Was bisher geschah:
Da Dala vom Zoth-Stamm keine Kinder bekommen kann, bringt
sie Tara, die vor ihrem alten Stammesführer Minos auf der Flucht ist, dazu, ihr
ein Kind auszutragen. Und als Tara nichts mehr
davon wissen will, ihren Sohn Rahn abzugeben, erpresst Dala sie, sie an
Minos zu verraten. Tara hat daraufhin keine andere Wahl, als ihren Sohn bei
Dala zurückzulassen.
Rahn wächst also als Sohn von Dala und Tuck, dem Stammesführer vom Zoth-Stamm, auf. Eines Tages soll er es sein, der den Stamm anführt, doch es fällt Rahn schwer, den hohen Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Immer wieder hat er mit Rückschlägen zu kämpfen und nur der Liebe Dalas, von der er glaubt, dass sie seine wahre Mutter ist, und der jungen Reisenden Ida, die ihm verspricht, seine Gefährtin zu werden, wenn er ein guter Mann wird, ist es zu verdanken, dass er nicht aufgibt. Doch als plötzlich Dalas Halbbruder Lyca in die Gegend kommt, gerät Rahn in Gefahr, als er Zeuge des skrupellosen Mordes an Anas Mutter Ane wird. Rahn kann letztendlich zwar gerettet werden, verliert aber seine Erinnerung an den Mord.
Rahn wächst also als Sohn von Dala und Tuck, dem Stammesführer vom Zoth-Stamm, auf. Eines Tages soll er es sein, der den Stamm anführt, doch es fällt Rahn schwer, den hohen Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Immer wieder hat er mit Rückschlägen zu kämpfen und nur der Liebe Dalas, von der er glaubt, dass sie seine wahre Mutter ist, und der jungen Reisenden Ida, die ihm verspricht, seine Gefährtin zu werden, wenn er ein guter Mann wird, ist es zu verdanken, dass er nicht aufgibt. Doch als plötzlich Dalas Halbbruder Lyca in die Gegend kommt, gerät Rahn in Gefahr, als er Zeuge des skrupellosen Mordes an Anas Mutter Ane wird. Rahn kann letztendlich zwar gerettet werden, verliert aber seine Erinnerung an den Mord.
Ich war stehengeblieben, als ich den Hügel erreicht
hatte, von dem aus man den ganzen Strand überblicken konnte. Die Sonne war
schon dabei, den Himmel in ein leuchtendes Abendrot zu tauchen, doch ich hatte mir
trotzdem eine kleine Verschnaufpause nach der Jagd gegönnt.
Und während ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf meinem Gesicht genossen hatte, waren mir die zwei Kleinen aufgefallen, die unweit entfernt unter mir am Strand standen und gerade die Köpfe zusammensteckten. Ich schmunzelte, als ich das sah. Sie waren noch so jung und unschuldig. So wie ich und Ana damals. Damals, als ich sie geküsst und es so eklig gefunden hatte, wie der Junge da unten gerade.
Und während ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf meinem Gesicht genossen hatte, waren mir die zwei Kleinen aufgefallen, die unweit entfernt unter mir am Strand standen und gerade die Köpfe zusammensteckten. Ich schmunzelte, als ich das sah. Sie waren noch so jung und unschuldig. So wie ich und Ana damals. Damals, als ich sie geküsst und es so eklig gefunden hatte, wie der Junge da unten gerade.
Seitdem war einiges an Zeit vergangen. Ich war
herangewachsen und die Welt stand inzwischen ein bisschen Kopf, kam es mir vor.
Ich hatte erreicht, was ich wollte: Mein Vater war endlich zufrieden mit mir, und
deshalb hätte ich es eigentlich auch sein sollen. Doch ich war es nicht. Und
ich hatte keine Ahnung warum.
Ich schulterte den Rucksack mit meiner
Ausbeute – diesmal waren es nur drei Hasen – und setzte meinen Weg fort.
Es war
bereits dunkel, als ich unsere Höhle erreichte, aber das hielt manche Leute
trotzdem nicht davon ab, mir aufzulauern. Es war Rin vom Ahn-Stamm, die jetzt
vor mir auftauchte, dass ich beinahe meinen Bogen auf sie gerichtet hätte.
„Hallo, Rahn“, grüßte sie mich mit ihrem gewohnt zweideutigen Lächeln, das auch ich mittlerweile verstand, ohne dass man es mir erklären musste.
