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Mittwoch, 20. Januar 2021

Kapitel 131 - Vom Fischen und anderen weltbewegenden Angelegenheiten

Vier Tage, nachdem Malah ihnen offenbart hatte, dass ihre Vorräte zur Neige gingen, hatte der Schneesturm endlich Erbarmen mit ihnen und hörte auf, zu wüten. Der Himmel war zwar noch immer milchig-grau wolkenverhangen, dass es aussah, als würde es jeden Moment anfangen, wieder zu schneien, aber der Wind war still, sodass Malah an diesem Morgen die beiden Gruppen einteilte und ausrüsten ließ. Die Männer (und Jana) würden Jagen gehen, und die Frauen würden hinunter zum Meer gehen, um zu fischen.


Lu und Wulf waren bei letzterer Gruppe mit von der Partie. Lu, weil er gerade erst eine schwere Krankheit überlebt hatte und sowieso nie mit zum Jagen ging, und Wulf, weil er noch immer sehr unter seinem Entzug zu leiden hatte. Er randalierte zwar nicht mehr und seine Aggressivität hatte deutlich nachgelassen, dafür aber war er es, der jetzt krank und müde aussah. Er war so ruhig geworden, dass sich Lu Sorgen um ihn machte und lieber ein Auge auf ihn haben wollte. Deshalb hatte er seinen neuen Sohn gebeten, sie zu begleiten, unter dem Vorwand, dass er sich noch immer nicht ganz gesund fühle, und Wulf hatte es ihm glücklicherweise abgekauft und war mitgekommen.


Als sie den Strand erreichten, konnten sie feststellen, dass sie nicht die Einzigen gewesen waren, die die Idee gehabt hatten, die Vorräte mit Fischen aufzufüllen. Lann, ihre Tochter Mai und Sharla waren ebenfalls da. Auch Danas Ziehschwester Gisa hatte es sich nicht nehmen lassen, herzukommen, als sie vom Vorhaben der Frauen gehört hatte. 
     Dana erkundigte sich zuerst bei Lann nach ihrer Tochter Jade und war traurig, dass jene nicht mitgekommen war, während die Anderen Grüße austauschten. Selbst Tanja, die kein Wiedersehen mit ihrer Mutter feiern wollte und stattdessen einfach mal alle ignorierte, war anwesend.


„Schön, euch zu sehen“, begrüßte Malah die ehemalige Stammesführerin des Ahn-Stammes. „Wie ich sehe, hattet ihr wohl dieselbe Idee wie wir.“
     „Nun, es bleibt uns ja wohl kaum etwas anderes übrig, wenn wir nicht unsere letzten Schweine schlachten wollen“, gab Lann, kühl wie immer, zurück.
     „Ist Wanda denn nicht mitgekommen?“, wollte Dana wissen.
     „Na, mute der alten Dame nicht so viel zu“, antwortete Sharla ihr. „Du weißt doch, dass sie es mit den Gelenken hat.“


Bevor Dana wieder anfangen konnte, ihre hochheiligen Arnikaumschläge anzupreisen, auf die sie so schwor, und die Sharla, als Kräuterkundige, der Patientin natürlich schon verordnet hatte, wechselte die schnell das Thema. „Lulu, meine Liebe, habe ich richtig gehört? Du wirst Alin heiraten?“
     Lulu, der man inzwischen deutlich ansehen konnte, dass sie die Verlobte des reichen Händlers war, lächelte verschmitzt und nickte, und das nahm Dana als Anlass, sie zu fragen: „Wann habt ihr eigentlich die Zeremonie angesetzt?“
     „Das wissen wir noch nicht genau. Im Frühjahr, wahrscheinlich.“
     „Da stehen nächstes Jahr aber einige Hochzeiten an“, mischte sich Gisa ein. „Dana, Sharla und Lulu.“
      „Heiratet doch einfach alle zusammen“, schlug Tanna pragmatisch vor. „Das spart Zeit und Ressourcen.“
     Sharla und Dana sahen sie an, als hätte sie gesagt, sie sollten ihre Hochzeit am besten gleich vergessen, und selbst Lulu guckte ein bisschen skeptisch. Tanna war in diesem Moment nur froh, dass sie niemanden von ihren Heiratsplänen mit Leah erzählt hatte.


Glücklicherweise suchten sich Greta und Eris diesen Moment aus, um aufzutauchen. Greta hatte wie üblich einen verbissenen Ausdruck um den Mund herum.
     „Gesellt euch doch zu uns“, bot Malah ihnen nach der unterkühlten Begrüßung freundlich an.
     Man konnte nicht sagen, dass Greta die Einladung wirklich annahm, da sie sich möglichst weit weg von den Nachbarn aufstellte, aber immerhin blieb sie.

 
Die nächste Zeit sprachen Gisa und Dana übers Kochen, bevor Mai fragte, welche Kräuter man am besten für einen Wildschweinbraten benutzte, und sie sich deshalb mit Lann in die Haare bekamen, ob Honig etwas beim Braten verloren hatte oder nicht. Das Ganze war kurz vorm Eskalieren, als Lann befand, dass Jade wohl keine gute Wahl für ihren Sohn gewesen war, wenn sie so wenig Ahnung vom Kochen wie ihre Mutter hatte, und Dana, die, im Gegensatz zu besagter Tochter, keinerlei Probleme mit bissigen Erwiderungen hatte, kurzerhand ihre Tochter zurückforderte. Es bedurfte erst Malahs Eingreifen, um die beiden Frauen zu beruhigen.
     Nur, dass das nächste Gesprächsthema nicht besser wurde. In dem Versuch, von Streit abzulenken, wandte sich Hana an Lu und sagte: „Du hast ja einiges erlebt in letzter Zeit, habe ich gehört. Erzähl doch mal ein bisschen was.“


„Ja, beispielsweise, wie du meinem armen Bruder mal wieder das Herz gebrochen hast.“
     „Greta“, zischte Tanna warnend.
     „Schon in Ordnung, Tanna“, gab Lu gewohnt ruhig zurück. „Sie hat jegliches Recht darauf, wütend auf mich zu sein. Aber lass mich dir sagen, dass deine Wut niemandem etwas bringen und auch nichts ändern wird. Du solltest deine Energie lieber darauf verwenden, für deinen Bruder da zu sein und ihm zu helfen, einen neuen Partner zu finden. Denn entgegen dem, was du vielleicht denken magst, ist mir dein Bruder nämlich nicht egal. Im Gegenteil, ich wünsche ihm alles nur erdenklich Gute und hoffe, dass er sein Glück baldmöglichst wiederfinden möge.“
     „Natürlich!“, erwiderte Greta höhnisch. „Glaubst du wirklich, dass ich dir das abkaufe? Dass ich glaube, dass du so freundlich und nett bist, wie du tust? Du hast meinen Bruder von Anfang nur benutzt, weil du niemand anderen hattest, aber sobald du jemanden getroffen hast, der dir besser gefiel, hast du ihn einfach fallen lassen. Ich hoffe, das war es wenigstens Wert, die kurze Zeit, die du mit diesem Schönling hattest.“
     „Was meinst du damit?“, fragte Lu irritiert.


„Da brauchst du nicht so zu gucken! Ja, ich weiß von Samuel. Oh, warte, du kennst ihn wahrscheinlich als Julius. Ja, Wulfi hat mir davon erzählt, dass er dir schöne Augen gemacht hat. Genauso wie ihm damals, übrigens. Da brauchst du dir gar nichts drauf einzubilden!“
     „Du glaubst also, ich hätte mich auf Julius eingelassen?“, fragte Lu verstört.
     „Ja, natürlich! Und wenn Wulfi sich nicht um ihn gekümmert hätte, wärst du wahrscheinlich immer noch dort bei ihm.“ Sie lachte böse. „Naja, er hätte dich sowieso schon längst wieder fallen gelassen, der Windhund.“
     Lu, der noch immer erschrocken von dem gerade Gehörten war, bekam sich jetzt endlich wieder ein, um zu fragen: „Glaubt dein Bruder das etwa auch?“
     „Leider nicht. Er ist viel zu naiv, dass er dir glaubt. Aber ich weiß es besser! Ich durchschaue deine scheinheilige Fassade! Wulfi zuliebe habe ich mich bislang zurückgehalten, aber jetzt kann ich es ja endlich sagen: Ich habe dich nie leiden können, Lu, und ich bedaure es bis heute, dass ich meinem Bruder von dir erzählt habe.“


Bevor der perplexe Lu etwas dazu sagen konnte, trat Wulf hinzu und stellte sich schützend vor seinen neuen Vater. „He, sag mal, was erzählst du denn für einen Scheiß? Dein komischer Bruder ist selber schuld, dass er Lu verloren hat, wenn er rumläuft und Leute umbringt, nur weil er eifersüchtig ist.“


„Wartet! Wartet, ihr beiden!“, ging Lu dazwischen, bevor die Geschichte noch abenteuerlicher werden konnte. „Zum einen mal: Du magst das vielleicht nicht glauben, aber ich bin deinem Bruder immer treu gewesen“, sagte er zu Greta. „Und zum anderen: Wulf hat niemanden aus Eifersucht getötet, sondern um mich und dich zu befreien“, sagte er zu dem jüngeren Wulf.
      Greta sah überhaupt nicht so aus, als ob sie das glaubte, aber glücklicherweise wurden sie jetzt von einem weiteren Neuankömmling abgelenkt.


