Tann hielt zielstrebig auf die Tür zu, als Lu an ihm
vorbeischlüpfte, sich ihm in den Weg stellte und ihm jegliche Flucht damit
unmöglich machte. Obwohl es noch nicht einmal Zeit fürs Abendessen war, hatte
Lu seine Schamanentracht bereits abgelegt.
„Komm schon, gib dir einen Ruck und geh mit mir hin“, bat er ihn erneut. Zum gefühlt tausendsten Male. Zumindest hätte Tann das gedacht, wenn er hätte zählen können.
„Komm schon, gib dir einen Ruck und geh mit mir hin“, bat er ihn erneut. Zum gefühlt tausendsten Male. Zumindest hätte Tann das gedacht, wenn er hätte zählen können.
„Nervst du
mich immer noch damit? Du bist es doch gewohnt, als Schamane allein auf Feste
zu gehen“, erinnerte er. „Du brauchst doch gar keinen Begleiter.“
„Das Fest ist aber
dafür gedacht, dass Junggesellen Partner finden. Elrik ist als unser Anführer
zwar hingegangen, aber ich habe dort diesmal nichts verloren.“
„Und was
willst du dann da?“
„Naja, du bist
ein Junggeselle...“
Tann machte sofort
dicht, als er das hörte. „Ich habe aber kein Interesse an einer anderen Frau. Such dir lieber jemand
anderen, der deine Hilfe auch will.“
Lu seufzte. Er
hatte dieses Thema mit Tann schon zu oft besprochen und der alte Stammesführer war so stur
wie eh und je. Es war sinnlos.
„Nun, alle anderen sind aber schon versorgt“, versuchte der Schamane es anders.
„Nun, alle anderen sind aber schon versorgt“, versuchte der Schamane es anders.
„Lass deinen
Helferdrang an wem anders aus. Ich geh schlafen.“
Bevor Tann abhauen konnte, beeilte sich Lu zu sagen: „Wenn
du keine neue Frau willst, in Ordnung, aber ich
würde gerne hingehen. Sieh es als Gefallen, den du einem alten Freund tust.“
„Geh doch
einfach mit Wulfgar hin.“
„Der… geht
aber schon mit Lulu hin.“ Hastig fügte er hinzu: „Komm schon, Tann, das wird lustig.
Wir können einfach einen draufmachen. Wie in alten Zeiten.“
„Von was redest du? Was willst du wo drauf machen?“, fragte Tann irritiert.
„Nein, ich meine damit, dass wir uns einfach auf dem Fest amüsieren können.“
Tann hatte wirklich keine Lust darauf, doch als er Lus flehenden Blick sah, brummte er geschlagen. Irgendwie konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Lu wirklich zu diesem Fest gehen wollte und mehr dahinter steckte als er zugab.
„Nein, ich meine damit, dass wir uns einfach auf dem Fest amüsieren können.“
Tann hatte wirklich keine Lust darauf, doch als er Lus flehenden Blick sah, brummte er geschlagen. Irgendwie konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Lu wirklich zu diesem Fest gehen wollte und mehr dahinter steckte als er zugab.
„Na schön!
Aber komm bloß nicht auf die Idee, dass wir das jedes Jahr machen.“
Da ging die Sonne
in Lus Gesicht auf. „Danke, Tann!“
Lu war danach bester Stimmung. Zumindest so lange, bis sie beim Fest ankamen. Denn als sie den
Platz, an dem der Zoth-Stamm momentan lagerte, erreichten, ließ Tann
den alten Freund einfach stehen.
„Mich
volllaufen lassen, damit ich das hier überstehe“, antwortete er auf die
Frage, wo er hinwolle.
Lu warf einen hastigen Blick zu zwei anderen Gästen
des Festes, die auf der genau gegenüberliegenden Seite des geflochtenen Platzes standen, den der Zoth-Stamm extra zum Tanzen ausgelegt hatte. Doch anstatt zu ihnen zu gehen, folgte er Tann letztendlich zu dem
Tisch, der unter der Last der zahlreichen Köstlichkeiten bereits ächzte.
Tanja saß auf ihrem zur Bank zurechtgeschnittenen
Baumstamm und sie war genervt. Während das Fest um sie herum langsam aber
sicher in Gang kam, immer mehr Gäste herbeiströmten, war sie noch immer allein.
Der Zoth-Stamm hatte dieses neue Fest ins Leben gerufen,
um den Junggesellen der Gegend die Möglichkeit zu geben, Partner
kennenzulernen. Zumindest erklärte das, warum sich zu einem großen Teil nur Alleinstehende auf dem Fest befanden.
Selbst Akara und Rahn, ja sogar Lulu und Wirt, waren gekommen. Auch wenn diese vier
ziemlich fehl am Platze wirkten. Vor allen Dingen Wirt stand äußerst verloren neben
ihrem Bruder, der gerade in ein Gespräch mit der Stammesführerin des Zoth-Stammes verwickelt war.