„Hallo, Rahn“, grüßte sie mich mit ihrem gewohnt zweideutigen Lächeln, das auch ich mittlerweile verstand, ohne dass man es mir erklären musste.
Sie war inzwischen
ebenfalls herangewachsen, aber eines hatte sich seit damals wohl nicht
geändert: Sie war immer noch heillos in mich verliebt. Das Problem war nur,
dass das noch immer nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.
„Du solltest
nicht herkommen, wenn es schon so spät ist“, wich ich ihr aus. „Es ist
gefährlich, wenn du allein draußen in der Dunkelheit herumläufst.“
„Oh, aber ich bin ja nicht allein.“ Sie deutete hinter
sich auf die Höhle. „Ich bin mit meinem Vater hergekommen.“
Da war ich
sofort alarmiert. Wenn Ur hier auftauchte, hieß das nie etwas Gutes. Das letzte
Mal hatte es die Freundschaft zu meinem besten Freund Ren zerstört, den ich
seitdem nur gelegentlich aus der Ferne gesehen hatte. Hoffentlich war nichts
passiert.
Ich
schlängelte mich an ihr vorbei und eilte zur Höhle hinüber. Tatsächlich konnte
ich jetzt auch laute Stimmen hören, die aus unserer Höhle kamen. Mein Vater und
sein Bruder waren sich noch immer spinnefeind.
Als ich unsere Höhle betrat, wurden sie auf mich aufmerksam und verstummten. Ich
bemerkte, dass mein Vater seine Wut nur schwerlich zurückhalten konnte, was ein seltener Anblick war, und auch
Ur sah ziemlich wütend aus. Derweil meine Mutter im Hintergrund, die auch so aussehen
wollte, aber eigentlich besorgt war, wie ich erkannte.
„Du hast mich
gehört. Nächste Jahreszeit seid ihr hier weg, ansonsten sorgen wir dafür, dass
ihr geht“, ließ Ur noch da, bevor er sich packte.
„Was soll das heißen?“, wollte ich wissen, als er weg
war. „Warum will er, dass wir gehen?“
„Er will
unsere Höhle“, antwortete Vater knapp.
„Aber das kann
er doch nicht machen!“
Vater lächelte
schwach. „Natürlich kann er das.“
„Aber –“
„Rahn!“,
schalt er. „Jetzt nicht, Junge! Ich muss nachdenken.“
Er ging nach draußen, Mutter gleich auf den Fersen. Ich
wusste, dass er nicht wollte, dass ich überhaupt etwas davon mitbekam. Vater
hatte mich trainiert und ausgebildet, von klein auf an, und er tat es noch immer, aber manchmal hatte ich
das Gefühl, dass er mich gar nicht bereit dafür hielt, den Stamm anzuführen. Er
vermied es nämlich, mich an den Belangen der Stammesführung teilhaben zu
lassen, war mir aufgefallen. Das war merkwürdig, und ein klein bisschen ärgerte
es mich auch. Ich war nicht gerade begierig darauf, aber er verlangte so
viel von mir und behandelte mich dann trotzdem wie ein kleines Kind, das man
vor allem beschützen musste und dem man nichts anvertrauen konnte.
Vielleicht
schlich ich ihnen deshalb erst recht hinterher. Nicht, dass es mich nicht auch
interessierte, was sie besprachen. Es ging hier immerhin um unser aller Heim.
„Mach dir keine Gedanken darüber“, sagte Mutter gerade.
„Wahrscheinlich sind es nur leere Drohungen. Es ist schließlich nicht das erste
Mal, dass er behauptet, dass ihnen die Höhle zusteht.“
„Aber das
erste Mal, dass er uns direkt droht.“ Er seufzte. „Vielleicht ist es diesmal
klüger, wenn wir gehen.“
„Das kannst du
doch nicht ernst meinen!“, ereiferte sich Mutter. „Das hier ist unsere Höhle! Wir
haben schon immer hier gelebt!“
„Es ist die
Höhle des Zoth-Stammes von alters her, ja, aber du vergisst, dass er den
Zoth-Stamm ursprünglich angeführt hat.“
„Bevor du ihn
abgelöst hast und er einen anderen Stamm gegründet hat. Der Zoth-Stamm sind
wir, nicht sie!“
„Das stimmt, aber wie es aussieht, wäre es besser
gewesen, wenn er der Anführer geblieben wäre.“
„Was redest du
denn da?“, fragte Mutter bestürzt. „Du bist ein guter Anführer.“
„Bin ich das?