Es war Isaac, der vom Handelsposten kam und ungeachtet der Zuschauerinnen die Hüllen fallen ließ. Da waren erstmal alle am Starren, und sie starrten noch mehr, als er einfach und ohne mit der Wimper zu zucken ins eiskalte Wasser ging. Zu der Zeit hatten schon ein paar der Starrenden verlegen oder gesittet den Blick abgewendet, Wulf übte sich im grimmigen Bloß-Woandershin-Gucken, während Eris angestrengt versuchte, nicht im Boden zu versinken, und Lu tat so, als würde er den Horizont betrachten.


Es herrschte eine Weile Schweigen, bis Dana sagte: „Das muss doch kalt sein“, und die Spannung damit brach. Da wagten die meisten, wieder zu gucken, um sich zu vergewissern, dass der Todesmutige immer noch im eiskalten Meer war. Er war es. Bis zur Hüfte tief stand er im Wasser, die Hände so ausgestreckt, dass die Fingerspitzen gerade so die Wasseroberfläche berührten.
     „Was macht er denn da?“, fragte Malah und sah zu Wulf rüber, der es ignorierte.


„Er beten“, antwortete Eris verlegen an seiner statt.
     „Und dafür muss er ins eiskalte Wasser gehen? Nackt?“
     „Wir auf Insel leben“, erwiderte Eris ein bisschen kleinlaut. „Überall Wasser um Land. Wasser wichtig für Leben sein. Deshalb wir gehen in Wasser und beten, dass Kind des Wassers unser Insel nicht verschlingt und immer gut Fisch gibt.“
     „Du machst das also auch?“, fragte Hana sie, aber Eris schwieg bedrückt.
     „Warum sollten wir?“, war es Wulf, der grimmig für sie antwortete. „Wir sind hier auf keiner Insel. Das Land gibt hier Nahrung, und wenn es eine Flut gibt, gibt es noch genügend anderes Land, wohin man ausweichen kann.“
     „Na stell dir das mal nicht so einfach vor.“
     „Ich bin jedenfalls nicht so bescheuert, mir den Tod da draußen im arschkalten Wasser zu holen.“
     „Das sieht er aber anders“, sagte Hana und nickte zu Isaac.
     „Soll er doch.“ Wulf zog die Angel ein, obwohl ganz offensichtlich nichts angebissen hatte. „Ach, so wird das nie was! Habt ihr hier keine Harpunen?“
     „Wir haben Speere, falls du sowas meinst“, bot Malah an. „Aber sie sind Zuhause. Du müsstest Aan fragen.“


Wulf nickte, dass er verstanden hatte, dann ging er den Strand entlang Richtung Hügel. Lu musste jeden einzelnen Funken an Selbstbeherrschung bemühen, um ihm nicht zu folgen. Er fürchtete noch immer, dass Wulf wieder rückfällig werden würde. Dass er jetzt zurückging, um sich heimlich zu betrinken. Aber er hatte in den letzten Tagen bewiesen, dass er zu seinem Wort stand, und Lu wollte ihm vertrauen.


„Einer eurer Männer ist Zuhause geblieben? Ich dachte, all eure Männer sind auf die Jagd gegangen. Na, außer“, Gisa zeigte in seine Richtung, „er halt.“
     Zum Glück wusste Lu, dass Gisa, im Gegensatz zu Greta, die ihn noch immer mit bösen Blicken traktierte, das Schicksal ihres Bruders Wulfgar ziemlich am Allerwertesten vorbeiging und sie deshalb nichts gegen ihn hatte. Sie war einfach generell nicht sehr feinfühlig.
     „Aan passt auf unsere beiden Schwangeren auf“, rechtfertigte Dana ihren Schwiegersohn.
     Eigentlich war es ja so, dass Aan einfach kein Jäger war, das wussten sie alle. Jana, die wiederum mit den Jägern gegangen war, hatte ihn gar nicht erst gefragt. Für sie war es von vorneherein klar gewesen, dass ihr Gefährte nicht mitgehen würde.
     „Oh ja, ich habe von Wanda gehört, dass Rahns Frau schwanger sein soll“, sprang Sharla auf.


Und Mai, die bislang recht still gewesen war, fragte: „Stimmt es eigentlich, dass Nyota schwanger ist?“
     „Ja, das ist richtig“, bestätigte Malah ihr.
     Mai und die anderen beiden Frauen aus ihrem Stamm tauschten einen düsteren Blick miteinander.
     „Es gibt da dieses Gerücht, dass dieser Krieger sie… angefasst hat“, begann Lann vorsichtig. „Meine werte Schwiegertochter meint zwar, dass das nicht stimmt, aber ich würde es gerne bestätigt wissen. Für den Fall, dass er einem über den Weg läuft.“
     „Garrus hat Nyota nichts angetan“, erklärte Malah ernst. „Er ist der Vater des Kindes, das stimmt jedoch.“


Als die Gespräche jetzt wieder zum Erliegen kamen, drang etwas Unbestimmtes an ihre Ohren.
     „Was ist das? Hört ihr das?“, fragte Gisa.
     „Da singt jemand“, mutmaßte Mai, und als die Anderen jetzt die Ohren spitzen, war es auch deutlich zu hören.
     „Das mein Onkel sein. Wir immer singen wenn beten.“
     „Das hört sich ja schön an“, befand Dana nach einer Weile des Lauschens.
     „Ich wünschte, ich könnte auch so singen“, warf Sharla ein und erntete ein paar zustimmende Blicke.


Die nächste Zeit lauschten sie also Isaacs Lied, bis der sich dazu entschloss, aus dem Wasser zurückzukehren, um wieder alle Blicke auf sich zu ziehen. Diesmal nahm er sogar Notiz von ihnen, schaute überrascht, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass er gar nicht allein war. Dann lächelte er und winkte freundlich, während einige der Frauen amüsiert zu kichern begonnen hatten.


Eris war just damit fertig, den Mund empört aufzusperren. Mit einem Aufschrei ließ sie ihre Angel fallen und und rannte zu ihrem Onkel, der im nächsten Moment einen wahren Schwall von Worten über sich ergehen lassen musste. Dann bekam er seine eigenen Sachen vor seine private Körperstelle gehalten, bevor Eris ihn aufgebracht Richtung Handelsposten zog. Greta sammelte ihre Angel ein und steckte sie in den Sand.


„Also ich hätte ja nichts dagegen gehabt, wenn er noch ein bisschen geblieben wäre“, sagte Gisa, als Onkel und Nichte fort waren, und ließ die Augenbrauen tanzen.
     Dana klickte mit der Zunge. „Schäm dich, Gisa! Du hast doch schon einen Mann!“
     „Ach, hab dich nicht so! Man wird doch wohl noch gucken dürfen.“ Sie grinste. „Und als ob du nicht geguckt hättest.“


Da Dana schwieg, befand Sharla: „Er ist ein gutgebauter Mann, das muss man zugeben. Das hätte ich bei seinem recht feingliedrigen Aussehen nicht gedacht. Also wenn ich meinen Lenni nicht hätte, dann wäre ich wirklich versucht.“
     „Ist er denn überhaupt Junggeselle?“, wollte Gisa wissen.
     „Ja“, antwortete Tanna ihr ein bisschen missbilligend. „Seine Frau ist gestorben, soweit ich weiß.“
     Nicht, dass das die Damen interessiert hätte.
     „Lann, wäre er denn nichts für dich?“, schlug Sharla stattdessen vor.


„Nein.“
     „Gefällt er dir nicht?“
     „Nein.“
     „Was für eine Art Mann gefällt dir denn eigentlich?“, bohrte Sharla nach.
     „Rustikalere, aber ich bevorzuge meine Freiheit.“
     „Oho, und wer ist dieser „rustikalere Typ“?“, ignorierte Hana ihre Anmerkung mit einem riesigen Grinsen in Gesicht. „Etwa der guten Thorben, der dir dauernd Blümchen bringt?“
     Da horchten die üblichen Verdächtigen auf, aber Lann ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und befreite ungerührt zuerst ihre Angel von einem Wirrwarr an Algen, bevor sie antwortete.
     „Der „gute Thorben“ hat mir einmal Blumen gebracht, und ich habe ihn darauf hingewiesen, dass ich nichts für Blumen übrig habe.“
     „Wenn du dir wen aussuchen könntest“, warf Gisa ein, „wer wäre das?“
     Lann schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Tann.“


Tanna verschluckte sich beinahe. „Tann?“
     „Ja, Tann. Er ist ein respektabler Mann und immer ein guter Stammesführer gewesen. Was aber nicht heißt“, fügte sie bestimmt in Sharlas Richtung zu, „dass ich Interesse daran habe, mich mit Tann einzulassen. Nicht mit ihm und nicht mit sonst jemandem. Ich schätze meine Freiheit und mein Junggesellendasein. Also steckt eure Nasen in eure eigenen Angelegenheiten.“
     „Hm, dabei spiele ich doch so gerne die Verkupplerin“, bedauerte Sharla. „Eine Schande! Da haben wir allein zwei gutaussehende Junggesellen und keine Junggesellinnen. Was ist eigentlich mit dir, Tanna? Wäre dieser Isaac nichts für dich?“
     „Ich muss dich daran erinnern, dass ich Leah an meiner Seite habe“, erwiderte Tanna mit schwerlich verhohlenem Missfallen.
     „Ach, Papperlapapp! Das ist doch nichts!“


„Meine Schwester liebt Leah, und Leah liebt sie“, klinkte sich Lu in das Gespräch ein, als er sah, dass Tanna die Geduld verlor. „Die beiden sind Gefährten, und auch wenn du das nicht nachvollziehen kannst, solltest du das akzeptieren.“
     „Ich finde es viel mehr unheimlich romantisch, dass ihre Liebe sogar den Tod überdauert hat“, kam ausgerechnet von Mai, und sie brachte Tanna damit tatsächlich zum Strahlen.
     „Es ist trotzdem eine Verschwendung“, befand Sharla.
     „Was hältst du denn von ihm, Hana? Du bist ja auch noch alleinstehend“, lenkte Dana ab.


