„Tannaharahna?“, probierte der Neuankömmling, und dann
hellte sich sein Gesicht auf. „Rahna, du bist es wirklich, nicht wahr?“
„Daan.“ Tara
lächelte schief und nickte, bevor sie den Anderen kurz umarmte. Dann glitt ihr
Blick ängstlich an ihm vorbei. „Dein Vater… ist aber nicht hier, oder?“
„Nein,
natürlich nicht. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seitdem er mich verstoßen
hat, und darüber bin ich auch ganz froh. Er kann mir gestohlen bleiben. Aber was ist
mit dir? Warum bist du hier?“
„Ich… habe ein
bisschen Mist gebaut“, gestand sie kleinlaut. „Und da dachte ich, ich gehe
lieber, bevor Minos zurückkommt.“
„Das war weise von dir.“ Er schlug in die Luft, dass das
kleine Kind in seinen Armen, das inzwischen aufgehört hatte zu weinen,
erschrocken zu ihm aufsah. „Ich hab sowieso nie verstanden, warum man
freiwillig mit so einen Ungetüm zusammenleben will. Er bedeutet mehr Gefahr,
als dass er Sicherheit bedeutet. Sag, was ist eigentlich mit Tanna und Lu? Sie
sind doch nicht etwa dort geblieben, oder?“
„Nein, sie
sind beide tot. Mein Vater starb bei der Jagd, und meine Mutter hat das nicht
verkraftet.“
Tara war sich
ziemlich sicher, dass ihre Mutter sich das Leben genommen hatte. Als ihr Vater
gestorben war, hatte Minos nämlich ein Auge auf sie geworfen. Vielleicht war es
deshalb doppelt so gut, dass Tara gegangen war, bevor er noch auf die Idee
gekommen war, sie zur Schar seiner Frauen hinzuzufügen.
„Das tut mir
leid“, sagte Daan aufrichtig. „Sie waren gute Leute.“
Ihre Eltern
hatten sich Daans tatsächlich immer angenommen, wenn er mal wieder eine der
Bestrafungen seines Vaters über sich hatte ergehen lassen. Daan war Minos‘
Erstgeborener und als solcher hatte Minos natürlich hohe Ansprüche an ihn
gehabt, die Daan aber nie hatte erfüllen können. Wenn man seinen Vater fragte,
war er ein weinerlicher Schwächling, aber er war einfach nur eine friedliche
Seele. Musik und Tanz lag ihm viel mehr, als raue Kraft, und seine Stärke lag auch
mehr darin, dass er viel schlauer und erfindungsreicher als sein Vater war, was
diesem auch nie gefallen hatte. Deshalb hatte er Daan eines Tages einfach verbannt,
und seitdem hatte Tara ihn nicht mehr gesehen.
„Und wer ist das?“, fragte Tara jetzt und wies dabei auf
das kleine Bündel in seinen Armen.
„Meine
Tochter. Dana. Ihre Mutter hat die Geburt nicht überlebt“, erklärte er traurig
„und jetzt brauche ich jemanden, der sie füttert, weshalb ich hergekommen bin,
um meine Schwester zu fragen, ob sie vielleicht hierbleiben kann, solange bis ich mich selber um sie kümmern kann.“
„Deine
Schwester?“
„Dala. Du
kennst sie bestimmt, wenn du jetzt hier lebst.“
„Dala ist
deine Schwester?“, erwiderte Tara erschrocken.
„Ja.“ Daan
nickte, und dann verfinsterte sich sein Blick. „Du kennst doch sicherlich die
Geschichten über meinen Vater; dass er angeblich seine Töchter aussetze, nicht
wahr?“
Minos hatte
ausschließlich Söhne, weshalb irgendwann das Gerücht aufgekommen war, dass er
die Frauen mitsamt der Töchter verbannte und dann einfach erzählte, Mutter und
Kind wären bei der Geburt gestorben. Tatsächlich hatte Minos schon einige
Frauen auf diese Art verloren und tatsächlich durfte niemals jemand bei der
Geburt seiner Kinder dabei sein. Er war mit den Frauen immer in die Wildnis
hinausgegangen, wenn die Wehen begonnen hatten, und er war immer nur mit den
Frauen zurückgekehrt, die ihm Söhne geboren hatten. Aber Tara hatte immer
geglaubt, dass das nur Geschichten waren.
„Sie sind wahr“, eröffnete Daan jetzt. „Als ich fortging,
fand ich ein paar seiner Frauen und Töchter bei anderen Stämmen. Und auch meine
Mutter mit meiner Schwester. Er hat sie beide einfach zurückgelassen und ihnen
verboten, zurückzukommen.“
Da schwante
Tara schon böses, und wie sich herausstellte, sollte das Ganze tatsächlich
nicht gut für sie ausgehen.
