Neuigkeiten

Hallo und herzlich willkommen in meiner (Sims-)Wortschmiede!
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Neu hier? Dann hier anfangen.
Wulfgars Geschichte jetzt komplett online!

Montag, 16. Dezember 2019

Teil 5 - Rahn, Sohn des großen Tuck


 Zur Feier des zweijährigen Jubiläums von "Zeitalter" geht es heute mit Rahns Geschichte weiter. Viel Spaß beim Lesen!

Was bisher geschah:


Da ihr Stammesführer Minos für seine unbarmherzige Härte bekannt ist, entschließt sich Tannaharahna, später bekannt als Tara, wegzulaufen, als sie einen Fehler macht. Zuflucht findet sie in einer abgelegenen Gegend beim Zoth-Stamm. Doch der Preis dafür ist hoch: Dala, die Frau des Anführers des Zoth-Stammes, verlangt von ihr, ihr ein Kind mit ihrem Mann Tuck auszutragen, ohne dass der von der Abmachung weiß.
Tara stimmt zu, aber kaum dass sie schwanger ist, will sie ihr Kind nicht mehr hergeben. Doch ein Fluchtversuch misslingt und als Tara auch noch erfährt, dass Dala Minos‘ Tochter ist, ist sie gezwungen, ihren Sohn, Rahn, in den Händen von Dala zurückzulassen.


In voller Länge nachzulesen hier:




Meine erste Erinnerung ist die, wie dieser fremde Mann ankam, als ich gerade im Schnee spielte, und wie meine Mama ganz erschrocken aussah, ihn zu sehen. Er hatte genau dieselbe Haarfarbe wie meine Mama und ich habe auch geschimpft, als Mama anfing, mit dem Mann zu schimpfen.    

  
In meiner zweiten Erinnerung hält mich eine Frau in den Armen. Ich erinnere mich nur noch an ihr Lächeln. Sie hat immer so nett gelächelt, wenn sie mich gesehen hatte.


Und dann schließlich mein Vater. Ich erinnere mich, wie er vor mir stand und mir so riesig wie ein Berg vorkam. Mein Vater war ein großer Mann. Er führte einen ganzen Stamm an, nachdem die Leute mit seinem Bruder unzufrieden geworden waren und ihn zum neuen Anführer gemacht hatten, erzählte Mama. Er war so großartig, dass er sogar erlaubt hatte, dass sein Bruder Ur einen anderen Stamm gründen darf. So toll, dass er dieser Luma vom Uruk-Stamm Leute von sich gab, damit sie nicht mehr allein war.


So großartig und toll ist mein Vater, und ich bin Sohn. Sein einziges Kind. Ich heiße Rahn, und eines Tages sollte ich genauso werden wie mein Vater. Das Problem war nur, dass ich nicht daran glaubte, dass ich das schaffen würde.
     Es war nicht so, dass ich es nicht versuchte oder dass ich nicht so toll sein wollte wie mein Vater, aber ich schaffte es einfach nicht. Egal was ich auch tat, ich versagte immer nur, und dann schaute mein Vater mich immer so enttäuscht an. Ich hasste das. Deswegen schwänzte ich die Trainingsstunden mit meinem Vater manchmal. Ich wusste, dass ich deshalb Ärger bekommen würde, aber ich tat es trotzdem.


Dann ging ich meistens zum Ahn-Stamm rüber, wo mein bester Freund Ren lebte. Nachdem unsere Väter nicht mehr miteinander sprachen, durften wir das eigentlich auch nicht mehr. Aber wir taten es trotzdem. Nur so, dass es keiner merkte.


So wie jetzt. Ich kam an unserem geheimen Treffpunkt an, ein bisschen außerhalb von deren Lagerplatz, und Ren erwartete mich schon.
    „Das hat ja ewig gedauert!“, beschwerte er sich, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Er wusste ja selber wie das mit dem Rausschleichen war.


„Was wollen wir heute machen?“, fragte ich ihn stattdessen.
    Er grinste. „Ich hab doch letztens erzählt, dass ich wieder eine Schwester gekriegt habe, weißt du noch?“ Ich nickte. „Wird Zeit, ihr mal zu zeigen, wie gern ich sie hab.“
     Ren hatte drei Geschwister und er hasste es, weil sie sich nur stritten und die Kleineren ihn immer verpetzten.
     Er weihte mich jetzt in seinen Plan ein, und ich nickte, auch wenn ich ziemlich doof fand, was ich machen sollte.
 