„Oh, ich würde ihn nicht von der Bettkante stoßen, das sag ich dir. Aber das ist vergebliche Liebesmüh, es bei ihm zu versuchen.“
     „Warum?“
     „Er ist ein Gutaussehender, das stimmt, und deshalb habe ich ihm natürlich auch schon mein „Spezialangebot“ gemacht, wenn ihr versteht, was ich meine. Aber er wollte gar nichts davon wissen, das müsst ihr euch mal vorstellen!“
     „Vielleicht gefällst du ihm einfach nicht“, mutmaßte Gisa und erntete dafür einen bitterbösen Blick von Hana.
     „Das ist es nicht allein, lass mich doch mal ausreden! Er hat es nicht nur abgelehnt, er hat richtig erschrocken reagiert. Und das war nicht nur bei mir so. Ich habe von Thorben gehört, dass er gesehen hat, wie er dasselbe bei der aufgeputzten Alten gemacht hat, die seit neuestem zu Gast bei uns ist.“
     „Naja, Thorben ist ein riesengroßes Klatschmaul, und der saugt sich auch gern mal Sachen aus den Fingern. Da wäre ich vorsichtig, was ich ihm glaube.“


„Wenn du mir nicht glaubst, dann frag Tann. Der war laut Thorben auch dabei. Und der hat nicht gezögert, die Alte danach abzuschleppen.“
     „Tann?“, kam wieder ungläubig von Tanna.
     „Hm-hm. Frag ihn ruhig. Deswegen“, Hana hob verschwörerisch den Zeigefinger, „glaube ich, dass dieser Isaac gar kein Interesse an Frauen hat.“
     „Du willst also sagen, er steht auf Männer?“, machte Lu belustigt den Fehler, sich einzumischen.
     „Na klar! Sonst hätte er mich ja nie abgewiesen.“
     „Vielleicht ist er einfach nur anständig“, warf Tanna ein.
     „Sowas wie anständige Männer gibt es nicht“, war sich Lann sicher.
     „So, wie es keine sittlichen Frauen gibt?“, ereiferte sich Lu. „So ein Unsinn! Alles beides!“
     „Na dann sag du uns doch, wie es ist“, schlug Hana vor. „Du bist doch hier der Experte, wenn es um Männerliebe geht.“


„Woher soll ich denn sowas wissen? Das steht niemandem ins Gesicht geschrieben, wen er liebt.“
     „Ja, aber irgendwie musst du doch erfahren können, ob ein anderer Mann Interesse an dir hat oder nicht.“
     „Tja, wie erfährst du es denn, ob ein Mann Interesse an dir hat?“
     „Naja, wie schon? Durch Blicke. Manche sagen es auch ganz direkt.“
     „Ja, siehst du, dieser Isaac hat mir weder seine ewige Liebe gestanden, noch mir verliebte Blicke zugeworfen.“ Er schnalzte genervt mit der Zunge. „Ganz ehrlich, wenn du es so genau wissen willst, dann frag ihn einfach. Das ist sowieso besser, als etwas anzunehmen, von dem man glaubt, dass es richtig ist, obwohl man keine Ahnung hat.“
     „Wo gehst du hin, Lu?“, fragte Tanna ihn, als er jetzt selber seine leere Angel einholte und fortging.
     „Nach Wulf schauen. Er ist schon viel zu lange weg.“


Sie sahen ihm beim Weggehen zu, dann herrschte einen kurzen Augenblick lang einträchtiges Schweigen, bevor Hana zu Greta sagte: „Hey, soweit ich weiß, versteht sich dein Bruder aber ganz gut mit ihm. Isaac hat jedenfalls oft von ihm erzählt, als wir zusammen unterwegs waren. Jetzt, wo er wieder Junggeselle ist – vielleicht wäre er ja was für ihn.“
     Und da horchte Greta wieder auf.


Die restliche Zeit, bis vor allen Dingen den Älteren das Stehen zu viel wurde, verbrachten sie selber mit Singen. Und sie brachten am Ende des Tages einen ordentlichen Fang nach Hause.
     Es war das letzte Mal, dass sie Lann lebend sehen würden. Drei Tage später war sie tot.


Während die Hausbewohner aus waren, um für Nachschub zu sorgen, hatte Aan es übernommen, den Wachhund für die beiden Schwangeren zu spielen. Nicht, dass er hätte mitgehen wollen. Es war nicht so, dass er nicht gerne bezüglich des Nachschubs geholfen hätte, aber da er ein Mann war, hätte es für ihn nun mal bedeutet, Jagen gehen zu müssen, wenn er nicht gerade den Status von Lu hatte, von dem niemand erwartete, dass er Jagen ging, oder er gerade einen Entzug wie dieser Wulf durchmachte.  


Eigentlich wussten ja alle, dass er kein Jäger war, aber er vermied es nach bestem Willen, überhaupt in die Verlegenheit kommen zu müssen, das auch zu bestätigen. Deshalb war er froh gewesen, dass er durch die beiden Schwangeren eine Möglichkeit erhalten hatte, das Gesicht zu wahren. Auch wenn er nicht wusste, ob er sich darüber freuen sollte, dass eine der Schwangeren seine Tochter war. Auf der einen Seite war das gut, weil er sich freute, mit ihr etwas Zeit verbringen zu können, auf der anderen Seite konnte er noch immer nicht fassen, dass sein kleines Mädchen schwanger war. Er wünschte nur, dass dieser Mistkerl von Garrus nicht feige davongelaufen wäre, denn dann hätte er ihm mal gehörig die Leviten gelesen, dass er seine Kleine angefasst hatte.
     Trotzdem waren seine Gedanken gerade nicht bei Nyota, und er verbrachte auch keine Zeit mit ihr. Er stand in der Küche, lief unruhig auf und ab und lauschte, ob sich draußen endlich etwas bemerkbar machen würde. In dieser Situation fand Nyota ihn vor.


„Was machst du denn hier, Vater? Willst du nicht zu uns ans Feuer kommen?“, bot sie an. „Da ist es auch schön warm.“
     „Ja, sicher.“ 
     Doch er bewegte sich kein Stück.
     „Du brauchst dir keine Sorgen um Mutter zu machen. Du weißt doch, dass sie eine begnadete Jägerin ist.“


„Ja, ich weiß“, erwiderte er ertappt, ließ endlich die Tür in Ruhe und wandte sich ihr zu. „Ich weiß, dass sie wahrscheinlich ein ganzes Rudel Wölfe im Alleingang besiegen könnte, aber… sie ist ja nicht allein, diesmal. Sie muss ja noch auf jemanden aufpassen“, fügte er hinzu, und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme vor Hohn beinahe so troff.
     Das entging auch Nyota nicht. „Du meinst Luis“, stellte sie fest.
     „Ja.“ Er unterbrach sich, warf einen wütenden Blick zur Tür. „Ich weiß auch nicht, warum sie ihn unbedingt mitnehmen musste. Er ist blind, verdammt! Er hat sowieso nichts davon, und jagen kann er so auch nicht! Am Ende wird Jana noch verletzt, weil er Wölfe anlockt und sie ihn verteidigen muss!“
     „Deswegen wollte er ja auch nicht mitgehen“, merkte Nyota an.


Aber Jana hatte ihn quasi dazu gezwungen, indem sie vor Aufregung und Enthusiasmus, dass sie zusammen Jagen gingen, beinahe übergelaufen war. Wenn sie so war, war es beinahe unmöglich, ihr etwas auszuschlagen. Das ging Aan ja nicht anders. Es ärgerte ihn nichtsdestotrotz.


„Dann hätte er vernünftig sein und hierbleiben sollen!“
     Nyota sah ihn jetzt forschend an, was ihm gar nicht gefiel. Er hatte sich zu sehr in Rage geredet.
     „Sag mal, Papa, bist du etwa eifersüchtig auf Luis?“
     „Natürlich nicht“, behauptete er. Doch Nyota schwieg dazu nur, sah ihn mit ihrem wissenden Blick an, dass er nicht anders konnte, als hinzuzufügen: „Na gut, es gefällt mir nicht, dass sie so viel Zeit miteinander verbringen.“


„Das ist nur so, weil Mutter es liebt, sich um Bedürftige zu kümmern. Das weißt du doch. Aber sie liebt nur dich.“
     Das wusste er. Ersteres zumindest. Aber er wusste auch, dass das der Grund war, warum Jana sich überhaupt in ihn verliebt hatte. Weil er, in ihren Augen, hilfsbedürftig gewesen war. Er wusste, dass Jana es liebte, ihn zu beschützen. Obwohl das völlig unnötig war. Er kam auch sehr gut allein zurecht. Er hatte sie dennoch immer in dem Glauben gelassen, dass dem nicht so war.