__________________________
Anstatt mit ihrem Sohn in die Freiheit zu entkommen, kam
Dala am selben Abend, nachdem Daan und ihre anderen Gäste längst fort waren,
zu ihr, um ihr anzudrohen, sie an Minos zu verraten, wenn sie nicht zusah, dass sie
den Stamm verließ. Allein. Ohne ihren Sohn.
Tara hatte keine Angst mehr vor dem, was Minos ihr antun
würde, aber Dala schreckte auch nicht zurück, Rahn an ihren Vater auszuliefern,
jetzt, da sie mit Dana ein anderes Kind hatte. Und ihren Sohn konnte Tara nicht
in Gefahr bringen.
Vielleicht, ja vielleicht war er hier am sichersten.
Vielleicht war es das beste, dass er bei seinem Vater aufwuchs, der ein guter
und anständiger Kerl war.
Also ging sie, nachdem sie ihre Tränen getrocknet hatte, und
log Tuck mitten ins Gesicht, dass sie gehen wollte. Dass ihr eigener Sohn sie
nicht interessierte. Und sie löste damit etwas aus, dass Tuck selber viele
Jahre später erst würde ausbaden müssen. Eine Lüge, die Vater und Sohn bis kurz
vor Tucks Tod entzweien sollte.
Und seitdem trug sie ihr falsches Lächeln.
„Sag mal Tara,
möchtest du vielleicht meine Gefährtin werden?“
„Warum nimmst du denn nicht Ane? Ihr Mann und ihre
Tochter sind doch auch gestorben, kurz vor deinem Bruder.“
„Ja, aber sie
will mich nicht, weil sie meint, ich sei noch kein richtiger Mann.“
Lächelte für alle anderen, obwohl sie im Inneren weinte.
Noch viele
Jahre später fragte sie sich, ob sie Tuck nicht einfach die Wahrheit hätte
erzählen sollen. Doch anstatt das zu tun, tat sie etwas, dass sie sich nie
verzeihen würde.
Als ein paar Tage später die Tochter von Aan, Luma,
vorbeikam und erzählte, dass ihre Familie von Wölfen gefressen worden war und
sie neue Leute für ihren Stamm suchte, ging Tara zu ihr, um sie zu bitten, sie
aufzunehmen. Sie lächelte und ging, ließ ihren kleinen Sohn allein zurück.
‚Seitdem gibt es
keine Sekunde, in der ich mich nicht frage, ob es das Richtige gewesen war.
Keinen Moment, in dem ich mich nicht frage, was du gerade machst. Ob es dir
gut geht. Ob du glücklich bist. Ich wünschte, ich hätte dich nie verlassen. Ich wünschte, du wärst noch immer bei mir. Mein Sohn. Rahn...‘
___________________________________________
Hier geht es weiter -> Teil 5 - Rahn, Sohn des großen Tuck
Da ich die Rückmeldung bekommen habe, dass es ein bisschen verwirrend war mit den doppelt verwendeten Namen, habe ich mal zwei (nicht ganz vollständige) Stammbäume gemacht (wie immer kann man auf die Bilder klicken, um sie größer zu machen):
Wie man sieht, ist es eigentlich nur so, dass Tara ihre Kinder nach ihren Eltern benannt hat und Enn und Luma ihre Kinder nach ihren Geschwistern/Lumas Vater. Aber die Namensvetter werden, da sie alle verstorben sind, sowieso nicht mehr vorkommen.
Ich hoffe, dass man ansonsten alles verstanden hat, weil die Handlung ja doch recht schnell voran ging.Rahns eigentliche Geschichte, die dann Anfang Dezember hoffentlich fertig ist, soll dann ein klein wenig ausführlicher werden, aber auch nicht so viel größer als das hier.
Bis dahin, danke ich euch fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich!
___________________________________________
Hier geht es weiter -> Teil 5 - Rahn, Sohn des großen Tuck
Da ich die Rückmeldung bekommen habe, dass es ein bisschen verwirrend war mit den doppelt verwendeten Namen, habe ich mal zwei (nicht ganz vollständige) Stammbäume gemacht (wie immer kann man auf die Bilder klicken, um sie größer zu machen):
Wie man sieht, ist es eigentlich nur so, dass Tara ihre Kinder nach ihren Eltern benannt hat und Enn und Luma ihre Kinder nach ihren Geschwistern/Lumas Vater. Aber die Namensvetter werden, da sie alle verstorben sind, sowieso nicht mehr vorkommen.
Ich hoffe, dass man ansonsten alles verstanden hat, weil die Handlung ja doch recht schnell voran ging.
Bis dahin, danke ich euch fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen