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Mittwoch, 28. August 2019

Kapitel 95 - Eine Hochzeit, und der vierte Stammesführer



Als Lu tags darauf von seiner erfolglosen Suche nach seinem Sohn zurückkam, war er völlig am Ende. Deshalb ließen sie ihn auch erst einmal ausruhen, bevor sie ihn gleich mit der nächsten schlechten Neuigkeit überfuhren.


Der Schamane war natürlich erschrocken über Dias Wiederkehr, und er machte sich sofort daran, Rituale zur Geistervertreibung abzuhalten. Nur, ob sie Wirkung zeigen würden, würde abzuwarten bleiben. Immerhin war der Geist verschwunden geblieben, seitdem Hana den Stamm verlassen hatte.


Nachdem er die Rituale schließlich beendet hatte und die Sorge um Luis gerade dabei war, ihn wieder niederzuschlagen, stand plötzlich Jana vor ihm.
     „Luis wird bestimmt bald zurückkommen“, meinte sie mit schuldbeladenem Blick. „Er wollte ja schon immer Schamane werden.“
     Lu lächelte dankbar. „Danke, Jana. Das ist nett, dass du versuchst, mich aufzuheitern.“
     Obwohl er wusste, dass sie selber gerade genug Probleme mit ihrer Tochter hatte. Nyota war zwar schon immer ruhig gewesen, und das hatte sich auch nach der Offenbarung, wie sie entstanden war, nicht geändert, aber dennoch machte sich Jana natürlich Sorgen um sie.
     „Schamane, ich hab überlegt, dass es besser ist, wenn ich doch lieber nicht Schamane werde“, meinte Jana jetzt plötzlich.
     „Warum?“
     „Weil Luis besser ist als ich.“ Sie seufzte schwer. „Ich kann mir die Geschichten der Götter einfach nicht merken. Und Lesen ist auch echt schwer. Ich bin einfach zu dumm dafür.“


„Das bist du nicht. Das ist alles nur eine Frage der Übung“, versicherte er. „Du darfst nur nicht aufgeben. Und ich weiß, dass du den Kampfgeist dazu hast, es zu schaffen. Im Gegensatz zu Luis.“
     Er konnte nicht verhindern, dass er ein bisschen bitter darüber klang, und als er deshalb jetzt in ein betroffenes Gesicht sah, fügte er schnell hinzu:
„Jedenfalls solltest du deine Wünsche nicht aufgeben, nur, weil sie mit den Wünschen von jemand anderem kollidieren. Manchmal muss man verzichten, ja, aber ich denke, dass es momentan ohnehin nichts bringen würde, wenn du verzichtest. Luis hat nicht nur Probleme damit, dass er plötzlich Konkurrenz bekommen hat. Er hat auch mit seiner Blindheit zu kämpfen. Also mach dir keine Gedanken und gib weiterhin dein Bestes. Momentan bist du auch die Einzige, die meine Nachfolge antreten will, und dafür musst du noch einiges lernen.“


Da kehrte das Lächeln auf ihr Gesicht zurück, und Lu war froh darüber. „Ja, Schamane! Ich verspreche, mein Bestes zu geben!“
      Er zwang sich ebenfalls ein Lächeln auf die Lippen, auch wenn er sich innerlich wünschte, dass sein Sohn sein Nachfolger werden würde. Aber er durfte seine persönlichen Gefühle nicht über seine Aufgaben stellen. Über das, was richtig war. Jana tat momentan ihr Bestes. Sie bemühte sich wirklich, während Luis aufgegeben hatte. Momentan war er ja nicht mal zu finden. Lu betete täglich, suchte unermüdlich, aber obwohl er sich gewiss war, dass die Götter über seinen Sohn wachten, machte er sich trotzdem Sorgen um ihn.


Plöztlich ging Janas ausgestreckter Zeigefinger an ihm vorbei und sie rief: „Guck! Da sind Wulfgar und Lulu!“
     Als Lu sich daraufhin umdrehte, konnte er sie tatsächlich in der Ferne näherkommen sehen. Die beiden hatten das Tal verlassen und waren nach Goldhain gegangen, um sich umzuhören, wie er erfahren hatte.


Sie gingen den beiden Heimkehrenden entgegen, doch erneut mussten sie erfahren, dass Luis verschwunden blieb. Niemand hatte ihn gesehen.


Während Wulfgar den Kopf schüttelte und erzählte, warf sich Lulu mal wieder in seine Arme und schluchzte heftig. Lu ging es ja genauso, und er hatte gerade auch wirklich andere Probleme, aber es stieß ihm trotzdem sauer auf. Seitdem Ragna gestorben war, hatte sie jegliche Hemmungen verloren, und Lu fragte sich inzwischen, ob Wulfgar das einfach nicht auffallen wollte oder ob er wirklich so blind war, das nicht zu sehen.


