Es war nur leichter gesagt als getan. Egal, was ich
versuchte, egal, wie oft ich trainierte, ich wurde einfach nicht besser. Ich
traf noch immer nicht beim Bogenschießen...
...war langsam und schnell erschöpft...
...und sogar Ana war stärker als ich.
Von den ganzen musikalischen Sachen und dem Nähen wollte
ich gar nicht erst anfangen.
Es war frustrierend und ich wusste nicht, was ich noch versuchen
sollte.
Doch ich hatte mir ja vorgenommen, nicht aufzugeben.
Als ich eines Tages gerade dabei war, heimlich meine
Nemesis Bogenschießen zu üben, fand Sen vom Uruk-Stamm mich.
„Du
trainierst fleißig, wie ich sehe“, begrüßte er mich, bevor er doch einen
skeptischen Blick auf mein klägliches Ergebnis warf.
„Ich weiß, ich
bin schlecht“, gab ich genervt zu. „Ich weiß einfach nicht, was ich falsch
mache.“ Ich sah ihn an. „Hast du vielleicht einen Rat für mich?“
„Naja, ich
könnte dir schon was beibringen, denke ich. Zeig erstmal, wie du es machst.“
Also zeigte ich ihm, wie man es nicht machte und er versuchte, mir zu erklären, wie man es richtig
machte. Was mein Vater zuvor schon unzählige Male vergeblich getan hatte. Auch
diesmal half es nichts. Alles meine Schüsse gingen voll daneben.
„Merkwürdig“,
sagte er da. „Lu hat mir erzählt, dass du einen Panther mit Steinen vertrieben
hast. Er erzählte, dass du jedes einzelne Mal seine Nase getroffen hast.“
„Ach,
Steinewerfen ist auch das Einzige, in dem ich gut bin“, jammerte ich. „Aber das
hilft mir leider nirgends.“
„Sollte es aber. So viel anderes als
Bogenschießen ist das nicht. Ich meine, schon ein bisschen anders“, korrigierte
er sich schnell und nachdem er überlegt hatte, fragte er: „Hast du schon mal
Speerwerfen versucht?“
„Ja. Aber da
bin ich auch eine Niete.“
Sen fing da
wieder zu überlegen an, bevor er anmerkte: „Nicht alle deine Treffer sind
danebengegangen. Es sind keine Volltreffer, aber die Pfeile stecken im Holz.“
„Wenn mir
niemand zuguckt, geht es ein bisschen besser, ja.“
Da guckte mich Sen an, als wäre jetzt alles klar. Aber
ich hatte immer noch keine Ahnung.
„Als ich ein
Kind war, hatte ich auch Probleme. Mit dem Speerwerfen. Ich habe immer
danebengeworfen, wenn mein Vater mit mir geübt hat“, erzählte er.
„Und?“
„Irgendwann
bin ich dann beim Jagen mal verlorengegangen. Ich war ganz auf mich allein
gestellt. Und da habe ich einen Panda gesehen. Die sind verdammt wertvoll,
musst du wissen. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Also habe ich es
versucht und ich habe ihn auf Anhieb erlegt. Verstehst du warum?“
Ich überlegte kurz, dann fragte ich: „Was ist ein Panda?“
„Darum geht es
hier nicht, Rahn“, schalt er. „Sondern darum, dass ich nervös war und mich zu
sehr unter Druck gesetzt habe, wenn mein Vater zugeschaut hat, weil er mich
immer angeschrien und mir Ohrfeigen gegeben hat, wenn ich Fehler gemacht habe.“
„Und wie hast
du es dann geschafft, wenn er dabei war?“
„Ich hab mir
einfach so lange eingeredet, dass er nicht da ist, wenn er zugeschaut hat, bis
ich es irgendwann geglaubt habe. Vielleicht funktioniert das bei dir ja auch.“
„Vielleicht…“,
meinte ich nicht sehr überzeugt. „Und was ist jetzt ein Panda?“
Sen versprach
danach, von nun an öfter mit mir zu üben. Und tatsächlich, kaum, dass er mich
mal allein ließ, traf ich. War er wieder da, traf ich nicht.
Wir trainierten noch eine Weile zusammen, verabredeten
uns für morgen und ich ging zum Abendessen heim.
Als ich gerade auf halbem Weg nach Hause war, wurde ich auf lautes Geschrei aufmerksam. Da blieb ich stehen und schaute nach.
