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Dienstag, 31. Dezember 2019

Kapitel 13 - Vater und Mutter



Mit einem erstaunlich guten Gefühl kehrte ich nach Hause zurück. Es war befreiend gewesen, das endlich einmal zu klären und deshalb beschloss ich, mit Ana zu reden und auch ihr zu sagen, dass das mit uns nichts werden würde. Und nicht nur das. Von Namas Worten ermutigt, nahm ich mir auch vor, es nun doch bei Wanda zu versuchen. Ihr gehörte mein Herz, und ich würde mein Bestes geben, dass sie meine Gefährtin würde. Und wenn sie noch nicht bereit dazu war, würde ich eben warten, bis sie es war. 


Als ich das Lager erreichte, war es gerade früher Nachmittag und alles schien verlassen. Das war nichts Ungewöhnliches. Wenn die Frauen nicht bei den Näharbeiten saßen oder sich um unser Essen und unsere Vorräte kümmerten, waren sie zu dieser Zeit meistens draußen, um zu sammeln. Vater oder ich gingen meistens mit, aber es konnte auch sein, dass er momentan beim Fischen oder auf der Jagd war. Seitdem wir die Wölfe hatten, brauchten wir nicht mehr dauernd als Beschützer mitgehen.  


Deshalb war ich dann doch etwas irritiert, als ich plötzlich eine Stimme hörte. Und als ich Wanda darin erkannte, machte mein Herz einen aufgeregten Sprung. Eigentlich hatte ich erst mit Ana reden wollen, aber wenn sie nicht da war, konnte ich genauso gut erst mit Wanda reden. Also… vielleicht sollte ich doch erst mit Ana reden? Ich wusste ja gar nicht, was ich zu Wanda sagen sollte. Ich wusste gar nicht, ob ich überhaupt vor ihr reden konnte. Meine Knie fühlten sich jedenfalls ziemlich weich an und ich glaubte ja nicht, dass mich meine Beine überhaupt zu ihr tragen würden und… kicherte sie da etwa?
     Ich ging um das Zelt herum, hinter der ich ihre Stimme hörte. Was machte sie da eigentlich? Und wer war bei ihr?


Ich erwartete Ana, ich erwartete Roa oder sonst wen, aber wen ich nicht erwartete, war mein Vater. Der sie gerade im Arm hatte. Und den sie küsste.


Bevor ich mich versah, war ich davongelaufen. Meine Beine fühlten sich noch immer wackelig an, aber erstaunlicherweise trugen sie mich doch. Ich verließ das Lager, rannte über irgendeine Ebene, bis das Brennen in meinen Lungen mich zum Anhalten zwang.


Eine Weile verbrachte ich nur damit, gleichmäßig zu atmen und das Chaos in meinem Kopf und meinem Herzen zu ignorieren. Bis der Schweiß schließlich seine Arbeit tat und mir kalt wurde. Ich begann zu frieren, aber in meinem inneren begann ein Feuer zu brennen, wie ich es noch nie zuvor gefühlt hatte.


Ich hatte mein ganzes Leben lang gekämpft. Hatte durchgehalten und war immer ein höriger Sohn gewesen. Aber in diesem Moment, als das Fass meiner Geduld überlief, wurde ich das erste Mal in meinem Leben wütend auf meinen Vater. Das reichte! Er war zu weit gegangen!


Ich wartete nicht einmal darauf, bis sie fertig waren. Ich platzte rein, als es wohl gerade in die heiße Phase ging; ich wollte es gar nicht wissen. Wanda sah beschämt aus, glaubte ich, aber das war auch nicht wichtig. Sie war gerade nicht wichtig. Und mein Vater, der sah so verdammt gleichgültig aus wie immer. Wie immer, wenn er mich bis zur Besinnungslosigkeit hatte Laufen lassen. Wenn er zugehört hatte, wie ich sang, bis ich keine Stimme mehr gehabt hatte. Meine Finger vom Nähen blutig waren. Oh, und wer konnte vergessen, wie ich angefangen hatte zu heulen, weil ich nicht mehr mit ihm hatte ringen wollen, weil mir vom letzten Mal noch alles wehgetan hatte? Oder als Mutter der einzige Mensch, der all die Jahre über für mich dagewesen war gestorben war und ihn das überhaupt nicht interessiert hatte?


