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Sonntag, 17. Juli 2022

Kapitel 4 - Ein kleines Monster als Nachbar​


Hannah wich blitzartig zurück. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu, doch sie konnte die Augen nicht von dem bebendem Holz nehmen. Was ging hier nur vor sich? Träumte sie etwa immer noch? Instinktiv krabbelte sie auf allen Vieren rückwärts, bis sie mit dem Rücken an eine Kommode stieß. Die Tür immer gebannt im Blick. Und dann, ganz plötzlich, rief sie jemand und die Angst war von einer Sekunde auf die andere einfach von ihr abgefallen.
"Fräulein Garner? Fräulein Garner!"
Hannah erkannte die Stimme sofort, obwohl sie den Besitzer vor nicht einmal einer Stunde zum ersten Mal gesehen hatte. Erleichtert hechtete sie nach vorne und griff nach der Türklinke.​


Mit einem Ruck war die Tür offen und Gabriels kindliches Gesicht blickte sie besorgt an.
"Fräulein Garner", wiederholte er, "Ich habe Sie schreien gehört. Ist etwas passiert?"
Plötzlich kam sich Hannah furchtbar dumm vor. Ihr Verstand hatte ihr einen blöden Streich gespielt und sie dachte gleich, dass ein Ungeheuer vor ihrer Tür stehen würde! Wie albern! Wer sollte es denn schon gewesen sein, wenn nicht jemand aus der Familie oder dem Personal?
Sie lächelte peinlich berührt und strich sich ein paar lose Haarsträhnen hinters Ohr.
"Ich habe nur schlecht geträumt", antwortete sie hastig.​


Gabriel bedachte sie mit einem langen, prüfenden Blick. Seine klugen Augen schienen sie zu durchbohren, schienen alles zu sehen, alles zu wissen. Doch dann brach er den Blickkontakt ab, nahm wohl für wahr, was sie sagte und lächelte wieder.
"Kommen Sie! Ich dachte mir schon, dass Sie sich etwas von der Reise ausgeruht haben. Deshalb habe ich ihnen etwas vom Abendessen zurücklegen lassen", verkündete er freudig.​

 Hannah nickte zerstreut. Sein Lächeln hellte ihre Stimmung jedoch schnell wieder auf. Nach all dem Schrecken hatte sie nun auch einen riesigen Hunger bekommen. Gabriel machte Kehrt und lief den Gang zurück.
Hannah folgte ihm, nachdem sie sich schnell etwas übergeworfen hatte. Beim Hinausgehen fiel ihr auf, dass Gabriel das zerbrochenen Puppenhaus nicht bemerkt hatte und das hellte ihre Stimmung noch mehr auf.
Obwohl es bereits Nacht draußen war, hatte man die Kerzen in dem düsteren Gang nicht angezündet. Überhaupt war es seltsam, dass es in diesem reichen Herrenhaus noch keine Öllampen gab.
Gabriel kam vor ihr im Schein einer Kerze zum Stehen. Die einzige Kerze, die still und leise in ihrem Halter herunterbrannte, war ihr vorher gar nicht aufgefallen, obwohl sie die einzige Lichtquelle im Gang darstellte.​


Der Junge setzte seinen Weg fort, als Hannah ihn erreichte.
"Verschwinde!"
Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Dieses Flüstern! Diese Stimme! Abrupt blieb sie stehen.
"Verschwinde!", hauchte die Stimme ein weiteres Mal.​


Gabriel bemerkte, dass Hannah stehen geblieben war und auch, wo sie nun wie angewurzelt stand. Mit einem Satz war er bei ihr. Er drückte sein Ohr an das erleuchtete Holz der Tür zu ihrer Rechten.
"Aiden spinnt wieder. Hören Sie einfach nicht hin", erklärte er.
Hannah lief es mit einem Mal eiskalt über den Rücken. Hier wohnte also dieser seltsame Aiden! Und das auch noch ausgerechnet neben ihr! Ein weiterer Schauer jagte den ersten, als sie an seinen hasserfüllten Blick bei ihrem ersten Treffen dachte.​