Trotzdem ging ich zu ihrem Lager rüber. Da die Erwachsenen weg waren, war nur Rens Schwester Rin da, die auf die kleinen Geschwister aufpasste.


Als sie mich bemerkte, lächelte sie so komisch. Sie lächelte immer so komisch, wenn ich da war. Ren sagte, sie wäre in mich verknallt, und deswegen war ich eigentlich nicht so gern mit ihr allein.
     Ich grüßte sie, und sie teilte mir mit: „Ren ist nicht da. Er sollte mir beim Aufpassen helfen, aber er ist wieder abgehauen. Wie immer.“
     „Ich weiß“, flunkerte ich. „Ich hab mich vorhin erst mit ihm gestritten. Wir sind keine Freunde mehr. Deswegen bin ich hergekommen, um zu fragen, ob du meine Freundin sein willst.“


Da strahlte sie noch mehr, dass ich am liebsten abgehauen wäre. Aber ich blieb.
     „Au ja! Ich wollte immer schon deine Freundin sein!“, sagte sie, und ich sagte: „Klasse, dann komm mit, ich will dir was zeigen.“
     Ich wollte sie aus dem Lager locken, aber sie zögerte. Sie wollte keinen Ärger kriegen, weil sie nicht auf die Kleinen aufpasste.


Doch da ich ja jetzt ihr neuer bester Freund war, kam sie trotzdem.
     Ich brachte sie wohin, wo sie das Lager nicht sehen konnte und hoffte, dass Ren sich beeilte. Mädchen waren einfach unheimlich, fand ich.


Sie grinste jetzt wieder vor sich hin, als sie mich dazu bekam, anzuhalten. Ich hatte ja eh keine Ahnung, wo ich mit ihr hingehen sollte, und dann fragte sie auch noch hoffnungsvoll: „Was wolltest du mir eigentlich zeigen?“   
     Jetzt steckte ich ein bisschen in der Klemme, weshalb ich mich umguckte, ob ich nicht doch irgendwo was Interessantes sah. Und tatsächlich, da war ein Apfelbaum in der Nähe. Ich deutete erleichtert drauf, aber sie war skeptisch.
     „Ein Apfelbaum? Kannst du überhaupt klettern?“


 Ich hob einen Stein vom Boden auf und grinste nur als Antwort. Und dann zeigte ich ihr das Einzige, in dem ich wirklich gut war: Steinewerfen. Ich nahm mir natürlich schön viel Zeit zum Zielen, damit Ren endlich fertig wurde, und ich traf einen leuchtend roten Apfel für sie. Zwar schaffte ich es nicht, ihn zu fangen, aber sie freute sich trotzdem wie sonst was drüber. Ich besorgte mir auch einen Apfel, und dann hatte ich erstmal Ruhe vor ihr, bis wir aufgegessen hatten. Hoffte ich.


„Ich freu mich echt, dass wir jetzt Freunde sind“, sagte sie zwischen zwei Bissen. „Ich hab ja sonst nur meine Schwester und meine Brüder, und die sind nur zum Zanken gut.“
     Jetzt fühlte ich mich doch ein bisschen schlecht ihr gegenüber, also begnügte ich mich mit einem abgebrochenen Grinsen.


Die nächste Zeit war sie dann aber ruhig und als wir unsere Äpfel fertig hatten, kam glücklicherweise auch Ren endlich angerannt. Er bedeutete mir, zu ihm zu kommen, also ging ich. Aber Rin erinnerte mich daran: „He, ich dachte, ihr habt euch gestritten.“
     Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „Naja, aber das ist ja schon ewig her.“ Und dann fügte ich doch noch hinzu: „Entschuldige.“


Ich kam mir wirklich mies vor, sie da zurückzulassen. Ja, sie war ein Mädchen, aber trotzdem war es gemein, was ich da gemacht hatte. Wo sie doch keine Freunde hatte. Aber ich ging trotzdem zu Ren zurück. Ich wollte mich vor meinem Freund nicht blamieren. Vielleicht konnte ich später ja Ana dazu kriegen, ihre Freundin zu sein.