„Mama ist erst seit kurzem tot“, stellte ich fest, doch er würdigte es nicht einmal einer Antwort. „Sie hat vor ihrem Tod erzählt, dass ich noch eine andere Mutter im Uruk-Stamm habe“, erzählte ich unverblümt. „Stimmt das?“
     Ich hatte es ihm nicht zugetraut, aber inzwischen traute ich ihm alles zu.   
     Keine Reaktion von ihm. Nur langes Schweigen. Wanda war inzwischen verschwunden, fiel mir auf.
     „Stimmt es?“, fragte ich noch einmal, diesmal eindringlicher.


„Ja, es stimmt.“ Erneut keine Reaktion. Sein Gesicht war so gefasst, wie verdammt nochmal immer.
     Ich verlor meine Fassung. „Warum weiß ich davon nichts?“
     „Es war eine Abmachung.“
     „Was?“ Als er wieder nichts sagte, fragte ich inbrünstiger als ich wollte: „Was soll das heißen?“
     „Dala konnte keine Kinder bekommen und deshalb hat eine andere Frau dich für uns ausgetragen. Dass sie danach geht und Stillschweigen darüber bewahrt, war Teil der Abmachung.“
     „Und was ist mir ihr? Meiner leiblichen Mutter? War ihr das etwa egal oder…“


„Nein“, fuhr er bestimmt dazwischen. „Sie wollte dich nach deiner Geburt mitnehmen, aber ich habe sie fortgeschickt.“
     „Und Mutter? Dala?“
     „Sie wusste nichts davon. Sie dachte, deine leibliche Mutter wäre freiwillig gegangen.“
     Ich war erschüttert. Ich hatte ja gedacht, dass ich meinem Vater alles zutrauen würde, aber ich hatte mich geirrt. Dass er eine Frau derart ausnutzen und sie dazu zwingen würde, ihr Kind zurückzulassen... Das war das Letzte!
     „Ich werde zu Tanns Übernahmefeier gehen“, schaffte ich schließlich, etwas gefasster zu sagen.
     „Das wirst du nicht! Ich habe es dir verboten!“


Ich konnte ihn nicht mehr sehen. Ich musste hier weg. Also ließ ich ihn stehen und verschwand im nächsten Zelt, als er mir auch noch verbot, das Lager zu verlassen.


Ich hatte danach nicht mehr mit meinem Vater gesprochen. Alle schienen bemerkt zu haben, dass etwas vorgefallen war, so nervös, wie sie herumliefen. Es herrschte eine angespannte Stille im gesamten Lager, aber es war mir egal. Ich wusste nicht einmal, was ich meinem Vater am meisten übelnahm. Dass er meine Mutter so einfach kurz nach ihrem Tod austauschte oder dass er meine leibliche Mutter skrupellos ausgenutzt hatte. Und das Thema Wanda kam da nicht mal hinzu, weil ich mit ihr sowieso inzwischen abgeschlossen hatte.


Als ich gerade – immer noch – wütend auf einem der Baumstümpfe saß, die ums Feuer herumstanden, erschien Roa so plötzlich in meinem Sichtfeld, dass ich erschrocken aufsprang.
     „Bist du traurig?“, fragte sie mich.
     „Ein bisschen.“
     „Ich bin auch oft traurig.“
     Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, also fragte ich sie: „Sag mal, wo kommst du eigentlich her?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Und deine Eltern? Wo sind die?“


Ihr Finger ging von meinem Vater zu Wanda, und ich fragte mich in diesem Moment, ob es nicht wirklich so war. Sie hätte jedenfalls ihre Tochter sein können, so wie sie aussah. Aber ich wusste auch, dass Wanda und Vater sich erst seit kurzem kannten. Glaubte ich zumindest.