Als ich gerade auf halbem Weg nach Hause war, wurde ich auf lautes Geschrei aufmerksam. Da blieb ich stehen und schaute nach.
Es waren welche vom
Ahn-Stamm. Ich glaubte, Rin und Ren zu erkennen, und noch jemand dritten, den
ich nicht erkannte. Was ich aber erkannte, war, dass Rin in Schwierigkeiten
steckte. Also ging ich hin, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich gegen
zwei nicht ankommen würde. Ich kam ja schon gegen einen nicht an.
Es waren tatsächlich
die Ahn-Geschwister. Rin, Ren und Linn, der herangewachsen sein musste. Auf ihn
konzentrierte ich mich jetzt auch, als ich mich mutig vor ihnen aufbaute,
obwohl ich ein bisschen weiche Knie hatte. Ich traute mich auch nicht so
wirklich, Ren anzuschauen. Wir hatten uns nicht mehr gesehen, seitdem er die
Schuld für unseren letzten Streich allein auf mich geschoben hatte, und ich
wusste auch nicht, was ich deshalb zu ihm sagen sollte. Ich war ihm deswegen ja
nicht böse oder so.
„He, lasst Rin in Ruhe!“, sagte ich zu
ihnen. „Sie ist allein und ihr seid zu zweit. Das ist ganz schön armselig von
euch.“
Leider sah es nicht
so, als ob sie einfach abziehen würden.
„Du willst eine Abreibung? Die kannst du
gern haben!“, kam Linn wütend auf mich zu. Er schlug seine Faust in die Hand,
dass ich schlucken musste – aber ich blieb tapfer – und sagte zu seinem Bruder:
„Komm schon, Ren, dem zeigen wir’s!“
Ich war schon kurz
davor, die Fäuste zur Abwehr zu heben, egal, wie vergeblich es auch sein würde,
als Ren plötzlich meinte: „Nee, da bin ich raus“, und seinen Bruder tatsächlich
im Stich ließ.
Ich war schon
ziemlich erstaunt darüber, aber ich hatte keine wirkliche Zeit dafür. Während
Linn sich noch immer über seinen treulosen Bruder aufregte, wurde mir eines
klar: Ich hatte nur eine Chance gegen meinen Gegner, wenn ich schneller war als
er.
Es war nicht gerade
die ehrenvolle Art, aber ich hatte keine andere Wahl, wenn ich nicht verprügelt
werden wollte. Also ging ich auf ihn los, während er noch gar nicht damit
rechnete, stieß ihn zu Boden und ballte die Faust, bereit zum zuschlagen.
Doch das war gar
nicht nötig. Linn schrie erschrocken, dass ich aufhören sollte, also ließ
ich ihm noch einen warnenden Blick zukommen, bevor ich ihn gehen ließ. Er sprang
sofort auf die Beine und sah zu, dass er wegkam. Ich zitterte inzwischen am
ganzen Leib, aber leistete gute Arbeit, mir das nicht anmerken zu lassen und
weiter gefährlich auszusehen, bis er weg war, fand ich.
Ich war aber froh,
als ich dann damit aufhören konnte, den Starken zu spielen.
„Ist alles in Ordnung? Haben sie dir
wehgetan?“, fragte ich Rin.
„Du warst rechtzeitig da, um mich zu
retten. Ich wusste, du bist anders als meine Brüder. Du bist ein guter Junge.“
Das war ich nicht. Ich fühlte mich so
schlecht. Also tat ich was dagegen.
„Ähm, hör mal, wegen letztens…“, begann
ich zögerlich. „Das war echt doof, was ich da gemacht habe. Dir zu sagen, ich
sei dein Freund, um dich abzulenken. Das war nicht richtig. Tut mir leid. Ich
hoffe, dass du bald richtige Freunde findest.“
„Schon gut“, lächelte sie. „Ich bin dir
nicht böse. Außerdem hast du mich ja gerettet.“
„Danke, Rahn“, sagte
sie, und plötzlich stand sie neben mir und drückte mir einen Kuss auf die
Wange. Ich war so überrumpelt davon, dass ich mir die Hand auf die andere Wange
legte, dass sie mich da nicht auch noch küsste. Was ja Unsinn war.
Sie lächelte breit
und wurde rot, weshalb sie sich jetzt wohl entschloss, ebenfalls zu gehen. Zum
Glück. Das war schon peinlich genug. Ich konnte mich gerade so davon abhalten,
ihr nachzurufen, dass sie das bloß niemandem sagen sollte.
