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Dienstag, 31. Dezember 2019

Teil 9 - Friedensgesuch


Was bisher geschah:

Da Dala vom Zoth-Stamm keine Kinder bekommen kann, bringt sie Tara, die vor ihrem alten Stammesführer Minos auf der Flucht ist, dazu, ihr ein Kind auszutragen. Und als Tara nichts mehr  davon wissen will, ihren Sohn Rahn abzugeben, erpresst Dala sie, sie an Minos zu verraten. Tara hat daraufhin keine andere Wahl, als ihren Sohn bei Dala zurückzulassen.
     Rahn wächst also als Sohn von Dala und Tuck, dem Stammesführer vom Zoth-Stamm, auf. Eines Tages soll er es sein, der den Stamm anführt, doch es fällt Rahn schwer, den hohen Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Immer wieder hat er mit Rückschlägen zu kämpfen und nur der Liebe Dalas, von der er glaubt, dass sie seine wahre Mutter ist, und der jungen Reisenden Ida, die ihm verspricht, seine Gefährtin zu werden, wenn er ein guter Mann wird, ist es zu verdanken, dass er nicht aufgibt. Doch als plötzlich Dalas Halbbruder Lyca in die Gegend kommt, gerät Rahn in Gefahr, als er Zeuge des skrupellosen Mordes an Anas Mutter Ane wird. Rahn kann letztendlich zwar gerettet werden, verliert aber seine Erinnerung an den Mord.       


Ich war stehengeblieben, als ich den Hügel erreicht hatte, von dem aus man den ganzen Strand überblicken konnte. Die Sonne war schon dabei, den Himmel in ein leuchtendes Abendrot zu tauchen, doch ich hatte mir trotzdem eine kleine Verschnaufpause nach der Jagd gegönnt. 
     Und während ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf meinem Gesicht genossen hatte, waren mir die zwei Kleinen aufgefallen, die unweit entfernt unter mir am Strand standen und gerade die Köpfe zusammensteckten. Ich schmunzelte, als ich das sah. Sie waren noch so jung und unschuldig. So wie ich und Ana damals. Damals, als ich sie geküsst und es so eklig gefunden hatte, wie der Junge da unten gerade.


Seitdem war einiges an Zeit vergangen. Ich war herangewachsen und die Welt stand inzwischen ein bisschen Kopf, kam es mir vor. Ich hatte erreicht, was ich wollte: Mein Vater war endlich zufrieden mit mir, und deshalb hätte ich es eigentlich auch sein sollen. Doch ich war es nicht. Und ich hatte keine Ahnung warum.
     Ich schulterte den Rucksack mit meiner Ausbeute – diesmal waren es nur drei Hasen – und setzte meinen Weg fort. 


Es war bereits dunkel, als ich unsere Höhle erreichte, aber das hielt manche Leute trotzdem nicht davon ab, mir aufzulauern. Es war Rin vom Ahn-Stamm, die jetzt vor mir auftauchte, dass ich beinahe meinen Bogen auf sie gerichtet hätte.
     „Hallo, Rahn“, grüßte sie mich mit ihrem gewohnt zweideutigen Lächeln, das auch ich mittlerweile verstand, ohne dass man es mir erklären musste. 
     Sie war inzwischen ebenfalls herangewachsen, aber eines hatte sich seit damals wohl nicht geändert: Sie war immer noch heillos in mich verliebt. Das Problem war nur, dass das noch immer nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.
     „Du solltest nicht herkommen, wenn es schon so spät ist“, wich ich ihr aus. „Es ist gefährlich, wenn du allein draußen in der Dunkelheit herumläufst.“


„Oh, aber ich bin ja nicht allein.“ Sie deutete hinter sich auf die Höhle. „Ich bin mit meinem Vater hergekommen.“
     Da war ich sofort alarmiert. Wenn Ur hier auftauchte, hieß das nie etwas Gutes. Das letzte Mal hatte es die Freundschaft zu meinem besten Freund Ren zerstört, den ich seitdem nur gelegentlich aus der Ferne gesehen hatte. Hoffentlich war nichts passiert.
     Ich schlängelte mich an ihr vorbei und eilte zur Höhle hinüber. Tatsächlich konnte ich jetzt auch laute Stimmen hören, die aus unserer Höhle kamen. Mein Vater und sein Bruder waren sich noch immer spinnefeind.