„Ich meine deine echten Eltern“, versuchte ich mehr aus ihr rauszukriegen, aber es bewirkte nur, dass sie nun traurig wurde und wegrannte.
     Ich hatte gar nicht die Gelegenheit, mir weiter über dieses stille Mädchen, das mein Vater so plötzlich mitgebracht hatte, Gedanken zu machen, da Ana gleich darauf auftauchte.


„Sie hat dich wirklich gern“, meinte sie mit Blick auf Roa. „Mit mir redet sie nämlich nicht. Ich hab sie eigentlich noch nie mit jemand anderem außer dir, Tuck und Wanda reden sehen.“
     Es stieß mir schon sauer auf, nur ihre beiden Namen da hintereinander zu hören.
     „Ich kann immer nur wieder feststellen, dass du wirklich ein Händchen für Kinder hast“, fuhr Ana fort. „Du wirst wirklich ein wundervoller Vater sein.“
     Es erinnerte mich daran, dass da ja noch was gewesen war, das ich ganz vergessen hatte. Ich hatte das mit Ana klären wollen.


„Ana, hör mal“, begann ich vorsichtig, „du bist eine gute Frau, aber ich habe nicht vor, dich zur Gefährtin zu nehmen.“
     Ich erwartete mindestens einen wütenden Ausbruch auf ihrer Seite, aber stattdessen fragte sie: „Und wen willst du dann nehmen?“
     „Ich… weiß nicht“, erwiderte ich überfordert.
     „Dann solltest du mich nehmen“, beschloss sie.
     „Hast du mir gerade überhaupt zugehört?“
     „Was? Du sagtest doch, ich sei eine gute Frau. Was willst du denn mehr?“
     „Naja, ich hätte gerne eine Frau, die ich auch liebe.“


Was sie zum Lachen brachte. „Dann sag mir Bescheid, wenn du eine gefunden hast. Ansonsten bin ich hier.“
     „Du willst mich echt noch haben, obwohl ich dich gerade abgewiesen habe?“
     „Klar. Du bist ein guter Mann. Bist gesund. Stark. Du wirst gute Kinder machen. Und wirst für uns sorgen können. Was will ich mehr?“ Wehleidig lächelnd fügte sie hinzu: „Außerdem sind wir ja schon eine Familie. Die Einzige, die ich noch habe.“


„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich, obwohl ich nicht wusste, warum.
     „Du solltest dich lieber bei Roa entschuldigen. Sie weint, glaube ich. Sag einfach Bescheid, wenn du mich haben willst.“ Sie wandte sich ab. „Aber erwarte nicht, dass ich auch solange auf dich warte.“
     Vielleicht war Ana doch keine so schlechte Wahl. Es war jedenfalls einfacher, als das Herz gebrochen zu bekommen.


Danach ging ich noch zu Roa hinüber. Ich entschuldigte mich, wie Ana es gesagt hatte.
     „Ich hatte bislang noch keine Geschwister“, sagte ich ihr. „Aber ich habe mir immer welche gewünscht. Ich freue mich ehrlich, dass ich jetzt eine kleine Schwester habe, und ich verspreche dir, dass ich auf dich aufpassen werde.“


Da verirrte sich endlich wieder ein scheues Lächeln auf ihr bislang umwölktes Gesicht. Ich hatte an diesem Tag vielleicht meinen Vater verloren, aber immerhin hatte ich eine Schwester bekommen.


Am nächsten Morgen tat ich etwas, das ich noch nie zuvor getan hatte: Ich gehorchte meinem Vater nicht. Er war gleich nach dem Frühstück zum Uruk-Stamm aufgebrochen, und natürlich hatte er mir noch einmal verboten, zu gehen. Aber ich tat es trotzdem. Ich wartete ein bisschen, nahm dann einen anderen Weg und folgte ihm schließlich.


Derweil war Tara auf dem Fest, umgeben von Leuten, und sie war fürchterlich aufgekratzt. Luma hatte ihr erzählt, dass sie Tuck extra gesagt hatte, dass natürlich auch Rahn eingeladen war. Und nachdem Sen tatsächlich gegangen war, um zu sehen, ob Minos überhaupt noch eine Gefahr war und er mit der Nachricht zurückgekommen war, dass Minos bereits seit einer Weile nicht mehr unter den Lebenden weilte, hatte sich plötzlich alles geändert. Seitdem war es in Ordnung, dass sie sich Rahn offenbarte. Die Sache war nur, dass sie Angst davor hatte. Angst davor, dass Rahn sie dafür hassen könnte, dass sie ihn all die Jahre über im Stich gelassen hatte.


Während sie noch bangte, fand Tuck sie. Er sah auf den ersten Blick gefasst aus wie immer, aber sie erkannte deutlich die Sorge darunter. Da machte auch sie sich augenblicklich welche.
     „Rahn weiß Bescheid“, überfiel er sie sogleich.
     „Was? Wo-woher? Weshalb?“
     „Dala hat es ihm wohl erzählt, bevor sie gestorben ist.“ Er verbrachte einen viel zu langen Moment damit, sich die Nasenwurzel zu reiben und schwer zu seufzen. „Ich habe ihm verboten, herzukommen, aber wahrscheinlich wird er trotzdem irgendwann hier auftauchen. Wahrscheinlich heute schon, so wütend, wie er gestern war.“ Plötzlich verschloss er seine Sorge wieder vor ihr. Ernst bat er sie: „Wenn du ein Herz hast, dann sei nett zu ihm. Tu wenigstens so, als wäre er dir nicht egal, wenn er bei dir ist.“


„Er ist mir nicht egal! Das ist er nie gewesen!“, brach es schließlich, nach all den Jahren, doch noch aus ihr heraus.
     „Warum… warum hast du ihn dann zurückgelassen?“, fragte Tuck irritiert. „Du weißt, dass ich wollte, dass du bleibst. Dass du ihn wenigstens aufwachsen siehst.“
     Tara haderte eine ganze Weile mit sich, bevor sie weitersprach. Sie hatte nicht mehr länger lügen können, was ihre Gefühle anbelangte, die sie zu lange hatte verstecken müssen. Aber würde Tuck ihr überhaupt glauben? Dala war schließlich seine Frau gewesen.
     „Dala hatte etwas gegen mich in der Hand“, erzählte sie schließlich zögerlich.


Doch zu ihrer Überraschung sagte Tuck da nur verärgert: „Natürlich! Ich hätte es wissen müssen!“ Als Tara ihn jetzt fragend ansah, erzählte er: „Sie war schon immer eine manipulative Schlange. Sie war es, die mich dazu gebracht hat, mit meinem Bruder zu brechen, unseren Stamm zu spalten und sie zur Frau zu nehmen, obwohl ich das alles niemals gewollt habe. Aber sie hat mir eingeredet, dass es das Richtige zu tun sei. Der einzige Weg, um alle davor zu bewahren, dass Ur uns ins Verderben führt. Und natürlich brauchte ich ihre Hilfe, um die Führung zu übernehmen, weil sie alle auf ihre Seite gezogen hatte.“


„Und da war ich und habe mir Sorgen gemacht, dass du mir nicht glauben würdest, aber ihr, weil du sie ja liebst…“
     „Um Himmels willen, nein! Ich habe diese Frau gehasst! Aber Rahn weiß das alles nicht“, fügte er hinzu. „Und egal, was für eine verdorbene Lügnerin Dala auch gewesen war, sie war Rahn immer eine gute Mutter. Sie hat ihn sehr geliebt und der Junge sie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er uns nicht mal glauben würde, wenn wir ihm die Wahrheit erzählen würden. Er würde wahrscheinlich denken, dass wir Dala die Schuld in die Schuhe schieben, und dann will er auch mit dir vielleicht nichts mehr zu tun haben. Dala war auch schlau genug, niemanden sonst zu zeigen, wie sie wirklich war. Deshalb, so wenig mir das auch gefällt, muss ich dich darum bitten, Rahn nicht zu erzählen, was Dala getan hat. Erzähle ihm, dass ich dich dazu gezwungen habe, wegzugehen und dich von ihm fernzuhalten.“