Doch jetzt war da plötzlich jemand, der – in ihren Augen – noch hilfsbedürftiger war als er. Sicher, Luis kam ebenfalls ganz ohne Hilfe aus, er war schließlich nicht erst seit kurzem blind, und er hatte auch nie den Hilfsbedürftigen gespielt, im Gegenteil. Aber seitdem er sich mit seinem Vater gestritten hatte, weggelaufen war und halb nach Pilzen süchtig und gebrochenen Herzens wieder heimgekehrt war, hatte er bei Jana den Status eines verletzten, hilflosen Welpens.  
     Was also hielt Jana davon ab, ihn jetzt einfach durch Luis zu ersetzen? Zwischen ihnen beiden lief in letzter Zeit kaum noch etwas, und auch sonst hatten sie so gut wie keine Gemeinsamkeiten. Die meisten Themen, über die er reden wollte, verstand Jana nicht, und andersherum wollte er nicht dauernd über Götter und solchen Humbug reden. Auch da harmonierte Luis einfach schlichtweg besser mit ihr, als er.
Ja, die Wahrheit war, dass sie sich kaum etwas zu sagen hatten, seitdem Jana ihr Trauma überwunden hatte.


Trotzdem zeigte er seine Furcht davor, dass seine Gefährtin ihn verlassen könnte, nicht weiter vor seiner Tochter. Er setzte ein beruhigendes Lächeln für sie auf und sagte: „Du hast recht. Komm, lass uns ans Feuer gehen. Du wirst bestimmt nicht mehr stehen wollen.“
     „So groß ist mein Bauch noch gar nicht“, schmunzelte Nyota. „Und angeschwollene Beine, wie Akara, habe ich zum Glück auch nicht.“
     Von einem unschönen Thema ins nächste. Aber dieses würde er erst recht nicht ansprechen, da es ein schweres Thema für Nyota war. Die Schwangerschaft hatte nur ein gutes: Es hatte Nyota die Lebensfreude zurückgegeben und sie wieder zu ihnen geführt. Immerhin das war etwas, worüber er froh war.
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Ich hatte lange überlegt, ob ich dieses Kapitel überhaupt bebildern oder stattdessen später nur Tanna eine kurze Zusammenfassung geben lassen sollte. Vor allen Dingen, da mir die Bilder diesmal unglaublich viele Nerven gekostet haben. Da ich keine Accessoire-Angel finden konnte, konnte ich keine Posen machen und musste mich darauf verlassen, dass die Sims beim Fischen hoffentlich machen, was ich von ihnen will. Also durfte ich den Damen (und beiden Herren) quasi stundenlang beim Fischen zusehen. 
     Irgendwann, als es dann zu dunkel wurde, habe ich wie immer die Zeit zurückgedreht, aber das hat nur dazu geführt, dass die Fischer plötzlich aufgehört haben, miteinander zu reden. Ich musste die Zeit erst über 24 h vorstellen, damit es wieder hell wird UND die Sims miteinander redeten. Nur, dass sie dann in einer Tour Fische dabei aus dem Wasser gezogen haben, weil das Spiel ihnen eben den Fang von 24 h auf einmal geben wollte. Also hieß es, allen  das Fischen abzubrechen und nochmal neu den Befehl zu geben. Nur dass sie dann meinten, neue Positionen einzunehmen und querbeet standen. Argh! Dass es zwischendrin abgestürzt ist und ich die Szene nochmal aufbauen durfte, will ich gar nicht erwähnen... 
     (Ein kleiner Tipp am Rande: Nachdem meine Ladezeiten inzwischen über 45 Minuten betragen haben (trotz gemergten CC und aufgeräumten SNAP-Dateien), habe ich ein bisschen herumprobiert, wie bspw. bei Nachbarn zu speichern, die nur 2 Sims im Haushalt hatten, aber das hat nichts gebracht. Letztendlich habe ich meine drei Haushalte, die größer als das vom Spiel normalerweise erlaubte Maximum waren, in mehrere max. 8-Sim-Haushalte aufgesplittet, und siehe da, die Ladezeiten verkürzten sich auf knapp 5 Minuten. Das macht einen Absturz wenigstens nur halb so bitter, und mit dem MC kann ich Sims glücklicherweise schnell hin und  her schieben. Der einzige Nachteil ist halt, dass es die versprochenen Wünsche frisst, aber da bin ich noch nicht verzweifelt genug, um mir einen Mod für zuzulegen.)
     Ich musste jedenfalls ab und an mal ein paar Posen ohne Angel einbauen (was total doof kam), damit es überhaupt funktionierte. Und wegen all dem bin ich auch alles andere als zufrieden mit den Bildern (vor allen die letzten Angelbilder), aber habe mich letztendlich doch dazu entschieden, das Kapitel zu posten. Ich hoffe, ihr seid nicht zwischendrin eingeschlafen (ich habe auch nicht vor, nochmal sowas zu machen). Naja, nächstes Mal geht es dann mit den Jägern (und Jana!) weiter. Und weil es bei denen auch nicht so rund läuft, gibt es sogar zwei Kapitel auf einmal.
 
Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen, ich verabschiede mich, und passt auf euch auf! 

Mittwoch, 6. Januar 2021

Kapitel 130 - Isaac von Lao-Pao


Die nächsten beiden Tage legte sich der Wind ein wenig, doch der Schneefall blieb.
 

Lu erholte sich langsam wieder, aber Wulf, der scheinbar sein Versprechen gehalten und nicht mehr getrunken hatte, seitdem er Lus Sohn geworden war, litt in jener Zeit heftig unter seinem Entzug. Er war deprimiert, gereizt und höchst aggressiv. Deshalb zog er sich oft ins Kinderzimmer zurück, wo er allein sein konnte. Glücklicherweise waren die anderen Hausbewohner dabei umsichtig genug, ihn in Ruhe zu lassen.


Alle außer Wulfgar. Wann immer sein jüngerer Namensvetter einen ganz besonders schlimmen Anfall hatte, in dem er seinen Unmut sogar am Mobiliar ausließ, war er zur Stelle. Nicht nur einmal versuchte der Ältere, mit dem Jüngeren zu reden, doch lag es nun an den falschen Gesprächsthemen, am Entzug oder an persönlichem Missfallen, jedes einzelne Gespräch verlief recht einseitig und laut, manche würden es auch ausgewachsene Streits nennen, die beide nicht nur einmal miteinander führten.


Isaac derweil kam nicht mehr zu Besuch, seitdem Wulfgar zurückgekehrt war, weshalb der schließlich beschloss, zum Handelsposten hinunter zu gehen und dem alten Freund einen Besuch abzustatten. Dabei nutzte er die Chance, als Tann zu seinem allabendlichen Treffen mit jenem aufbrach, um sich ihm anzuschließen.

 
Als sie eintrafen, wartete Isaac bereits. Er stand am Fenster und sah hinaus. Tann rief ihn, um auf sich aufmerksam zu machen, und da drehte er sich um, lächelte.
     „Hallo, Tann.“ Dann wurde er auf Tanns Begleitung aufmerksam und sein Lächeln wurde gezwungen. „Und Wulfgar. Du bist auch da.“


„Jup, bin auch da“, gab Wulfgar unberührt zurück, nahm sich die Freiheit heraus, einen Stuhl von einem nahegelegenen Tisch zu nehmen und sich zu setzen. „Ich war die letzten Tage schon mal hier, hab dich aber nicht angetroffen. Deswegen dachte ich, schau ich mal bei eurem Stammtisch vorbei.“
     Die Wahrheit war, dass Wulfgar den Anderen schon ein paarmal aus der Ferne gesehen hatte, doch es kam ihm so vor, als wenn Isaac ihm aus dem Weg ging.
     „Naja, einen Stammtisch würde ich es nicht gerade nennen“, klinkte sich Tann ein, der überhaupt nicht bemerkte, was vor sich ging. „Die Anderen sind immer noch nicht zurück, wie ich sehe.“ Er wartete Isaacs Kopfschütteln ab, seufzte dann. „Dabei hatte ich gehofft, dass wenigstens der andere Händler endlich zurückgekehrt ist. Alins Neffe. Das würde nämlich bedeuten, dass endlich Nachschub angekommen ist. Naja, ich gehe dann mal die Getränke holen. Davon haben wir immerhin noch genug. Trinkst du auch einen mit, Wulfgar?“


Wulfgar nickte, und Tann ging zur Bar hinüber, warf ein paar Münzen in den Topf unter der Theke und bediente sich am Bier. Er kehrte mit einem ordentlich vollen Krug zum Tisch zurück, wo sich die anderen beiden noch immer in Schweigen übten. Wulfgar ließ gerade eine leere Nussschale tanzen, die er auf dem Tisch gefunden hatte, und Isaac warf unbehagliche Blicke umher.
     „Was ist? Kommst du her?“, sagte Tann zu ihm, als er bemerkte, dass er noch immer am Fenster stand.


Isaac kam zögerlich an, ließ sich neben Tann, Wulfgar gegenüber, nieder. Tann goss ein, genehmigte sich erstmal einen ordentlichen Schluck und wischte sich den Schaum vom Bart.
     Als immer noch niemand redete, ergriff er wieder das Wort. „Und Alin ist immer noch zu sehr mit Lulu beschäftigt, um uns zu beehren?“, fragte er Isaac, der nur mit einem zaghaften Lächeln antwortete.


