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Sonntag, 17. Juli 2022

Kapitel 14 - Tausend Ohren​


Warum?​


"Ich habe Sie gefangen, Fräulein Garner! Und nun ist es Zeit, zu sterben!"
Gabriel lachte, doch sein Lachen klang schrill. Es war ein fremdes Lachen, dass tief aus ihm, das jemand anderes für ihn voller Freude ausstieß. Plötzlich hob das Wesen seine klauenbesetzte Hand.
Hannah hatte Angst, doch fühlte sich sich auch vollkommen ruhig. Stark und mutig. Denn sie wusste, dass ihr nichts passieren würde - jetzt zumindest nicht.
Etwas näherte sich ihr, etwas war hier. Um zu helfen? Ja, um zu helfen!​


Sie sah den Schein im vollkommen Dunkeln. Ihre Augen blickten nicht mehr, die Lider geschlossen, aber dennoch sah sie das Leuchten, war der Schein ganz deutlich da. Er erfüllte sie plötzlich mit Mut, betäubte jedes weitere Gefühl der Angst, der Unsicherheit. Sie vergaß alles um sich herum, war leicht, ihre geschundenen Knie auf dem kalten Steinboden. Ein Schrei, ein infernales Kreischen in dem endlosen Gang.
Ihre Augen öffneten sich wieder, sie waren regelrecht von der Dunkelheit geblendet. Und dann das Licht. Dorothea! Sie stand hinter dem Wesen, das einst Gabriel gewesen war und sah sie aus blinden Augen heraus an, sah nicht, sah alles. Ein Flüstern. Ein Kinderlachen, das von steinernen Wänden widerhallte. Und inmitten des Lachens der kleine Gabriel, der vor Schmerzen lauthals aufschrie.
Hannah sprang auf. Sie spürte ihre mechanischen Bewegungen, wie gesteuert rannte sie davon. Lief fort von der Angst und der wunderbaren Hoffnung, vom Verderben und der Rettung. Doch, wo sollte sie hin?​


Alle Gefühle stürzten mit einem Mal auf sie ein, als sie von der Dunkelheit des lauernden, stillen Hauses empfangen wurde. So heftig, dass die Tränen mit einem Mal aus ihr herausbrachen. Angst, Verzweiflung, Unwissenheit. Und die Frage, wo sollte sie nur hin, wo sollte sie sich vor diesem Monster verstecken? Sie hörte Dorotheas Stimme in ihrem Kopf, die sie noch nie zuvor gehört hatte.
"Geh!"
Doch wohin? Sie war nun wieder Herr über ihren Körper, doch sie hatte sich davor gefürchtet, hatte den Trancezustand so sehr herbeigesehnt, so sehr gewünscht, dass er bleiben würde, um sie weiter zu steuern. Ihr zu sagen, wo sie hingehen solle. Doch er hatte es nicht getan. Er war gegangen, wie alles in ihrem Leben.
Sie kauerte sich ängstlich neben den einzigen Lichtschein, der der wärmende Schein neben Aidens Tür war. Die kalte Wand stärkend an ihrem Rücken.
Dorotheas Geist würde Gabriel nicht ewig aufhalten können. Doch sie war nirgends sicher! Nirgends! Wo sollte sie sich da verstecken? Er würde sie doch überall finden, das wusste sie, obwohl sie überhaupts nichts mehr von ihm zu wissen schien.​


"Was soll ich nur tun?"
Hannah wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als um Hilfe zu bitten. Also tat sie es, obwohl sie niemand hörte und doch wusste, dass ihre Worte von zehntausend Ohren gehört worden.
Sie bat die Geister des Hauses um Hilfe. Eigentlich glaubte sie nicht daran, dass es helfen würde, aber wenn man vor einem nicht existierenden Wesen, vor einem Ungeheuer floh, war es das Vernünftigste, das Unvernünftigste zu tun. Denn in dieser Welt waren die Regeln anders. Schwarz war Weiß und Weiß war Grau.
"Bitte! Ich brauche Hilfe!"
Doch die fünftausend Münder der zehntausend Ohren schwiegen.
"Bitte! Ich... ich will nicht sterben!"
Plötzlich das Rauschen in ihren Ohren. Das Rauschen, das alles andere übertönte, sie taub für die Außenwelt machte und ihr dadurch ermöglichte, in sich hinein zu hören.
Fünftausend Stimmen sprachen zu ihr. Durcheinander, wirr. Sie verstand kein Wort. Wie sollte ihr das helfen?
Doch plötzlich kristallisierten sich Wortfetzen aus dem Durcheinander heraus, wurden klarer, verständlicher.
Gabriel sprach, Jerret's wildes Klopfen, Frau Morgen, selbst das Lachen aus ihrer Kindheit war zurückgekehrt. Und dann war da noch Aidens Stimme.​


Und der Wind, der ihr drohte, die Erkenntnis zu entreißen. Er schlug sie zur Seite, verfing sich in ihren Haaren und brachte das Feuer der kleinen Kerzen über ihr zum Schweigen.
Und plötzlich das Licht verschwunden, ließ sie mit der Dunkelheit allein. Die Stimmen in ihrem Kopf verstummten. Und Hannah wusste, dass sie nun in größter Gefahr schwebte.​
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