An diesem Tag, als Nero den gemeinen Nila mal wieder in
die Flucht schlug…
… und der gemeine Nila zu der Frau ging, die ihn oft
rumtrug und die er „Mama“ nannte…
…. fragte sich Nero erstmals, was wohl eine Mama war.
Also krabbelte er zu der Mama,
zog sich schwerfällig auf die Beine und probierte: „Mama?“
Die Mama wurde auf ihn aufmerksam und
während Nila böse guckte, legte sie eine Hand auf Neros Haupt und sagte gerührt:
„Du bist ja ein Süßer! Aber ich bin leider nicht deine Mama, mein Kleiner.“
Und als sein Papa das sah, keimte in ihm nicht das
erste Mal die Angst auf, dass seinem Sohn etwas fehlte. Etwas, das er ihm nie
würde ersetzen können.
Es war eine
Angst, die Rahn schon hatte, seitdem Diana vor über einem viertel Jahr
gestorben war. Er versuchte alles in seiner Macht stehende zu tun, damit es
Nero an nichts fehlte. Aber so sehr er sich auch bemühte, er wusste, dass er es nie schaffen würde, seinem Sohn Vater und Mutter gleichzeitig zu sein.
Er selber war auch ohne seine leibliche Mutter aufgewachsen, hatte aber immer Dala gehabt, die Frau seines Vaters, seine Ziehmutter. Er jedoch hatte ja nicht einmal eine Frau, die Nero die Mutter ersetzen konnte.
Er selber war auch ohne seine leibliche Mutter aufgewachsen, hatte aber immer Dala gehabt, die Frau seines Vaters, seine Ziehmutter. Er jedoch hatte ja nicht einmal eine Frau, die Nero die Mutter ersetzen konnte.
Doch er wusste auch, dass niemandem, vor allen Dingen
Nero nicht, damit geholfen war, wenn er darüber verzweifelte. Also hatte er
sich nach draußen zurückgezogen, dorthin, wo er allein sein konnte, fort von all den besorgten Blicken der Anderen, und hatte sich in die Näharbeit gestürzt. Solange er nur
beschäftigt war, hatte er gar keine Zeit, sich um irgendetwas zu sorgen.
Er hatte
begonnen, den Bären anzufertigen, den Diana ihm in seinem Traum gezeigt hatte.
Vielleicht war es auch eine Vision gewesen, da war Rahn sich nicht so sicher.
Jedenfalls hatte sie den Bären bei sich gehabt und sie hatte ihn Nero schenken
wollen. Weil sie das aber jetzt nicht mehr tun konnte, war es an ihm, das zu
übernehmen. Das Meiste der Näharbeit hatte zwar seine Schwester Tanna
übernommen, aber dennoch hatte auch er einige Stunden an dem Spielzeug
gesessen. Erst heute hatte er den groben Stoffüberzug mit weicher Schafswolle gefüllt.
Obwohl das
Spielzeug gut aussah, war Rahn trotzdem nicht zufrieden damit. Und er hatte nicht den
blassesten Schimmer, warum Diana Nero ausgerechnet ein gefährliches Raubtier
wie einen Bären hatte schenken wollen.
Er schob die Frage zur Seite und erhob sich, um die
steifen Beine auszustrecken. Ein widerlicher Schmerz pochte augenblicklich
durch seinen Kopf, den er bislang erfolgreich verdrängt hatte. Wie immer, wenn
er die letzte Zeit aufstand, ergriff ihn sofort eine unschöne Schwäche. Er
versuchte, sie in den Griff zu bekommen. Wieder Herr über seinen Körper zu
werden. Er hasste es so sehr, wenn ihm die Kontrolle über seinen eigenen Körper entglitt. Wie machtlos er dann plötzlich war.
Langsam sog er die kühle, klare Abendluft ein. Fixierte den Frost zu seinen Füßen mit den Augen, um sich abzulenken. Konzentrierte sich sogar auf das nicht gerade leise Gespräch, das von drinnen zu ihm drang und versuchte, die Worte zu verstehen. Schließlich schaffte er es, dass der Schwindel verschwand. Er fühlte sich ein wenig gefestigter, aber der Schmerz in seinem Kopf blieb trotzdem.
Langsam sog er die kühle, klare Abendluft ein. Fixierte den Frost zu seinen Füßen mit den Augen, um sich abzulenken. Konzentrierte sich sogar auf das nicht gerade leise Gespräch, das von drinnen zu ihm drang und versuchte, die Worte zu verstehen. Schließlich schaffte er es, dass der Schwindel verschwand. Er fühlte sich ein wenig gefestigter, aber der Schmerz in seinem Kopf blieb trotzdem.
Als die Tür plötzlich aufflog, erschrak er jedoch so heftig,
dass er erneut mit sich und diesmal auch mit seinem Herzen kämpfen musste.