Ren, der gerade fertig mit Lachen war, fragte mich jetzt: „Was denn? Hast du etwa Mitleid mit meiner Schwester oder was? Die hat das voll verdient!“
      Ich konnte nicht verhindern, skeptisch auszusehen, da blieb Ren stehen und fragte: „Wessen Freund bist du eigentlich? Meiner oder ihrer?“
     „Wir sind natürlich Freunde“, versicherte ich. „Aber… naja, vielleicht solltest du mal ein bisschen netter zu ihr sein. Wo sie doch keine Freunde hat.“


„Ach, du hast doch keine Ahnung! Du hast ja keine Geschwister, du Glückspilz!“
     Ich hätte gerne welche gehabt, aber das behielt ich lieber für mich. Ren war auch so schon eingeschnappt genug, und er war mein einziger Freund. Außer ihm hatte ich nur noch Ana Zuhause, und Ana war eine doofe Ziege!
     „Musst du nicht nach Hause?“, war er jetzt beleidigt und erinnerte mich an etwas, an das ich lieber nicht erinnert werden wollte.
     Als Ren das merkte, war er immerhin nicht mehr sauer. Er meinte nur: „Sieh zu, dass du das nächste Mal früher wegkommst, damit wir mehr Zeit zum Spielen haben.“


Dann war er weg und ich war allein. Ich hatte echt keine Lust, nach Hause zu gehen, um mir meine Strafe abzuholen, aber leider hatte ich keine andere Wahl.


Also machte ich mich auf den Weg, und als ich gerade lustlos Steine vor mir her trat, erwischte ich jemanden voll am Schienbein damit. Ich überlegte, abzuhauen, blieb dann aber da, als ich sah, dass ich ein Mädchen getroffen hatte.


Eine Frau, besser gesagt. Sie hatte helles Haar und sie sah echt hübsch aus.
     „Entschuldigung“, sagte ich kleinlaut.
     Sie verzog das Gesicht vor Schmerz, aber dann lächelte sie, dass sie noch besser aussah.
     „Alles vergeben und vergessen, wenn du mir deinen Namen sagst.“
     Ich nannte ihr meinen Namen, und sie sagte: „Ich bin Ida.“ Sie schaute sich um. „Sag mal, Rahn, du bist ja bestimmt irgendwo Zuhause. Würdest du mich und meine Schwester dahin mitnehmen? Wir sind nämlich schon den ganzen Tag unterwegs und sind ziemlich müde.“

      
Da wurde ich auch auf das Mädchen aufmerksam, das hinter ihr stand und misstrauisch zu mir rüber sah. Sie war auch hellhaarig, aber sie war mir bis jetzt nicht mal aufgefallen.
     „Das ist übrigens Elia, meine Schwester“, stellte Ida vor.


Selbstverständlich nahm ich Ida und Elia danach mit nach Hause. Es hatte den schönen Nebeneffekt, dass die beiden meine Eltern davon ablenkten, dass ich heute mal wieder mein Training geschwänzt hatte. Zumindest kurz.


Während Ida meiner Mama gerade erzählte, dass ihr Stamm zu viele Frauen hatte und sie deswegen nach einer neuen Bleibe suchten, nahm mein Vater mich zur Seite. Sein düsterer Gesichtsausdruck verriet mir sofort, dass er die Sache mit dem Schwänzen blöderweise nicht vergessen hatte.
     „Du wirst das natürlich nachholen“, brummte er mir auf. „Und dazu wirst du unseren Gästen heute Abend unser Stammeslied vorsingen.“
     Auch das noch! Es reichte ja nicht, dass ich mir nichts merken konnte und das blöde Lied unseres Stammes unzählige Strophen hatte! Nein, jetzt musste ich auch noch singen! Vor Fremden! Wenn ich etwas noch weniger mochte als das Ausdauertraining, das ich heute hatte sausen lassen, dann Singen. Nur Bogenschießen war noch schlimmer.


Also verbrachte ich den restlichen Abend damit, Runden um unsere Höhle zu laufen und dabei zu versuchen, mich an das verdammte Lied zu erinnern. Meine Mama war vorher so nett gewesen, es mir noch einmal vorzusingen, aber ich hatte es natürlich schon alles wieder vergessen. Dass ich glaubte, inzwischen Feuer in meiner Brust zu haben, half da auch nicht gerade.


Dementsprechend verbrachte ich das gemeinsame Abendessen auf Kohlen und dementsprechend blamabel war dann auch meine Vorführung. Da brauchte ich gar nicht erst das gewohnt enttäuschte Gesicht meines Vaters zu sehen, die gewohnte Schadenfreue von Ana, oder das Mitleid von Ida, was ausnahmsweise mal neu war.
 

 Als mein Vater mich entließ, sah ich zu, dass ich wegkam und verschanzte mich in meiner ganz persönlichen Schmollecke. Ich war gerade dabei, es noch schlimmer zu machen, weil ich drauf und dran war, den Kampf gegen meine Tränen zu verlieren, als Mama mich fand.    