Lu hatte bislang auch nichts deswegen zu ihr gesagt. Seine Aufgaben hatten ihn immerzu abgelenkt gehabt und auch aus Pietät wegen Ragnas Tod hatte er nichts getan, aber in dem Moment, als Wulfgar ihn tatsächlich stehen ließ, um mit Lulu nach drinnen zu gehen, war es ihm einfach genug. Verdammt, er hatte wegen ihr seit Wochen kaum mit seinem Gefährten reden können, und alles, was er wollte, war doch nur ein aufmunterndes Wort von ihm!


Also lief er ihnen nach und stellte sich ihnen in den Weg. Er musste sich schwer zusammenreißen, damit man ihm seinen Unmut nicht ansah, als er bat: „Lulu, könnte ich dich mal bitte sprechen? Allein?“
     Lulu warf einen zögerlichen Blick zu Wulfgar, folgte ihm dann aber schließlich.


„Lulu, ich muss dich fragen: Hast du Gefühle für Wulf?“, stellte er sie im Stall zur Rede.
     Lulu guckte zunächst erschrocken, doch der Schrecken wich schnell Verbitterung. Das war Lu Antwort genug.
     „Also doch…“


„Du musst aber nicht eifersüchtig sein“, sagte sie verbittert. „Mir ist bewusst, wo ich bei ihm stehe.“
     „Ich mache mir doch deswegen keine Sorgen. Ich mache mir Sorgen um dich“, flunkerte er ein bisschen. „Ich dachte immer, dass es dir nichts ausmacht, dass du niemanden hast, aber wenn ich gewusst hätte…“


„Was?“, brach es plötzlich patzig aus ihr heraus. „Dass ich auch Gefühle habe? Dass ich einsam sein könnte? Verdammt, Lu, was willst du eigentlich von mir?“
     „Dir helfen, Lulu.“
     „Wie willst du mir denn helfen? Wie willst du mir dabei helfen, dass ich einen Mann liebe, der nie an mir interessiert sein wird, weil ich eine Frau bin? Gar nicht kannst du mir helfen! Also tu mir einen Gefallen und lass mich einfach in Ruhe!“


Sie war ganz schön laut geworden, sodass Wulfgar, der gerade den Kopf zur Tür reinsteckte, keine andere Wahl hatte, als es mitzubekommen. Lulu erstarrte sofort, als sie ihn bemerkte, und auch Wulfgar sah aus, als wäre er gerade lieber ganz woanders.
     „Ähh… da ist jemand gekommen, der sagt, dass sie Luis in seinem Dorf gefunden haben“, fand Wulfgar nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich seine Stimme wieder.


Wie von einem Rudel Wölfe verfolgt, entfloh Lulu dem Stall, als sie das hörte. Lu konnte es ihr nicht verdenken.


Als er ihr folgte, vorbei an seinem reumütig aussehenden Gefährten, blieb er nicht einmal stehen. Er würdigte ihn keines Blickes. Obwohl er erleichtert hätte sein sollen, dass man Luis endlich gefunden hatte, war er nur wütend. Er hatte schon einmal versucht, mit Wulfgar darüber zu reden. Ihn darauf zu bringen, dass Lulu ihn mögen könnte. Doch dieser Idiot hatte nur gelacht und gesagt: „Ach was! Als ob eine Frau mich mögen würde. Frauen finden mich abstoßend. Dafür habe ich gesorgt.“


Und doch hatte Lu am Ende recht behalten und jetzt war es Lulu, deren Herz gebrochen war, das sah er genau. Dafür wollte er Wulfgar gerade am liebsten ohrfeigen.


Lu nahm sich im Folgenden seinen Bruder Jin , da er Wulfgar gerade einfach nicht sehen konnte, und ging mit ihm und dem fremden Reiter, um Luis zurückzuholen. Aber es war kein sehr freudiges Wiedersehen. Sein Sohn war wie von Sinnen, als sie ihn fanden.


Er schrie immer wieder: „Ich liebe dich, Luna! Verlass mich nicht!“, aber Lu konnte nicht einmal sagen, wer diese Luna überhaupt war. Sie mussten ihn letztendlich gewaltsam mitnehmen.


Auf der Rückreise war Luis endlich ruhig geworden und seitdem er wieder Zuhause war, war er nur noch ein Häufchen Elend. Er sprach nicht mehr, lag den ganzen Tag nur im Bett und blies Trübsal. Lulu, die nach ihrer unfreiwilligen Offenbarung nicht mehr mit Wulfgar gesprochen hatte und ihm fernblieb, als hätte er die Pest, versuchte unermüdlich, zu ihrem Sohn vorzudringen, aber er ignorierte sie, wie er jeden anderen auch ignorierte. Auch Lu konnte nichts für seinen Sohn tun, und das nahm ihn schwer mit.