Tanja indes war sich
ziemlich sicher, dass Elrik versuchte, sie loszuwerden. Sein Ultimatum war
beinahe verstrichen und sie weigerte sich noch immer, auch nur einen Finger zu rühren. Sie hatte
aber eigentlich nicht vor, sich einfach so verkuppeln zu lassen. Auch wenn sie
zugeben musste, dass sie schon ganz gerne einen Mann gehabt hätte. Sie hatte es
ja auf Alin abgesehen, der ebenfalls zugegen war. Doch sie traute sich noch immer
nicht, zu ihm zu gehen. Sie hatte Angst, dass er sehen würde, dass sie
merkwürdig lief oder sie gar vor ihm stolperte und hinfiel. Also saß sie lieber
und wartete darauf, dass jemand von sich aus auf sie zukam.
Nur, dass
einfach niemand zu ihr kam. Und das nervte sie.
Akara und Rahn saßen nebeneinander auf einer der Bänke
etwas weiter entfernt, direkt neben Tenn, der an diesem Abend für die
musikalische Untermalung des Festes zuständig war und der gerade voller Elan
auf die Trommeln schlug. Beinahe im Takt seiner Schläge rutschte Rahn nervös hin und her und trippelte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Das tat er schon, seitdem sie hergekommen waren. Wozu Akara ihn übrigens erst lange hatte überreden müssen.
„Entspann
dich doch mal ein bisschen“, versuchte sie, ihn zu beruhigen. „Du solltest
das Fest lieber genießen. Das wird dir guttun.“
Doch Rahn
konnte nichts mehr genießen. Seine Geduld war am Ende. Also erhob er sich
schwerfällig und sagte: „Ich sollte aber gar nicht hier sein. Ich sollte bei
Nero sein.“
„Entwickelst
du dich jetzt etwa zu einer Glucke?“
Während Akara ebenfalls aufstand, sandte Rahn einen flüchtigen Blick quer über die Tanzfläche. „Nein, aber es ist ja nicht mal Lulu da…“
Während Akara ebenfalls aufstand, sandte Rahn einen flüchtigen Blick quer über die Tanzfläche. „Nein, aber es ist ja nicht mal Lulu da…“
„Jana aber“,
erinnerte sie. „Sie kann ihn auch füttern.“
„Ja, aber sie
muss auch noch auf drei andere Kinder aufpassen.“
Akara gluckste. „Glaubst du etwa, dass sie das nicht schafft? Jana würde dich hauen,
wenn sie das hören würde.“ Als er nicht darauf einging, sondern nur weiter gestresst aussah,
schüttelte sie den Kopf. „Wirklich, du solltest lieber mal ein bisschen Spaß
haben, sonst stirbst du noch an Griesgram. Siehst du, das Fest ist da, um
jemanden kennenzulernen. Warum gehst du nicht los und suchst dir eine nette
Frau?“
„Ich… denke
nicht, dass ich das momentan will…“
„Warum nicht?“
Als Rahn nur betreten schwieg, fragte sie: „Wegen Diana?“
„Das fühlt
sich ihr gegenüber einfach nicht richtig an“, gab er zu.
„Kann es sein,
dass du sie… naja… doch gemocht hast?“
„Nicht so, wie
du wahrscheinlich denkst.“
„Warum nicht?“,
wurde Akara plötzlich inbrünstig. „Sie hat dich sehr geliebt, weißt du. Sie hat
dein Kind erwartet. Warum hast du ihre Gefühle nicht erwidern können? War es,
weil sie zu jung war?“
Er war einen
Moment irritiert von ihrem unerwarteten Ausbruch, dann aber erinnerte er sich
daran, warum sie das wahrscheinlich wissen wollte. Es war wohl etwas, dass sie
Tann gerne in Bezug auf sich gefragt hätte.
Also erklärte
er ihr: „Ich weiß, dass Diana ein wunderbarer Mensch war. Und eine tolle Frau.
Ja, ich weiß, dass sie eine Frau war. Aber“, er sah auf seine Hand hinab, „ich
kenne sie schon, seitdem sie in meine Hand gepasst hat. Seitdem sie so klein
war wie Nero. Egal wie sehr sie sich auch verändert hat, das kann ich nicht
einfach aus meinem Kopf verbannen. Sie war für mich immer wie eine kleine
Schwester.“ Er ballte seine Hand zur Faust. „Umso schlimmer, was ich ihr
angetan habe.“
„Du sprichst ja beinahe so, als hättest du sie getötet.“
Als er nur wieder schwieg, ging sie einen Schritt auf ihn zu und sah ihm
von unten ins Gesicht. „Rahn, du weißt doch, dass du das nicht getan hast,
oder?“ Er wich ihrem Blick aus. „Sie ist bei der Geburt gestorben und nicht,
weil du sie erstochen hast oder sowas.“
„Ich war aber
der Grund, warum sie schwanger war“, wehrte er ab. „Wäre sie es nicht gewesen,
wäre sie nicht gestorben.“
„Das ist doch
Unsinn! Wenn du es nicht gewesen wärst, hätte sie jemand anderen kennengelernt,
wäre von ihm schwanger geworden und dann…“
„Sie hat aber niemand anderen kennengelernt!“,
unterbrach Rahn sie barsch. „Sie ist von mir
schwanger geworden! Es ist vollkommen egal, ob sie später bei der Geburt eines
anderen Kindes gestorben wäre! Sie ist bei der Geburt meines Kindes gestorben und ich habe ihr damit all die Zeit
genommen, die sie noch hatte!“
Akara wurde wütend, als sie das hörte, und sie hatte alle Mühe, sich
zu zügeln. „So, also willst du damit sagen, dass ich an all dem Schuld habe,
was mein Vater verbrochen hat? Oder Anya? Wirt, Griswold, Malah? Wie wäre es
mit Nyota? Ist sie an dem Schuld, was ihrer Mutter passiert ist?“
„Das ist doch
nicht dasselbe!“, schlug Rahn, jetzt ebenfalls wütend, aus. Er war dieses
Gespräch leid. Er wollte es nicht mehr führen. „Keiner von euch hat direkt oder
indirekt etwas getan! Ich aber schon!
