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Mittwoch, 4. Dezember 2019

Kapitel 102 - Julius



Bislang war es selten vorgekommen, dass Lu jemanden als wirklich attraktiv empfunden hatte. Vor allen Dingen, seitdem er Wulfgar hatte, war das nicht mehr passiert. Bei Tann damals, aber sonst… 
     Doch dieser Mann war nicht nur überaus gutaussehend, sondern hatte er auch eine so unheimliche Ausstrahlung, dass Lu ihn nur mit offenem Mund anstarren konnte.


„Ave, Julius!“, begrüßte Luna ihn.
      „Salve, Priesterin! Was ist dein Begehr? Bist du hier, um erneut nach deiner entschwundenen Dienerin zu fragen? Dann muss ich dir sagen, was ich dir zuvor schon sagte: Sie ist nicht hier.“
     Selbst seine Stimme war so weich und seidig, dass es Lu durch Mark und Bein ging und er schlucken musste. Sein Name klang wie Musik in seinen Ohren und er drückte sich so wunderbar aus. Und das Beste daran war, dass er ihn verstehen konnte.
     „Nein, diesmal suche ich jemand anderen. Eine Frau namens Anya. Ist sie zufällig hierhergekommen?“
      „Ja, eine Frau diesen Namens bat um das heilige Recht der Gastfreundschaft und ich gewährte es, so wie Jupiter es gebietet“, gab der Mann namens Julius zurück. Er warf einen Blick in die Runde, der Lu ungewollt rot werden ließ. „Ihr seid aber nicht die Einzigen, die heute in mein Haus kamen, um die Frau zu suchen.“


Lunas Blick huschte daraufhin auch zu Lu hinüber, der das aber erst mitbekam, als Julius‘ wunderschöne Augen ihn ebenfalls trafen.
     „Jemand von deinen Leuten?“, hörte er sie fragen, und da zwang er sich, den Blick von Julius' göttlichem Antlitz abzuwenden und sich zusammenzureißen.
     „Das… muss Elrik gewesen sein“, würgte er hervor. Dann brauchte er einen Moment, bevor sich dazu bringen konnte, Julius wieder anzusehen. Er kam sich so dämlich vor. So wie damals bei Tann. „Wo ist er gerade?“


„Ich fürchte, er ist den schlechten Reden meiner Schwester Samuela verfallen. Es lebt ein Arzt, der einzige hier, weit abgeschieden, und vor nicht allzu langer Zeit setzten sich barbarische Banditen auf den einzigen Weg zu seiner Wohnung. Ihn aufzusuchen ging euer Gefährte schon vor langer Zeit. Denn seine Frau ist sehr krank, müsst ihr wissen, dem Tode nahe“, erklärte der, und Lu erschrak heftig, als er das hörte.


Er erkundigte sich sofort nach dem Weg zu besagten Räubern, und da fragte Luna ihn skeptisch: „Du willst doch nicht etwa auch dahin?“
     „Natürlich!“
     Was Wulf zum Lachen brachte. „Die werden dich sowas von umbringen! Du bist denen ja nicht mal jung genug, damit sie dich als Sklave verkaufen würden.“


„Ich muss aber etwas tun!“, verkündete Lu und legte sich eine Hand auf die Brust, den Blick zum Himmel erhoben. „Als ehemaliger Schamane ist es meine Pflicht, meinem ehemaligen Stammesführer zur Seite zu stehen! Ich werde die Götter um Schutz bitten und dann werde ich losgehen.“
      Luna schaute ihn überrascht an. So, wie sie ihn die letzten Stunden über kennengelernt hatte, hätte sie nie für möglich gehalten, dass er tatsächlich einmal ein Geistlicher gewesen war. Aber jetzt erkannte auch sie das. Das Feuer in seinen Augen, das sie bislang dort vermisst hatte. Er schien anders zu sein als zuvor.


