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Mittwoch, 6. November 2019

Teil 2 - Tann und Enn



Es war eine Woche später, an einem warmen Spätsommerabend. Da sie sich noch immer davor fürchtete, dass Minos sie finden würde, verließ Tara die Höhle tagsüber so gut wie gar nicht. Die dunkle, bedrückende, enge Höhle. Sie war froh, wenn die Sonne sich endlich anschickte, schlafen zu gehen und sie nach draußen konnte. Wie sie wusste, ging Minos nach Sonnenuntergang nie nach draußen.


Sie war gerade ins Freie getreten, als ein erstickter Aufschrei sie beinahe wieder in die Höhle zurückschickte. Da waren ganz in der Nähe zwei ineinander verkeilt, und als sie näherkam, sah sie, dass der Größere den Kleineren gehörig im Schwitzkasten hatte. Es waren zwei aus ihrem neuen Stamm, erkannte sie.  


„Hey! Hey! Auseinander ihr beiden!“
     Die beiden guckten erst verdutzt, taten dann aber, wie ihnen geheißen. Sie hatten beide dasselbe schwarze Haar und dieselben blauen Augen.
     „Was tut ihr denn da? Warum prügelt ihr euch?“
     „Ach, guck, du bist ja die Neue. Du kannst ja doch sprechen“, erwiderte der ältere der beiden. Der Jüngere derweil stand nur still daneben und sah unbehaglich drein.
     „Wieso sollte ich denn nicht sprechen können?“
     „Naja, du hast ja nie geredet.“
     Sie hatte in der Tat bislang versucht, im Hintergrund zu bleiben. So wie Dala es ihr gesagt hatte. Es war ihr schwer gefallen, da sie ansonsten eigentlich eine gesellige Person war, aber sie hatte nicht unnötig auffallen wollen.
     „Ich kann sehr wohl reden“, sagte sie und stemmte dabei die Fäuste in die Hüften. „Und ich sage auch, wenn mir was nicht passt. Also, warum prügelt ihr euch denn wie wilde Tiere?“
     „Wir prügeln uns nicht“, behauptete der Größere. „Ich helfe meinem Bruder hier nur, stärker zu werden.“
     „So sah das aber nicht aus! Das sah eher so aus, als ob du ihn drangsaliert hast! Er hatte ja gar keine Chance gegen dich!“


„Ja, weil er sich überhaupt nicht anstrengt“, tadelte der Beschuldigte mit Blick auf seinen Bruder.
     „Das tu ich sehr wohl!“, empörte der sich.
     „Tust du nicht!“, versetzte der Ältere scharf. „So wirst du nie von den Anderen als Mann erstgenommen.“ Er schüttelte den Kopf. „Du bist kein Kind mehr, Enn. Mama und Papa sind schon zu den Geistern gegangen und ich bin auch bald nicht mehr da, um auf dich aufzupassen.“


Als der Andere jetzt anfing zu schmollen, fragte Tara den älteren Bruder: „Wo gehst du denn hin?“
      „Ach, da ist ein Mädchen, das nicht genug von mir kriegen kann. Sie lebt aber woanders“, erzählte er grinsend. „Da geh ich hin.“ Plötzlich fing er an, sie von oben bis unten zu mustern. „Aber wenn ich dich so ansehe, bist du auch nicht schlecht. Vielleicht nehm ich mir auch dich und bleibe einfach hier.“
     „Du würdest gar nicht mit mir zurechtkommen, glaub mir!“, lachte Tara.
     Er grinste. „Lass es uns doch herausfinden!“
     „Nein, danke. Sag, wie heißt du eigentlich?“


„Ich bin Tann, und das ist mein Bruder Enn.“
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Tuck erhob sich von dem Krankenlager und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Enn, er ist tot“, sagte er und legte dem Jungen, dessen Wangen und Kinn inzwischen ein lichter Bart zierte, die Hand auf die Schulter.
      Enn starrte ihn an, als könne er nicht verstehen, was der Andere zu ihm sagte. Sein Blick glitt vom Stammesführer zu seinem Bruder, der mit totenblassem Gesicht an seinem Schlafplatz lag. Die Augen, die sich nie wieder öffnen würden, waren erst vor einigen Momenten ein letztes Mal zugefallen.
      Tara legte automatisch eine Hand auf ihren inzwischen leicht gewölbten Bauch. Als müsste sie beschützen, was unter ihrem Herzen heranwuchs.
      „Schon gut“, hörte sie Enn jetzt tapfer sagen. „Jetzt ist er wieder bei Mama und Papa und bei den Geistern, von denen er immer gesprochen hat.“


Er biss sich auf die schon heftig zitternde Unterlippe und man sah, dass seine Augen längst in Tränen schwammen. Doch dann ließ Tuck ihn gehen, und Enn nutzte die Chance, nach draußen zu fliehen. Tara hatte sofort den Drang, ihm nachzugehen. Die letzte Zeit hatte sie ein bisschen auf ihn aufgepasst, und sie musste gestehen, dass sie noch immer ein Kind in ihm sah, obwohl er sich immer darüber aufregte.
      Mehr noch hatte sie jedoch mit seinem Bruder Tann zu tun gehabt. Während alle anderen (außer Tuck) sie nach wie vor mieden, hatte er immer mit ihr gesprochen. Er hatte ihr von den Geistern erzählt, die in allem lebten, was man sehen konnte. Davon, wie er ihnen opferte, damit sie auf ihn und seinen Bruder aufpassten. Wie es schien, hatten sie das aber nicht getan. Er war vor einigen Tagen schwer krank geworden und dann war alles sehr schnell gegangen. Sie hatten nichts für ihn tun können.


Deshalb war auch Tara nun ziemlich betroffen. Sie ging nach draußen, obwohl die Sonne noch am Himmel stand, um nach Enn zu sehen. Aber anstatt den letzten seiner Familie zu finden, fand Tuck sie. Wie so oft in letzter Zeit, wenn er ihr gegenüberstand, sah er besorgt aus.
     „Es geht euch doch gut, Tara, oder?“, wollte er wissen.
     Seitdem sie schwanger war, fragte er sie das andauernd. Verstärkt nun, nachdem eine Krankheitswelle ihnen erst einige Stammesmitglieder genommen hatte. 
    Sie und Tuck hatten vor einiger Zeit angefangen, das Lager zu teilen, was ziemlich merkwürdig für sie beide gewesen war. Aber Tuck war sehr liebevoll gewesen, und er war es noch immer. Er kümmerte sich rührend um sie, dass Dala beinahe grün vor Eifersucht war. Tara konnte sich ja eigentlich gut vorstellen, so einen Mann wie ihn zu haben, weshalb es ihr gleich doppelt so schwer fiel zu tun, was sie vorhatte. Wenn nur nicht Dala gewesen wäre…
     „Natürlich. Mach dir keine Sorgen!“


Da kam Tuck an, um ihr die Hand auf den Bauch zu legen. Als würde es das merken, fing das Kleine in ihrem Bauch da an, sich zu regen. Schon als Tara das erste Mal das neue Leben gespürt hatte, das in ihr heranwuchs, hatte das alles verändert. Da hatte sie gewusst, dass sie ihr Kind nicht weggeben wollte. Also hatte sie sich entschlossen, heimlich davonzulaufen.
      Als sie jetzt jedoch in Tucks strahlendes Gesicht sah, brachten die Schuldgefühle sie beinahe um.
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