Als ich unsere Höhle betrat, wurden sie auf mich aufmerksam und verstummten. Ich bemerkte, dass mein Vater seine Wut nur schwerlich zurückhalten konnte, was ein seltener Anblick war, und auch Ur sah ziemlich wütend aus. Derweil meine Mutter im Hintergrund, die auch so aussehen wollte, aber eigentlich besorgt war, wie ich erkannte.
     „Du hast mich gehört. Nächste Jahreszeit seid ihr hier weg, ansonsten sorgen wir dafür, dass ihr geht“, ließ Ur noch da, bevor er sich packte.


„Was soll das heißen?“, wollte ich wissen, als er weg war. „Warum will er, dass wir gehen?“
     „Er will unsere Höhle“, antwortete Vater knapp.
     „Aber das kann er doch nicht machen!“
     Vater lächelte schwach. „Natürlich kann er das.“
     „Aber –“
     „Rahn!“, schalt er. „Jetzt nicht, Junge! Ich muss nachdenken.“


Er ging nach draußen, Mutter gleich auf den Fersen. Ich wusste, dass er nicht wollte, dass ich überhaupt etwas davon mitbekam. Vater hatte mich trainiert und ausgebildet, von klein auf an, und er tat es noch immer, aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass er mich gar nicht bereit dafür hielt, den Stamm anzuführen. Er vermied es nämlich, mich an den Belangen der Stammesführung teilhaben zu lassen, war mir aufgefallen. Das war merkwürdig, und ein klein bisschen ärgerte es mich auch. Ich war nicht gerade begierig darauf, aber er verlangte so viel von mir und behandelte mich dann trotzdem wie ein kleines Kind, das man vor allem beschützen musste und dem man nichts anvertrauen konnte.
     Vielleicht schlich ich ihnen deshalb erst recht hinterher. Nicht, dass es mich nicht auch interessierte, was sie besprachen. Es ging hier immerhin um unser aller Heim.


„Mach dir keine Gedanken darüber“, sagte Mutter gerade. „Wahrscheinlich sind es nur leere Drohungen. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass er behauptet, dass ihnen die Höhle zusteht.“
     „Aber das erste Mal, dass er uns direkt droht.“ Er seufzte. „Vielleicht ist es diesmal klüger, wenn wir gehen.“
     „Das kannst du doch nicht ernst meinen!“, ereiferte sich Mutter. „Das hier ist unsere Höhle! Wir haben schon immer hier gelebt!“
     „Es ist die Höhle des Zoth-Stammes von alters her, ja, aber du vergisst, dass er den Zoth-Stamm ursprünglich angeführt hat.“
     „Bevor du ihn abgelöst hast und er einen anderen Stamm gegründet hat. Der Zoth-Stamm sind wir, nicht sie!“


„Das stimmt, aber wie es aussieht, wäre es besser gewesen, wenn er der Anführer geblieben wäre.“
     „Was redest du denn da?“, fragte Mutter bestürzt. „Du bist ein guter Anführer.“
     „Bin ich das? Seitdem ich übernommen habe, ist der Stamm immer nur kleiner geworden. Ich habe so viele Leute verloren…“
     „Das ist nicht deine Schuld. Wir hatten einfach nur eine schwere Zeit.“ Pause. „Das Einzige, was du zu verschulden hast, ist, dass du zu gutherzig bist. Du hättest dieser Luma niemals drei unserer Leute überlassen sollen. Tara wollte gehen, aber…“


Plötzlich brach sie ab und ein schmerzerfülltes Stöhnen war zu hören. Auch ohne, dass ich sie sah, wusste ich, was passiert war. Mutter litt seit einer Weile schon unter ständigen Kopfschmerzen, die immer schlimmer zu werden schienen. Das machte mir ganz schön Sorgen.
     „Ich glaube, ich lege mich besser hin“, hörte ich sie jetzt auch bestätigen, und ich ging hastig in Deckung, damit sie nicht bemerkte, dass ich gelauscht hatte.


Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Mutter eingeschlafen war, ging ich nach draußen, wo mein Vater noch immer allein in der Dunkelheit stand.
     „Vater“, begann ich, „unsere beiden Stämme waren doch mal eins, oder? Also der Ahn- und der Zoth-Stamm.“
     Vater, mit den Gedanken noch gar nicht richtig da, furchte die Stirn und nickte nur. Ich kannte die Geschichte des Bruchs. Wie Vater während eines harten Wintersturms losgezogen war, als Ur es verboten hatte, um Jagen zu gehen. Ihre Vorräte waren ausgegangen und nur weil Vater sich an jenem Tag in Lebensgefahr begab und Beute mit nach Hause brachte, überlebten sie den Winter. Danach war der ursprüngliche Zoth-Stamm gespalten gewesen: Ein Teil hatte sich gewünscht, dass Vater die Führung übernahm, während ein anderer Teil hinter dem alten Anführer Ur gestanden hatte. Als ein Großteil schließlich auf Vaters Seite gestanden hatte, hatte der die Führung übernommen und Ur war mit seinen Unterstützern gegangen, um einen neuen Stamm zu gründen.


„Warum schließt ihr nicht einfach Frieden?“, fragte ich.
     „So einfach ist das nicht, Rahn. Ich wünsche mir schon seit Jahren nichts anderes als Frieden“, erklärte er. „Ich wollte niemals mit meinem Bruder brechen. Aber Ur sieht das leider nicht so. Und jetzt hat sein Stamm mehr Leute als unserer.“
     Und seine Drohung war deshalb nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Er konnte zur Gefahr für uns werden.
     „Und wenn wir uns mit ihm zusammenschließen würden?“, schlug ich vorsichtig vor.
     Ich hatte ein bisschen Sorge, dass Vater sauer werden würde, aber stattdessen wiederholte er nur: „Wenn das so einfach wäre.“


Die folgende Nacht tat ich kein Auge zu, weil mich die Frage nicht losließ, wie ich den Frieden zwischen unseren Stämmen erreichen konnte. Frieden war in meinen Augen der einzige Ausweg, der uns noch blieb, wenn wir unsere Höhle behalten und Kämpfe vermeiden wollten. Und ich kam nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass wir eine Aussöhnung nur erreichen konnten, wenn wir eine Verbindung zum anderen Stamm aufbauten. Und die beste Chance das zu erreichen, sah ich wiederum in etwas, das ich eigentlich bislang ausgeschlagen hatte: Ich musste Rin dazu bekommen, meine Gefährtin zu werden.


Ich hatte eigentlich nichts gegen sie, aber ich mochte sie auch nicht wirklich. An sich wäre das kein Problem gewesen – Zuneigung war schließlich kein Kriterium für die Partnerwahl – aber ich wollte trotzdem lieber eine Gefährtin, der ich mich verbunden fühlte. Wahrscheinlich hatte ich das Thema deshalb bislang auch nicht weiter verfolgt, obwohl es langsam Zeit dafür wurde. Meine Eltern würden das nämlich nicht verstehen. Ich war ja schon froh, wenn es überhaupt jemand verstehen würde.
     Doch jetzt hatte ich keine andere Wahl mehr. Es ging hier um das Wohl des Stammes, den ich eines Tages anführen würde. Und vielleicht – ja vielleicht – wenn ich durch den Frieden erreichen konnte, dass unsere Stämme sich wieder zusammenschließen würden, würde ich sogar darum herum kommen.