„Ach, lass sie doch!“, warf Wulfgar ein. „Du weißt doch, wie sowas ist. Kannst du es ihm verdenken?“
     „Hey, wir reden hier über meine Schwester!“
     „Hm-hm“, machte Wulfgar amüsiert, schenkte sich ebenfalls ein und trank. „Und ich weiß auch noch, wie ihr Brüder damals mit grimmigen Gesichtern vor mir standet, als ihr erfahren habt, dass wir zusammen ein Kind bekommen wollten. Aber am Ende habt ihr doch nichts gemacht.“
     „Naja, das mit dir war ja auch was anderes. Das haben wir dann ja auch kapiert. Du warst anständig.“
     „Alin ist auch anständig“, erinnerte Wulfgar.
     „Mag sein. Aber man kann nie vorsichtig genug sein. Es geht hier schließlich um meine kleine Schwester. Nachdem unsere Eltern tot sind, ist es unsere Aufgabe, auf sie Acht zu geben. Und du weißt, wie viele Schweinehunde es da draußen gibt.“


„Ich weiß. Ich weiß. Versteh mich nicht falsch, ich bin völlig auf eurer Seite, wenn Alin sie schlecht behandeln sollte. Sie ist schließlich auch für mich Familie. Und ich weiß ja, wie das mit Lulu ist. Sie ist viel zu leichtgläubig.“
     Einen Moment verbrachten sie mit Schweigen, was Wulfgar dazu nutzte, auszutrinken und nachzuschenken, während Tann dabei zusah, wie sich ein weißer Ring aus feinem Schaum in seinem Bier bildete.


„Man hat immer den Drang, sie zu beschützen, was?“, fuhr Wulfgar schließlich fort.
     „Ja. Sie war immer unser Nesthäkchen. Ich werde nie vergessen, wie klein und schwach sie nach ihrer Geburt gewesen war und wie alle ganz bedrückte Gesichter gemacht hatten, weil es so aussah, als würde sie es nicht schaffen. Von meinem Vater kannte ich das schon, aber meine Mutter hatte ich nie zuvor so gesehen. Als Stammesführerin musste sie immer stark sein. Damals ist sie ja auch fast gestorben.“ 
     Er lehnte sich zurück, sah einen Moment zur Decke hinauf. „Doch dann hat es Lulu ja zum Glück geschafft. Du musst mal Lu danach fragen; der kann dir erzählen, wie er ihr Namenspate wurde.“


„Ja, die Geschichte kenne ich schon“, erwiderte Wulfgar ernst, bevor er plötzlich bedrückend still wurde.
     Tann sagte daraufhin auch nichts mehr. Er konnte sich schon denken, dass das ein schweres Thema für den Anderen war. Also schwieg er lieber und trank.


Und als er seinen Becher wieder absetzte, fiel ihm erstmals auf, dass Isaac, der sonst eigentlich ein redseliger Geselle war, auffallend schweigsam war. War Wulfgar nicht eigentlich mitgekommen, um mit ihm zu reden? Er warf einen unauffälligen Blick zu jenem und sah, dass auch er plötzlich merkwürdig war. Er schien Isaac anzustarren, kam es ihm vor.
     Plötzlich fühlte sich Tann ein bisschen fehl am Platze. Irgendetwas ging hier vor sich, das er nicht verstand.


„Ähm, ich glaube, ich gehe mal eben austreten“, erklärte er unbehaglich und stand auf.
     Wulfgar nickte ihm zu, aber Isaac sah jetzt so hilflos aus, dass Tann sich fragte, ob er nicht doch bleiben sollte. Aber er tat es nicht. Er verließ die unangenehme Szene und schlüpfte hastig in die Kälte der Nacht hinaus.


„Weißt du, ich würde ja den ganzen Abend hier sitzen und dich anstarren, bis du von dir aus erzählst, aber ich fürchte, dass wir nicht die Zeit dazu haben werden“, fing Wulfgar an, kaum dass Tann gegangen war. „Tann kommt gleich zurück, und ich würde das gern mit dir allein klären.“
     Wulfgar ließ dem Anderen einen Moment, doch der entschied sich, weiter zu schweigen.
     „Gut, du willst nicht mit mir reden, das habe ich schon verstanden. Letztens schon, als ich dich gerufen habe und du einfach abgehauen bist.“ 
     Wieder ein Moment, wieder keine Antwort. 
     „Komm schon, Isaac! Rede mit mir! Ich habe schon mit deinem Jungen drüber reden wollen, aber der hat mich nur angeschrien, dass ich… ähhh… ihn in Ruhe lassen soll, um es mal nett auszudrücken.“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Güte, was ist denn passiert, dass der kleine, liebenswürdige Wulf von damals zu so einem… wütenden Kerl geworden ist?“


„Ich weiß es nicht“, ließ Isaac endlich hören, während er weiter die Tischplatte anstarrte. „Ich schätze, ich habe einfach als Vater versagt.“  
     „Und deswegen hasst er dich jetzt, dass er sich einen neuen Vater gesucht hat?“
     Für einen klitzekleinen Augenblick war da endlich mal etwas anderes als Betretenheit auf Isaacs Gesicht zu sehen: Unmut. „Es sieht so aus.“
     „Und das ist echt alles?“
     „Was willst du denn noch hören? Ich war nach Shanas Tod nicht genügend für ihn da, als er mich gebraucht hat. Deshalb ist er wütend und deshalb hasst er mich.“


Wulfgar fixierte ihn eine Weile schweigend mit Blicken, während Isaac weiter Löcher in den Tisch zu starren versuchte. Dann sagte er: „Lüg nicht, Isaac!“
     Isaacs Augen zuckte kurz zu ihm. „Wie kommst du darauf, dass ich lüge?“
     „Willst du mich für dumm verkaufen? Ich kenn dich gut genug, um zu wissen, dass du einen nie in die Augen siehst, wenn du flunkerst. Auch wenn du nie ein großer Lügner warst. Ich hätte auch nicht gedacht, dass du in so einer Situation lügen würdest. Dass du mich anlügen würdest.“


„Dann kennst du mich anscheinend nicht so gut, wie du dachtest“, gab Isaac grimmig zurück, und endlich sah er ihn mal an.
     Doch Wulfgar ließ sich nicht von der Provokation ablenken. „Was ist also jetzt passiert? Du weißt es, also erzähl diesmal die Wahrheit!“
     „Du sagst, du hättest verstanden, dass ich nicht mit dir reden will. Warum also respektierst du es nicht auch?“
     „Weil ich dein Freund bin, deshalb.“
     „Wenn du wirklich mein Freund bist, dann lass es gut sein!“
     Wulfgar hielt Isaacs grimmigem Blick auf gleicher Ebene stand, dann sagte er entschieden: „Nein. Das werde ich nicht tun.“


Isaac erhob sich schwungvoll, rief: „Hör zu, Wulfgar, ich sage dir, wie es ist: Ich werde wieder abreisen, sobald der Winter vorüber ist, und es liegt an dir, ob wir die Zeit bis dahin als Freunde verbringen oder nicht. Denn ich sage dir, wenn du es nicht endlich gut sein lässt und mir weiter damit auf die Nerven gehst, war es das mit unserer Freundschaft, und das würde ich sehr bedauern.“
     „Ich hätte gedacht, dass wenigstens du vernünftig bist, aber ich sehe schon, woher dein Junge seine Sturheit hat“, erwiderte Wulfgar und erhob sich ebenfalls. „Ich würde es auch sehr bedauern, wenn unsere Freundschaft in die Brüche gehen würde, doch ich nehme es in Kauf. Also sag mir, was ist passiert?“
     „Das geht dich nichts an!“


„Das geht mich seit dem Moment etwas an, seitdem du mich zum Namenspaten deines Erstgeborenen gemacht hast! Du, Shana und Wulf, ja auch Kane und Ayra, auf die du mich damals gebeten hast, Acht zu geben, ihr seid vielleicht nicht meines Blutes, aber ich habe euch seitdem trotzdem als Familie gesehen. Und du kannst nicht von mir verlangen, dass ich mich raushalte, wenn meine Familie zerfällt!“
     Isaac war bei seiner Ansprache erstarrt, jegliche Wut war wie weggewischt aus seinem Gesicht. Eine ganze Weile tat er nichts anderes, als ihn erschrocken anzustarren, dann wandte er sich ab und ging zum Fenster hinüber, schaute eine Weile schweigend hinaus.


„Meinst du das wirklich?“, fragte er schließlich.
     „Ich meine immer, was ich sage.“
     Isaac warf ihm einen Blick über die Schulter hinweg zu, lächelte wehleidig. „Das freut mich, ehrlich. Das sah ich nämlich ebenfalls immer so.“ Er schaute wieder zum Fenster hinaus. „Du warst immer mein einziger Freund, weißt du das eigentlich? Und seitdem du fortgegangen bist, habe ich niemanden außer meinen Geschwistern und meinen Kindern mehr im Dorf gehabt.“


„Echt?“, war Wulfgar irritiert. „Ich hatte immer den Eindruck, dass du beliebt in deiner Heimat warst. Jeder hat immer nur gut von dir gesprochen. Du warst sowas wie das Herzstück des Dorfes, kam es mir vor.“
     Isaac lachte freudlos, wie Wulfgar es gar nicht von ihm kannte. „Oh, du hast ja keine Ahnung! Das war ja auch, nachdem sie dachten, dass ich mir das „Hirngespinst“ aus dem Kopf geschlagen habe, wegzugehen. Nachdem ich „endlich vernünftig geworden bin“ und eine Familie gegründet habe.“
     „Das musst du mir jetzt aber erklären.“
     Isaac zögerte ziemlich lange, bevor er sich dazu durchrang, zu erzählen.