Akara war erschienen, aber er war froh, dass sie erst einmal mit sich und ihrem
Wutausbruch beschäftigt war und ihn dadurch nicht bemerkte. Das gab ihm die Zeit, sich wieder zu beruhigen.
Zu dem Zeitpunkt,
als Akara ihn schließlich bemerkte und große Augen machte, hatte er die Fassung
über sich längst wiedererlangt. Er wusste aber nicht, ob er ein Gespräch mit
jemandem durchhalten würde. Doch er musste wohl, denn sie kam nun auf ihn zu,
obwohl er sich ziemlich sicher war, dass sie überhaupt nicht mit ihm reden
wollte. Aber sie war zu höflich, um ihn einfach stehen zu lassen. Genauso wie
er selber.
Da er sich die letzte Zeit immer wieder nach draußen zurückzog, damit niemand sah, wie es ihm ging, hatte er zwangsläufig schon ein paarmal mit ihr zu tun gehabt, denn sie verbrachte die Abende meistens ebenfalls draußen. Das war bis jetzt auch immer wieder eine willkommene Abwechslung gewesen. Normalerweise freute Rahn sich ja auch über Gesellschaft. Jetzt gerade wollte er aber lieber allein sein.
Da er sich die letzte Zeit immer wieder nach draußen zurückzog, damit niemand sah, wie es ihm ging, hatte er zwangsläufig schon ein paarmal mit ihr zu tun gehabt, denn sie verbrachte die Abende meistens ebenfalls draußen. Das war bis jetzt auch immer wieder eine willkommene Abwechslung gewesen. Normalerweise freute Rahn sich ja auch über Gesellschaft. Jetzt gerade wollte er aber lieber allein sein.
„Warum denn so
wütend?“, half er ihr nach, das Gespräch zu beginnen, das scheinbar beide gerade nicht
führen wollten.
„Oh, ach, es…
ist nichts…“, stotterte sie beschämt.
Er hatte mit
keiner anderen Antwort gerechnet.
„Das muss dir
nicht peinlich sein. Jeder ist schon mal wütend gewesen.“
„Es gehört
sich aber nicht für eine Frau, wütend zu sein“, antwortete sie prompt.
„Wer sagt
sowas denn?“
„Vater.“
Natürlich. Er
hasste Dia Hell. Für alles, was er Anya und Jana angetan hatte. So vielen
anderen. Und anscheinend auch Akara. Sofort fühlte er diesen unheimlichen Drang
in sich, ihr helfen zu wollen.
Er
verschränkte die Arme vor der Brust. „Lass mich raten: Als Frau sollst du
gefälligst den Mund halten und tun, was man dir sagt, nicht wahr?“
Sie sah ihn
mit ihren großen Augen an wie ein verschrecktes Reh, und sie brauchte eine
ganze Weile, bis sie sich zu einem Nicken hinreißen konnte.
„Und das glaubst du auch?“
„Ich… weiß nicht.“
„Nun, dann lass mich dir sagen, dass das, was er dir da gesagt hat, ausgemachter Unsinn ist.“ Er schüttelte den Kopf, als sie nur wieder betroffen aussah. „Du solltest immer sagen, was du willst. Das habe ich dir doch schon einmal gesagt, erinnerst du dich?“
„Nun, dann lass mich dir sagen, dass das, was er dir da gesagt hat, ausgemachter Unsinn ist.“ Er schüttelte den Kopf, als sie nur wieder betroffen aussah. „Du solltest immer sagen, was du willst. Das habe ich dir doch schon einmal gesagt, erinnerst du dich?“
„Aber ich will
niemanden wütend machen“, erwiderte sie betreten. „Es… war nie gut, Vater
wütend zu machen. Und alle anderen waren auch so immer schon wütend genug wegen
ihm. Es war immer gesünder für mich, still zu sein.“
Akara war
wahrscheinlich die verunsichertste Person, die er jemals gesehen hatte. Er
kannte solche Leute. Sogar sehr gut. Also entschloss er sich dazu, ihr etwas zu
erzählen, über das er sonst eigentlich weniger gern sprach.
„Ich war früher einmal genau wie du“, fing er an. „Mein
Vater ist der alte Häuptling des Zoth-Stammes, musst du wissen, und für ihn
stand von Anfang an fest, dass ich sein Nachfolger werden sollte. Also hat er
mich intensiv ausgebildet. Ich hatte tägliches Training. Ausdauer, Kraft, Kampf
mit Speer und Bogen. Ich musste früh lernen, zu jagen und zu fischen,
auszuweiden, zu nähen und Dinge herzustellen. Ich lernte Trommel und Flöte spielen.
Mein Vater hat mich so lange singen lassen, bis meine Stimme heiser war und bis
er fand, dass es sich akzeptabel anhörte.“ Er musste lachen. „Und ich war ein
schrecklicher Sänger.