Am Folgetag stand er gerade an der Feuerstelle, Wulfgar wie das stille Anhängsel, das er die letzten Tage über gewesen war, neben ihm, als Tann zu ihm kam, um zu fragen: „Ist es immer noch so schlimm?“
     „Die Leute in dem Dorf, in dem er war, sagten, dass Luis von dieser Frau Pilze bekommen hat, die ihn wie betrunken machen und von denen er immer mehr will“, erzählte Lu niedergeschlagen.
     „Dann ist es gut, dass er nicht lange damit in Kontakt gewesen ist. Von diesen Dingern loszukommen ist sehr schwer und schmerzhaft“, meinte Wulfgar. Er hatte es schon ein paarmal gesagt, aber Lu hatte ihn immer ignoriert, wie er es auch diesmal tat.
     „Ich habe alles falsch gemacht, was man als Vater falsch machen kann“, sagte er stattdessen. „Ich dachte, er würde schon irgendwann wegen seiner Augen zu mir kommen und ich sollte es besser nicht ansprechen. Ich habe es sogar Lulu gesagt, dass sie ihn damit in Ruhe lassen soll. Aber nicht einmal auf meinen eigenen Rat höre ich. Stattdessen musste ich ihn ja darauf ansprechen... Ich sollte wirklich lernen, mich aus dem Leben anderer rauszuhalten.“


„Du bist Schamane, Lu. Es ist deine Aufgabe, Probleme anzusprechen“, merkte Tann an.
     „Ein schöner Schamane bin ich! Wenn ich nicht einmal mit meinem eigenen Sohn umgehen kann!“
     „Wenn du dir eines abgewöhnen musst, dann, dass es für alles eine Universallösung gibt. Die gibt es nämlich nicht. Jeder macht mal Fehler, und manchmal kann man es einfach nicht richtig machen. Egal, was man tut.“ Als Lu nur weiter unglücklich aussah, fügte er hinzu: „Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe in der Vergangenheit viele Fehler gemacht in dem Glauben, das Richtige zu tun. Vor so etwas kannst du auch deine Kinder nicht immer bewahren. Manche Fehler müssen sie selber machen, um daraus zu lernen. Vor allen Dingen, wenn sie erwachsen sind. Und Luis ist erwachsen. Er wird das durchstehen.“
     Lu seufzte schwer. „Ich hoffe, du hast recht.“ 
     Er würde jedenfalls nicht zulassen, dass Luis sein Leben wegen so etwas wegwerfen würde.


Obwohl ihr Haus noch nicht einmal fertig geplant war, entschieden sich Wirt und Tanja dazu, die letzten Sommertage zu nutzen, um zu heiraten. Und obwohl Lus Gedanken sich noch immer um seinen Sohn drehten, beriet er sich mit den Händlern, die schon verschiedene Hochzeiten in einigen Ländern gesehen hatte, bevor er seine eigene Zeremonie ersann. Und auch alle anderen waren die nächsten Tage mit den Vorbereitungen für die Hochzeit beschäftigt.


Jana assistierte ihm bei der Trauung das erste Mal als sein offizieller Lehrling. Ihre neue Tracht war zwar noch nicht fertig, aber sie trug bereits ein Tuch in den Farben der Götter, und darauf war sie so stolz, dass selbst Lu bei diesem Anblick das Herz aufging, obwohl es immer noch blutete, dass nicht sein Sohn jetzt neben ihm stand. Luis trug noch immer die Tracht des Lehrlings (die er eigentlich Jana hätte abtreten sollen), wollte aber nach wie vor nichts von ihm oder davon wissen, sich um seine Nachfolge zu bemühen.


Die Trauung selber, die erste Hochzeit in der Gegend, war ein voller Erfolg. Wirt und Tanja pflanzten gemeinsam einen Baum, tranken aus demselben Kelch und brachten zusammen ein Feueropfer dar, und dann waren sie Mann und Frau.