Ich habe Diana geschwängert und ich habe auch nicht auf Jana aufgepasst!“
„Ach, jetzt
bist du etwa auch noch daran Schuld, ja? Hast du Jana etwa geschändet?“
„Nein,
natürlich nicht! Aber wegen mir ist sie in den Wald gegangen!“
Da trat Akara an ihn heran und gab ihm unvermittelt eine
Ohrfeige, dass alle Wut augenblicklich aus ihm entwich.
„Wenn du
weiter so denkst, wird sich Nero eines Tages die Schuld daran geben, dass er
nicht nur seine Mutter, sondern auch seinen Vater verloren hat!“, sagte sie
streng. „Zeig gefälligst ein bisschen Verantwortung ihm gegenüber und reiß dich
zusammen!“
Das war der Moment, in dem Rahns Überraschung verging und
er sah, dass es Akara alles kostete, dass ihre wütende Fassade nicht sofort
zusammenbrach. Die letzten paar Wochen hatten sie beide viel miteinander zu tun
gehabt. Auch wenn sie beide das nie ausgesprochen hatten, hatte Rahn versucht,
Akara mit ihrer Angst und zu mehr Selbstvertrauen zu helfen, während sie
aufgepasst hatte, dass er regelmäßig aß und sich nicht übernahm.
Doch obwohl
Akara ihm gegenüber sichtlich aufgetaut war, hatte sie nach wie vor damit zu
kämpfen, sagen zu können, was sie dachte und wollte. Dass sie es momentan tat,
sagte viel darüber aus, wie wichtig ihr dieses Thema war. Und wie er mutmaßte,
lag das vor allen Dingen daran, dass auch sie sich noch immer für viele Dinge
die Schuld gab, für die sie nichts konnte. Wie die Sache mit ihrer Schwester
zum Beispiel. Oder das mit Elrik.
Während er sich dessen bewusst wurde, fiel ihre Wut
schließlich in sich zusammen und die gewohnt großen, verängstigten Augen trafen ihn.
„Entschuldige! Ich wollte dich nicht schlagen!“
Rahn rang sich
ein Lächeln für sie ab. „Schon gut. Es tat ja nicht weh.“ Als das ihre Sorge
aber nicht aus ihrem Gesicht wischte, fügte er hinzu: „Du solltest dich weniger
mit mir beschäftigen, sondern dir lieber selber zu Herzen nehmen, was du mir
gesagt hast. Das Fest genießen, dir einen Partner suchen.“
„Ich bin aber
nur wegen dir mitgekommen.“
„Wieso wegen
mir?“, fragte er stirnrunzelnd.
„Um aufzupassen, dass du auch wirklich hierher kommst und dich ein wenig entspannst.“
„Um aufzupassen, dass du auch wirklich hierher kommst und dich ein wenig entspannst.“
„Wieso ist dir
das so wichtig?“
Er wusste nicht, mit was er rechnete, das sie antworten
würde, aber was sie dann sagte, traf ihn unvermittelt.
„Diana hat mich zwar nicht darum gebeten, aber ich will einfach glauben, dass sie es getan hätte. Dass ich auf dich aufpasse und dir in der schweren Zeit nach ihrem Tod zur Seite stehe, meine ich.“ Ihr Blick wurde so leer, dass sich Rahns ohnehin rebellierender Magen verknotete. „Sie war meine erste, richtige Freundin, weißt du. Die Erste, die das sein wollte. Ich will einfach etwas für sie tun. Und das kann ich am besten, indem ich darauf aufpasse, dass der Vater ihres Kindes nicht zugrunde geht. Nero braucht dich schließlich.“
„Diana hat mich zwar nicht darum gebeten, aber ich will einfach glauben, dass sie es getan hätte. Dass ich auf dich aufpasse und dir in der schweren Zeit nach ihrem Tod zur Seite stehe, meine ich.“ Ihr Blick wurde so leer, dass sich Rahns ohnehin rebellierender Magen verknotete. „Sie war meine erste, richtige Freundin, weißt du. Die Erste, die das sein wollte. Ich will einfach etwas für sie tun. Und das kann ich am besten, indem ich darauf aufpasse, dass der Vater ihres Kindes nicht zugrunde geht. Nero braucht dich schließlich.“
Rahn betrachtete sie einen Augenblick lang nachdenklich,
dann sagte er: „Verstehe. Nun, dann… danke.“
Was Akara ziemlich
irritierte. Immerhin hatte sie ihn ja gerade erst böse angegangen und ihn
sogar geschlagen. Das war ihr noch immer ein bisschen peinlich.
„Weißt du, ich glaube, ich gehe mal los und schaue, ob ich eine nette Frau für dich finde. Ich denke, das würde dir jetzt gut tun.“
„Weißt du, ich glaube, ich gehe mal los und schaue, ob ich eine nette Frau für dich finde. Ich denke, das würde dir jetzt gut tun.“
Rahn war sich da nicht so sicher, aber er sah, dass Akara
lieber gerade woanders sein wollte, also brummte er nur und ließ sie gehen.