„Ich hasse es wirklich, dies zu sagen, aber es ist Tatsache, dass ich viele Dinge ersonnen und verbessert habe, die das Leben der Dorfbewohner erheblich verbessert und vereinfacht haben, kaum dass ich herangewachsen war. Sei es beim Fischfang, beim Boots- und Hausbau, oder dem Schmieden. Ich habe Gifte und deren Antidote erforscht, und Medizin für das Leuchtfleckenfieber gefunden, bevor ich überhaupt meinen Aufnahmeritus angetreten hatte. Du weißt das sicherlich, ich habe schließlich oft genug gehört, wie meine Eltern dich stolz mit den „Erfolgen ihres vom Schöpfer gesegneten Kindes“ behelligt haben.“


„Deswegen haben natürlich alle immer Großes von mir erwartet und sie haben mir eine glorreiche Zukunft vorausgesagt. Im Dorf natürlich. Nirgends anders. Aber du weißt ja selber, wie es ist, wenn einen die Ferne ruft. Ich habe mir immer schon vorgestellt gehabt, wie die Welt außerhalb unserer Insel wohl aussieht. Schon als Kind. Und schon damals habe ich mir fest vorgenommen gehabt, meine Heimat zu verlassen und fortzugehen. Doch als ich endlich alt genug dafür war und meinen Wunsch, fortzugehen, erstmals verkündet habe – oh, du hättest mal sehen sollen, wie sie darauf reagiert haben.“


„Sie haben mich schlimmer als einen Aussätzigen behandelt. Waren wütend und enttäuscht, haben mir Vorwürfe gemacht, wie ich doch nur das Dorf im Stich lassen könnte. Aber das hat nur dazu geführt, dass ich erst recht gegangen bin.“


„Doch damals ist mir mein Bruder nachgegangen. Kane war der Einzige, der versucht hat, mich zu überreden, zurückzukommen. Er sagte, dass alle traurig sind, dass ich fort bin und dass man mich im Dorf doch brauchen würde. Er hat das wirklich geglaubt. Du kanntest ihn ja, er war schon immer so gutgläubig. Er sagte“, und da musste Isaac plötzlich lachen „dass er dann mit niemanden mehr um den Posten des Häuptlings kämpfen könne, wenn ich gehen würde. Ich hätte zwar sowieso keine Chance gegen ihn, war er überzeugt, aber er wollte mich zu seiner rechten Hand machen. Damit wir das Dorf zusammen anführen könnten.“
     Danach war Isaac still, versunken in seinen Erinnerungen, und Wulfgar ließ ihm diesen Moment.


„Also bin ich zurückgegangen“, setzte er die Erzählung schließlich fort, und jegliche Freude war mit einem Mal aus seiner Stimme verschwunden. „Alle im Dorf haben dann so getan, als wäre nie etwas passiert. Sie haben es totgeschwiegen, als würde es dadurch nie wieder geschehen. Aber ich habe es nur kurz dort ausgehalten. Vor allen Dingen, als Eris zu uns kam und von der Außenwelt erzählte, wollte ich nur noch in die Welt hinaus und das alles mit meinen eigenen Augen sehen. Also habe ich mich wieder dazu entschlossen, fortzugehen.“


„Ich wollte beim zweiten Mal heimlich gehen, aber die anderen Dorfbewohner haben es trotzdem irgendwie mitbekommen und haben es diesmal auf dieselbe Weise versucht wie Kane. Mit dem Unterschied, dass Kanes Bitten und sein Bedauern ehrlich gewesen waren. Unter all den traurigen Blicken jedoch, die die Anderen mir zugeworfen haben, habe ich immer genau den Vorwurf gesehen. Es hat dennoch geklappt. Ich hatte ein unheimlich schlechtes Gewissen und bin auch diesmal geblieben.“


„Bis zu dem Vortag zumindest, an dem du in unser Dorf gekommen bist. Da habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin fortgelaufen.“
     „Du bist abgehauen? Ich hatte keine Ahnung… es hatte nicht so geschienen, als ob du gerade abgehauen wärst.“
     „Oh doch! Hast du dich etwa nie gewundert, dass die Menschenfresser mich gefangen hatten? Sie sind nie in unser Dorf gekommen. Du weißt ja, dass unsere Väter noch Teil von ihnen gewesen waren, und deshalb gab es so etwas wie ein unausgesprochenes Abkommen zwischen ihnen und uns. Sie haben uns in Ruhe gelassen, solange wir nicht eine bestimmte Linie im Wald überschritten haben. Wir haben ja sogar manchmal unsere jungen Leute für ihre Aufnahmerituale aufs Festland rübergeschickt, falls du dich erinnerst. Aber immer nur bis dorthin, wo es sicher war.“


„Ich aber habe an diesem Tag die Linie überschritten und sie haben mich prompt gefangen genommen. Das war leichtsinnig und dumm von mir. Es hat den Hass auf die Menschenfresser unter den jungen Leuten in unserem Dorf geschürt, weil sie mich beinahe getötet hätten, wie ich später erfuhr, und deshalb sind sie später auch mit dir gegangen, um sie niederzumachen, als du Rache für Mari genommen hast.“
     Er verstummte erneut einen Augenblick lang, in dem sein Gesicht voller Reue war, und diesmal dauerte es etwas länger, bis er weiter erzählte: „Und dann bist du aufgetaucht.“
     „Sie haben mich auch gefangen, meinst du wohl.“


„Als sie mich damals zur Schlachtbank geführt haben und ich gesehen habe, wie du mit Mari entkommen bist, war ich, ehrlich gesagt, neidisch und auch ein bisschen wütend, obwohl ich ja wusste, dass es Wahnsinn gewesen wäre, wenn du zurückgekommen wärst, nur um dich mit einem ganzen Stamm von Menschenfressern anzulegen, um mich zu befreien. Ich hätte an deiner Stelle wahrscheinlich auch lieber meine Haut gerettet, als sie für einen Wildfremden zu riskieren. Aber du hast das nicht getan.“
     Plötzlich starrte er Wulfgar mit großen Augen an. „Warum bist du nur nicht gegangen?“, fragte er ungläubig. „Warum bist du zurückgekommen, um mich zu retten, obwohl du mich nicht einmal kanntest? Ich habe mir diese Fragen danach immer und immer wieder gestellt. Es war für mich jedenfalls ein Zeichen des Schöpfers, dass du zurückgekommen bist. Dass du dich todesmutig in den Kampf gestürzt hast, um mich zu retten.“


„Naja, eigentlich war es der Tiger, der gekämpft hat“, merkte Wulfgar an. „Ich habe bloß die Chance genutzt, dich zu befreien.“
     „Es hat mich trotzdem tief beeindruckt. Dass du dein Leben für einen Quasi-Fremden aufs Spiel gesetzt hast. Dass ich gefangen wurde, nur um dich zu treffen, war für mich das Zeichen des Schöpfers, dass er dich mir geschickt hat. Dass ich dorthin gehöre, wohin du gehst. Also bin ich zurück ins Dorf gegangen und bin dort geblieben, als du es getan hast.“
     „Aber du hast mich doch erst in dein Dorf gebracht.“
     „Ich hatte keine andere Wahl. Wir konnten nirgends anders hin, als aufs Meer hinaus. Und ich wusste nicht, wie weit es bis zur nächsten, bewohnten Insel gewesen wäre. Ziemlich weit, wie sich im Nachhinein übrigens herausgestellt hat. Der Sturm kam auch noch hinzu. Außerdem war ja nicht von Anfang an klar, dass du auch dort bleiben würdest.“


„Unser Dorf ist eigentlich ziemlich verschwiegen. Doch du hast es trotzdem geschafft, die Leute dort für dich zu gewinnen. Und dann natürlich noch Eris, die auch dort war. Das konnte ich ja nicht wissen, dass sie Maris Tante war.“
     Sein Lächeln wurde plötzlich bitter. „Ich hatte mich dazu entschlossen, mit dir zu gehen. Wo auch immer du hingehst. Schon allein, um dir zurückzuzahlen, dass du mein Leben gerettet hast. Und als abzusehen war, dass du bleiben würdest, für Mari, da wusste ich, dass ich ebenfalls im Dorf bleiben würde. Dass dort mein Platz war.“


„Also habe ich mir eine Frau gesucht und eine Familie gegründet. Weil es das war, was von mir erwartet wurde.“


„Und es war ja auch alles recht erträglich, solange du da warst. Du warst der Einzige, der mich wirklich verstanden hat. Der Einzige, der mich nicht für meine Träume ausgelacht hat oder der wütend wurde und mir Vorwürfe machte, weil ich gehen wollte. Du warst schließlich genauso wie ich. Ein Mensch der Freiheit. Ein Entdecker. Ein Reisender.“ Sein Lächeln erstarb vollkommen. „Aber dann bist du gegangen, und ich bin selber schuld daran.“