Ich machte danach
trotzdem lieber erstmal einen Abstecher zu unserem Wasserloch, um mir das
Gesicht zu waschen.
Doch kaum, dass ich es erreicht hatte, hörte ich schon wieder laute Stimmen. Ganz automatisch ging ich
da hinter einem nahegelegenen Felsen in Deckung. Als ich einen Blick wagte, erkannte ich Onkel
Lyca und Anas Mutter Ane. Die beiden stritten sich ganz offensichtlich.
„…dir gesagt,
dass ich nicht nur eine deiner Frauen sein will“, hörte ich Ane aufgebracht
sagen. „Ich bin bereit, mit dir zu kommen, aber dann musst du dich entscheiden.
Entweder du wählst mich oder du lässt es bleiben.“
„Du stellst
mich ganz sicher nicht vor die Wahl,
Weib!“
Ich hatte
Onkel Lyca noch nie so wütend gesehen. Ich wusste ja nicht mal, dass er und Ane
miteinander zu tun hatten.
Ane schüttelte jetzt den Kopf, ich konnte ihr Gesicht
leider nicht sehen, und dann drehte sie sich um und ging davon. Doch Onkel
Lyca hob einen Stein vom Boden auf, setzte ihr nach und schlug sie damit nieder.
Als Ane zu Boden ging, hatte ich den Fehler begangen,
mein Versteck zu verlassen, um ihr zu helfen. Ich hatte das ganz automatisch
gemacht und jetzt war ich es, der in Onkel Lycas Visier geriet. Bevor ich weglaufen
konnte, hatte er mich am Arm, und dann war ich es, der den Stein zu spüren
bekam. Im nächsten Moment wurde meine gesamte Welt schwarz.
Es war angenehm
warm und roch gut, als ich wieder aufwachte. Glaubte ich zumindest. Vielleicht
träumte ich auch noch. Meine Sicht war irgendwie verschwommen. Ich konnte nicht
mal sagen, wem ich da ins Gesicht sah. Wer war das? Es war eine Frau mit hellem Haar, die wütend zu jemandem sprach, den ich nicht sehen konnte.
„… mir egal,
was du mit Ane gemacht hast, ich habe dir ja gesagt, dass du dich um sie kümmern sollst, wenn du willst, dass ich mit dir komme. Aber er ist ein Kind! Das geht zu weit! Du
kannst ihn nicht einfach umbringen!“, hörte ich sie sagen.
Ich regte
mich, damit sie merkte, dass ich noch lebte und sie wurde auf mich aufmerksam.
Sie war ganz erschrocken, als sie mich jetzt ansah.
„Rahn! Bist du in Ordnung?“
Rahn? War das
mein Name? Ich versuchte mich zu erinnern, aber es tat meinem Kopf weh.
„Wer… bist
du?“, fragte ich sie schwach.
„Weißt du
nicht, wer ich bin?“
„Nein…“
Sie sah
irgendwie nicht glücklich aus, glaubte ich.
„Dana“, sagte
sie schließlich, und da schlief ich wieder ein.
Sie fanden Rahn wenig später bewusstlos in der Nähe ihrer
Höhle, und als er nicht aufwachen wollte, erinnerte Tuck sich an die Worte, die
der alte Tibit am Waldesrand zu ihm gesagt hatte.
Also brachten sie ihn zum Uruk-Stamm und tatsächlich
konnte der Geistheiler dem Jungen das Bewusstsein zurückgeben. Doch der Preis
dafür war Zeit.
Rahn verlor die Erinnerung daran, dass Ida sich als Dana ausgegeben hatte, damit er sie nicht in Verbindung mit dem Mord
an Ane brachte. Es sollte in Zukunft dazu führen, dass Rahn glaubte, Dana hätte
ihn einst vorm Ertrinken gerettet und ihm angeboten, seine Gefährtin zu werden,
obwohl es Ida gewesen war. Und, was noch viel wichtiger war, er verlor die
Erinnerung an einen skrupellosen Mord.
Deshalb dachten auch alle, dass die verschwundene Ane mit
Lyca, Ida und Elia gegangen war, die ebenfalls fort waren, als sie nach Hause
zurückkehrten. Keiner kam auf die Idee, dass sie getötet worden war.