„Allein wird dir das aber nicht guttun“, mischte sich plötzlich eine fremde Stimme ein. „Diese Männer verstehen nur eine Sprache: die der Gewalt. Wenn ihr euch nicht gegen sie erwehren könnt, habt ihr keine Chance, sie zu vertreiben.“


Die Stimme gehörte zu einer blonden Frau mittleren Alters. Ihre Kleidung und ihr Schmuck waren so prächtig, dass Lu sich sicher war, dass sie zu Julius gehören musste. Er befürchtete zuerst, dass sie seine Frau war, aber dann erkannte er die Ähnlichkeit zwischen beiden. Wahrscheinlich handelte es sich hier um besagte Schwester. 
     Auch sie hatte eine erhabene, geradezu göttliche Ausstrahlung an sich, als sie jetzt neben dem Hausherrn stehenblieb und diesem einen säuerlichen Ausdruck aufs Gesicht zauberte.
     „Ihr solltet also lieber zusehen, ein paar wehrhafte Leute aufzutreiben, um den Räubern den Garaus zu machen“, riet sie.


„Das kommt gar nicht in Frage!“, kam es beinahe simultan von Lu und Luna. 
      Beide verstummten und warfen sich einen Blick zu, bevor Lu den Gesprächsfaden allein wiederaufnahm und sagte: „Immer reagieren alle gleich mit Gewalt. Wir sollten erst einmal mit ihnen reden.“
      „Ich fürchte, dass dies eine Verschwendung eurer Zeit sein wird, die durchaus in Tod resultieren kann“, klinkte sich Julius ein.
      „Ich werde es trotzdem versuchen“, blieb Lu stur. „Mit dem Segen der Götter wird mir nichts geschehen!“
      „Ich komme mit dir.“


Lu wollte ganz sicher nicht, dass Luna ihn begleitete, aber ihr Beschützer war schneller als er. „Wenn der da in seinen Tod rennen will, soll er das halt machen“, sagte Wulf mit Blick auf Lu, „aber bitte bleib du hier! Das ist gefährlich!“
     Er sah sie mit großen, flehentlichen Augen an, dass es selbst Lu beinahe erweichte. Aber Luna scheinbar nicht.
     „Ich werde mit ihm gehen. Die Göttin wird über mich wachen.“


„Warte! Warte! Ähm… lass mich überlegen“, machte Wulf daraufhin und versank dann eine Weile in seinen Gedanken. „Warum tut ihr nicht einfach ein bisschen Gift in ein paar Amphoren Wein. Dann spielt einer Händler, und natürlich werden sich die Räuber nicht zweimal bitten lassen. Die werden ihn überfallen und das vergiftete Zeug trinken, und fertig ist. Niemand muss sich sinnlos in Gefahr bringen.“
     „Wir werden ganz sicher niemanden umbringen!“, lehnte Luna sofort scharf ab.


„Es ist aber keine schlechte Idee“, meinte Lu jedoch. Er warf einen Blick in seinen Beutel, bevor er sich zögerlich an Julius wandte und sagte: „Ich habe hier ein paar starke Schlafkräuter. Die könnten wir statt des Giftes benutzen. Die Räuber werden nur einschlafen und es wird niemand zu Schaden kommen. Wir bräuchten natürlich ein bisschen Wein.“ Hastig fügte er hinzu: „Ich arbeite die Kosten dafür natürlich später ab, versteht sich. Und ich würde auch den Händler spielen.“
     Julius betrachtete ihn einen Moment, was Lu ziemlich unangenehm war und er alle Mühe dabei hatte, nicht wieder rot zu werden. Dann aber nickte er schließlich.
     Doch damit war es nicht getan. Julius erklärte, dass er auch angemessene Kleidung brauchte, damit die Räuber ihn überhaupt für einen Überfall in Betracht zogen.


Deshalb hatte Lu kurz darauf das Vergnügen, das Haus, das ihn schon von außen fasziniert hatte, mal von drinnen zu sehen. Und es war, gelinde gesagt, atemberaubend. Es war, als würde er in eine fremde Welt eintreten. Hatte er zuvor auch nur irgendwie daran gezweifelt, dass Julius göttlicher Abstammung sein musste, tat er das jetzt jedenfalls nicht mehr.
     Die Farben, die Pracht! Da waren Pflanzen in steinernen Krügen und herrlich bunte Säulen. Gleich am Eingang, zu seinen Füßen, war ein Muster aus zahlreichen, farbigen Steinen gelegt worden. In der Mitte der riesigen Eingangshalle befand sich, direkt unter einer Öffnung im Dach, ein Becken mit Wasser darin. Türen gingen links und rechts ab, Tageslicht drang aus zwei Nischen in die Mitte hinein, und man konnte durch ein weiteres offenes Zimmer direkt in einen Garten im hinteren Bereich des Hauses hindurch sehen. Alles war so weitläufig und groß, dass selbst alle Häuser in seiner Heimatgegend zusammen hier hineinzupassen schienen.