„Du bist nicht schuld, dass ich gegangen bin, Isaac. Ich wäre sowieso gegangen. Ich konnte dort nicht bleiben. Alles in Lao-Pao hat mich an Mari erinnert. Deshalb bin ich gegangen.“
     „Ich weiß. Versteh mich nicht falsch, mir ist bewusst, dass ich nie wichtig genug für dich war, dass meine Meinung dich so weit beeinflusst hätte. Aber“, sagte er lauter und hob dabei eine Hand, um Wulfgars Einwand zu ersticken, „ich habe dennoch einen Fehler begangen. Ich habe dich, selbstgerecht wie ich war, für deine Rache verurteilt. Ich wollte dir natürlich nachgehen, als ich erfuhr, dass du weg warst, doch du hattest ja unser einziges Segelboot genommen und warst schon über alle Berge.
     „Kane hat mir gesagt, dass du ihm gesagt hättest, ich solle das Boot nehmen. Ich dachte, du wolltest mir damit sagen, ich solle verschwinden.“
     „Ich weiß, dass Kane dir das gesagt hat. Aber er sagte es nur, weil er wollte, dass du das schnelle Boot nimmst. Als Abschiedsgeschenk. Er wusste, dass du es nicht ohne meine Erlaubnis nehmen würdest. Und dass wir im Streit auseinander gegangen sind, habe ich immer bereut. Ich wollte nie, dass du fortgehst.“


„Seitdem hatte ich auch keine Freunde mehr. Niemanden mehr, der mich verstand. Meine Familie war alles, was mich noch auf Lao-Pao gehalten hat.“
     „Und deshalb hast du deine Heimat verlassen, als dein Sohn weggegangen ist“, stellte Wulfgar fest.
     „Das ist richtig. Meine Tochter, Mari – weißt du eigentlich von ihr?“
     „Ja, Luna hat mir von ihr erzählt.“


„Meine Tochter ist genauso wie ich. Es hat sie immer schon in die Ferne gezogen, und sie wäre früher oder später sowieso von Zuhause weggegangen. Da wäre nur noch meine Schwester auf der Insel gewesen, aber sie hat ja inzwischen ebenfalls ihre eigene Familie, falls du das mitbekommen hast.“
     „Habe ich.“


„Deshalb konnte ich die Insel getrost verlassen. Es hat mich nichts mehr dort gehalten.“
     „Und im Frühjahr willst du weiter reisen?“
     „Das weiß ich noch nicht so genau. Mal sehen. Eigentlich müsste ich ja nach Hause zurückkehren. Ich bin offiziell noch immer der Häuptling von Lao-Pao.“


„Obwohl eigentlich Ani das Dorf anführt“, lachte Wulfgar. „Das hätte ich damals nie für möglich gehalten. Sie war immer so schüchtern.“


„Ja, ich auch nicht. Kanes Selbstbewusstsein scheint auf sie abgefärbt zu haben.“
     „Er hatte ja auch mehr als genug davon“, lachte Wulfgar, bevor er wieder ernst wurde. „Tut mir übrigens leid um deinen Bruder. Ich bin ja aus allen Wolken gefallen, als ich hörte, dass er tot ist.“


„Das ging nicht nur dir so. Kane fehlt sehr auf Lao-Pao. Er war ein besserer Häuptling als ich es jemals hätte sein können. Er hat mich nie gebraucht.“
     ‚Niemand hat das je‘, dachte er bitter, sagte es aber nicht.


Wulfgar griff nach seinem Becher, hob ihn zwischen sich und seinen Gegenüber. „Er war ein guter Mann. Wir sollten auf ihn trinken.“
     Isaac nickte, sah dabei zu, wie Wulfgar zuerst sich nachfüllte, und ließ sich dann von ihm einschenken. Sie hoben die Becher, Wulfgar sagte: „Auf Kane!“, und sie tranken. Das Bier brannte ein bisschen in Isaacs leerem Magen und es wurde noch schlimmer, als Wulfgar hinzufügte: „Tut mir auch leid wegen Shana. Das muss schwer für dich gewesen sein.“


Isaac fühlte sich augenblicklich elend. Er musste sich zwingen, ein zustimmendes Geräusch von sich zu geben. Und Wulfgar war noch nicht einmal fertig mit ihm.
     „Also, erzählst du mir jetzt endlich, was da passiert ist? Bei dir und deinem Sohn – und Shana?“
     „Ich habe dir bereits alles gesagt“, wimmelte Isaac ihn wieder verschlossen ab und stellte den Becher ein bisschen zu heftig auf den Tisch.
     „Und wieder guckst du mich nicht an“, stellte Wulfgar missbilligend fest.


„Warum kannst du nicht einfach hinnehmen, dass es so ist? Dass ich ein schlechter Vater war?“
     „Weil ich weiß, dass das grober Unfug ist. Ich kenne dich, ich weiß, wie bescheiden du bist, aber als dein Junge damals geboren wurde, warst du stolz wie sonst was. Das werde ich nie vergessen. Du hast ja beinahe mit ihm angegeben! Also erzähl mir jetzt nicht, dass du nicht genug für ihn da gewesen wärst! Das ist genauso unglaubwürdig wie das, was Wulf meint. Dass du dich angeblich nicht für ihn oder deine Familie interessiert. Ich weiß, dass Familie bei euch an oberster Stelle steht, und ich weiß, dass besonders dir deine Familie immer das Allerwichtigste war. Sonst hättest du dich nicht immer um deine Schwester gekümmert, obwohl sie eine Ausgestoßene ist, und sonst hättest du mich auch nicht darum gebeten, mich um sie zu kümmern, falls dir was zustößt. Du würdest alles für deine Familie tun, also erzähl mir keinen vom Bären, sondern sag endlich, was Sache ist.“


„Ich… kann nicht.“
     „Warum nicht?“
     „Erwartest du ernsthaft eine Antwort darauf?“
     „Natürlich.“
     „Dann muss ich dich enttäuschen. Du wirst weder darauf noch auf deine anderen Fragen eine Antwort bekommen.“
     „Tja, dann musst du dich darauf gefasst machen, dass ich dich nicht in Ruhe lassen werde, bis du mir diese Antworten gegeben hast.“
     „Was willst du denn machen?“, lachte Issac höhnisch. „Die Antwort aus mir herausprügeln?“


„Wenn es sein muss.“
     „Du glaubst doch nicht, dass ich mich so einfach von dir verprügeln lasse?“, gab Isaac grimmig zurück.
     Wulfgar hob die Fäuste. „Dann wehr dich halt!“
     Isaac sah ihn aus zusammengekniffenen Augen heraus tödlich an, bevor auch er die Fäuste hob. Doch es kam zu keinem einzigen Angriff, da in diesem Moment die Tür aufging und Tann zurückkehrte, den die beiden Streithähne völlig vergessen hatten. Er kam an, als wüsste er schon, was Sache ist und stellte sich zwischen die Streitenden.


„Was macht ihr denn da?“, wollte er wissen. „Seid ihr bescheuert, dass ihr euch wie kleine Jungs prügeln wollt oder habt ihr schon so viel gesoffen?“
     „Ach, das ist nur ein kleiner Disput“, erklärte Wulfgar, machte aber keine Anstalten, den Disput auch zu beenden.
     Im Gegensatz zu Isaac, der jetzt seine Fäuste sinken ließ und sagte: „Nein, er hat recht. Das ist bescheuert! Ich werde mich nicht mit dir prügeln!“
     „Tja, dann verprügele ich dich halt.“
     „Tu dir keinen Zwang an“, tat Isaac unbeeindruckt. „Aber selbst wenn du mich windelweich schlägst, wirst du nichts erfahren.“


Wulfgar sah tatsächlich so aus, als hatte er vor, auf seinen Freund loszugehen, also ging Tann, der ein bisschen erschrak, erneut dazwischen und erinnerte: „Wulfgar, vergisst du da nicht eine Kleinigkeit?“, wofür er jedoch nur einen verwirrten Blick vom Angesprochenen erntete. „Hast du nicht erst letztens einem gewissen jemand versprochen, friedlicher zu sein?“


Wulfgar nahm daraufhin endlich die Fäuste runter. „Oh, ja. Stimmt.“ Er warf Isaac mit einem bösen Blick ab. „Da hast du nochmal Glück gehabt, mein Freund. Aber glaub bloß nicht, dass das schon vorbei ist. Ich komm nochmal auf dich zurück.“
     Isaac antwortete mit verbissenem Schweigen, also nickte Wulfgar Tann zum Abschied zu und verließ dann den Wirtsraum.


Nachdem er gegangen war, fiel die wütende Fassade sofort von Isaac ab. Er ließ die Schultern hängen und seufzte schwer.
     „Alles in Ordnung?“, fragte Tann ihn.
     „Ja. Es geht schon.“ Pause und erneut schweres Seufzen. „Ich hatte schon irgendwie damit gerechnet, dass es so kommen würde, wenn wir uns wiedersehen würden.“
     „Warum das denn? Ich dachte, ihr seid Freunde.“


„Deswegen ja. Wulfgar kennt mich einfach viel zu gut. Er weiß genau, was er sagen muss, um mich aus der Reserve zu locken.“ Und um ihm das zu entlocken, was er geschworen hatte, mit ins Grab zu nehmen. „Ich weiß ja auch, dass er es nur gut meint, aber er weiß einfach nicht, wann er es gut sein lassen muss. Er hat sich kein Stück weit verändert. Er ist immer noch sturer als ein Esel.“
     „Verstehe. Warum setzen wir uns nicht und du trinkst einen, dass du auf andere Gedanken kommst“, schlug Tann vor.
     „Tut mir leid, Tann, aber würde es dir etwas ausmachen, unser heutiges Treffen zu verkürzen? Ich bin ziemlich müde und würde gerne schlafen gehen.“


Auch wenn Tann das nicht wollte, sagte er: „Geh ruhig. Ich räume schon auf“, und dann sah er dabei zu, wie Isaac nach oben verschwand. 
     Er blieb allein zurück. Und während er den Rest seines Bieres trank und sich ans Aufräumen machte, musste er daran denken, was er gerade alles gehört hatte, was er eigentlich nicht hätte hören sollen.