„Das könnte ich niemals tun, Tuck! Du hast nichts getan, im Gegenteil, wenn ich nur von Anfang an zu dir gekommen wäre und dir alles erzählt hätte, hättest du mir sicherlich geholfen.“
     „Das hätte ich, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich habe Rahn bereits erzählt, dass ich Schuld an der ganzen Sache habe.“
     „Dann nehme ich die Schuld eben auf mich!“
     Doch davon wollte Tuck noch weniger wissen. Er trat an sie heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Nein. Für mich und Rahn ist es vielleicht zu spät… ich glaube, das ist es schon lange… aber für dich und ihn nicht. Du hast all die Jahre über gelitten, da solltest du jetzt eine Chance bekommen, die Zeit nachzuholen, die ihr zwei verloren habt.“


Tara wollte etwas dagegen sagen – sie wollte ganz sicher nicht, dass Tuck den Schuldigen spielte, aber da sah sie Rahn am Rande des Festes auftauchen und sie verstummte. Tuck, der ihn auch bemerkte, nahm dies nun als Anlass zum Gehen. Und Tara versäumte, ihn aufzuhalten. Ihre Gedanken waren inzwischen nur noch bei ihrem ersten Sohn, den sie gleich das erste Mal als Mutter endlich gegenübertreten durfte.


Mir fiel erst auf, dass ich versäumt hatte, nach dem Namen meiner leiblichen Mutter zu fragen, als ich das Fest erreichte und keine Ahnung hatte, nach wem ich eigentlich Ausschau halten sollte. Ich wusste ja nicht einmal, wie viele Frauen der Uruk-Stamm eigentlich hatte. 
     Also sah ich in die umliegenden Gesichter und versuchte irgendwo eine Ähnlichkeit mit mir festzustellen. Ich wusste, dass ich nicht so sehr nach meinem Vater kam, aber ich hatte mir bislang auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, dass ich nicht nach Dala gekommen war, von der ich bis vor kurzem ja gedacht hatte, dass sie meine Mutter gewesen sei. Nun, sie war es noch immer, aber ich hatte eben auch irgendwo noch eine zweite Mutter, die es nun zu finden galt.


Ich war so konzentriert auf der Suche, dass ich beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre. Plötzlich hatte ich ein Gesicht vor mir, das so eindeutig wie meines aussah, dass ich sie nur verdutzt anstarren konnte. Wenn nicht das oder die Tränen in ihren Augen, dann hätte es spätestens der Überfall verraten, dass sie meine Mutter war. Sie drückte mich so fest an sich, dass mir beinahe die Luft wegblieb.


„Rahn! Rahn…“, weinte sie. „Mein Junge…“
     Ich hatte bis jetzt, ehrlich gesagt, nicht daran gedacht, was ich zu ihr sagen sollte. Was ich mir überhaupt davon erhoffte, sie zu sehen. Wenn ich mir ein Glücksgefühl erhofft hatte, blieb das jedenfalls aus. Im Gegenteil, als meine Luft wieder zu mir zurückkam, fühlte ich mich ein bisschen unbehaglich. Ich hatte eben schon eine Mutter gehabt und keine zweite gebraucht. Und sie würde mir auch nicht meinen Vater ersetzen können.
     Ich tätschelte ihr ein bisschen den Rücken, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie mich wieder losließ. Es war so merkwürdig, sie jetzt plötzlich vor mir zu haben.


„Du bist meine Mutter, oder?“, fragte ich sie und sie nickte.
     „Ich... ich bin Tara.“
     Ich nannte ihr meinen Namen, obwohl das überflüssig war, und da sagte sie: „Rahn, es tut mir so schrecklich leid, dass ich all die Jahre nicht für dich dagewesen bin!“
     „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst. Ich weiß, dass Vater dich dazu gezwungen hat.“


Sie machte den Mund auf, verschluckte aber, was sie hatte sagen wollen. Stattdessen sah sie nun so unglücklich aus, dass ich mich sofort schlecht fühlte.
     „Lass uns nicht darüber reden“, schlug ich vor und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. „Ich möchte dich viel lieber kennenlernen.“
     Das Unglück verschwand danach nicht gänzlich aus ihrem Gesicht, aber immerhin wurde es besser.
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