Als Julius bemerkte, dass er stehengeblieben war und – mal wieder – mit offenem Mund starrte, hielt er ebenfalls an und schmunzelte. „Wie ich sehe, erfreut mein Heim deine Augen.“
     „Oh, ja!“, staunte Lu. „Es ist wundervoll! Fantastisch! Ich habe noch nie zuvor so ein schönes Haus gesehen.“
     „So du es wünscht, zeige ich dir gern die schönsten Stellen, die es zu sehen gibt. Der Garten ist mein besonderer Stolz.“
     „Ja, gerne! Also… sobald ich meinen Begleiter gefunden habe.“ 


Julius nickte freundlich und dann ging es durch den Eingangsraum, der von den Einheimischen Atrium genannt wurde, durch das offene Arbeitszimmer in den hinteren Innenhof. Hier führte linkerhand ein weiterer Ausgang ins Freie und Lu konnte einen Blick auf den Garten erhaschen, von dem Julius wohl gesprochen hatte. 
     Doch der Hausherr führte ihn durch den ebenfalls grün bepflanzten Innenhof zu einer Tür ganz links hinten.


Als sie den Raum dahinter betraten, konnte Lu feststellen, dass es sich hierbei wohl um ein Schlafzimmer handelte. Auch wenn es nur ein Bett gab. Merkwürdig. Warum sollte man einen ganzen Raum zum Schlafen für nur eine Person haben?


Er wurde jedoch abgelenkt, als Julius, der jetzt fertig damit war, ein paar Stoffbahnen auf einem Tisch zu begutachten, sich ihm wieder zuwandte.
     „Ich denke, diese Kleidung ist angemessen.“
     Er wies hinter sich auf den Jungen mit dem roten Haar, der sie bereits im Atrium empfangen hatte. Auch die beiden Männer, die Julius wie ein stiller Schatten begleiteten, waren mitgekommen. Sie waren ein bisschen unheimlich, dass sie nie sprachen, fand Lu.
     „Rufus wird dir zeigen, wo du deine ermatteten Glieder im Bade entspannen kannst und eine meiner Dienerinnen wird dir das Salböl bringen und dich in die Tunika eines Dieners kleiden, dass die Banditen glauben, du seiest in meinem Auftrag unterwegs.“
     „Oh, das ist zu freundlich, aber ich brauche gerade kein Bad“, lehnte Lu hastig ab. Julius musterte ihn mit einem Blick, als hätte er den Verstand verloren, also fügte er schnell hinzu: „Ich muss meinen Begleiter suchen und darf keine Zeit verlieren. Vielleicht ist er ja in Gefahr.“
     Das sah Julius wohl ein, also nickte er und sagte: „Dann werde ich dir ein duftendes Öl geben, dass es deinen Geruch verschleiert“, bevor er und seine Eskorte endlich den Raum verließen.
     Und Lu sich nur beschämt fragen konnte, ob das wohl hieß, dass er stank.


Doch er hatte nicht die Zeit, sich darüber Sorgen machen zu können. Er brauchte schon lange genug, um herauszufinden, wie er die Kleidung anlegte, die man ihm dagelassen hatte. Er hatte es ja schon merkwürdig gefunden, dass die Männer hier Kleider trugen, aber es war noch merkwürdiger, es plötzlich selbst zu tragen. Also entschied er sich dazu, seine Hose und seine eigenen Schuhe anzulassen. Julius mochte das vielleicht gut stehen, aber er kam sich lächerlich darin vor.


Doch der Hausherr schien nicht damit einverstanden. Als Lu das Schlafzimmer wieder verlassen hatte und vor ihm stand, kam er sich wie bei einer Viehschau vor.
     „Du trägst noch immer deine Beinkleider“, wies er ihn schließlich hin.
     „Ja, ich… fühle mich wohler so.“
     „Nur Barbaren tragen Beinkleider. So wird dich niemand für einen Knecht meines Hauses halten.“


Es führte kein Weg daran vorbei. Lu musste seine Hosen ausziehen und seine Schuhe gegen Sandalen tauschen, und er wollte am liebsten im Boden versinken, als er den Anderen so unter die Augen treten musste. Während Julius im Hof vor versammelter Mannschaft eine Rede hielt, wie sie vorzugehen gedachten, war er nur damit beschäftigt, sich über seine viel zu dünnen Beine Gedanken zu machen.