Er hatte Wulfgar und Isaac die Chance geben wollen, ungestört zu reden, nachdem sie sich so lange nicht mehr gesehen hatten. Deshalb war er rausgegangen und hatte sich in der Kälte die Füße taub werden lassen. Doch obwohl er wusste, dass es sich nicht gehörte, war die Neugier zu groß gewesen und er hatte von draußen gelauscht, bis er gehört hatte, dass das Gespräch sich in einen handfesten Streit entwickelt hatte und er beschlossen hatte, wieder reinzugehen, um zu intervenieren.


Nur wusste er überhaupt nicht, was er von dem halten sollte, was er da erfahren hatte. Er hatte nie daran gedacht, dass Isaac bezüglich seiner Familiensituation lügen könnte. Was er wohl so sehr zu verheimlichen suchte?
     Er wusste es nicht. Alles was er wusste, war, dass er noch immer nicht glauben wollte, dass Isaac gelogen hatte und dass er den Anderen beschützen wollte. Er wollte ihm helfen. Und er war bereit, ihm mehr zu glauben als Wulfgar, den er doch eigentlich sehr viel länger kannte. Und er wusste nicht, warum das so war.


Oder warum es ihm plötzlich tierisch gegen den Strich ging, dass, als er am nächsten Abend zum Handelsposten hinunterging, Wulfgar schon wieder dort war und mit Isaac zusammen über irgendeinem Papier brütete.


„Eine Verbesserung fürs Segel, an der ich schon seit einer Weile arbeite“, erklärte Isaac auf Nachfrage. „Ich wollte das schon lange einmal ausprobieren und jetzt, da Wulfgar hier ist, um zu helfen, kann ich das endlich tun.“
     Tann hätte auch geholfen, wenn er nur gefragt hätte. Aber er wurde nicht gefragt.


Die nächste Zeit fragte ihn Isaac gar nichts mehr, verbrachte seine Zeit, wie schon in seiner Heimat damals, beim Tüfteln mit seinem alten Freund Wulfgar, mit dem er sich anscheinend wieder bestens verstand. Tann war nur noch ein fünftes Rad am Wagen, obwohl es nicht mal so war, dass die anderen beiden ihn bewusst ausschlossen.

 
 So kam es, dass er irgendwann aufhörte, abends zum Handelsposten hinunterzugehen. 
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Der arme Tann. Da hat er mit Isaac und seiner Stammrunde endlich eine feste Konstante in seinem Leben gehabt, die ihm die Freude zurückgegeben hat, und jetzt bricht ihm das auch wieder weg. Und das nicht mal, weil Wulfgar und Isaac ihn ausschließen, sondern weil Tann es selber tut. Stellt sich nur die Frage, warum er das tut. Und was es wohl ist, das Isaac so sehr zu verheimlichen versucht?
 
Die Bilder sind, wie ich schon vorletztes Mal erzählt habe, in mammuts Nimmerrwald entstanden, das ich endlich fertig bebaut habe. Also ich habe eigentlich nur 4 Grundstücke platziert und eine Armee an Bäumen, aber ich finde es trotzdem recht gut gelungen. Auch wenn jenen, die Wulfgars Geschichte nicht gelesen haben, wohl kaum ein Ort oder eine Person hier was sagt (und wahrscheinlich auch jene hier bei meinem doppelten Namenschaos nicht mehr durchblicken), möchte ich euch trotzdem noch auf eine kleine Rundreise mitnehmen:


Hier mal eine Übersicht, wo was genau gelegen ist. Wie immer kann man auf die Bilder klicken, um sie zu vergrößern.


Das Dorf, als es beinahe fertig war. Ich habe es mir immer sehr viel bunter eigentlich vorgestellt, aber wollte es schließlich doch ein bisschen realistischer halten. Mit sonnengebleichten Materialien, weshalb es letztendlich ein bisschen farbloser geworden ist. 
     Mal von rechts nach links: Ganz rechts ist der Vorratsschuppen, das große Haus ist sozusagen das Gemeindehaus für Versammlungen, wo auch der Häuptling (Abe und später Kane) und der Priester mit ihren Familien wohnen. Links daneben wohnte die göttliche Eris (Lunas Mutter). Daneben lebt die Familie von Shana (Isaacs Frau) und Lorna (die beiden sind übrigens Schwestern), das kleine Haus gehört Lau (dem Schnitzer) und seiner kleinen Familie, Yunns Großfamilie besitzt das Nächste, daneben ist die Schmiede, Isaacs Haus, und ganz außen das von Trinker Ao.


Ich habe dann nachträglich noch ein paar mehr Pflanzen hinzugefügt, dass es nicht so leer aussieht. Sowohl das Dorf als auch die Insel und der Priester (ist sein Titel) heißen übrigens Lao-Pao. Es bedeutet Sonne und Mond (ist selbst ausgedacht und von keiner mir bekannten Sprache inspiriert oder so).


Mal von weiter weg, Blick vom Hauptstrand, wo sie zum Fischen rausfahren, aufs Dorf, das im Hintergrund links zu sehen ist. Sogar mit Doppelregenbogen, was ich bislang noch nie so gesehen habe in S3.
 

 Hauptstrand mit den Booten. Bin ja total happy, dass ich die passend dazu letztens im Zoo gefunden habe, weil ich oft geschrieben habe, dass sie die Boote umgedreht in den Sand gezogen haben. Im Hintergrund sieht man die Heilerhütte vorm Dschungel.


Hier mal näher. Da hat Ani mit ihrem Vater, dem Heiler, gelebt, bis sie die Frau von Häuptling Kane und später selber inoffiziell Häuptling wurde und ins Dorf gezogen ist. Lorna hat inzwischen übrigens den Heilerposten übernommen und wohnt hier allein (ja, die damals eingebildete Diva Lorna).


Weg durch den Dschungel von der Heilerhüte aus. Wenn man dem folgt und irgendwann nach rechts abbiegt, geht es zu Ayras kleiner Hütte hoch. Isaacs und Kanes Schwester lebte ja als Ausgestoßene weit außerhalb des Dorfes.


Hier mal ihre Hütte, wo sie inzwischen mit Mann Yunn, der für seine Liebste dem Dorf den Rücken gekehrt hat, und ihren vier Töchtern als Ausgestoßene leben. Hier ist gerade ihre älteste Tochter Eris zu sehen (nicht zu verwechseln mit der göttlichen Eris, die Lunas Mutter war und die zu dem Zeitpunkt schon längst tot ist).


Blick von Ayras Hütte auf den Dschungel.


Hier sieht man Luna als Kind (links), die bei Ayra aufgewachsen ist, wie sie mit Klein-Abe spielt (Kanes und Anis Sohn). Zudem Klein-Wulf (rechts), der gerne zu Besuch bei seiner ausgestoßenen Tante Ayra war.


Weil ich immer von ihnen erzähle, mal Ayra und Yunn für euch (die beiden, die angezogen sind), und was Ayra und Wulf vom nackigen Kane halten. Das war ihre Reaktion, als ich sie alle aufs Grundstück gebracht habe. Ja, Wulf buht seinen Onkel aus. Es war an sich teils ziemlich anstrengend, die Sims immer zu zensieren. Nacktheit ist auf Lao-Pao ja ein Zeichen von Fruchtbarkeit und der Dazugehörigkeit zur Gemeinschaft. Deshalb dürfen auch nur fruchtbare und im Dorf lebende Erwachsene keine Kleidung tragen. Sie müssen es aber nicht, wenn sie nicht wollen.


Wie Isaac hier, der sich nach dem Tod seiner Frau dazu entschieden hat, Kleidung zu tragen, um zu symbolisieren, dass er gerade kein Interesse an einem neuen Partner hat. Es wird an sich aber eher als verpönt dort angesehen, wenn man das tut. Da Isaac jedoch eine ziemlich geschätzte Stellung im Dorf hat, darf er das schon mal. Ani hat deshalb später übrigens auch Kleidung getragen.
     Auf dem Bild sieht man Isaac mit seiner kleinen Mari.


Und am Ende noch ein Bild von der anderen Seite der Insel (dem Nebenstrand), wo Mari mal freundlicherweise mit dem Boot für uns rausgefahren ist. Jetzt, wo ich endlich mal Glück mit dem Wetter hatte und nicht alles grau ist, kommt auch der neue Mod gut zur Geltung, der schönere Himmelseffekte bewirkt. Ich finde das einfach wunderschön.
 
Nächstes Mal dann lässt der Schneefall endlich nach und es geht zum Fischen und Jagen hinaus. Nur wird nicht alles so reibungslos laufen, wie gedacht.
 
Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen, und passt auf euch auf!