Während sie in der herannahenden Dunkelheit hinüber zu einer der Frauen ging, die von jenseits der Hügel gekommen war, sah er ihr nach. Er hatte nie wirklich über die stille Frau nachgedacht, die Elrik damals in ihren Stamm gebracht hatte. Doch wenn er das jetzt tat, musste er feststellen, dass er froh war, dass sie da war. Ihre Anwesenheit lenkte ihn ab und auch sie selber schaffte es immer wieder, ihn auf andere Gedanken zu bringen, wenn er dabei war, sich in seiner Schuld zu verlieren.
Während sie in der herannahenden Dunkelheit hinüber zu einer der Frauen ging, die von jenseits der Hügel gekommen war, sah er ihr nach. Er hatte nie wirklich über die stille Frau nachgedacht, die Elrik damals in ihren Stamm gebracht hatte. Doch wenn er das jetzt tat, musste er feststellen, dass er froh war, dass sie da war. Ihre Anwesenheit lenkte ihn ab und auch sie selber schaffte es immer wieder, ihn auf andere Gedanken zu bringen, wenn er dabei war, sich in seiner Schuld zu verlieren.
Bevor er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, tauchte
plötzlich sein Vater Tuck vor ihm auf. Ausgerechnet! Rahn hatte natürlich
gewusst, dass sein Vater hier sein würde, wenn er hierher kam. Es war schließlich
sein Zuhause. Aber er hatte gehofft, dass er ihn so ignorieren würde, wie er
das auch immer tat. Wie sie das seit dem Tag taten, an dem sie miteinander gebrochen
hatten.
„War das deine Gefährtin?“, begrüßte sein Vater ihn, als
wäre nie ein Tag vergangen, an dem sie nicht miteinander gesprochen hätten. Als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen.
„Nein, ich…
habe keine Frau…“, kamen die Worte überrumpelt aus Rahns Mund. Er hatte nicht
einmal die Zeit, darüber nachzudenken, wie er jetzt eigentlich reagieren
sollte. Wie es richtig war zu reagieren. Wie er reagieren wollte.
„Dann stimmt
es also nicht, was ich gehört habe? Dass deine Frau bei der Geburt gestorben
ist, meine ich.“
„Doch.“ Rahn
sah es nicht für notwendig, seinem Vater genau zu erklären, dass Diana nicht
seine Frau gewesen war. Jetzt, wo er sich etwas gefangen hatte, fand er, dass
ihn das nichts anging.
„Das tut mir
leid“, meinte Tuck aufrichtig. „Es ist nie einfach, seine Frau zu verlieren.“
Er sprach von
Dala. Rahn wusste, dass sein Vater die Frau, die für ihn selber wie eine Mutter gewesen war, sehr geliebt hatte. Deswegen hatte es
ihn immer gewundert, dass er sich irgendwann Wanda genommen hatte.
Mehr, um das stockende Gespräch in Gang zu halten, fragte
Rahn seinen Vater: „Wie hast du es eigentlich damals geschafft, über ihren Tod
hinwegzukommen?“
„Ich musste es
einfach. Ich hatte einen Stamm anzuführen und da waren auch noch du und Roah,
die mich brauchten.“
Sein Vater
hatte nie darüber gesprochen, woher Roah eigentlich kam. Eines Tages war er einfach mit ihr aufgetaucht und er hatte nie etwas anderes behauptet, als dass sie seine
Tochter war. Ob das aber stimmte, wusste Rahn nicht. Er wollte jedoch auch nicht
nachfragen. Er wusste, dass sein Vater und Roah sich sehr nahestanden, seitdem
er gegangen war. Vor allen Dingen, nachdem Roah seinen Posten als Stammesführer nur zu gerne
übernommen hatte, den er als sein Erstgeborener einfach ausgeschlagen hatte.
„Was ist mit
deinem Kind?“, wollte sein Vater jetzt wissen.
„Nero ist
wohlauf“, antwortete Rahn kurz angebunden.
„Versprich mir, dass du gut auf ihn aufpasst, ja? Und dass du für
ihn da bist. Das musst du auch, wenn seine Mutter fort ist. Dann bist
es nämlich du, der sie ersetzen muss.“
Ein wehleidiges Lächeln verirrte sich auf sein Gesicht. „Auch
wenn eine Mutter nicht zu ersetzen ist. Ich konnte dir deine Mutter jedenfalls
nie ersetzen. Aber du bist trotzdem ein guter Junge geworden. Ich bin stolz auf
dich und ich bin froh, dass du deinen eigenen Weg gegangen bist.“
Rahn war
zutiefst erschüttert, als er das hörte. Er hatte bis jetzt vermieden, übermäßig
viel mit seinem Vater zu tun zu haben. Er hatte sonst eigentlich nie Probleme
im Umgang mit anderen Menschen, aber bei seinem Vater war das schon immer
anders gewesen. Zuerst war er ihm zu hörig gewesen und dann war er überhaupt
nicht mehr mit ihm zurechtgekommen. Der Bruch, den er ausgelöst hatte, war nie
wieder verheilt.