Und es wurde nicht besser, als es dann schließlich losging. Die anstrengende Arbeit, den mit Amphoren vollbeladenen Karren zu ziehen, lenkte ihn zwar von seinen Schönheitsproblemen ab, aber es war eben genau das – anstrengend. Anstrengend und immer noch brüllend heiß. Da half es auch nichts, dass er inzwischen sehr viel weniger trug, er war trotzdem keine fünf Minuten später schon wieder schweißdurchtränkt. 
     Das duftende Öl, das er zuvor noch als so wunderbar wohlriechend empfunden hatte, biss ihm jetzt in der Nase und die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel herab, während ihm inzwischen jeder einzelne Schritt unendlich viel Kraft zu kosten schien. Er hatte sein Alter noch nie zuvor so deutlich gespürt wie an diesem Tag. Jedes einzelne Jahr.


Immerhin lenkte es ihn aber davon ab, dass er eigentlich gar nicht so mutig war, wie er getan hatte. Er hatte, tatsächlich, eine Heidenangst, als die Räuber, vier grimmig Gesellen, plötzlich vor ihm auftauchten und sich ihm in den Weg stellten. Nicht einmal die Erleichterung, dass er sich jetzt nicht mehr abmühen musste, half da. 
     Plötzlich war er wie gelähmt. Das dort waren Räuber, gefährliche Männer in Rüstungen – und Waffen! Wahrscheinlich – hoffentlich – waren sie nur an dem Wein interessiert, aber wer sagte ihm, dass sie ihn so einfach gehen ließen? Julius hatte zwei seiner Leute versteckt mitgeschickt, dass sie eingriffen, falls nötig, doch Lu bezweifelte, dass sie rechtzeitig da sein würden, um ihn zu retten. Und selbst dann war es fraglich, ob sie überhaupt gegen die Überzahl an gut bewaffneten Gegnern ankommen würden. 


Lu versuchte sein bestes, tapfer zu sein – für Elrik! – doch ihm entwich trotzdem nur ein erbärmliches Wimmern, als sich die Männer vor ihm aufbauten und in ihrer fremden Sprache zu ihm zu sprechen begannen. Er schüttelte den Kopf, signalisierte, dass er keinen Ärger wollte und schlüpfte dann schnell hinter seinen Karren.


Der einzige Räuber, der einen Helm auf dem Kopf hatte – wahrscheinlich ihr Anführer – nickte einem seiner Kumpane zu, der kam, um Lus alten Platz einzunehmen. 
     Sie nahmen den Wagen mit sich, ließen Lu noch einen bösen Blick zukommen, machten sich dann aber glücklicherweise vom Acker. Ohne dem Bestohlenen ein Leid zuzufügen, ihn zu töten, zu massakrieren oder als Gefangenen mitzunehmen. Lu fiel jedenfalls ein riesiger Stein vom Herzen, als sie verschwunden waren, und er sah schleunigst zu, dass er wegkam.


Julius‘ Männer kehrten zurück nach Hause, kaum dass sie gesehen hatten, dass alles problemlos verlaufen war. Also war es an Lu allein, sich auf die Lauer zu legen und darauf zu warten, dass die Schlafkräuter ihren Dienst taten.
      Er war den Räubern bis zu ihrem Lager gefolgt – in sicherem Abstand, versteht sich – und in einem schön dichten Busch versteckt, in dem er freie Sicht hatte, konnte er tatsächlich Elrik sehen. Er war im Lager, auf seinen Knien, die Hände hinterm Rücken. Lu musste gar nicht sehen, dass sie zusammengebunden waren, um zu erkennen, dass er ein Gefangener war.
       Es dauerte nicht lange. Die Sonne war gerade dabei, unterzugehen und die Welt in ein goldenes Licht zu tauchen, als sich der erste Räuber in die Waagerechte begab. Sie hatten nicht gezögert, sofort über den herrlichen Wein herzufallen, den sie von Lu „erbeutet“ hatten. Nach dem Ersten ließ auch der Zweite schnell den Kopf hängen. Der Dritte merkte es nicht mal, wie er einschlief, und der Vierte fiel mitten in einem Schritt einfach um.