Und als sie schließlich den ersten Tanz eröffneten, waren alle Anwesenden in ihre eigenen Gedanken vertieft:


Sharla: ‚Hm, ich frage mich, ob es jetzt an der Zeit ist, den Stamm zu verlassen. Diese Leute hier waren ja so gut zu mir, aber eigentlich brauchen sie mich nicht mehr. Tann hat alles gelernt, was ich weiß, und es wird Zeit, dass ich mich um meine eigene Hochzeit kümmere.‘


Tann: ‚Ausgerechnet heute, wo doch ein glücklicher Tag sein sollte, und mir ist trotzdem schon wieder so elend zumute. Verdammt nochmal! Ich bin das so leid! Ich muss zusehen, dass es niemand bemerkt. Nicht heute, wo meine kleine Tanja heiratet.‘


Tanna: ‚Oh Mann, ich hoffe, dass Tanja Wirt nicht gleich wieder vergrault. Aber der Junge ist glücklicherweise ja sehr geduldig. Ist das nicht schön, Leah, dass dein Sohn und meine Tochter heiraten? Ich würde dich auch gerne heiraten. Naja, was spricht eigentlich dagegen? Vielleicht habe ich diese Gabe deswegen, damit ich dich im Tode noch heiraten kann. Ich frage mich nur, wie ich dir das mit Händen und Füßen klarmachen soll.‘


Dana: ‚Tanjas Kleid ist mir richtig gut gelungen. Ich möchte auch so ein schönes Hochzeitskleid tragen. Ich wünschte, Jin würde mich endlich fragen. Ich weiß! Ich starre ihn einfach so lange an, bis er darauf kommt, mich zu fragen.‘


Jin: ‚Wann gibt’s endlich Essen?‘


Jade: ‚Ich will nicht heiraten müssen.‘


Wulfgar: ‚Das ist meine Chance! Ich gehe jetzt zu Lulu rüber und klär das.‘


Lu: ‚Ich muss das irgendwie wieder hinkriegen. Ich bin schließlich noch immer der Schamane und das ist meine Familie. Ich werde jetzt einfach rübergehen und mit Luis reden. Ich – ach schau mal einer an, da geht Wulf also. Guck dir nur diese Trauermiene an! Ich würde dir ja helfen, aber das hast du dir selber eingebrockt, also löffel es auch selber wieder aus. Ich habe dich ja immer wieder gewarnt. Ich wünschte nur, Lulu hätte dabei nicht verletzt werden müssen. Ach, ich bin so wütend auf dich, du Blödmann!‘


Lulu: ‚Warum nur fällt alles auseinander? Erst stirbt Ragna, dann ist mein armer Leif immer nur unglücklich, und jetzt auch noch Luis. Ich bin die schlechteste Mutter der Welt! Ich wollte doch immer bloß, dass sie glücklich sind, aber ich habe auf voller Linie versagt. Und selbst jetzt kann ich nichts tun, um ihnen zu helfen… Vielleicht sollte ich – oh nein, da kommt Wulf! Ich muss mich verstecken!‘


Luis: ‚Ich hasse das alles. Ich will hier weg. Ich halt das nicht aus. Luna…‘


Leif: ‚Das habe ich dir also auch verwehrt, Ragna…‘


Malah: ‚Ich muss Aan noch wegen dem Bewässerungssystem fragen. Die diesjährige Ernte wird eine Katastrophe. Die Hälfte der Pflanzen ist uns wegen der Sommerhitze verbrannt. Ich frage mich nur, wie wir über den Winter kommen sollen. Ich muss unbedingt noch mit Alin sprechen und schauen, ob er uns entgegenkommt. Sonst muss ich bei den anderen Stämmen um Hilfe fragen. Ob es bei ihnen wohl besser bei der Ernte gelaufen ist? Bei den Hells kann ich das ja vergessen. Bin ja schon erstaunt, dass sie überhaupt zur Hochzeit gekommen sind. Und dann muss ich noch…‘


Elrik: ‚Ich bin so müde…‘


Anya: ‚Ah, es ist so toll, dass Rikis Schwester und mein Bruder heiraten! Ich wusste einfach, dass unsere Familien zusammengehören! Vielleicht kann Nila ja irgendwann mal Giselinde heiraten, oder so. Das wäre toll!‘    


Aan: ‚Am Ende konnte ich dich also doch nicht beschützen. Dabei habe ich es mir doch vorgenommen gehabt, dass du nicht wegen deiner Abstammung verletzt wirst. Aber ich konnte nicht einmal verhindern, dass du es erfährst, und jetzt redest du nicht mehr mit mir. Du sagst zwar, dass alles in Ordnung ist, aber ich sehe, dass das nicht stimmt. Was soll ich nur tun?‘


Jana: ‚Ob ich wohl schon Oma bin? Das wäre so stark!‘


Nyota: ‚Ich hätte nie geboren werden sollen…‘


Nila: ‚Ist das öde! Ach, das ist mir zu blöd! Ich hau ab und geh zu Nara.‘


Akara: ‚Lalalalala…. Oh, ich will auch tanzen! Ob Rahn wohl mit mir tanzen wird? Ich würde so gerne mit ihm tanzen.‘


Rahn: ‚Was soll ich nur tun? Soll ich rübergehen und mit ihm reden? Ja, ich sollte rübergehen. Das mach ich… Nein, ich mache es damit nur noch schlimmer! Ach, ich wünschte, Diana wäre jetzt hier. Sie wüsste bestimmt, was zu tun wäre. … Ist das Hana da drüben?‘