Seitdem ich übernommen habe, ist der Stamm immer nur kleiner geworden. Ich habe
so viele Leute verloren…“
„Das ist nicht
deine Schuld. Wir hatten einfach nur eine schwere Zeit.“ Pause. „Das Einzige,
was du zu verschulden hast, ist, dass du zu gutherzig bist. Du hättest dieser
Luma niemals drei unserer Leute überlassen sollen. Tara wollte gehen, aber…“
Plötzlich brach sie ab und ein schmerzerfülltes Stöhnen
war zu hören. Auch ohne, dass ich sie sah, wusste ich, was passiert war. Mutter
litt seit einer Weile schon unter ständigen Kopfschmerzen, die immer schlimmer
zu werden schienen. Das machte mir ganz schön Sorgen.
„Ich glaube,
ich lege mich besser hin“, hörte ich sie jetzt auch bestätigen, und ich ging
hastig in Deckung, damit sie nicht bemerkte, dass ich gelauscht hatte.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Mutter
eingeschlafen war, ging ich nach draußen, wo mein Vater noch immer allein in
der Dunkelheit stand.
„Vater“,
begann ich, „unsere beiden Stämme waren doch mal eins, oder? Also der Ahn- und
der Zoth-Stamm.“
Vater, mit den
Gedanken noch gar nicht richtig da, furchte die Stirn und nickte nur. Ich kannte
die Geschichte des Bruchs. Wie Vater während eines harten Wintersturms losgezogen war,
als Ur es verboten hatte, um Jagen zu gehen. Ihre Vorräte waren ausgegangen und
nur weil Vater sich an jenem Tag in Lebensgefahr begab und Beute mit nach Hause
brachte, überlebten sie den Winter. Danach war der ursprüngliche Zoth-Stamm
gespalten gewesen: Ein Teil hatte sich gewünscht, dass Vater die Führung
übernahm, während ein anderer Teil hinter dem alten Anführer Ur gestanden
hatte. Als ein Großteil schließlich auf Vaters Seite gestanden hatte, hatte der
die Führung übernommen und Ur war mit seinen Unterstützern gegangen, um einen
neuen Stamm zu gründen.
„Warum schließt ihr nicht einfach Frieden?“, fragte ich.
„So einfach
ist das nicht, Rahn. Ich wünsche mir schon seit Jahren nichts anderes als
Frieden“, erklärte er. „Ich wollte niemals mit meinem Bruder brechen. Aber Ur
sieht das leider nicht so. Und jetzt hat sein Stamm mehr Leute als unserer.“
Und seine
Drohung war deshalb nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Er konnte zur
Gefahr für uns werden.
„Und wenn wir
uns mit ihm zusammenschließen würden?“, schlug ich vorsichtig vor.
Ich hatte ein
bisschen Sorge, dass Vater sauer werden würde, aber stattdessen wiederholte er
nur: „Wenn das so einfach wäre.“
Die folgende Nacht tat ich kein Auge zu, weil mich die
Frage nicht losließ, wie ich den Frieden zwischen unseren Stämmen erreichen
konnte. Frieden war in meinen Augen der einzige Ausweg, der uns noch blieb,
wenn wir unsere Höhle behalten und Kämpfe
vermeiden wollten. Und ich kam nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass
wir eine Aussöhnung nur erreichen konnten, wenn wir eine Verbindung zum anderen
Stamm aufbauten. Und die beste Chance das zu erreichen, sah ich wiederum in
etwas, das ich eigentlich bislang ausgeschlagen hatte: Ich musste Rin dazu
bekommen, meine Gefährtin zu werden.
Ich hatte eigentlich nichts gegen sie, aber ich mochte
sie auch nicht wirklich. An sich wäre das kein Problem gewesen – Zuneigung war
schließlich kein Kriterium für die Partnerwahl – aber ich wollte trotzdem
lieber eine Gefährtin, der ich mich verbunden fühlte. Wahrscheinlich hatte ich
das Thema deshalb bislang auch nicht weiter verfolgt, obwohl es langsam Zeit dafür wurde. Meine Eltern würden das
nämlich nicht verstehen. Ich war ja schon froh, wenn es überhaupt jemand
verstehen würde.
