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Sonntag, 17. Juli 2022

Kapitel 5 - Geister malen gern


Hannah atmete noch einmal tief durch, bevor sie die Türklinke mit festem Girff packte. Und vergebens daran zog. Die Tür schien von innen verschlossen.
"Verschwinde!"
Dieses Flüstern! Es hörte sich so unheimlich nah an. Als würde jemand direkt hinter ihr stehen. Und, obwohl sie genau wusste, dass da niemand hinter ihr war, jagte ihr das jedes Mal einen ungeheuren Schrecken ein.
Mit zittirgen Fingern fand sie den passenden Schlüssel an ihrer Seite und schob ihn in das Türschloss. Sie war nicht dumm und hatte sich zuvor von Jerret alle wichtigen Schlüssel geben lassen, die sie auch besitzen durfte.
Das Schloss knackte und eine seltsame Angst löste bei Hannah plötzlich die Nervosität ab. Sie versetzte der Tür einen leichten Stoß. Ein Knarren erfüllte den leeren Gang und klang unnatürlich laut, als die Tür sich ein Stück weit öffnete.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß in das düstere Zimmer. Und bekam die Tür gleich wieder ins Gesicht, als sich jemand von Innen davorwarf. Sein wildes Trommeln mischte sich mit dem Pochen in ihrer schmerzenden Nase.​


"AIDEN!", schrie sie das stumme Holz vor sich wütend an.
Von innen nur wieder sein Fäustetrommeln.
"AIDEN! DU MACHST JETZT SOFORT DIESE TÜR AUF!"
Sie räusperte sich, war sie doch dabei, die Fassung zu verlieren. Und das Letzte, das sie jetzt noch gebrauchen konnte, war, dem Jungen etwas in der Wut anzutun und sich selber den Weg zu seinem Vater zu verbauen. Nein, diese Göre würde ihr nicht in die Quere kommen und ihr alles vermasseln!
"Bitte! Mach doch die Tür auf!", versuchte sie es freundlicher.
Und zu ihrer Überraschung gab das Holz nach und Aiden ließ sie eintreten.​


Wütend sah sie sich in dem finsteren Raum um. Es dauerte etwas, bis sich ihre Augen an die erneute Dunkelheit gewöhnt hatten, die man im ganzen Haus antreffen konnte. Die kahlen Wände starrten sie kalt an. Spielsachen waren über den ganzen Boden verstreut. Das Bett zerwühlt. Doch Aiden blieb verschwunden. Unsicher trat sie einen Schritt weiter in sein Reich hinein.​


"Aiden?", flüsterte sie mehr nervös, als dass sie ihn rief.
"Verschwinde!"
Hannah wirbelte herum. Hinter der Tür, in einer Ecke, saß er auf einem Stuhl, die Arme links und rechts stur auf dem Polster, der Blick leer und starr, wirkte er wie eine leblose Puppe. Und eine sehr erschreckende Puppe dazu.
"Da bist du ja", sagte sie und versuchte dabei angestrengt, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.​


"Weißt du, ich wollte mal mit dir reden", versuchte sie es weiter, als er nicht reagierte.
Er saß nur weiter da, das Gesicht wie eine Maske, und starrte vor sich hin. Was er wohl dachte?
"Ich habe vorhin deine Stimme gehört, als ich geschlafen habe." Sie begann, die zerstreuten Papiere auf dem Boden aufzusammeln. "Warst du in meinem Zimmer, als ich schlief?"
Plötzlich sah er auf, seine kalten Augen trafen die ihren erbarmungslos und obwohl sein Blick immer noch leer war, war er so ausdrucksstark, lag so viel bedrohliches darin. Hannah ballte ihr Hände zu Fäusten, um seinem Blick stand zu halten. Ungewöhnlich lange hielt er den Blickkontakt aufrecht. Um danach nur weiter vor sich hinzustarren.​


Langsam aber sicher wusste sie nicht mehr, was sie noch tun sollte. Sie hatte gefragt, was sie hatte fragen wollen und er hatte ihr nur mit einem Blick geantwortet. Und der hatte sie schon aus der Bahn geworfen.
Während sie ein weiteres Blatt aufsammelte, beobachtete sie ihn gespannt. Was würde er wohl nun tun?
Ihr Blick fiel dabei, eher beiläufig, auf eine seiner Malereien. Und sie erstarrte.
Für einen Moment fühlte sie sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Diese Gesichter. In grellen Kinderfarben starrten sie Hannah erbarmungslos an. Lächelten, als wäre nichts geschehen. Jeder einzelne, so lebendig, als stände er vor ihr. Sie konnte es gar nicht mehr ansehen, ihr Magen verkrampfte sich, doch sie konnte den Blick auch nicht abwenden.
Wie ein glühendes Eisen stieß sie das Blatt von sich. Sie suchte verwirrt nach Aidens Blick. Wie konnte er davon wissen?
Ein boshaftes Grinsen breitete sich plötzlich auf dessen Gesicht aus.​


"Was soll das? Was ist das?", suchte sie verzweifelt nach Worten.
Was war nur los mit diesem Kind?
Sein Grinsen wurde zu einem Kichern, das zu einem gemeinen Lachen ausuferte.
"Was soll das? Sag mir, was das ist!"​


Sie ließ die restlichen Papierbögen wieder zu Boden fallen. Das sanfte Rascheln mischte sich mit Aidens irrem Lachen. Hannah griff sich an den Kopf. Sein Lachen ging ihr durch Mark und Bein. Der kalte Angstschweiß brach ihr auf der Stirn aus.
"Die Geister haben es für mich gemalt.", unterbrach er sein Lachen plötzlich, fiel jedoch gleich wieder in das Gelächter ein.​

So schnell sie konnte stürmte sie aus dem erdrückenden Zimmer, Aidens Lachen verfolgte sie. Erst in ihrem eigenen Zimmer konnte sie es aussperren, erst dort kam sie zum Stillstand. Sie fühlte sich wie gehetzt, ihr Herz schien ihren Brustkorb zu zersprengen.​


Das Bild immer noch vor ihren Augen, es beherrschte jeden ihrer Gedanken. Die Gesichter, die Augen! Sie starrten sie an, warnten und drohten, sie zu verschlingen. Über und über mit Blut besudelt, lächelten sie, scheinheilig, trügerisch. Verführten und zerdrückten Hannah.
Sie wollte nur noch weg hier. Weg von diesem Ort, weg von den Erinnerungen und vor allen Dingen - weit weg von diesem verrückten Aiden.
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