Nero: ‚Oh Mann! Vater kapiert echt gar nichts! Jetzt geht er auch noch weg und lässt Akara allein. Besser, ich geh hin und frag sie, ob sie tanzen will, damit sie nicht traurig ist. … Oh, da ist ja Aida.‘


Tanja: ‚Ich liebe dich, Wirt! Du bist das Beste, das mir je passiert ist. Ich bin so glücklich, dass wir endlich zusammen sein können. Für immer und ewig.‘
     Wirt: ‚Ich kann es kaum erwarten, wenn wir nachher endlich allein sind und Hochzeitsnacht feiern.‘


Luis hielt es letztendlich nicht mehr aus und deshalb verließ er das Fest, um zu Alin zu gehen. Er wollte neue Pilze haben, um wieder sehen zu können. Er war diese Welt der Dunkelheit satt.
     Und da ließ er sich auch von seinen Eltern nicht reinreden. Er merkte zwar, dass seine Mutter ihm leise folgte, aber er ignorierte sie. Sie tat seit Tagen nichts anderes, als um ihn herumzuschwirren.


Doch beim Händler folgte dann die Ernüchterung. „Die habe ich nicht vorrätig“, eröffnete Alin ihm. „Da müsste ich erst losfahren.“
     „Aber du kannst mir welche besorgen.“
     „Natürlich.“ Pause. „Wenn du dafür bezahlst.“
     Doch Luis hatte überhaupt nichts von Wert, fiel ihm auf. Als er nur mit grimmigem Schweigen antwortete, bot Alin an: „Du kannst dafür natürlich auch für mich arbeiten. Ich suche noch einen Schreiber.“


„Ähm… ich… bin aber blind“, merkte Luis an.
     „Du sollst ja auch keine Kunden bedienen. Das machen Marduk, Hana und ich. Du sollst nur die Bestände aufschreiben. Die Einnahmen und Ausgaben ausrechnen. Bestimmen, wie viel wir von was brauchen. Hana hilft dir mit den Inventuren, und du wirst alles aufschreiben und die Zahlenarbeit machen.“ Erneut Pause. Dann: „Natürlich musst du dafür Schreiben und Rechnen können. Kannst du das?“
     „Nein… aber jemand in unserem Stamm kann es“, sagte er hastig.
     „Dann lass es dir beibringen und wenn du es kannst, komm wieder hierher.“
     „Wie soll ich lesen und schreiben lernen, wenn ich nichts sehe?“


Woraufhin er hörte, wie sich jemand im Raum bewegte, sich entfernte und wieder zu ihm zurückkam
     „Gib mir deine Hand“, verlangte Alin, und nachdem er getan hatte, wie ihm geheißen, hatte er etwas Schmales, Raues in den Händen. „Ich schreibe inzwischen eigentlich auf Papyrus, aber das da ist eine meiner alten Holztafeln. Wenn du mit den Fingern drüberfährst, wirst du Vertiefungen fühlen. So lesen alle Blinde. Ich kann dir auch Tontafeln geben, ist mir gleich, auf was du schreibst, solange man es entziffern kann. Also? Arbeit gegen Pilze?“
      Luis, der sich inzwischen von der Richtigkeit von Alins Worten überzeugt hatte, nickte enthusiastisch. „In Ordnung.“


Lulu, die das alles natürlich mitbekommen hatte, aber ruhig geblieben war, solange Luis dagewesen war, stellte Alin zur Rede, kaum, dass jener gegangen war.
     „Warum willst du meinem Sohn diese Pilze verkaufen? Sie sind nicht gut für ihn! Bist du denn nur daran interessiert, dass du etwas verdienen kannst?“
     Alin, schon wieder halb abgewandt, blieb da stehen und erwiderte unbeeindruckt: „Wenn es nicht so wäre, hätte ich mein Handwerk verfehlt.
     „Hast du denn gar kein Herz?“


„Wenn ich keines hätte, hätte ich deinem Sohn keine Chance gegeben, sich zu beweisen. Ich habe genug andere Verwalter, die ich hierher bringen kann und die nicht blind sind. Aber ich glaube, dass deinem Jungen eine Beschäftigung gut tun wird. Wenn er erstmal eine Aufgabe hat, wird er die Pilze und das Mädchen wahrscheinlich bald vergessen haben. Meinst du nicht auch?“
     Lulu war sprachlos. Sie hatte nicht daran gedacht, dass Alin so etwas im Sinn hätte haben können. Weshalb sie sich jetzt auch schämte, ihn so angegangen zu sein.