 
Und dann, ganz plötzlich, war es ihr, als hätte jemand in ihrem Kopf eine verstaubte Tür aufgestoßen. Jetzt war ihr alles klar!
Diese Stimme! Aiden! Er war es alles gewesen! Sie wusste nicht, wie er es angestellt hatte, aber sie war sich todsicher, dass diese Stimme Aiden gewesen war. Und wenn er die Stimme war, dann war er auch all das andere gewesen!
Gabriel legte den Kopf schief und sah sie wieder prüfend an.
"Ist etwas nicht in Ordnung?"
Hannah schüttelte erschrocken den Kopf.
"Nein! Es ist alles bestens! Wirklich alles bestens!". Und das war nicht einmal gelogen.
Nach dem Essen musste sie unbedingt mal ein Wörtchen mit diesem Aiden reden. So konnte es schließlich nicht weitergehen. Sie war ja, leider, auch sein Kindermädchen.​

 
Das Essen verlief relativ schweigsam. Im Spiesesaal herrschte keine schöne Atmosphäre und Hannah fühlte sich bei jedem Bissen beobachtet. Und das lag nicht nur an Jerret hinter ihr oder Gabriel, der sie neugierig studierte. Der Raum war schlichtweg zu groß für den kleinen Tisch und zu unbeleuchtet, um als Spiesesaal genutzt zu werden.
Das war ja auch kein Wunder! Dieser Raum war früher schließlich einmal eine Galerie gewesen.​
 

Es zierten immer noch einige Portraits die rechte Wand, wenn diese auch die momentanen Besitzer zeigten. Doch diese Portraits waren nicht zu vergleichen mit denen, die zuvor hier hingen, sie waren so anders, dass es Hannah schmerzte. Die düsteren Gestalten, die aus ihren rahmenlosen Gemälden böse auf sie herabblickten, hatten nichts mehr mit den farbenfrohen Bildern zu tun, die sie so geliebt hatte. Nichts freundliches, kein Lächeln war zu sehen.
Hannah schlang ihren kalten Schweinebraten schnell herunter, während Gabriel etwas von einem toten Vogel erzählte, den er vorhin auf seinem Fensterbrett gefunden hatte. Der Braten war zwar mehr als köstlich, gar nicht zu vergleichen mit dem, was sie sonst immer zu essen bekommen hatte, doch plötzlich schmeckte er ihr nicht mehr. Sie war heilfroh, als sie diesen furchtbaren Raum endlich wieder verlassen konnte.​


Gabriel war nur sehr schwer abzuwimmeln und dazu zu bewegen, endlich schlafen zu gehen. Er wollte einfach überall mitmischen, überall dabei sein. Der Junge schien nicht oft herauszukommen, weshalb er einfach alles Neue neugierig in sich hineinsog.
Doch, als sie versprach, ihm etwas vorzulesen, willigte er letztendlich doch ein.
Von Gabriel erfuhr Hannah auch, dass sein Bruder Aiden nicht beim Abendessen aufgetaucht war und auch, dass es niemanden gekümmert hatte. Manchmal kam er zu den Mahlzeiten und manchmal eben nicht.
Außerdem schien Aiden auch keine festen Schlafenszeiten zu haben. Er ging ins Bett, wann er wollte. Oftmals hatte man ihn sogar die ganze Nacht durch den Garten streifen sehen. Nur Jerret hatte ihn bis jetzt dazu bringen können, vor Mitternacht wenigstens noch schlafen zu gehen.​


Nach einer Stunde hatte sich Hannah endlich von Gabriel loseisen können. Doch als sie nun schließlich vor Aidens Tür stand, wurde ihr mulmig zumute. Sie hatte sich noch gar nicht überlegt, was sie zu Aiden sagen sollte. Es würde ihr schon spontan etwas einfallen, hatte sie gedacht, doch eigentlich wusste sie überhaupt nicht, was sie sagen wollte.
Es hörte sich plötzlich albern an, einen kleinen Jungen für einen Irrtum ihrerseits zu beschuldigen, wie sie es auch drehte und wendete. Sie hatte noch nicht einmal Beweise dafür, dass er es wirklich gewesen war.
Ein Schaben von Innen ließ Hannah jedoch plötzlich aufschrecken.​
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