Lu nutzte die Chance sofort, verließ sein Versteck und rannte zu Elrik hinüber. Doch der bemerkte erst, dass etwas passiert war, als Lu bereits dabei war, ihm die Fesseln zu lösen.
     „Lu?“, hörte der ehemalige Schamane ihn überrascht sagen. „Was machst du denn hier?“
     „Dich befreien, wonach schaut es denn aus?“
     Die Seile waren ziemlich dick, weshalb er froh war, dass er immer sein Messer dabeihatte. 


Nachdem der Gefangene schließlich befreit war, sah Lu sich jedoch einer Trauermine gegenüber.
     „Danke, aber… du hättest mich einfach hierlassen sollen.“ Er seufzte schwer. „Ich habe versagt. Sie haben den Arzt gehabt, aber als niemand für ihn bezahlt hat, haben sie ihn getötet.“ Freudlose Augen trafen Lu. „Anya ist schwer krank…“


„Ich weiß“, eröffnete Lu und dann legte er Elrik eine Hand auf die Schulter, dass er ihn ansah. „Wir werden einen Weg finden, Anya zu helfen. Aber das können wir nicht, wenn wir hierbleiben und die Räuber wieder aufwachen.“
      Elrik sah ihn noch einmal mit zerknirschtem Blick an, dann nickte er jedoch.


Und folgte Lu. Zusammen verließen sie das Lager.


Sie kehrten zu Julius‘ Anwesen zurück, und während der Hausherr seine Leute aussandte, um die Räuber gefangen zu nehmen, solange sie ausgeschaltet waren, begleitete Lu Elrik zu Anyas Krankenzimmer. 
     Tatsächlich lag die Gesuchte dort reglos im Bett, gerade so, als würde sie nur friedlich schlummern. Aber die Blässe in ihrem Gesicht und die Hitze, die sie ausstrahlte, verrieten das Gegenteil. Anya hatte hohes Fieber, doch niemand wusste, was ihr fehlte. Claudius hatte Elrik alleingelassen, kaum dass sie Anya gefunden hatten, und auch Julius konnte nichts anderes tun, als nach einem Arzt aus der nächsten Stadt zu schicken. Doch die Gegend war abgelegen. Bis Hilfe kommen würde, war es vielleicht zu spät.


Sie brauchten ein Wunder. Also ging Lu nach draußen, ins Atrium, und als er in einer Nische ein Feuer in einer Schale brennen sah, kniete er sich davor, opferte und betete zu den Göttern.        


Doch es dauerte nicht lange, bis Julius ihn fand und ihn dabei störte. Allein seine Stimme brachte Lu so aus der Fassung, dass er sein Gebet abbrach und erschrocken auf die Beine sprang.
     „Ich fürchte, dass meine Penaten eurer armen Gefährtin nicht helfen können. Ich nahm mir aber die Freiheit, Asklepios ein zweijähriges Schaf darzubringen.“


Lu war so überfordert mit der Situation, hin- und hergerissen zwischen der Sorge um Anya, dem was wichtig war, und der brennenden Scham, die er plötzlich empfand, dass er nur ein verhohlenes „Danke“ stottern konnte. Er hatte nicht mal eine Ahnung, wovon Julius eigentlich gesprochen hatte.
     „Du solltest die belastenden Sorgen zur Seite legen“, sagte Julius plötzlich, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Mein Garten, der Stolz meines Hauses, er ist ein wunderbarer Ort, um die Seele zu erleichtern. Komm, ich zeige ihn dir mit Freuden.“


Lu wusste, dass er eigentlich gerade wichtigere Dinge zu erledigen hatte. Er wusste, dass er lieber zu Elrik zurückgehen sollte, der vor Sorge um Anya beinahe selber krank war. Aber er ging dennoch mit Julius nach draußen. Er konnte nicht anders. Da war etwas an dem Mann, das ihn geradezu magisch anzog. Ihn in seinen Bann schlug. Vielleicht, ja vielleicht war es auch genau das, was er jetzt brauchte. Einen Moment der Erholung. Ein freier Kopf.
      Die Sonne war inzwischen beinahe der Nacht gewichen und der Himmel war in ein kräftiges violett getaucht, wie Lu es selten gesehen hatte. Schon seitdem er dieses Land betreten hatte, kam es ihm so vor, als sei hier alles so viel farbenprächtiger.   


Der Mond stand beinahe voll über ihnen, während sie durch den herrlichen Garten schritten. Ein leichter Wind, der die roten Blüten der Rosen tanzen ließ, die entlang des Weges gepflanzt waren, durch die Weinstauden huschte und sie rauschen ließ wie das Meer. Irgendwo, weit entfernt, sang eine Grille ihr einsames Lied, das seichte Plätschern von Wasser war zu hören, aber ansonsten war es beinahe totenstill.
     Julius brachte ihn zum zentralen Platz des Gartens, wo er vor einem weiteren, kleinen Gebäude stehenblieb. Doch Lu hatte nur Augen für die herrlichen Statuen vor ihm, die den Weg zu einem Brunnen säumten, größer noch als der, den er schon am Gasthaus gesehen hatte.


„Wie ich sehe, gefällt dir auch mein Garten“, drang Julius Stimme zu ihm vor, als er noch mit Staunen beschäftigt war.
     Lu wollte das gar nicht, aber er konnte nicht anders. Er kam – erneut – ins Schwärmen.      
     „Ich wollte dir meinen Dank ausdrücken, dass du uns von den Räubern befreit hast“, fuhr Julius fort und er klang dabei ungewöhnlich. Anders als zuvor. Doch Lu konnte nicht ergründen, wie anders. „Wir haben schon viele gute Leute an sie verloren und sie haben die Gegend lange genug unsicher gemacht. Und ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt von deinem Mut war.“


Plötzlich kam er näher, blieb dicht vor ihm stehen und dann traf ihn ein Blick, der ihm alles sagte. Der Andere versuchte zu ergründen, was auch Lu nicht verhindern konnte, von ihm wissen zu wollen. Lu starrte ihn an und erneut klappte ihm der Mund auf und er gaffte wie ein stotternder Jüngling.


Da machte Julius einen Schritt auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter, woraufhin Lu augenblicklich das Blut in die Wangen schoss. Er hatte beinahe dieselbe Augenfarbe wie Tann, fiel ihm auf.
     „Ich mag Männer, die Wagemut beweisen.“
     Er begann ihn zu umkreisen. Seine Hand noch immer auf ihm.
     „Du bist ein niedlicher Kerl. Ich muss zugeben, dass du mir ganz gut gefällst. Was hältst du davon, wenn wir uns ein bisschen eingehender kennenlernen würden? Ich könnte dir meine Therme zeigen und wir könnten uns gemeinsam bei einem Bad erfrischen.“


Er blieb stehen und fesselte ihn mit seinen Augen. Lu war wie gebannt von ihnen. Wie verzaubert. Er wollte am liebsten nicken, aber dann fiel ihm in letzter Sekunde glücklicherweise ein, dass da ja noch eine Kleinigkeit war. Oder jemand, besser gesagt.


Sofort machte er einen Schritt zurück, um aus Julius‘ Bann zu entkommen. Er musste trotzdem erst ein paarmal tief durchatmen, um sich wieder zu beruhigen und sprechen zu können.
     „Tut mir leid, aber ich habe jemanden, der auf mich wartet“, war alles, was er sagte.
     „Nun ja, er muss es ja nicht erfahren.“
     „Nein, ich halte nichts von Lügen.“ Lu schluckte schwer. „Und ich liebe ihn.“


Sofort verschleierten sich Julius‘ Augen und dann war er es, der sich zurückzog. Er hob erhaben den Kopf.
     „Dann ist es an der Zeit. Die Nacht senkt sich herab und wir sollten die Geschäfte des Tages ruhen lassen. Ich habe meine Diener ein Nachtlager für dich und die deinen bereiten lassen.“
     ‚Persönlicher‘, ging es Lu auf. ‚Er hatte persönlicher geklungen, aber jetzt tut er es nicht mehr.‘
     „Auf dass der Schlaf sich rasch auf deine Lider senken möge, Lu Pulcher.“


Julius neigte den Kopf, dann ging er davon und ließ Lu mit einem unheimlich komischen und flauen Gefühl im Magen allein zurück.
     Warum nur fühlte es sich so schlecht an, obwohl er das Richtige getan hatte?
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Lu macht gerade eine ziemliche Phase durch und er weiß selber gar nicht, wie er mit all dem umgehen soll, was auf ihn zugekommen ist. Seine innerliche Abneigung gegenüber Luna, seine Sorgen um die kranke Anya, und jetzt eine Welt voller Wunder und ein Mann, der ihm nicht nur den Kopf verdreht hat, sondern der auch offensichtlich an ihm interessiert ist. Und das, wo er doch gerade Probleme mit seinem eigentlichen Liebsten Wulfgar hat. 
     Lu ist deswegen ein bisschen von der Rolle, wie man vielleicht bemerkt hat. Vor allen Dingen seine Faszination über alles und jeden, dass sich selbst mir der Eindruck eines Teenager-Fanboys aufgetan hat. Aber man muss auch verstehen, dass diese Welt alles ist, was Lu sich je gewünscht hat und nie richtig leben durfte. Was ich damit meine, wird man noch sehen.

Wie letztes Mal schon angekündigt, noch ein paar Worte zum Haus und zur Kleidung der Leute vor Ort. Also Julius' Haus habe ich selber gebaut und ich muss sagen, dass es mein erstes Haus ist, dass nicht nach Container aussieht (Juchay, hat mich ja auch nur ewig und drei Tage gekostet XD). Ich hab versucht, mich an römischen Villen und Bauernhöfen zu orientieren, aber mir ein paar Freiheiten erlaubt. Es ist nicht perfekt, aber ich muss sagen, dass ich mächtig stolz drauf bin. Hier mal ein Grundriss:


Dann zur Kleidung. Ich hab ja mal geschrieben, dass ich bemüht bin, meine Simmies historisch korrekt zu kleiden, aber wie ihr bestimmt schon bemerkt habt, handhabe ich das inzwischen viel lockerer. Es sind inzwischen einfach zu viele Sims geworden, um immer drauf zu achten, dass da kein Knopf oder so an der Kleidung ist.
     Aber zurück zu den Römern: Die Kleidung meiner Römer-Sims ist an sich viel zu kurz. Was alle Römer zuunterst getragen haben, egal ob Bürger, Soldat oder Sklave, war die Tunika, und das war ein "Shirtkleid", das bis zu den Knien ging. Es war sozusagen die Unterwäsche der Römer, in der sie auch geschlafen haben (Unterwäsche wie wir sie kennen, kam erst im 19.Jh. ca. auf).
     Trug man einen Gürtel zur Tunika, war man ausgehfertig. Das war vor allen Dingen die Kleidung der Arbeiter und Sklaven. Es gab auch einige Ideen, extra Sklavenkleidung einzuführen, die aber aus Angst vor Aufständen immer wieder eingestampft wurden.
     Als römischer Bürger durfte man dann über der Tunika noch die Toga tragen, ein bis teils zu den Knöcheln reichendes Wickelgewand. Davon gab es dann auch, je nach Anlass, Stellung und Alter, verschiedene Sorten, aber ich will hier nicht zu ausschweifend werden. Dies wurde von Männern und Frauen gleichermaßen getragen, auch wenn die Frauen ihre Toga auch so trugen, dass sie sie wie einen Schal über den Kopf ziehen konnten, um das Haar zu bedecken. Eine zünftige römische Frau ging nicht barhäuptig hinaus. Auch trugen sie gern kostbaren Schmuck; Männer hatten jedoch meistens nur einen Siegelring am Daumen, den sie benutzten, um sozusagen ihre Unterschrift unter Dokumente zu setzen.
     Das Schuhwerk waren Sandalen. Geschlossene Schuhe waren eher selten. Auch Hosen trug man nicht, die galten als Barbarenkleidung (s.Germanen). Wurde es kalt, benutzte man Beinwickel (vor allen Dingen bei Soldaten üblich, die in kälteren Regionen stationiert waren).
     Das alles ist natürlich hier sehr zusammengefasst und verallgemeinert! Hier übrigens mal ein Versuch, Samuela als "echte" Römerin darzustellen:


Ich hab mich dann aber doch für die freizügigere Variante entschieden. Das passt einfach besser zu ihrem Charakter.

Nächstes Mal trifft Lu seine beiden neuen Begleiter wieder und dann wird sich zeigen, ob Anya wieder gesund werden wird oder ob Elrik sie doch letztendlich verliert.

 Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich!

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