„Du hast das doch schon ganz gut gemacht“, versuchte sie es, obwohl sie wahrscheinlich selber nicht dran glaubte. Als ich sie ignorierte, fuhr sie fort: „Und wenn du weiter dein Bestes gibst, wirst du eines Tages so ein guter Anführer wie dein Vater.“
     „Ich werde nie so gut wie Vater…“
     „Natürlich wirst du das. Du darfst nur nicht aufgeben. Dein Vater konnte auch nicht von heute auf morgen plötzlich all das, was er heute kann. Er musste auch hart dafür arbeiten.“


„Er war aber bestimmt nie so schlecht wie ich!“, rief ich ein klein bisschen verzweifelt. „Egal, wie oft ich es auch versuche, ich werde nicht besser. Nirgendwo! Deswegen ist Vater auch immer nur enttäuscht von mir. Bestimmt hätte er lieber jemand anderen als Sohn“, fügte ich traurig hinzu.


„Das stimmt nicht, Rahn. Dein Vater sieht, dass du dich anstrengst. Wenn er enttäuscht ist, dann nur, weil du dich wieder vor dem Training gedrückt hast.“ Sie machte eine Pause und dann wurde ihr strenges Gesicht wieder ganz liebevoll. „Dein Vater will nur, dass du eines Tages ein guter Mann und ein guter Anführer wirst. Deshalb lässt er dich immer trainieren und ist so streng zu dir. Du bist sein ganzer Stolz und er liebt dich. Das weißt du doch, nicht wahr?“


Sie streckte endlich die Arme nach mir aus, also floh ich zu ihr, rollte mich in ihrem Schoß ein und genoss, dass sie mich tröstete. Ich wusste, dass sie das eigentlich nicht mehr machen sollte, weil ich ja kein Kleinkind mehr war, aber glücklicherweise sah uns ja niemand. Das war gut, weil ich jetzt irgendwie doch zu heulen angefangen hatte.
     „Ich werde deinen Vater bitten, dich statt des Trainings morgen bei den Näharbeiten mithelfen zu lassen; was hältst du davon?“
     Ich nickte und sagte ihr: „Danke, Mama. Ich hab dich lieb.“
     „Ich hab dich auch lieb, Rahn.“
     Ich war wirklich froh, dass ich meine Mama hatte.


Am nächsten Morgen saß ich also voller Tatendrang auf meinen Fersen in der Höhle und wartete darauf, dass Mama endlich kam. Mir gegenüber die doofe Ana, die sich noch immer nicht entscheiden konnte, ob sie jetzt genervt oder schadenfroh sein sollte, weil ich „zu Frauenarbeit verdonnert“ worden war, wie sie glaubte. Mir war das ja egal; ich freute mich einfach, dass ich heute mal einen ruhigen Tag hatte. Einen, wo ich nicht schon gegen Mittag völlig alle war oder eine krächzende Stimme oder Kopfweh und blaue Flecken überall hatte.


Ich überlegte gerade, ob ich Ana nicht mal fragte, ob sie Rins Freundin sein wollte, als Ida plötzlich ankam und sich zu uns setzte. Ihre Schwester, die nie was sagte und deren Namen ich schon wieder vergessen hatte, war auch dabei. Ida wechselte ein paar Worte mit Ana darüber, an was sie heute arbeiten würde, und dann drehte sie sich echt zu mir.


„Dein Lied gestern hat mir gut gefallen“, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln.
     Ich konnte nicht mal was dazu sagen, weil ich mich so schämte.
     „Es war furchtbar!“, lachte Ana, die doofe Kuh.
     „Ich fand es wundervoll“, meinte Ida und sie schien das echt ehrlich zu meinen. „Du wirst eines Tages bestimmt ein wunderbarer Sänger werden.“ Sie zwinkerte mir zu. „Und ein hübscher Mann.“


Sie war nett, fand ich. Ana machte jetzt ein würgendes Geräusch und Ida kicherte: „Warte nur, bis du erstmal erwachsen bist. Dann wirst du das bestimmt auch so sehen.“
     „Bäh! Ich werde Doof-Rahn ganz sicher niiiiiieee hübsch finden!“, war sich Ana jedoch sicher.
     Ich konnte gar nicht sagen, wie froh ich war, als Mama jetzt mit Anas Mama Ane auftauchte, bevor ich wirklich noch anfing, mich mit Ana zu streiten. 