Jetzt jedoch, als er ihn vor sich sah, wurde ihm bewusst,
wie alt sein Vater geworden war. Und dass er ihn vielleicht nicht sehr viel
länger mehr um sich haben würde. Selbst sein Vater wirkte ungewöhnlich sentimental.
Als wäre dies sein Abschied von ihm und dieser Welt. Als wäre dies das letzte
Mal, dass sie sich sehen würden.
„Was hältst du davon, wenn du vorbeikommst und deinen
Enkel kennenlernst?“, brach es plötzlich erschrockenen aus Rahn heraus. „Oder
– ich komme mit ihm vorbei. Morgen.“
Er wollte sich
nicht mehr mit seinem Vater streiten. Er wollte endlich begraben, was so lange
in der Vergangenheit lag.
„Das würde
mich sehr freuen“, sagte Tuck und sein Lächeln war so warm und ehrlich, wie
Rahn es lange nicht mehr gesehen hatte. Er hatte seinem Vater so viel Kummer
bereitet, wurde ihm klar.
Also zwang er sich, ebenfalls zu lächeln. Sein Vater
legte ihm daraufhin eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube, deine Begleitung
kommt zurück. Ich lass euch dann besser allein. Sie sieht freundlich aus. Du
solltest dir eine freundliche Frau, die sich um dich sorgt, immer warmhalten.“
Rahn war ein
bisschen irritiert von dieser Aussage, sagte aber nichts mehr dazu.
Lulu und Wulfgar standen zusammen am Rande der
Tanzfläche, und in diesem Moment geschah es, dass Lulu erneut einen
Interessenten abwies. Es war schon das zweite Mal an diesem Abend.
„Weißt du, dieses Fest hier dient eigentlich dazu, einen
Gefährten zu finden“, erinnerte Wulfgar sie, als der glücklose Mann gegangen
war. „Aber wenn du alle Männer abweist, wird das nichts.“
Lulu zog
ertappt den Kopf ein. „Ja, ich weiß… Aber ich bin auch eigentlich nicht auf der Suche nach jemandem.“
„Wieso
wolltest du dann herkommen?“, fragte er irritiert.
„Oh… einfach
nur, um ein bisschen rauszukommen. Eine… Auszeit von den Kindern zu nehmen.“
Wulfgar, dem
mal wieder entging, dass Lulu verlegen war, lachte da nur. „Ja, das kann ich
verstehen. Unsere beiden sind auch ganz schön anstrengend.“
„Sag mal, Wulf, möchtest du eigentlich noch ein Kind
haben?“
„Und das
fragst du mich, nachdem ich gerade sagte, dass sie anstrengend sind?“
„Ich muss dich
ja fragen, weil du ja sonst nicht mit mir das Lager teilst.“
Was ihm erstmal gehörig
die Sprache verschlug. Er war es überhaupt nicht gewohnt, dass sie so etwas
sagte. Dass sie so direkt war.
„Hä?“, machte
er.
„Na, Gefährten
tun das auch mal so miteinander. Aus Spaß, weißt du. Und dabei entstehen nun
mal Kinder. Wir aber machen das nicht, weil wir keine Gefährten sind. Also muss
ich nachfragen.“
Bevor er aber antworten konnte, kam sie mit der
nächsten merkwürdigen Frage: „Stört dich das eigentlich? Das Kindermachen mit mir, meine ich.“
Er wusste überhaupt nicht, was er dazu sagen sollte. Es war schon ziemlich merkwürdig, das mit einer Frau zu machen, aber er wollte sie nicht beleidigen. Es lag ja nicht an ihr.
„So etwas sollte ich dich eigentlich fragen…“, versuchte er also, die Frage zu umgehen.
Er wusste überhaupt nicht, was er dazu sagen sollte. Es war schon ziemlich merkwürdig, das mit einer Frau zu machen, aber er wollte sie nicht beleidigen. Es lag ja nicht an ihr.
„So etwas sollte ich dich eigentlich fragen…“, versuchte er also, die Frage zu umgehen.
„Oh, mich
stört das nicht.“ Sie wurde rot, weshalb er dachte, dass es ihr doch ein
bisschen unangenehm war. „Ich meine, beim ersten Mal bei Leif damals war das
schon etwas komisch. Wahrscheinlich
weil ich nie gedacht hätte, dass ich das jemals… mit jemandem machen würde.“
Wulfgar brauchre eine ganze Weile, bevor er überhaupt
kapierte, was sie damit meinte.
„Warte, was? Du hast doch vorher schon… also… mit Lu… um Luis zu bekommen.“
„Warte, was? Du hast doch vorher schon… also… mit Lu… um Luis zu bekommen.“
Da breitete
sich die Röte von Lulus Wangen bis unter ihren Haaransatz aus. „Nein, Lu…
wollte nicht. Wir… haben das anders gemacht. Das war mir auch lieber so.“
„Also hast du
nie mit ihm…?“ Sie schüttelte den Kopf. „Und auch sonst mit niemandem?“
Als Lulu erneut den Kopf schüttelte, brach erschrocken
aus ihm heraus: „Bei den Göttern, Lulu, das tut mir leid! Ich hatte keine Ahnung!
Wenn ich es gewusst hätte…“
In manchen
Gegenden, die er besucht hatte, war die Jungfräulichkeit etwas
Kostbares und so wurde dann auch das erste Mal gehandhabt. Ihr erstes Mal jedoch
war weit davon entfernt gewesen. Er war froh gewesen, als es vorbei gewesen war
und sie danach sofort schwanger geworden war.