Doch bevor sie sich bei ihm entschuldigen konnte, wurde eine ganze Reihe an Keramikgefäßen aus dem Regal gefegt, kaum, dass Hana in die Nähe gekommen war. Lulu erschrak beinahe zu Tode, und auch Hana selber sah erschrocken aus. Nur Alin nicht, den das alles kalt ließ. Er hatte das die letzte Zeit schon öfter erleben dürfen.  


Auch Hana hatte das, aber im Gegensatz zu ihrem Arbeitgeber konnte sie das Ganze nicht so gelassen sehen. 
     „Es hat keinen Sinn, Alin“, sagte sie mit traurigem Gesicht zu ihm. „Dieser verfluchte Geist macht nur alles kaputt, wenn ich hier bin. Es ist wohl besser, wenn ich wieder abreise.“
     „Ich habe dir gesagt, dass du gerne bleiben kannst“, entgegnete der Händler ruhig, „aber wenn es das ist, was du willst, kann ich dich schlecht aufhalten.“
     „Ja. Entschuldige. Ich bringe noch die Geschenke für das Brautpaar rüber, oder besser, ich lasse sie von Adelaide überbringen, und dann packe ich meine Sachen.“


Hana hätte sich gerne gleich von ihrer Schwester verabschiedet, doch da diese gerade mit ihrem stinkigen Mann am Tanzen gewesen war, kam es dazu, dass Hana an Rahn geriet. Als sie ihm gesagt hatte, dass sie wieder abreisen würde, entschieden sich beide dazu, einen Spaziergang zu machen. 
     Hana erzählte ihm den ganzen restlichen Abend von ihrem Leben und Rahn erzählte ihr von seinem. Ihres war natürlich um einiges spannender, wenn man ihn fragte, aber sie war trotzdem freundlich genug, ihm zuzuhören. Sie hatten die letzte Zeit schon öfter miteinander geredet, jedes Mal, wenn er sie wegen ihres Geistes begleitet hatte.


„Dann verabschiede ich mich jetzt schon mal bei dir“, sagte sie, als sie spät in der Nacht zum Handelsposten zurückkehrten. Der Himmel war bereits tief dunkelblau und zahllose Sterne glitzerten über ihren Köpfen. Das Meer rauschte gleichmäßig im Hintergrund.
     „Wirst du bald abreisen?“
     „Ich werde gleich das nächste Schiff nehmen, das vorbeikommt. Das könnte schon morgen sein.“
     „Das ist schade.“
     „Sag bloß, du möchtest, dass ich hierbleibe?“, grinste sie. „Bin ich dir etwa so sehr ans Herz gewachsen?“
     Da musste er schmunzeln. „Deine Schwester wird nur sehr traurig sein.“
     „Ich weiß. Kannst du sie darum bitten, mich morgen zu besuchen? Ich würde mich gerne von ihr verabschieden.“
     Er nickte, dann herrschte einen Moment lang Stille, bevor er sagte: „Ich gehe jetzt besser zurück. Ich bin schon viel zu lange weg.“


Hana sah ihn aus undurchdringlichen Augen heraus an, dass es ihm für einen Moment die Sprache raubte. Sie sah Diana so ähnlich, aber wenn sie ihn so ansah, konnte er nicht anders, als die attraktive Frau in ihr zu sehen, die sie war. Diana war für ihn immer ein Kind gewesen, doch bei Hana war das anders. Er spürte, wie ihm heiß wurde.


Und ihm wurde noch sehr viel heißer, als sie sich plötzlich an ihn schmiegte.
     „Da die Zeit für Abschiede gekommen ist: Was hältst du von einem kleinen Abschiedsgeschenk?“, säuselte sie verführerisch.
     Sie sprach es nicht aus, aber es war ja ziemlich offensichtlich, was sie von ihm wollte. Selbst für jemanden, der so unerfahren in diesen Dingen war wie er. Sie hatte es ihm ja auch schon mal angeboten gehabt. Damals hatte er nicht einmal im Traum daran gedacht, aber plötzlich erwischte er sich dabei, wie er tatsächlich darüber nachdachte.
     Doch er wusste, dass er dennoch nicht auf das Angebot eingehen würde. Denn er liebte Hana nicht. Er kannte sie viel zu wenig, um überhaupt irgendetwas über sie sagen zu können.


Bevor er jedoch in die Verlegenheit kam, sie abweisen zu müssen, flog etwas zielgerichtet an ihm vorbei in ihr Gesicht. Sofort war sie auf Abstand und fluchte laut.
     „Alles in Ordnung?“
     „Ja, es hat mein Auge zum Glück verfehlt.“
     Es war nicht das erste Mal, dass sich Dia Hell einen Spaß daraus machte, ihr eine Eroberung im letzten Moment zu vermiesen. Deswegen hatte sie das in letzter Zeit auch zurückgefahren, obwohl erst letztens Alins niedlicher Lehrling Marduk hergekommen war und es wirklich mal wieder an der Zeit für ein bisschen Spaß war. Aber der Geist würde sie nicht lassen, wie es aussah.
     Sie ärgerte sich darüber, musste im nächsten Moment aber erfahren, dass es mit dem hübschen Rahn an diesem Abend wohl sowieso nichts geworden wäre.


Denn gleich, nachdem ihr Gesicht unfreiwillig Bekanntschaft mit einem Stein gemacht hatte, kam das Mädchen angerannt, das wie ein Schatten an ihm klebte. Ihre Augen waren groß vor Schreck und das änderte sich auch nicht, als sie jetzt auf sie beide aufmerksam wurde. Rahn war da schon alarmiert zu ihr rübergegangen.
   „Elrik ist umgefallen!“, berichtete sie gehetzt. „Ich weiß nicht, was los ist, aber… ich muss schnell ein paar Heilkräuter von Alin für ihn holen.“
     „Der Laden ist zwar schon zu, aber Alin macht für gewöhnlich hinten in seinem Büro im Lager noch die Schreibarbeit. Klopft einfach an die große Tür vom Lager“, sagte Hana ihr.
    ‚Tja, das war wohl nichts‘, war alles, was sie dachte, als sie den beiden anderen kurz darauf beim Weggehen zusah.


So ging die Hochzeit zu Ende und vielleicht wäre es auch ein glückliches Ende gewesen, wenn nicht Elrik entschieden hätte, ohnmächtig zu werden.
     Der heiße Sommer hatte schon einige Tribute gezollt, sodass sie immer wieder hitzebedingte Ausfälle gehabt hatten und die Rationen so stark hatten kürzen müssen, dass sie oft hungrig aufstanden und hungrig ins Bett gingen.


Niemand wusste so genau, was es war, das Elrik fehlte, aber Sharla nahm an, dass es an den Anstrengungen lag und der Tatsache, dass sie wegen des harten Sommers so wenig zu essen hatten. Er war einfach ausgezehrt.


Deshalb entschloss sich Malah schließlich dazu, endlich die Stammesführung von ihm zu übernehmen, und alle anderen waren damit einverstanden. Es würde kein ausuferndes Fest geben und auch keinen großen Braten, aber es war an der Zeit, dass sie ihrem Vater die Last abnahm.


„Ich würde vorschlagen, dass Jana die Zeremonie größtenteils leiten wird“, eröffnete der Schamane, als das beschlossen war.
      Es gefiel ihm nicht, dass er Jana so vorantreiben musste in ihrer Ausbildung, aber er glaubte, dass dies genau der richtige Weg war, um ihr die Zweifel zu nehmen und ihr ihre zukünftigen Aufgaben näherzubringen. Sie lernte einfach besser, indem sie tat, was sie lernen sollte.
      „Ich weiß nicht… ich glaub nicht, dass ich das schaffe“, sah Jana das aber scheinbar nicht so.
     „Das wirst du“, versicherte Lu. „Und ich werde ja auch noch da sein.“


So kam es, dass es Lu und Jana gemeinsam waren, die Malah empfingen, als sie kurz darauf die Zeremonie zur Ernennung des neuen Stammesführers feierten. Die angehende Schamanin trug inzwischen ihre Lehrlingstracht und obwohl sie zuvor noch voller Zweifel gewesen war, war davon jetzt nichts mehr zu sehen. Auch bei Malah nicht, die endlich die Würden des Stammesführers trug, die sie schon vor Wochen hätte anlegen sollen.


„Die Götter haben dich ausgesucht, der neue Stammesführer zu sein“, improvisierte Jana die übliche Rede ein bisschen, was Lu im Hintergrund mit einem zugekniffenen Auge durchgehen ließ. „Du hast dich bewiesen durch… ähhh… deine Tapferkeit, Umsicht und Stärke.“


Jana nickte ihr erleichtert zu, woraufhin sie sich zum Monolithen umdrehten. Diesmal war es die baldige Stammesführerin, die das Lied sicher von sich gab, während die zukünftige Schamanin ein bisschen über ihre Worte stolperte und ab und an Hilfe von ihrem Lehrmeister brauchte. Aber die Götter würden es hoffentlich verzeihen, wenn sie die Leidenschaft und die Liebe hörten, die Jana mit ihrer kräftigen Stimme in das Lied legte. Sie übertönte die baldige Stammesführerin dabei um einiges, aber Malah ließ sich davon nicht irritieren.


Es war jedoch nicht so, dass sie in diesem Moment keine Sorgen hatte. Dass sie sich ihrer Sache hundertprozentig sicher war.
     „Mögen die Götter dich segnen und deine Taten und Worte von ihrer Weisheit erfüllt sein!“
     Das war sie auch noch nicht, als Lu die Zeremonie wieder übernahm und damit abschloss, indem er die Farben des Stammesführers an ihren neuen Platz brachte. Im Gegenteil.