Obwohl Mama extra mit ihm geredet hatte, fing Vater mich trotzdem nach der (langweiligen) Näharbeit ab, um mich zum Bogenschießen zu verdonnern. Ich stöhnte genervt, weil ich Bogenschießen am allermeisten hasste, aber er bestand drauf.


Da Vater gleich mit der Übung anfangen wollte, hatte ich auch keine Chance, abzuhauen. Ich stand also kurz darauf vor dem alten Baum, den wir als Zielscheibe benutzten, hatte meinen Bogen in der Hand und die Hosen ziemlich voll.


Natürlich ging der erste Schuss voll daneben, wie immer, und es wurde nicht besser, als ich merkte, dass ich plötzlich Zuschauer bekommen hatte. Da stand Ida am Rand und feuerte mich doch echt an. Mist!
     Ich versuchte also, ein bisschen besser zu zielen, aber meine Hand zitterte inzwischen so sehr, dass der Pfeil kaum ruhig bleiben wollte. Ich hasste Zuschauer.
     „Na los!“, hörte ich Vater streng rufen.


Ich schoss und schoss natürlich daneben. Ein Laut der Enttäuschung ging durch die Reihen. Klasse, Mama war jetzt auch da!


Ich strengte mich also noch mal richtig an, konzentrierte mich, atmete durch und alles. Aber es war wohl keine gute Idee, die Augen zuzumachen beim Schießen. Natürlich steckte der Pfeil irgendwo im Nirgendwo, als ich wieder hinguckte.


Jetzt kam Vater an, um mir zu zeigen, wie es ging. Ich schaute ganz genau hin, aber es wollte mir trotzdem nicht gelingen. Er schoss voll ins Schwarze, ich riss den Bogen im letzten Moment nach oben. Er tadelte mich, versuchte, es mir zu erklären, und ich wollte einfach nur noch weg von hier. Ich hasste das so sehr. Doch ich hielt durch. Ich hatte Mama ja versprochen, mein Bestes zu geben.


Ich kam aber zu keinem weiteren Schuss mehr. Plötzlich stand Ur vor uns. Der Bruder meines Vaters, und Rens Vater. Der war auch da. Ren. Er stand halb hinter seinem Vater und sah ziemlich unbehaglich aus. Da wusste ich schon, dass es Ärger geben würde.
     „Was willst du hier?“, begrüßte Vater seinen Bruder barsch.


„Dein Sohn“, sagte Ur und zeigte auf mich, „hat meine Tochter angemalt!“
     Vater schaute mich jetzt erschrocken an und ich konnte das nur erwidern.
     „Wir kommen gestern wieder und Lann ist ganz blau! Meine anderen beiden, Rin und Ren, haben gesagt, dass dein Junge gestern da war. Meine kleine Tochter hat noch kein Jahr gesehen! Was denkt sich dein Sohn nur dabei? Ich verlange, dass er bestraft wird!“


„Ist das wahr, Rahn?“, fragte jetzt auch mein Vater.
     Ich hatte ja gleich gewusst, dass es ein dämlicher Plan gewesen war. Ja, ich hatte Ren dabei geholfen, aber er war es gewesen, der seine Schwester in Heidelbeeren gebadet hatte. Das hatte ich nun davon! Und Ren schob die Schuld jetzt auf mich und versteckte sich hinter seinem Vater. Dieser Feigling!
     Natürlich hätte ich die Wahrheit erzählen können, aber auch wenn mein Vater streng war, wusste ich, dass Rens Vater noch sehr viel schlimmer war. Ren würde es nicht gut gehen, wenn rauskam, dass er es gewesen war.


Also setzte ich ein schuldiges Gesicht auf und sagte: „Ja. Ich war’s.“
     Ich traute mich gar nicht, meinen Vater anzusehen. Er versicherte seinem Bruder jetzt, dass ich gebührend dafür bestraft werden würde, während Ur sich darüber ausließ, dass er in meiner Erziehung versagte hatte, und dann waren die ungebetenen Gäste wieder weg.


Als es dann eine Weile still war, hörte ich auf, meine Füße anzustarren und wagte einen Blick. Aber ich bereute es sofort. Ich kannte es schon, wenn Vater wütend war, aber dass er gar nichts sagte und einfach nur enttäuscht aussah, war beinahe noch schlimmer. Sogar meine Mama, die mir sonst immer half, sagte diesmal nichts.   
     „Du wirst die Höhle die nächste Zeit nicht mehr verlassen“, eröffnete er schließlich, bevor er mich einfach stehen ließ.


Ich hatte versagt. Ich würde es ihm nie recht machen können.
__________________

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen