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Mittwoch, 14. März 2018

Kapitel 34 - Der Hass der Eltern



Dana war gegangen, um Jin die Wahrheit zu sagen. Doch obwohl sie auf dem Weg zu den Blums immer wieder mit sich gehadert hatte und mehr als nur einmal hatte umdrehen wollen, war sie in ihrem Entschluss standhaft geblieben. Mit schmerzenden Beinen und kneifendem Kreuz hatte sie sich durch den Nebelwald gequält, nur, um Jin dann letztendlich doch nicht anzutreffen.
     Wie sie erfuhr, entschwand er die letzte Zeit des Öfteren in den Wald und blieb teilweise bis zum nächsten Morgen verschwunden, wenn etwas auf dem Hof passierte, mit dem er nicht zurechtkam. Meistens also, wenn er mit Greta stritt. Oder es zumindest versuchte, gegen sie anzukommen.
     Letztendlich hatte Dana deshalb nur die Blums getroffen und sie hatte nur die Möglichkeit gehabt, mit Greta zu sprechen. Doch die war derart von der bevorstehenden Geburt eines Kälbchens abgelenkt gewesen, dass Dana sie mehrmals darum hatte bitten müssen, Jin am Folgetag zu ihr auf den Hof zu schicken.
     Seitdem wartete sie. Seit Stunden. Vergeblich. Ihre Angst war inzwischen dabei, sich zu überlegen, in Sorge umzuschlagen, als Tann neben ihr erschien. Er war es auch, der schließlich aussprach, was sie befürchtete: Jin würde heute nicht mehr kommen.


Derweil hatte Luma beschlossen, es auf eigene Faust zu versuchen, das Problem mit den Nachbarn zu lösen, das ihren Sohn derart belastete. 
     Tann war nach wie vor nicht bereit, das Gespräch mit ihnen zu suchen und Lu hatte es bislang nur geschafft, raren Kontakt mit dem alten Mann namens Cain zu halten. Doch seitdem der anscheinend krank war, war auch dies zum Erliegen gekommen. Von den anderen Männern wollte jedenfalls keiner mit ihm sprechen.
     Also hatte Luma beschlossen, es bei den Frauen zu versuchen. Wenn selbst eine Auszeit nicht half, die Gemüter zu beruhigen, musste sie das Problem eben an der Wurzel angehen. Sie war schließlich einmal Stammesführerin gewesen und es war an der Zeit, dass sie wieder etwas mehr Verantwortung für ihren Stamm übernahm.


Doch leider lief es überhaupt nicht wie geplant. Sie hatte sich natürlich zuerst an die älteste der Frauen gehalten; mutmaßlich war sie die Frau von diesem Dia. Doch anstatt mit ihr zu reden, hatte die merkwürdige Frau sie nur ignoriert und weiter Löcher in die Luft gestarrt.
     Luma war daraufhin etwas ungehalten geworden und als sie es anschließend etwas eindringlicher versucht hatte, war das Ganze schnell zu einer waschechten Keilerei geworden. Sie hatte sich noch nie mit jemandem geprügelt, aber an diesem Tag, in ihrem hohen Alter, verlor sie ihren ersten Kampf.


Natürlich bekam Tann später Wind davon und natürlich ließ er das nicht auf sich sitzen. Er marschierte schnurstraks zu den unwillkommenen Nachbarn und legte sich sogleich mit Dia an. Er hatte das schon öfter getan, aber dass man seine Mutter angriff, ging eindeutig zu weit, und die Situation wäre höchstwahrscheinlich auch eskaliert, wenn nicht Lu wieder auf den Plan getreten wäre.  


Doch anstatt zu intervenieren, hatte er eine Nachricht für den Stammesführer: Dana lag in den Wehen. Da Tann wusste, dass sich eine Geburt dennoch hinziehen konnte, wollte er das erst nicht ernst nehmen, doch als er das blasse Gesicht des Schamanen gesehen hatte, war auch er alarmiert gewesen.
     Also war er doch gegangen und er war froh darüber gewesen. Die Geburt zog sich über Stunden hinweg und es war eine schwere Geburt. Und nicht nur einmal sah es danach aus, dass Dana es nicht überleben würde. Man hatte sogar den ortsansässigen Kräuterkundigen Armin, der seit einer Weile in der Gegend wohnte, zu Hilfe holen müssen, und vielleicht war es nur seinem Wissen zu verdanken, dass es Dana letztendlich doch schaffte.


Was man lange nicht über das kleine Mädchen sagen konnte, das sie geboren hatte. Es brauchte viel zu lange, um überhaupt den ersten Atemzug zu tun. Doch als es dann schließlich doch noch, wenn auch mit schwacher Stimme, schrie, standen die Chancen gut, dass es überleben würde.
     So hatte die Geburt der kleinen Diana die erste, handfeste Auseinandersetzung zwischen dem Uruk-Stamm und deren Nachbarn zu einem friedlichen Ende gebracht.


Dennoch ging dieser Zwischenfall an niemandem vorbei. Nicht nur Luma war von dem Tag an, an dem sie mit der Frau der Hells aneinandergeraten war, überzeugt, dass die neuen Nachbarn Böses im Schilde führten. 
     Endlich hatte Tann damit auch die Unterstützung seiner Leute, und er begann, Wachposten aufzustellen und sie im Kampf auszubilden.


Die nächste Zeit wurde deshalb geschäftig und niemand dachte mehr an die Sache mit Jana und Jin, weshalb das kleine Mädchen unbeschwert heranwachsen konnte. Und als sie schließlich alt genug war, um mit den größeren Jungs mithalten zu können, war sie Feuer und Flamme, sich zu beweisen.
     Während Tann mit Elrik und Aan zusammenstand, um über den ersten Jagdausflug zu sprechen, ging sie dazwischen und mischte sich ein. „Wann gehen wir denn los?“, fragte sie, als wäre sie selber eingeladen worden.
     „Wir? In nächster Zeit gehen wir wegen der Nachbarn erst einmal nirgends hin, aber du bist sowieso noch zu klein, um uns zu begleiten, Jana“, vertröstete Tann sie.
     Er hatte sein Lächeln aufgesetzt, das Jana schon von ihm kannte. Er benutzte es immer, wenn er zu den Kleinen sprach. Zu denen, die er nicht ernst nahm. Doch Jana war kein kleines Kind mehr. Sie war sehr wohl groß genug, um mit auf die Jagd zu gehen.


Doch bevor sie ihm das sagen konnte, hatte Tann ihr den Kopf getätschelt, was Jana hasste, und war davongegangen, weil er ja noch so beschäftigt war. Das war er dauernd. Er gab ihr gar nie die Chance, sich zu beweisen.
     Zurück blieb sie mit den beiden Jungen. Aber sie hatte noch lange nicht aufgegeben. 
     Sie wandte sich also an Elrik, der ja der nächste Stammesführer sein würde, und sagte: „Gut, dann gehen wir einfach allein auf die Jagd.“


Elrik sah so aus, als würde er nicht verstehen und Aan lachte darüber nur.
     „Du willst jagen gehen?“, fragte er belustigt. „Du bist ein Mädchen! Du kannst nicht jagen gehen!“
      Jana drehte sich zu ihm um. Ihr Gesicht sprach Bände, was sie von seiner Aussage hielt, aber Aan war noch immer zu sehr mit Lachen beschäftigt, um es zu merken. Und wie sehr sein Lachen sie ärgerte.


Also schubste sie ihn, damit er aufhörte und holte dann mit der Faust aus. 
     „Ich zeig dir gleich, was ein Mädchen alles tun kann, Blödmann!“, drohte sie.
     Der Junge, der davon vollkommen überrumpelt war, stolperte erschrocken zurück und hob abwehrend die Hände, bevor sie noch auf die Idee kam, ihn wirklich zu schlagen.
     „Ist ja gut! Ist ja gut!“, beschwichtigte er. Ich hab’s nicht so gemeint! Du kannst alles, was wir auch können, in Ordnung?“


Jana trat zurück und bedachte Elrik mit einem Blick, ob der nicht auch noch etwas Blödes dazu zu sagen hatte. Doch der sah eher so aus, als hätte er gerade seine Zunge verschluckt.
      „Gut, da wir uns ja jetzt einig sind, werd ich meine Mama fragen, ob sie mit uns geht.“
      Jana war zwar mutig, aber nicht blöd. Sie wusste, dass es im Wald gefährlich war. Nichts, was sie nicht schaffen konnte, aber sie traute es, ehrlich gesagt, den Jungs nicht zu.


Und von ihrer Mutter wusste sie, dass sie selber schon einmal auf der Jagd gewesen war. Dafür bewunderte Jana sie. Sie hielt große Stücke auf ihre Mutter, die keinen Mann brauchte, um zurechtzukommen.
      „Ich kann nicht mit euch jagen gehen. Ich muss auf Diana aufpassen“, erteilte sie ihr jedoch auch eine Abfuhr.
      Jana wusste ja, dass ihre Mutter jetzt einen kleinen Schreihals mehr hatte und auch, dass die Geburt sie ziemlich entkräftet hatte, aber dennoch war sie enttäuscht.
      „Frag doch mal Tann, ob er mit euch geht“, schlug Dana vor.  Wenn sie mit Jana allein war, nannte sie Tann nie ihren Vater. Nur, wenn andere dabei waren, tat sie es.
      Da konnte Jana jedenfalls lange warten. Immerhin hatte Tann, den sie auch nie Vater nannte, sie gerade eben ja schon auf irgendwann anders vertröstet. Wenn überhaupt. Wahrscheinlich würde er sie auch nicht jagen gehen lassen. Weil sie ein Mädchen war und so.


Also nahm es Jana selber in die Hand. Und Elrik konnte sich schon denken, was los war, als Aan eines Tages aufgeregt zu ihm kam, während er gerade bei der Feldarbeit war. Nachdem er Jana einmal ausgelacht hatte, war Aan derjenige gewesen, der am meisten dahinter gewesen war, dass sie zusammen jagen gingen. Er war inzwischen hellauf von Jana begeistert.
     „Jana ist fertig! Komm!“, verkündete er und Elrik wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht.


Aan war schneller wieder weg, als er gucken konnte, und Elrik schaffte es erst, ihn bei den Pinkelbüschen einzuholen. Jana wartete dort bereits auf sie.
     „Es ist fertig!“, rief Aan aufgeregt. „Los, zeig her!“
     Jana ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Unbeeindruckt ging sie zu dem großen Heuhaufen hinüber, den sie für die Schafe angelegt hatten, und verschwand darin.


Und als sie wieder hervorkam, hatte sie doch tatsächlich einen Bogen in der Hand. Einen Bogen in Miniaturausgabe zumindest. Und sie sah mächtig stolz aus.   
     Elrik wusste, dass Jana die letzte Zeit jede Möglichkeit mitgenommen hatte, um etwas über Waffenbau zu lernen. Natürlich hatte sie niemandem gesagt, was sie vorhatte, aber letztendlich hatte sie dann Rahn dazu überreden können, sie zu den Zoths zu bringen. Wie sie gehört hatte, waren sie Meister im Bogenbau, und dort hatte sie auch, rein interessehalber versteht sich, gelernt, wie man einen Bogen baute. Was sie dann klammheimlich natürlich auch gemacht hatte.
      Während sich Aan noch immer einen Keks darüber freute und beeindruckt bis zum geht nicht mehr darüber war, dass Jana tatsächlich einen Bogen gebaut hatte, war Elrik zwiegespalten. Er wusste, dass das, was sie vorhatten, verboten war. Die Erwachsenen würden jedenfalls nicht darüber begeistert sein, wenn sie heimlich und allein auf die Jagd gingen. Andererseits konnte er seine Freunde auch nicht einfach hängen lassen. Er konnte sie nicht verraten. Und er musste sich zudem auch noch beweisen. Immerhin würde er eines Tages der neue Stammesführer werden.


Also wandte er sich an Jana, die den Bogen inzwischen geschultert hatte und sagte: „Da ich der Älteste bin, sollte ich den Bogen tragen.“
     „Ganz sicher nicht! Ich hab den gebaut, also ist's meiner! Du darfst vielleicht mal mit schießen, wenn du nett fragst, aber ich werd ihn tragen!“
     Natürlich. Er hatte nichts anderes erwartet. Aber Elrik wusste, im Gegensatz zu Aan, wie er mit ihr umgehen musste.
     „Hör mal, wenn du mir den Bogen gibst, werde ich dich zu meiner Oberjägerin machen, wenn ich erstmal Stammesführer bin, einverstanden?“
     „Wirklich?“ 
     Jana war skeptisch, aber als Elrik sein vertrauenswürdigstes Lächeln aufsetzte und nickte, lenkte sie ein.


Letztendlich bekam Elrik den Bogen und sie gingen klammheimlich zum Nebelwald, um zu jagen. Wie Jana gehört hatte, war es dort zwar etwas gefährlicher, aber das Wild war besser.
      Doch schon nach einer kurzen Weile hielt Aan an und stellte fest: „Hier waren wir schon mal. Weißt du überhaupt, wo es langgeht?“
      „Natürlich weiß ich das!“, behauptete Jana beleidigt.
     Bevor Aan noch etwas sagen und es wieder schlimmer machen konnte, mischte sich Elrik ein: „Dann geh weiter vor und wir folgen dir. Als zukünftige Oberjägerin weißt du bestimmt, wo es langgeht, nicht wahr?“
      Jana war zufrieden und drehte sich wieder um, doch anstatt weiter zu gehen, schnellte ihr Finger nach vorne.


„Da!“, rief sie und als sie nachsahen, waren auch die Jungs alarmiert.
     Da hatte sich doch tatsächlich einer von den Nachbarn nach draußen gewagt. Und nicht nur irgendeiner, sondern der Jüngste von ihnen, der gerade mitten in der Bewegung erstarrt war.
     Die Kinder hatten noch niemals etwas miteinander zu tun gehabt. Eigentlich hatten die Uruk-Kinder die Nachbarn bislang noch nicht einmal aus der Nähe gesehen, da Tann deswegen überaus vorsichtig gewesen war, aber dennoch stand für sie alle fest, dass die Hells allesamt böse waren. Immerhin war es das, was ihre Eltern immer wieder sagten.


Deswegen war es für sie selbstverständlich, dass sie sofort auf die Jagd gingen, als Jana: „Hinterher!“, rief.
     Der Junge der Hells, deutlich in der Unterzahl, ließ sich daraufhin natürlich nicht zweimal bitten und sah zu, dass er weglief. Doch er kam nicht weit.


Er stolperte und die drei Uruk-Kinder, die daraufhin aufholten, sahen sich schon als Sieger, als sie sich plötzlich Aug in Aug mit einem waschechten wilden Ungetüm von einem Wolf wiederfanden. Einen Augenblick lang waren sie alle erstarrt, während der Hell-Junge immer noch vergeblich versuchte, auf die Beine zu kommen. 
     Und dann, mit einem Mal, kehrte das Leben in sie zurück, sie stoben kopflos auseinander und rannten in unterschiedliche Himmelsrichtungen davon. Jeder auf eigene Faust.


Auch Elrik tat das. Er hatte zwar einen Bogen, aber er dachte nicht eine Sekunde daran, ihn auch zu benutzen. Seine Angst hatte viel zu sehr die Oberhand gewonnen.
      Doch er war kaum die ersten Schritte gegangen, da hörte er plötzlich eine Stimme, die ihm nicht vertraut war und die zu dem Hell-Jungen gehören musste. Der Junge fluchte laut und als Elrik einen Blick über die Schulter riskierte, war er noch immer am Boden. Während der Wolf hinter ihm immer näher kam. 
    Elrik erstarrte auf der Stelle.
     Was sollte er tun? Sollte er dem Anderen helfen, obwohl er zu den bösen Nachbarn gehörte? Was würden seine Eltern tun? Was war richtig und was war falsch?


Elrik wusste es nicht und er wusste auch nicht, was er als nächstes tun sollte, aber er wusste, dass es um den anderen Jungen geschehen sein würde, wenn er ihm nicht half. 
     Bevor er sich davon abhalten konnte, war er also umgedreht und hatte im nächsten Moment nun doch auf den Wolf angelegt.


Er sah das Ungetüm und er wusste, dass er schießen musste. Doch als es sich zu ihm umdrehte und ihm in die Augen sah, war plötzlich jegliche Entschlossenheit entschwunden. 
     Er konnte es nicht. Er wollte es nicht. Er hörte den anderen Jungen rufen, aber er konnte nichts tun. Er hatte so eine unbändige Angst und alles, was er tun konnte, war zu zittern wie Espenlaub.
     Und diese Chance nutzte der Wolf, um zum Sprung anzusetzen.


Plötzlich erschien der andere Junge vor ihm. Er stellte sich zwischen ihn und den springenden Wolf, und im nächsten Moment schallte ein erbärmliches Jaulen durch den Wald, das Elrik durch Mark und Bein ging.
     Als das Tier sich wieder zurückzog, sah er, dass es die Augen zusammengekniffen hatte. Da erst bemerkte er das Messer, das der Hell-Junge in der Hand hielt, und ihm wurde angst und bange deswegen.


Dann jedoch hatte der andere Junge ihn unvermittelt an der Hand gepackt und zog ihn hinter sich durch den Wald. Während sie durch die angrenzenden Büsche brachen und Heil in der Flucht suchten, war das Wimmern des Wolfes und das Rasen seines Herzens alles, was Elrik hörte.


Jana hatte derweil bemerkt, dass sie nicht nur den Wolf losgeworden war, sondern auch ihre Begleiter verloren hatte. Und sie würde ja niemals zugeben, dass sie sich verlaufen hatte, aber irgendwie sah alles so gleich aus, dass es schwierig werden würde, zurückzufinden.


Nicht, dass es sie aufhielt, weiterzugehen. Irgendwann würde sie schon irgendwo rauskommen. Und tatsächlich erreichte sie kurz darauf etwas, das wie ein Waldrand oder zumindest eine Lichtung aussah. Aber das Beste daran war, dass da ein Haus war. 
     Sie hatte es geschafft! Natürlich hatte sie es geschafft! Sie war ja schließlich die Größte!


Noch während sie stolz über ihre eigenen Leistungen grinste, kam sie auf einem Hof an, den sie nicht kannte. Hätte sie ihrer Mutter zugehört, hätte sie gewusst, wo sie war, aber stattdessen sah sie sich kurz darauf einer Fremden gegenüber. Die Frau in dem blauen Kleid arbeitete gerade auf dem Feld, als sie ankam.
       „Hey, ähm, ich bräuchte irgendwie ein bisschen Hilfe, bevor meine Freunde im Wald vom Wolf gefressen werden“, kam sie gleich zum Punkt.
      Die Frau erhob sich und sah irgendwie erschrocken aus. Vielleicht auch nicht. Das konnte Jana nicht so genau sagen. Jedenfalls war sie jetzt wütend.
      „Geh nach Hause und hör auf, wilde Geschichten zu erzählen, Kind!“, maßregelte sie sie streng.


Von der konnte sie sich keine Hilfe erwarten. Sie musste sich selbst helfen, bevor es für die Anderen zu spät war. Sie war schließlich die einzige Rettung für die Jungs!
     Also ging sie einfach an der Frau vorbei Richtung Haus. Irgendwo hier musste es ja Waffen geben.


Jin war bei den Kühen, als er lautes Geschrei aus dem Haus vernahm. Als er nachsehen ging, fand er einen kleinen, fremden Eindringling vor, der gerade von Greta davon abgehalten wurde, sich an ihren Waffen zu vergreifen. So ernst die Situation vielleicht auch sein mochte, er konnte nicht anders, als über diesen Anblick zu lachen.


„Was denn hier los?“, griff er ein und gesellte sich zu den beiden Streitenden.
     Greta stellte das sichtlich aufgebrachte Mädchen in sicherer Entfernung ab und baute sich schützend vor den Waffen auf. Statt ihrer war es auch das Kind, das ihm antwortete. Er glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben. War das nicht Danas? Sie war ziemlich groß geworden.
     „Die da will mir keine Waffen geben!, sagte sie anklagend in Gretas Richtung. Und das, obwohl meine Freunde im Wald sonst vom Wolf gefressen werden!“


Jin bedachte Greta mit einem Blick, den diese einfach nur hasste. Er setzte ihn immer auf, wenn er der Meinung war, dass sie etwas Irrationales tat. Es brachte sie zur Weißglut, wenn er sie so ansah. Gerade er, der nicht einmal wusste, was irrational eigentlich bedeutete.
      Doch er sagte nichts dazu, sondern bot dem Kind stattdessen an: „Ich werd mit dir gehen und deinen Freunden helfen. Aber nur, wenn du nicht mehr in fremde Häuser einbrichst, ja?“
      Das Mädchen klatschte erfreut in die Hände und setzte ein Lächeln auf, das selbst Steine erweichen konnte. „In Ordnung!“, versprach sie.


Dann war sie schon wieder rausgestürmt und als Jin ihr, trotz Gretas Protest, folgte, war er froh, mal wieder vom Hof zu kommen. Auch wenn er sich einen fröhlicheren Anlass dafür gewünscht hätte.


Der Hell-Junge hatte inzwischen angehalten, und so musste auch Elrik es notgedrungen tun. Und davor hatte er sich gefürchtet. Denn er wusste nicht, was er jetzt sagen oder tun sollte. Ob er dem Anderen trauen konnte oder nicht. Aber seinem Gegenüber schien es wenigstens genauso zu gehen.
     Also standen die beiden Jungen sich eine ganze Weile nur schweigend und überaus skeptisch gegenüber. Der andere Junge beäugte ihn so vorsichtig wie er es tat. Und doch war es schließlich er, der auf ihn zukam.
      „Du hast mir geholfen“, sagte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass du mir hilfst. Deswegen… danke!“
      „Naja, eigentlich warst es ja du, der mich gerettet hat…“, merkte Elrik kleinlaut an.
       Er war noch immer nicht sonderlich stolz darauf, dass er im entscheidenden Moment gekniffen hatte. Er wusste auch, dass er dem Wolf niemals ins Auge hätte stechen können. Dazu wäre er viel zu feige gewesen.


„Ich dachte immer, ihr seid böse“, gab der Hell-Junge zu und rieb sich dabei unbehaglich die Hände. „Papa hat immer gesagt, ihr wärt böse.“
      Bevor Elrik es verhindern konnte, rutschte ihm raus: „Meiner hat das auch über euch gesagt.“
      Und was der Andere dann sagte, würde Elrik nie vergessen: „Vielleicht haben sie ja unrecht. Du bist jedenfalls nicht böse. Sonst hättest du mir nicht geholfen.“ Er streckte ihm die Hand hin, zog sie aber sofort wieder unsicher zurück. „Ich heiße übrigens Wirt.“
      „Ich bin Elrik.“


Bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte, schallte plötzlich Elriks Name laut durch den Wald. Und als der sich umdrehte, konnte er, zu seiner unendlichen Erleichterung, Jana auf sich zukommen sehen.
     Doch seine Freude wurde gleich darauf wieder gedämpft, als sie ihm zur Begrüßung die Faust gegen die Schulter schlug.


„Warum hast du den Wolf nicht erschossen? Ich hab drauf gewartet!“, stellte sie ihn wütend zur Rede. „Ich wusste, dass ich den Bogen selber hätte behalten sollen!“
     Er konnte nichts dazu sagen, weil er wusste, dass er versagt hatte. Als Ältester, als zukünftiger Stammesführer. Er hatte es mit der Angst zu tun bekommen und war wie ein Feigling weggerannt.
     Dann wurde Jana auch noch auf Wirt aufmerksam und sofort schoss ein Finger anklagend in seine Richtung. „Stattdessen bist du mit dem hier? Hast du dich jetzt mit dem Feind verbündet, oder was?“


Wirt wich erschrocken zurück, doch glücklicherweise kam in diesem Moment noch jemand hinzu, der von ihm ablenkte. Es war Jin.
     „Elrik! Ich hatte schon befürchtet, dass ihr das seid“, sagte er.
     Da wurden die Kinder daran erinnert, dass da ja noch jemand war, der fehlte.

 
„Was ist los?“, fragte Jin, als er die erschrockenen Gesichter sah.
     „Aan!“, antwortete Jana ihm. „Er muss noch immer irgendwo im Wald sein!“
     „Dann sollte ich ihn lieber suchen gehen. Geht ihr derweil zurück nach Hause! Und keine Umwege! Verstanden?“
      Doch davon wollte Jana natürlich nichts wissen. Und, zu ihrer Überraschung, erklärte auch Elrik, mit auf die Suche nach dem verschwundenen Freund gehen zu wollen. Und Jin, der den Mut der Kinder schätzte und der davon überzeugt war, sie alle auch vor einer Horde Wölfe schützen zu können, verbot es ihnen nicht.