„Schon gut“,
meinte sie besänftigend lächelnd. „Du musst nicht so erschrocken schauen. Du
wusstest es ja nicht. Außerdem war es… okay… es war… interessant, das mal zu
erfahren.“
Und seitdem wollte sie am liebsten öfter mit ihm das Lager teilen. Es war nicht so, dass es sonderlich gut war, aber
sie sehnte sich trotzdem nach seiner Nähe. Manchmal so sehr, dass es ihr Angst
machte.
Während Wulfgar gerade nur noch losgehen und jemanden für Lulu suchen wollte. Er fühlte sich ihr gegenüber immer noch ein bisschen schuldig.
Während Wulfgar gerade nur noch losgehen und jemanden für Lulu suchen wollte. Er fühlte sich ihr gegenüber immer noch ein bisschen schuldig.
„Was hältst du
davon, wenn wir tanzen?“, fragte sie jetzt heiter. „Ich würde gerne
tanzen.“
Er wollte
zwar nicht wirklich tanzen, aber dann rang er sich trotzdem ein Lächeln ab und
nickte. Was sie wieder zum Strahlen brachte. Sie war wirklich ein guter
Mensch. Er hoffte nur, dass sie bald auch jemanden fand, den sie liebte und der sie liebte.
Tanja derweil war genervt darüber, dass inzwischen alle
tanzten. Akara hatte sich zuerst, zu ihrer Genugtuung, mit Rahn gestritten und
ihn stehen lassen, war aber dann doch zu ihm zurückgegangen, um mit ihm
zu tanzen. Die ließ ja wirklich gar nichts anbrennen. Und das, wo Diana erst
seit kurzem tot war. Widerlich sowas!
Die nervige
Anya hatte den doofen Elrik inzwischen auch zum Tanzen bekommen und klebte gerade wie eine Klette
an ihm. Das fand sie auch eklig!
Sogar Lulu und
Wulfgar trauten sich jetzt auf die Tanzfläche. Ernsthaft, das war fast schon
traurig, wie die sich an den Kerl vom Schamanen ranschmiss. Und das
allerletzte, dass dieser komische Wulfgar anscheinend zwei Kühe im Stall hatte.
Wäre sie nicht so maßlos enttäuscht und verraten worden von allen anderen, hätte
sie das Lu ja gesteckt, aber so sollte er sich halt weiter an der Nase
rumführen lassen. Es war ihr egal.
Nicht egal war ihr aber, dass sie die Einzige war, die
noch immer nicht tanzte und die – schlimmer noch – noch nicht einmal zum Tanz
aufgefordert worden war. Alin war nicht einmal rübergekommen und wurde
stattdessen andauernd von irgendwelchen Frauen umschwirrt.
Die anderen Männer würdigten sie auch keines Blickes und gingen lieber zu
weitaus hässlicheren Frauen, und so war sie die Einzige, die heute allein
blieb.
Sie und Wirt, der bislang bei Wachhund Elrik gestanden
hatte und der jetzt zwar allein, aber anscheinend immer noch zu feige war, um zu ihr zu kommen. Sie
konnte zwar darauf verzichten, das Fest ausgerechnet mit ihm verbringen zu
müssen, aber es war ja niemand anderes da. Wenn er wenigstens mal zu ihr
schauen würde!
Also griff sie zu Plan B. Sie verrückte verstohlen ihr
Holzbein, als sie sah, dass jemand an ihr vorbeilaufen würde. Es war der
rothaarige Seefahrer, der seit Akaras Einmischung freie Fahrt bei der alten
Hässlichen von jenseits der Hügel hatte. Als er sie passierte, bat sie ihn
barsch darum, den komischen Kerl mit dem Schnauzer da drüben herzuschicken, weil er ihr gefälligst helfen sollte.
Und so kam es, dass kurz darauf Wirt vor ihr stand,
und er sah so langweilig und unbehaglich aus wie eh und je.
„Mein Bein ist
verrutscht!“, herrschte sie ihn an. „Richte es mir!“
Er tat
natürlich wie ihm geheißen. Er würde es nie wagen, ihr zu widersprechen. Und
das war auch gut so. Sonst hätte er bleiben können, wo der Pfeffer wuchs. Doch
er sprach auch sonst nicht. Was Tanja sonst begrüßte, sie jetzt, da sie
ausnahmsweise nicht wusste, was sie sagen sollte, aber nervte.
„Du kannst auch mal was sagen!“, forderte sie bissig, als
er sich vor sie kniete, um ihr Holzbein wieder anzubringen. Weil er das inzwischen so oft
hatte tun müssen, hatte er auch keine Berührungsängste ihr gegenüber mehr.
„Ich habe aber
nichts zu sagen.“
Das konnte sie
sich lebhaft vorstellen, so langweilig wie er war.
„Jeder hat doch
was zu erzählen. Erzähl halt mal was über dich.“
„Da gibt es
nichts zu erzählen.“
Er nervte sie
wirklich.
„Du bist echt
langweilig, weißt du das?“
„Ja.“
Ja? Das konnte
doch nicht sein Ernst sein!