Ich hatte Ana nie leiden können. Aber nachdem ihre Mutter
sie einfach zurückgelassen hatte, tat sie mir schon leid. Seitdem war sie nicht
mal mehr gemein zu mir.
Sie hatte eine ganze Weile lang nur geheult und jetzt saß
sie immer nur in ihrer Ecke und redete mit niemandem. Nicht mal mit Mama.
Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte, aber ich
ging trotzdem an diesem Tag zu ihr. Sie guckte mich nicht mal an, als ich mich
neben sie setzte.
„Du tust mir
echt leid, dass deine Mutter dich verlassen hat“, sagte ich ihr nach einer
Ewigkeit und brachte sie damit doch glatt mal wieder zum Weinen. Mist! Ich war
echt ein Klotz.
„He, du musst doch nicht weinen!“, versuchte ich sie zu
trösten. „Deine Mutter ist vielleicht nicht mehr da, aber du hast immer noch
uns. Wir sind einfach ab jetzt deine Familie.“
Da schaute sie
mich mit tränennassen Augen an.
„Wirklich?“
Ich versuchte
so ehrlich wie möglich zu lächeln. „Ja, natürlich.“
„Wirst du… wirst du auch später noch meine
Familie sein? Versprichst du’s?“
„Klar.“
Ich hatte ja
keine Ahnung, was sie damit meinte.
„Gibst du mir
einen Kuss als Versprechen?“, fragte sie jetzt plötzlich, und ich fragte mich,
ob sie mich nicht doch wieder nur ärgerte.
„Ihh! Muss das
sein?“
Sie nickte, ich überlegte, ob ich nicht einfach abhauen
sollte, entschied mich dann aber doch dagegen. Stattdessen bekam ich kurz
darauf meinen ersten Kuss. Ich muss nicht sagen, dass ich darauf lieber verzichtet
hätte. Aber immerhin hatte sie jetzt aufgehört, zu heulen.
________________________
Damit endet Rahns
Kindheit. Ich habe es
so gut wie möglich an die Ereignisse in Zeitalter anzupassen versucht (es
spielt größtenteils in Kapitel 6 rum, maximal bis Kapitel 7). Letztendlich werde ich aber dennoch Kapitel 16 etwas anpassen müssen, wo Rahn über seine
Vergangenheit erzählt. Aber das mache ich erst, wenn Rahn seine Jugend erlebt hat. Zudem haben der Ahn- und Zoth-Stamm bei den Charakteren unter Generation 1
neue, aktualisierte Gruppenbilder bekommen, was ich später zu Generation 2 auch noch
machen werde.
Ach ja, wer sich
jetzt übrigens fragt, warum Lyca überhaupt da war, weil das nicht mehr
vorkommen wird: Er ist ein bisschen in Ungnade bei seinem Vater Minos gefallen,
weshalb er weggegangen ist, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Da er
eine Bleibe brauchte derweil, hat er sich gedacht, nistet er sich einfach mal
bei Dala ein. Die glaubte ja gleich auch, dass Minos ihn geschickt hätte und
hat sich gar nicht getraut, ihn nicht aufzunehmen. Das war alles. Und um es nochmals zu betonen: Ida hat sich nicht aufgeopfert, um Rahn zu retten, sie wollte, dass Lyca Ane loswird. Und sie hat sich als Dana ausgegeben, weil sie nicht wollte, dass Rahn sie mit dem Mord in Verbindung bringt. Woher sie das mit Dana wusste? Sie stand in jedem Bild im Hintergrund, als Dala Rahn von Dana erzählt hat.
Und zuletzt: Ich
habe ein bisschen unter Zeitdruck gelitten, was Rahns Kindheitsgeschichte
angeht (weil meine Zeitplanung füs Klo war, Nova sich mit einer Flaute verbündet und mich überfallen hat..); ich hoffe, man merkt es nicht. Jedenfalls ist Rahns Jugend, der dritte und
letzte Teil, bereits geschrieben. Es werden nochmal 6 Kapitel werden. Geplant
ist es, dass ich dies zu Weihnachten rausbringe, aber ich weiß noch nicht, ob
ich rechtzeitig fertig werde, da bis auf Text noch alles andere gemacht werden
muss. Da ich jetzt mit Teens arbeiten kann, hoffe ich, dass es ein bisschen
schneller geht.
Bis dahin, danke
ich euch für zwei Jahre „Zeitalter“, in denen ihr mich bereits begleitet, und
ich verabschiede mich!
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