„Ich geh dann aber lieber nach Hause“, erklärte Wirt. „Sonst wird Vater böse. Aber wenn ich euren Freund sehe, sag ich ihm, dass ihr ihn sucht.“
     Jana verzog angewidert das Gesicht, doch sie verkniff sich, etwas dazu zu sagen. Sie hatte nichts anderes erwartet, als dass der Junge von den Hells ein Feigling war.


Letztendlich trafen sie keine wilden Tiere mehr. Aan war danach sogar ziemlich schnell gefunden, aber dafür war er es, für den die ganze Geschichte weniger gut ausging. Er hielt sich das rechte Auge und klagte über Schmerzen.


Jin brachte die Kinder schnellstmöglich nach Hause, wo sie bereits von besorgten Eltern und Großeltern erwartet wurden. 
     Tanna war erleichtert und schloss ihren unversehrten Sohn in die Arme, aber Luma war das nicht vergönnt. Als Aan die Hand das erste Mal vom Auge nahm und erklärte, nichts mehr darauf sehen zu können, war sie zutiefst erschrocken.


Und sie hatte schnell einen Schuldigen für das Unglück ihres Sohnes gefunden. Aufgebracht wandte sie sich an Jana, die inzwischen den Bogen von Elrik abgenommen hatte und trug.
      „Du warst das! Du bist dafür verantwortlich! Weil du den Jungs Flausen in den Kopf gesetzt hast, ist das passiert!“
      Luma war Jana gegenüber nie ausgebrochen. Sie hatte immer versucht, sie fair zu behandeln, trotz dem, wer ihre Mutter war und was sie getan hatte. Doch jetzt konnte sie nicht anders. Jana hatte zu viel angerichtet.


Doch da mischte sich plötzlich Elrik ein. „Ich bin schuld daran“, gestand er. „Ich hatte den Bogen und als es dann drauf ankam, konnte ich nicht schießen…“
     Er ließ den Kopf hängen und wartete auf eine Standpauke, aber stattdessen blieb es ruhig. Scheinbar hatte es allen die Sprache verschlagen. Schließlich hatte er sich bislang nie etwas zu Schulden kommen lassen.
     „Er hatte vielleicht den Bogen, aber ich hab ihn gebaut und ich hatte die Idee, jagen zu gehen“, rief Jana jedoch aufgebracht, die nichts davon wissen wollte, dass er die Schuld auf sich nahm.


Und dann stellte sie sich direkt vor Aan und sagte: „Hörst du, ich bin schuld! Ich wollte das nicht, aber wenn du auf jemanden sauer bist, dann sei auf mich sauer!“
     Elrik würde diesen Mut, den Jana an diesem Abend an den Tag legte, nicht vergessen. Er war zutiefst beeindruckt von etwas, das er vielleicht niemals besitzen würde.


Während Aan kurz darauf von ihrem Neuzugang, Medizinmann Armin, versorgt wurde, ging Jin zu dem Mädchen, dessen Aufrichtigkeit auch ihn beeindruckt hatte.
      „Hey, das war echt mutig von dir vorhin“, sagte er. „Wenn du größer bist, dann komm doch mal vorbei und dann bring ich dir richtig Jagen bei, ja?“
      Es war das einzig Gute, das an diesem Tag für sie wohl geschehen war.


Sie hatte jedenfalls ziemlichen Ärger bekommen. Sie alle hatten das. Und als Dana später von der Suche, auf die sie und einige der Anderen gegangen waren, zurückkam, durfte sie sich auch noch von ihrer Mutter eine Standpauke anhören.


Doch letztendlich war Dana einfach nur froh, ihre Tochter unbeschadet wiederzuhaben.


Aans Augenlicht auf dem rechten Auge kehrte nicht wieder zurück. Weil er sich für sein trübgewordenes Auge schämte, nähte Luma ihm eine Augenklappe, die er von da an immerzu trug. Was genau ihm im Wald widerfahren war, darüber schwieg er aber beharrlich.
     Von dem Tag an, an dem er das Licht auf seinem Auge verlor, veränderte Aan sich. Er wurde sehr viel ruhiger und in sich gekehrter. Er wollte keine Abenteuer mehr erleben und war zufrieden damit, einfach nur auf dem Hof zu bleiben.


Und obwohl Jana dachte, dass er sauer auf sie war, war sie es, die wieder auf ihn zuging. Sie war die Einzige, die ihn unverändert behandelte. Ihn vielleicht ein bisschen mehr beschützte als früher, aber ansonsten so unbeschwert, wie eh und je mit ihm umging. Und dafür war er dankbar.
     Jana und Aan wurden trotz aller Umstände gute Freunde. 
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Hier weiterlesen -> Kapitel 35 

Tja, das passiert, wenn die Kinder den Hass der Eltern übernehmen. Meine Lieblingsband "Disturbed" hat da auch ein sehr passendes Lied zu. In "Who taught you how to hate" geht es, u.a., auch genau darum. Dass Kinder von Anfang an unschuldig und reinen Herzens sind und so etwas wie Hass gar nicht kennen. Bis es jemand in sie "pflanzt". 
Und das ist eine gefährliche Sache, die dem armen Aan letztendlich sogar die Sicht auf einem Auge gekostet hat. 

Da hat er sich so sehr gewünscht, mal wieder vorzukommen und jetzt hab ich ihm sowas gemeines angetan. Sorry, Aan :( !
Elrik: "Ich hab's dir ja gesagt, dass du die nicht auf dich aufmerksam machen sollst."
Aan: " -.- "
Ich hätte so gerne eine Augenbinde für ihn gehabt, aber jetzt ist es eben eine Augenklappe geworden. Bin ja schon froh, dass ich die gefunden habe. Es war ein Krampf, ihm später eine zu finden, die über sein rechtes Auge ging, als er heranwuchs...

Ich hab die Neuzugänge (Diana, Medizinmann Armin und sein Hund mit dem Namen Nacht) bei den Charakteren hinzugefügt und Jana, Aan und Elrik aktualisiert. Neues Gruppenbild und Stammbaum gibt's auch. Wenn auch noch alles ohne Augenklappe.

Nächstes Mal dann ist es dann soweit, dass Dana und Jin endlich mal aufeinandertreffen.

Bis dahin verabschiede ich mich und danke fürs Vorbeischauen!

2 Kommentare:

  1. Luma ist ja voll die Kampfomi geworden xD ! Wie sie im Hintergrund auch noch fleißig weiter trainiert...herrlich!

    Mich wunderts ja, dass Wirt nicht n Bein unterwegs verlor ;P . Vielleicht auch noch ein Holzbein dann kriegt? Stattdessen wurde es eine Augenklappe bei Aan. Wenn er sich demnächst noch gern in Kartons versteckt und Schlangen als Leibspeise entdeckt, weiß ich bescheid. Dann reiht er sich gleich neben die Hells, Ausbilder Wulfgar, Eiskönigin Dana & Dämonenjäger Rahn mit ein.

    Apropos Rahn, es mag n bißchen verspätet kommen, aber neulich hörte ich von Sonata Arctica "Shy" und in dem Lied geht es um einen Verliebten, der zu seiner Dana möchte. Nun seh ich den armen Dämonenjäger in einer Mondlichtung auch noch dieses herzzerreißende Lied singen, während Dana ja bekanntermaßen bei Jin/Tann verendete. Aaaaaarmer Rahn...kriegt auch nur noch in Nebensätzen Aufmerksamkeit von dir, nachdem er schon so gebeutelt wurd. Ein <3 für Raaaaahns xP !

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    1. Ja, nicht wahr? Ich seh Luma schon vor mir, wie sie alle von den Hells mit einem Roundhousekick fertig macht XD

      Wenns nicht Luma wird, dann haben sie ja Aan, der kann sich da reinschleichen ("freeze!") und vielleicht findet er ja auch was Leckeres da ("Tasty!").

      Tja, vielleicht hat Wirt ja schon ein Holzbein? Und wenn nicht, kann man es bestimmt in Tristram finden.

      Ja, ich weiß. Ich fühl mich selber ganz schlecht wegen Rahn :( ... Er ist so abgeschlagen und das war ja eigentlich gar nicht so geplant. Er sollte ursprünglich eigentlich mit Dana durchstarten, aber naja... was nicht ist... oder vielleicht findet er ja auch wen anders. Als Dämonenjäger stell ich mir aber eh ein einsameres Leben vor....
      Trotzdem, sorry Rahn und auch von mir ein <3!

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