denn hier?
"Das ist das Büro meines Vaters!", stellte er fest und stampfte wütend auf. "Sie haben nicht das Recht, hier zu sein und seine Sachen zu durchwühlen!"
"Ja, das ist das Zimmer deines Vaters und ich habe tatsächlich nicht das Recht, seine Sachen zu durchwühlen", wiederholte sie seine Worte ruhig und plötzlich kehrte ihr Mut zurück. "Aber genau so wenig hattest du das Recht, meine Sachen zu durchwühlen!"​
 

Aiden legte unschuldig seine Stirn in Falten. "Was?" 
"Du bist wieder in meinem Raum gegangen, und das ohne meine Erlaubnis, und hast einfach meine Sachen auf dem ganzen Boden verteilt. Und du hast.. du hast.." Sie versuchte, sich zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht. "DU HAST MEINE FOTOS ZERISSEN! ALLES WAS ICH HATTE! WIE KONNTEST DU DAS NUR TUN?"
Aiden wich erschrocken zurück. Dann senkte er den Blick, diesen undeutbaren Blick.
"Ich habe Ihre Sachen nicht durchwühlt und ich habe auch nichts zerissen", erwiderte er ruhig.​


"Schließen Sie heute Nacht Ihre Tür! Und verlassen Sie niemals - hören Sie - verlassen Sie niemals nach Mitternacht Ihr Zimmer!"
Seine Stimme war nur noch ein Hauchen und obwohl er es ruhig und ohne jegliche Emotion in der Stimme gesagt hatte, klang es wie eine ernste Drohung. Klang es viel beängstigender, als eine Drohung, die er geschrieen hätte.​ Und dann ließ er sie einfach stehen.


Hannah blieb verwirrt zurück, als der Junge um die Ecke gebogen und verschwunden war. Sie starrte ihm fassungslos nach, mit einer Mischung aus Angst und Entsetzen in sich, und bemerkte nicht einmal, dass sie eine Gänsehaut bekommen hatte.
Sollte sie seine Drohung wirklich ernst nehmen?
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