„Du nervst
mich echt!“
„Entschuldige.“
Tanja schnappte empört nach Luft, doch als sie etwas
sagen wollte, erhob sich Wirt schon und verkündete, dass er fertig war. Dann
drehte er echt ab und wollte davongehen. Sie war einen Moment sprachlos, bevor ihr bewusst wurde, dass sie darauf und daran war, gleich
wieder allein zu sein.
„D-du musst ja
nicht gleich abhauen, Mensch! Du könntest ja wenigstens den Anstand haben,
einer Frau, die allein auf einem Fest ist, Gesellschaft zu leisten! Oder sie
zum Tanzen aufzufordern!“, rutschte es ihr raus.
Wirt derweil
war stehengeblieben und er sah sie nach wie vor mit seinem so verdammt
eingeschüchterten Blick an. Das regte sie so auf! Konnte er sich nicht einfach
mal was trauen?
„Willst du denn tanzen?“, fragte er aber zu Tanjas
Überraschung tatsächlich.
Da ging ihr
plötzlich aller Mut und alle Wut verloren. „Ich… ich glaube nicht, dass das
eine gute Idee ist.“
„Warum?“
„Ich… kann
noch nicht so gut mit dem Bein laufen…“
„Sitzt es
nicht gut?“
„D-doch. Aber…“ Sie schaffte es, ihre Wut wieder aufzusetzen. „Ich mache mich nur zum Deppen vor allen anderen, wenn ich auf der Tanzfläche umfalle.“
„D-doch. Aber…“ Sie schaffte es, ihre Wut wieder aufzusetzen. „Ich mache mich nur zum Deppen vor allen anderen, wenn ich auf der Tanzfläche umfalle.“
„Dann halte
ich dich fest“, bot er an.
Tanja wollte wirklich nicht von Wirt festgehalten werden.
Doch als sie aufsah und bemerkte, dass er die Hand nach ihr ausgestreckt
hatte, war sie irgendwie betroffen. Den ganzen Abend über hatte sich niemand
für sie interessiert, doch jetzt stand dort jemand, der mit ihr tanzen wollte. Es
war nur Wirt, aber es war trotzdem besser als niemand.
Sie schluckte
schwer, als ihr bewusst wurde, wie weh es ihr eigentlich tat, dass sich niemand
für sie interessiert hatte, schlug die Augen nieder, damit er nicht sehen
konnte, dass ihr die Tränen gekommen waren und dann streckte sie die Hand nach
ihm aus.
Sie spürte seine Hand, die groß und warm war. Sie hatte
immer gedacht, dass seine Hände schweißnass wären, aber sie waren trocken und von der Arbeit rau.
Er zog an ihr und dann stand sie seit langem einmal wieder auf ihren Beinen. Oder zumindest wollte sie das, aber sie war nach wie vor wackelig. Glücklicherweise bemerkte Wirt es und bot ihr schnell seinen Arm, den sie hastig ergriff.
Er zog an ihr und dann stand sie seit langem einmal wieder auf ihren Beinen. Oder zumindest wollte sie das, aber sie war nach wie vor wackelig. Glücklicherweise bemerkte Wirt es und bot ihr schnell seinen Arm, den sie hastig ergriff.
Sie fühlte sich, als ob alle sie anstarren würden. Umso
froher war sie, dass Wirt ihr beim Gehen half. Auch auf der Tanzfläche ließ sie
seinen Arm nicht los und bekam nun auch seinen Zweiten dazu. Sie fühlte sich
wie ein Kleinkind, das die ersten Schritte machte und sie konnte nicht
aufhören, auf ihre eigenen Beine zu starren. Sie befürchtete, dass ihr Holzbein
jeden Moment unter ihrem Gewicht wegbrechen würde.
Aber das tat es erstaunlicherweise nicht.
Aber das tat es erstaunlicherweise nicht.
Plötzlich hörte sie Wirt fragen: „Du läufst nicht oft,
oder?“
Sie schüttelte zögerlich den Kopf.
„Warum?“
Sie schüttelte zögerlich den Kopf.
„Warum?“
Tanja war
einen Moment so irritiert von der Frage, dass sie ihren Blick von ihren Füßen
riss und ihn ansah. „Ich falle eh nur dauernd damit um.“
„Wirklich?
Vielleicht sitzt es nicht gut“, mutmaßte er wieder. „Ich schaue es mir später
noch einmal an.“
„Okay, ich weiß nicht, ob ich umfalle“, gab sie zu. „Ich
bin, ehrlich gesagt, noch keinen Schritt allein gegangen, seitdem sie mir mein
Bein abgesägt haben.“
„Warum nicht?“
„Ich trau dem
Ding an meinem Bein nicht, okay? Es mag ja sein, dass du damit laufen kannst,
aber ich glaube nicht, dass ich das kann.“ Und sie wollte nicht erfahren, dass
sie vielleicht nie wieder ohne Hilfe würde laufen können.
Wirt sah sie
daraufhin einen Moment lang an und sie glaubte tatsächlich, so etwas wie ein
diebisches Funkeln in seinen Augen zu sehen. Vielleicht bildete sie sich das
aber auch nur ein.
Doch sie wurde eines Besseren belehrt, als er sie
plötzlich mit Schwung zur Seite riss und sie damit zwang, unbeholfen ein paar
große Schritte zu tun, bis sie in einiger Entfernung neben ihm wieder zum Stehen kam. Sein
ausgestreckter Arm war alles, das sie noch lose hielt. Die Kraft des Schwungs zerrte unbarmherzig an ihrem Holzbein. Doch obwohl sie vor Anstrengung, das Gleichgewicht zu wahren, zitterte, stand sie.
Dann zog er
sie wieder an sich, nur, um sie danach im Kreis zu drehen und sie konnte nichts
anderes tun, als das über sich ergehen zu lassen. Was danach folgte, war der
lebhafteste Tanz auf dem Fest, sodass sie bald schon einiges an Aufmerksamkeit
erhielten. Tanja jedoch bemerkte das nicht. Sie war viel zu sehr mit der Angst
beschäftigt und damit, nicht umzufallen. Doch je länger er sie hin und her zog,
schubste und wirbelte, desto sicherer wurde sie, und plötzlich bemerkte sie,
dass sie Spaß hatte.
Sie hob den Kopf zum Nachthimmel empor und sah, wie die
Sterne zu wirren Linien wurden, als Wirt sie im Kreis drehte, und sie lachte.
Es war so schön, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die Welt, die sich um sie
herum drehte. Die Lichter und Farben, die ineinander flossen. Der Wind, der
sich bei ihrem Tanz in ihrem Haar verfing. Es machte Spaß und es war
wunderschön.
Als sie ihren Blick wieder senkte, hatte Wirt sich inzwischen bei ihr eingehakt und sie sah, dass sie sich das diebische
Funkeln in seinen Augen nicht bloß eingebildet hatte. Im Gegenteil. Inzwischen
hatte er sogar ein verschmitztes Lächeln aufgelegt und es war das erste Mal,
dass sie ihn überhaupt lächeln sah.
In diesem
Moment, in dem es nur sie beide gab und in dem ihr das auffiel, fragte sie sich
nur, warum er nicht viel öfter lächelte. Was ihm wohl widerfahren war, dass er
das nicht mehr tat. Denn sie war sich sicher, dass das, was er ihr gerade von
sich zeigte, eigentlich das war, was er tief drinnen war. Das, was er vor allen
anderen und andauernd versteckte.
Als er
schließlich wieder anhielt, war sie außer Atem und das Lächeln war wieder aus
seinem Gesicht verschwunden, was sie schade fand. Er ließ sie los und sie stand auf ihren eigenen Beinen. Vollkommen ohne Hilfe.
„Weißt du, du
kannst alles tun, wenn du es nur willst“, sagte er mit seiner gewohnt monotonen
Stimme, die ihr plötzlich so voller Kraft schien. „Zeig ihnen, dass wir uns
nicht unterkriegen lassen.“
Auch das traf sie
vollkommen unvorbereitet.
Und während Tanja und Wirt einen weiteren Tanz wagten,
meinte Anya, die mit Elrik an der Seite stand und die sich gerade an den Arm ihres Liebsten klammerte: „Ist das nicht schön? Wirt und Tanja sind so süß zusammen. Ich
freu mich so, dass mein Bruder und deine Schwester sich gefunden haben.“
„Ich weiß ja
nicht“, erwiderte Elrik skeptisch. „Dein Bruder sollte sich vielleicht lieber
eine Frau suchen, die ihn nicht andauernd herumkommandiert. Und die ihn auch schätzt.“
„Ach, das wird
Tanja schon noch. Sie ist nur sauer, weil sie ihr Bein verloren hat. Wirt war
damals genauso, bevor er sich wieder eingekriegt hat.“
„Meinst du?“
„Klar! Auch wenn er seitdem nicht mehr fröhlich war. Ich hab
ihn gerade das erste Mal fröhlich gesehen, seitdem er sein Bein verloren hat. Und
wenn Tanja das schafft, ihn fröhlich zu machen, hat sie meine vollste
Unterstützung!“
Elrik
quittierte das nur mit einem schiefen Lächeln. Er wusste noch immer nicht, ob
er sich für Wirt freuen sollte, aber Anya schaffte es immer wieder auf
erstaunliche Art und Weise, ihm eine andere Seite der Dinge zu zeigen.
Vielleicht hatte sie ja recht und er sollte Wirt lieber in seinen Aufwartungen
unterstützen, als prinzipiell dagegen zu sein.
Anya schmiegte
sich fester an ihn und lenkte ihn damit ab. „Ist das nicht wundervoll? Endlich sind
alle glücklich. Es ist so schön, all meine Geschwister glücklich zu sehen.
Wirt, Griswold, selbst Akara scheint endlich ihr Glück gefunden zu haben.“
„Was meinst du
damit?“, fragte er alarmiert.
„Na, dass sie
Rahn hat.“
Was Elrik zutiefst erschreckte zu hören. Er wusste, dass
er Akara nie mehr würde haben können, aber dennoch tat allein die Vorstellung
ihm weh, dass sie sich in jemand anderen verlieben würde. Selbst, wenn es
jemand wie Rahn war, der momentan jede Unterstützung gebrauchen konnte. Es sah
zwar nicht danach aus, als ob sie und Rahn tatsächlich aneinander interessiert
wären, aber selbst ihm war aufgefallen, dass die Beiden seit Dianas Tod viel
miteinander zu tun hatten. Zu viel für seinen Geschmack.
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Hier weiterlesen -> Kapitel 76.2
Da Zeitalter am 16.12 Einjähriges feiert, werde ich Teil 2 am Sonntag noch posten, bevor es in die Weihnachtspause geht.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich!
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