Doch jetzt
hatte ich keine andere Wahl mehr. Es ging hier um das Wohl des Stammes, den ich
eines Tages anführen würde. Und vielleicht – ja vielleicht – wenn ich durch den
Frieden erreichen konnte, dass unsere Stämme sich wieder zusammenschließen
würden, würde ich sogar darum herum kommen.
Ich erstarrte, als mir bewusst wurde, dass mich diese
Aussicht wirklich erfreute. Ich hatte all die Jahre nichts anderes getan, als
dafür zu arbeiten, dass ich eines Tages ein guter Stammesführer sein würde.
Warum also erschien mir die Möglichkeit, dass ich doch keinen Stamm anführen
musste, plötzlich so verlockend?
Als ich
bemerkte, dass ich mein Ziel schon fast erreicht hatte, verschob ich den
Gedanken aber wieder. Es gab schließlich gerade Wichtigeres.
Ich musste warten, bis die Sonne beinahe den höchsten Punkt des Himmels erreicht hatte, bevor ich Rin
allein abfangen konnte. Wir gingen zusammen ein Stück weit, bis wir eine Stelle
erreicht hatten, an der wir ungestört reden konnten. Es war dort, wo ich einst
einen Apfel für sie vom Baum geholt hatte, erkannte ich. Der Apfelbaum stand
noch immer da.
Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, also kam
ich gleich zum Punkt: „Rin, ich wollte dich fragen, was du davon hältst, meine
Gefährtin zu werden, damit endlich Frieden zwischen unseren Stämmen herrscht.“
Da klappte ihr
Mund auf und sie starrte mich tatsächlich eine ganze, unangenehm lange Weile
nur an.
„Also?“,
fragte ich vorsichtig nach.
„J-ja!
Na-natürlich! Also… ich würde mich freuen! Mehr als freuen!“, sagte sie
schließlich, wurde rot wie ein Apfel, und dann war ich ein bisschen
überfordert. Wie ging sowas eigentlich, dass man Gefährten wurde? Und was
musste ich jetzt machen?
Als ich sie gerade fragen wollte, ob sie wusste, wie man
da jetzt weiter vorging, fand uns schließlich jemand. Ihr Vater. Und er sah
nicht erfreut aus, mich zu sehen.
„Was machst du
hier, hä?“, ging er auf mich los. Er schob sich zwischen Rin und mich. „Und was
hast du mit meiner Tochter vorgehabt?“
„Papa!“, rief
Rin empört, wurde aber ignoriert, und ich war noch überforderter.
„Ich wollte
nur…“, begann ich.
Ich hatte
irgendwie den Verdacht, dass er es nicht so gut auffassen würde, wenn ich ihm
jetzt sagte, was ich Rin gerade gefragt hatte. Daran hatte ich gar nicht
gedacht, dass er etwas dagegen haben könnte, dass ich seine Tochter zur
Gefährtin nahm. Mist!
Blöderweise schien Rin aber weniger umsichtig. „Er hat mich
gefragt, ob ich seine Gefährtin werde und ich habe ja gesagt“, erzählte sie
unverblümt.
„Was? Das
kommt gar nicht in Frage!“, knurrte er, und dann wurden Vater und Tochter immer
wütender, während ich nur danebenstand und nichts tun konnte.
„Aber Papa!
Ich hab schon ja gesagt!“
„Geh zurück
ins Lager!“
„Das ist meine
Entscheidung!“
„Sofort!“,
bellte Ur laut.
Rin zuckte zusammen und sie sah jetzt wirklich so
verängstigt aus, dass ich sofort den Drang hatte, sie zu beschützen. Aber Ur
baute sich wie eine Mauer zwischen uns auf, als er bemerkte, dass ich mich
bewegte. Rin warf mir noch einen tränenschweren Blick zu, dann tat sie, wie ihr
geheißen und ließ mich mit meinem Untergang allein zurück.
„Verschwinde
von hier!“, zischte Ur mich jetzt bedrohlich an. „Und wage es ja nie wieder,
dich einer meiner Töchter auch nur zu nähern! Tucks Bastard hat hier nichts zu
suchen! Und du kannst deinem Vater überbringen, dass, wenn er nochmal sowas
versucht, ich nicht mehr so freundlich sein werde.“
„Vater hatte damit
nichts zu tun“, stellte ich kalt klar, obwohl ich nicht verleugnen konnte, dass
auch ich ein bisschen Angst vor ihm hatte. „Es war allein meine Idee,
herzukommen.“
Bevor er noch
etwas sagen konnte, sah ich zu, dass ich wegkam.
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