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Sonntag, 17. Juli 2022

Kapitel 8 - Nächtlicher Besuch​


An diesem Abend verließ Hannah mehr als nachdenklich das Abendessen. Sie hatte mit Gabriel einen schönen Tag verbracht und es kamen ihr nun immer mehr Zweifel an ihrem Vorhaben. Denn würde sie Gabriel nicht genau dasselbe antun, das man ihr einst angetan hatte? Wäre sie dann nicht keinen Deut besser als ihr Peiniger?
In Gedanken versunken hatte sie ihr Zimmer betreten und wäre beinahe in die Überreste des Puppenhauses getreten, die sie immer noch nicht beseitigt hatte. Und da fiel ihr schlagartig wieder ein, was sie sich an diesem Morgen noch vorgenommen hatte.
Denn heute Abend würde sie sich nicht von einem angeblichen Geist an der Nase herumführen lassen! Heute Nacht würde sie dieses böse Spiel endlich beenden.​


Eine Stunde später stieg Hannah in das himmlisch weiche Doppelbett und löschte das Licht. Sie hatte sich irgendwann nicht mehr auf ihr Buch konzentrieren können. Denn, wie sie sich eingestehen musste, war sie doch aufgeregt, was heute wohl auf sie warten würde. Wer hinter dem ganzen Spuk steckte.​


Hannah wartete. Und wartete. Obwohl sie nicht einmal genau wusste, auf was sie überhaupt wartete, tat sie es. Denn sie wusste, es würde kommen - früher oder später.
Ihre Augen suchten angestrengt, die plötzlich so drückende Dunkelheit nach einem Anzeichen von einem ungebetenen Gast ab. Die Kirchturmuhr läutete zweimal. Dann dreimal. Die Schatten auf dem Boden begannen zu wandern, länger zu werden.​


Schleichend griff der Schlaf mit langen Fingern nach ihr. Ihre Gleider fühlten sich schwer und dämmrig. Immer wieder nickte sie ein, um dann wieder aufzuschrecken. Und letztendlich den aussichtlosen Kampf doch noch zu verlieren.​


Der Ring fühlte sich falsch an. Er schmiegte sich so schwer an ihren bleichen Finger. Sollte es das jetzt gewesen sein? Hatte sie so einfach verloren?
Der Ring brannte. Sie drehte ihn nervös hin und her.
Seine Gefangene?
Er war heiß wie Feuer.
Für immer?​


Schreie in ihrem Kopf. Das Weinen der Mutter.
Wo bist du?
Der ungeheure Druck in der Brust.
Geh nicht weg!
Das Kratzen im Hals.
Rette mich!
Tränen. Wut. Hass.
Hilf mir!
Schreie. Sie schreit. Schreit aus voller Kehle. Verschwommene Gesichter vor ihr.
Hannah! Hannah!
Lachen! So glücklich und doch so schadenfroh.
Schwärze, Dunkelheit, so süß, so verlockend, so tödlich.
Will nie mehr aufstehen, will liegen bleiben, will sterben.​


Die hohe Standuhr ließ ihr tiefes, metallisches Läuten pünktlich um Mitternach schwer durch den kleinen Raum wehen und weckte sie unsanft. Sie war verschwitzt und fühlte sich ausgelaugt und dennoch war sie ruhig, immer noch schläfrig.​


Nur verschwommen nahm Hannah wahr, was sie sah. Ein unscharfes Leuchten, irgendwo in der Dunkelheit. Bewegte sich da nicht etwas vor den verwaschenen Fenstern?
Sie schallt sich, wach zu bleiben, doch inzwischen schlief sie wieder mehr, als dass sie wach war. Es war nur eine Sekunde. Ein Ruck und die Realität hatte sie zurück. Ein Schrei entfuhr ihrer trockenen Kehle, sie presste sich tiefer ins Kissen, als sie wieder Herr über ihre Sinne war.​


Es war so klar dieses Mal. Dieses Leuchten war kein urtümliches Wetterleuchten. Nein, das Licht formte Züge, ein unglückliches Gesicht und lange, wirre Haare.
Hannah japste nach Luft, um dann weiterzuschreien. Ihr Herz verkrampfte sich, der kalte Angstschweiß brach ihr auf der Stirn aus.​


Und dann die Augen. Sie starrten sie erbarmungslos an. Schienen sie zu durchlöchern, sie förmlich auszuziehen. Sie vergifteten sie, lockten, verführten. Hannah spürte, wie sich ihre Beine bewegten. Die Bodendielen an ihren nackten Füßen.​


Und dann stand sie dem Leuchten gegenüber. Starrte ihm in die toten Augen, die so voller Leben nach ihrem gierten. Alles verschwamm um sie herum. Ihre Beine drohten, nachzugeben. In ihrem Kopf schwirrte alles.​


Und dann, ganz plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, war alles vorbei. Ein Augenaufschlag und die Dunkelheit war wieder allein mit ihr.
Ihr Herz raste und sie keuchte erschöpft. Das Gefühl kehrte mit so unheimlicher Heftigkeit in ihre Glieder zurück, dass es schmerzte.
Und dann ein Scheppern, das den dunklen Raum erfüllte und ihr Herz ein weiteres Mal zusammenkrampfen ließ.
Doch dieses Mal reagierte Hannah sofort. Mit einem Satz war sie bei der Zimmertüre.​


Hektisch riss sie die Türe auf und sah sich in dem dunklen Gang um. Die Dunkelheit lag wie wabernder Nebel in dem engen Flur. Und mitten darin ein Stuhl. Ein Stuhl, den Hannah schon gut genug kannte. Ein Stuhl, der weggerutscht sein musste, als sich kleine Füße neugierig auf ihm ausgestreckt hatten. Wie zu erwarten war das Zuschlagen einer Türe zu hören.


Sie hatte die ganze Zeit Recht gehabt! Immer noch wusste sie nicht, wie er es geschafft hatte, aber er war es die ganze Zeit gewesen, der sie in Angst und Schrecken versetzt hatte. Er war es gewesen! Die ganze Zeit!
Mit einem Mal war die Angst verflogen und einer ungeheuren Wut in ihrem Bauch gewichen. Wütend marschierte sie zu der Nachbarstüre, riss an der Klinke und zu ihrem Erstaunen war sie diesmal nicht einmal abgeschlossen.


"Aiden! Du -"
Sie schnaufte, um sich zu beruhigen. Denn sie konnte nicht einmal sagen, was sie jetzt am liebsten mit ihm getan hätte.
Und der Junge saß nur auf dem Boden, mitten in dem gestreiften Zimmer, ein Kreis von Spielsachen um sich herum. Er zeigte keinerlei Reaktion, starrte nur zum Mond empor, der durch die dreckigen Fensterscheiben sickerte.
Festen Schrittes ging sie auf den Jungen zu. Nur keine Angst zeigen! Doch sie hatte keine Angst mehr, nein, das hatte sie nicht mehr! Immer wieder schalt sie sich, ruhig zu bleiben. Dennoch etwas grob packte sie den Jungen bei den Schultern, zog ihn auf die Beine und drehte ihn zu sich um.​


"Jetzt reicht es mir! Du wirst ab sofort mit uns die Mahlzeiten einnehmen! Und du wirst um acht Uhr schlafen gehen, wie dein Bruder!"
Sie schüttelte ihn leicht, bevor sie ihn mit zitternden Fingern wieder gehen ließ.
"Nur weil du in letzter Zeit ein paar gravierende Todesfälle in der Familie hattest, heißt das nicht, dass du dich hier so aufführen kannst! Und wenn ich dich noch einmal in meinem Raum erwische, dann kannst du aber was erleben! Und jetzt geh endlich schlafen, bevor ich mich vergesse!"​


Wütend rauschte Hannah aus dem Zimmer. 
Mit klopfendem Herzen und einer immer noch unbändigen Wut im Bauch, kam sie erst vor ihrer Tür wieder zum Stehen. Und erst jetzt bemerkte sie, dass sie am ganzen Leib zitterte.
War sie vielleicht zu hart mit dem Jungen umgegangen? Sie hatte es so auf der Straße gelernt. Es war dort die einzige Chance gewesen, zu überleben. Aber Aiden kannte dieses raue Pflaster nicht und war diese Umgangsformen nicht gewohnt.
Dennoch war sie im Recht! Der Junge, egal ob Sohn eines reichen Mannes oder nicht, durfte nicht einfach mit ihr umspringen, wie er wollte! So etwas zu tun! Sie so zu Tode zu ängstigen! Dazu hatte niemand das Recht!
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