Malah ließ den Blick über die versammelten Gesichter schweifen. Sie waren alle anwesend. Alle, deren Oberhaupt sie von heute an sein würde.
     Sie hatte eigentlich noch nie Zweifel an sich gehabt hatte, und sie hatte kompetente Helfer, die ihr zur Seite stehen würden, aber dennoch machte sie sich in diesem Moment Sorgen. Sorgen um das viel zu heiße und trockene Wetter, Sorgen um die Ernte, und natürlich waren da noch all die Sorgenkinder, die ihr ebenfalls Sorgen bereiteten.
     Ihr Blick verweilte für einen Augenblick auf den jeweiligen Gesichtern. Der Großteil von ihnen war ihr nicht einmal zugewandt, lediglich die missgünstigen Augen ihres Bruders waren direkt auf sie gerichtet. Unwillkürlich musste sie zurückdenken. An all die Dinge, die die letzte Zeit über geschehen waren.


Aber obwohl sie nicht wusste, was die Zukunft bringen würde, wusste sie eines – nämlich, dass sie alles geben würde.
     „Ich verspreche, mein Bestes zu geben, um dem Stamm ein guter und gerechter Anführer zu sein, und mich eures Vertrauens als würdig zu erweisen“, wiederholte sie die Worte ihres Vaters, der inzwischen wieder genesen war und glücklich lächelnd an ihrer Seite saß.


Am Abend nach der Zeremonie stand die neue Stammesführerin gerade beim Grabhügel, als ihre beiden Vorgänger sie fanden.


Seitdem er die Last des Stammesführers abgelegt hatte, war da ein Leuchten in den Augen ihres Vaters, das sie so zuvor noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war endlich wieder glücklich, wie es schien, und Malah war es mit ihm. Auch ihr Großvater lächelte liebevoll.
     „Was hast du denn, Liebes? Stimmt irgendetwas nicht?“, fragte ihr Vater sie.
     „Nein, alles in Ordnung. Ich habe nur gerade unseren Ahnen geopfert.“ Sie war einen Moment lang still, dann: „Ich frage mich vor allen Dingen, was wohl Urgroßmutter über mich sagen würde. Sie war immerhin die erste Stammesführerin.“
     „Sie wäre sicherlich stolz auf dich“, versicherte ihr Vater. „So wie ich.“
     „So wie wir alle“, fügte ihr Großvater hinzu. Dann ging sein Blick zum Grabhügel hinauf. „Du bist deiner Urgroßmutter sehr ähnlich, weißt du, und ich bin mir sicher, dass sie über dich wacht und dir immer den Weg weisen wird. Dass sie heute mit uns allen zusammen deinen Antritt gefeiert hat.“


‚Das habe ich. Und ich bin stolz auf euch alle.‘     


Und damit war sie, Malah, der vierte Stammesführer des Uruk-Stammes.
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Hier weiterlesen -> Kapitel 96 

Ankündigung: Da ich den nächsten Mittwoch (also den 11.09.19) keine Zeit haben werde, werde ich das nächste Kapitel schon am Tag davor oder am Tag danach erst rausbringen. Mal schauen, wie ich Zeit habe.

Und damit ist Elrik, dritter Stammesführer des Uruk-Stammes, endlich von seiner unliebsamen Aufgabe erlöst. Es wurde aber auch Zeit. Auch wenn ich mich erst an sein neues Aussehen gewöhnen muss. Das muss ich jedes Mal, wenn einer der alten Anführer sein Amt abgibt. Es ist echt erstaunlich, was so ein bisschen Farbe im Gesicht ausmacht. Ich freu mich schon darauf, wenn es dann beim Schamanen so weit ist.

Der arme Wirt ist übrigens Dana in die Hände gefallen, die, da sie keine eigene Hochzeit haben darf, ihre Hochzeitsfantasien daran ausgelebt hat, ihn und Tanja (und so gut wie die ganze Hochzeit) vorzubereiten. Er hatte dazu nichts zu sagen (nicht, dass er es getan hätte). Aber keine Sorge, er kriegt sein altes Aussehen wieder.

Es war die letzten paar Kapitel ein bisschen holprig und durcheinander, weil so viele verschiedene Sachen passiert sind, aber das wird sich jetzt wieder ändern. Nächstes Mal muss Malah sich auch gleich als neue Anführerin beweisen, da Störenfriede in die Gegend kommen, mit denen Nila sich bestens versteht. Und nicht nur das...

Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich! 

PS: Es gibt übrigens mal wieder eine Wagenladung Outtakes.