Ich erstarrte, als mir bewusst wurde, dass mich diese Aussicht wirklich erfreute. Ich hatte all die Jahre nichts anderes getan, als dafür zu arbeiten, dass ich eines Tages ein guter Stammesführer sein würde. Warum also erschien mir die Möglichkeit, dass ich doch keinen Stamm anführen musste, plötzlich so verlockend?
     Als ich bemerkte, dass ich mein Ziel schon fast erreicht hatte, verschob ich den Gedanken aber wieder. Es gab schließlich gerade Wichtigeres.


Ich musste warten, bis die Sonne beinahe den höchsten Punkt des Himmels erreicht hatte, bevor ich Rin allein abfangen konnte. Wir gingen zusammen ein Stück weit, bis wir eine Stelle erreicht hatten, an der wir ungestört reden konnten. Es war dort, wo ich einst einen Apfel für sie vom Baum geholt hatte, erkannte ich. Der Apfelbaum stand noch immer da.


Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, also kam ich gleich zum Punkt: „Rin, ich wollte dich fragen, was du davon hältst, meine Gefährtin zu werden, damit endlich Frieden zwischen unseren Stämmen herrscht.“
     Da klappte ihr Mund auf und sie starrte mich tatsächlich eine ganze, unangenehm lange Weile nur an.
     „Also?“, fragte ich vorsichtig nach.
     „J-ja! Na-natürlich! Also… ich würde mich freuen! Mehr als freuen!“, sagte sie schließlich, wurde rot wie ein Apfel, und dann war ich ein bisschen überfordert. Wie ging sowas eigentlich, dass man Gefährten wurde? Und was musste ich jetzt machen?  


Als ich sie gerade fragen wollte, ob sie wusste, wie man da jetzt weiter vorging, fand uns schließlich jemand. Ihr Vater. Und er sah nicht erfreut aus, mich zu sehen.
     „Was machst du hier, hä?“, ging er auf mich los. Er schob sich zwischen Rin und mich. „Und was hast du mit meiner Tochter vorgehabt?“
     „Papa!“, rief Rin empört, wurde aber ignoriert, und ich war noch überforderter.
     „Ich wollte nur…“, begann ich.
     Ich hatte irgendwie den Verdacht, dass er es nicht so gut auffassen würde, wenn ich ihm jetzt sagte, was ich Rin gerade gefragt hatte. Daran hatte ich gar nicht gedacht, dass er etwas dagegen haben könnte, dass ich seine Tochter zur Gefährtin nahm. Mist!


Blöderweise schien Rin aber weniger umsichtig. „Er hat mich gefragt, ob ich seine Gefährtin werde und ich habe ja gesagt“, erzählte sie unverblümt.
     „Was? Das kommt gar nicht in Frage!“, knurrte er, und dann wurden Vater und Tochter immer wütender, während ich nur danebenstand und nichts tun konnte.
     „Aber Papa! Ich hab schon ja gesagt!“
     „Geh zurück ins Lager!“
     „Das ist meine Entscheidung!“
     „Sofort!“, bellte Ur laut.


Rin zuckte zusammen und sie sah jetzt wirklich so verängstigt aus, dass ich sofort den Drang hatte, sie zu beschützen. Aber Ur baute sich wie eine Mauer zwischen uns auf, als er bemerkte, dass ich mich bewegte. Rin warf mir noch einen tränenschweren Blick zu, dann tat sie, wie ihr geheißen und ließ mich mit meinem Untergang allein zurück.
     „Verschwinde von hier!“, zischte Ur mich jetzt bedrohlich an. „Und wage es ja nie wieder, dich einer meiner Töchter auch nur zu nähern! Tucks Bastard hat hier nichts zu suchen! Und du kannst deinem Vater überbringen, dass, wenn er nochmal sowas versucht, ich nicht mehr so freundlich sein werde.“


„Vater hatte damit nichts zu tun“, stellte ich kalt klar, obwohl ich nicht verleugnen konnte, dass auch ich ein bisschen Angst vor ihm hatte. „Es war allein meine Idee, herzukommen.“
     Bevor er noch etwas sagen konnte, sah ich zu, dass ich wegkam. 
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