Das alles von
klein auf an. Und ich habe es gehasst. Es war nicht so, dass mein Vater ein
Ungeheuer war, aber in seinem Eifer hat er einfach übersehen, was ich wollte.
Und ich habe mich nicht getraut, es ihm zu sagen. Ich hielt immer den Mund und
tat brav, was man mir sagte. Dabei wollte ich nur frei sein.“
Er verlor
sich eine Weile in seinen Erinnerungen, bis Akara fragte: „Und dann? Was ist
dann passiert?“
„Je älter ich
wurde, desto weniger wollte ich in die Fußstapfen meines Vaters treten. Ich
wollte lieber ein einfaches Leben führen. Aber ich war nach wie vor zu folgsam,
um meinem Vater das auch zu sagen. Und ich hätte deshalb wahrscheinlich
irgendwann auch seine Nachfolge angetreten.
Dann aber habe
ich erfahren, wer meine Mutter ist. Du musst wissen, dass meine Mutter ein
Abkommen mit meinem Vater gehabt hatte, dass sie mich austragen sollte, weil
seine Frau keine Kinder bekommen konnte. Und sie sollte darüber Stillschweigen
bewahren. Als ich das erfuhr, war ich sauer. Das
erste Mal in meinem Leben war ich richtig wütend auf meinen Vater, dass er mir
meine Mutter so lange vorenthalten hatte. Dass er ihr das angetan hatte. Und
das habe ich ihn auch wissen lassen.
Wir haben uns
daraufhin das erste Mal richtig gestritten und ich habe ihm dann auch gesagt,
dass ich nicht das Leben führen will, das er für mich vorgesehen hat. Er
wollte das natürlich nicht hören und das hat mich dann erst recht in meinem Entschluss
gestärkt zu gehen. Ich hatte die Wahl, entweder ein Leben zu führen, das ich
nicht wollte und damit meinen Vater zufriedenzustellen oder aber zu tun, was
ich wollte und damit meinen Vater vor den Kopf zu stoßen. Und auch wenn es
herzlos klingen mag, habe ich genau das getan. Und ich habe es seitdem nicht
ein einziges Mal bereut.“
Er sah sie an. „Deswegen solltest auch du immer sagen,
was du willst. Es wird vielleicht einige Leute vor den Kopf stoßen, aber
letztendlich ist es nötig, damit du dein eigenes Glück finden kannst.“
Akara
starrte eine Weile nur ihre Füße an, bevor sie sagte: „Ich… weiß nur nicht, ob
ich das schaffe.“ Sie traute es sich nicht einmal jetzt, das sah er.
„Du hast es
doch auch geschafft, Elrik zu verlassen, oder?“, führte er an. „Das hat viele
Leute aufgebracht, aber du hast es trotzdem gemacht. Weil du es wolltest.“
„Das war aber
etwas ganz anderes!“, rief sie plötzlich.
„Warum?“
„Weil… weil
Anya ja noch da war!“
„Hast du Elrik
etwa deiner Schwester zuliebe verlassen?“, fragte er.
„Nein!
Natürlich nicht! Ich wusste nur, dass Anya danach für ihn da sein würde. Dass
sie ihn sich nehmen würde. Deshalb war das für mich nicht so schwer, ihn zu
verlassen.“
„Das ändert
trotzdem nichts daran, dass du vielen damit vor den Kopf gestoßen hast, als du
ihn verlassen hast. Als du sagtest, was du wolltest“, erwiderte er und Akaras Schultern fielen dabei beinahe zu Boden. „Also kannst du es auch
weiterhin schaffen. Sei einfach du selber und denk nicht so oft darüber nach,
was andere von dir denken. Du musst keine Angst mehr vor deinem Vater haben.
Hier ist niemand mehr, der dir etwas dafür antut, dass du sagst, was du denkst
und willst.“
„Ich… versuche es…“, sagte sie, obwohl sie
nicht sonderlich überzeugt aussah.
„Richtig so! Sag
Tanna mal gehörig die Meinung!“
Und als er ihr erschrockenes Gesicht diesmal sah, konnte er sich ein Lachen kaum noch verkneifen. Das war, nach all der schweren Zeit, einfach ein wunderbar befreiendes Gefühl. Im Endeffekt war es doch ganz schön gewesen, mit ihr zu plaudern. Einen Moment seine eigenen Sorgen zu vergessen.
Und als er ihr erschrockenes Gesicht diesmal sah, konnte er sich ein Lachen kaum noch verkneifen. Das war, nach all der schweren Zeit, einfach ein wunderbar befreiendes Gefühl. Im Endeffekt war es doch ganz schön gewesen, mit ihr zu plaudern. Einen Moment seine eigenen Sorgen zu vergessen.
Zumindest, bis Akara auf den Bären aufmerksam wurde, der
noch immer wartend auf dem Baumstamm hinter ihm saß.
Da kam sie an, um nachzugucken.
„Ist das
deiner?“, wollte sie wissen und es war das erste Mal, dass ihre Stimme
fest klang. Als er nickte, fragte sie: „Was soll das sein?“
„Es ist ein
Bär. Ein Spielzeug für Nero.“
„Ein Bär?“ Sie
legte skeptisch die Stirn in Falten. „Warum willst du deinem Sohn denn ein
so gefährliches Tier schenken?“
Das hatte er
sich auch schon gefragt, aber stattdessen erzählte er ihr von dem Traum, in dem
Diana ihn einmal besucht hatte. Und als
er geendet hatte, hatte sich die Trauer in Akaras Gesicht gelegt, die er schon so
häufig bei anderen gesehen hatte, wenn Dianas Name gefallen war.
Sie sah zum wolkenverhangenen Himmel auf und sagte traurig: „Ich frage mich
oft, ob Diana dort, wo sie jetzt ist, glücklich ist. Und ob sie uns sehen kann.“
Plötzlich wich die Trauer tatsächlich einem Lächeln, das Rahn einen Moment
hoffen ließ. „Sie war echt ein tolles Mädchen. Ich bin froh, dass sie meine
Freundin war.“
Doch stattdessen kehrte die Schuld zu ihm
zurück.
Wenig später trieb ihn die Kälte ins Haus zurück. Er
wollte nur noch ins Bett. Die Müdigkeit zehrte an ihm. Aber
stattdessen ging er zum Kinderzimmer, um nach Nero zu sehen, der inzwischen
hoffentlich tief und fest schlief, wie alle anderen auch. Doch an diesem Abend
fand er, zu seiner Überraschung, noch jemand anderen im Kinderzimmer vor. Vor
dem Bett seines Sohnes. Jemanden, den er bislang noch nie dort gesehen hatte.
Es war Dana. Und ihr Blick, mit dem sie ihren eigenen Enkel bedachte, war so
ausdruckslos, dass es Rahn kalt durchfuhr.
Er wusste, dass Dana Nero nichts tun würde, aber dennoch
machte er ganz instinktiv einen Schritt nach vorn, hin zu seinem Jungen, und da
wurde Dana schließlich auf ihn aufmerksam. Sofort war sie auf den Beinen und
hatte Abstand zwischen sich und ihn gebracht. Doch ihr Schrecken war schnell
wieder Ausdruckslosigkeit gewichen.
„Dana… es… tut
mir leid…“, brachte Rahn schließlich heraus. Etwas, das er ihr schon so lange
hatte sagen wollen, aber bislang nie gekonnt hatte. Seit Neros Geburt war sie
ihm aus dem Weg gegangen und er hatte nicht den Mut gefunden, auf sie
zuzugehen. Bei ihr nicht. Und auch bei Tann nicht. „Ich wollte nie, dass Diana
etwas passiert.“
„Ich weiß“,
erwiderte sie mit erstickter Stimme. Plötzlich kräuselte sich ihre Nase voller
Wut. Sie schaffte es nicht einmal, ihn anzusehen. „Ich weiß auch, dass sie sich
dir aufgedrängt hat. Dass du das gar nicht wolltest… Alle wissen das. Sie hat es uns schließlich erzählt, damit
niemand schlecht von dir denkt. Aber…trotzdem kann ich nicht verhindern, dass
ich wütend bin, wenn ich dich sehe. Oder dass ich mich manchmal frage, warum
dein Kind lebt, meines aber sterben musste. Es sind so unsinnige Gefühle! Aber
ich kann das einfach nicht abschalten!“
„Ich verstehe
das.“
Da drehte sie sich plötzlich heftig um, zeigte ihm den
Rücken. „Nein, tust du nicht! Aber… das musst du auch nicht. Ich hoffe, dass du
es nie erfahren musst, was es bedeutet, das eigene Kind zu verlieren.“
Dann drehte
sie sich um und ließ ihn stehen.
Ließ ihn allein zurück mit der Schuld, die immer schwerer
zu tragen war.
Am nächsten Tag hatte Akara ihr Kleid gegen die
Beinkleider getauscht, die viel bequemer bei der Feldarbeit waren. Sie hatte
sie schon lange tragen wollen, aber ihr Vater hatte immer gesagt, dass sich
Hosen für eine Frau nicht gehörten. Er hatte es gesagt und ihrer Mutter dabei
immer wieder angewiderte Blicke zugeworfen. Heute fragte Akara sich, ob ihre
Mutter deswegen immer Beinkleider getragen hatte. Damit er sie nicht mehr
anfasste.
Akara
schüttelte die wenig hilfreichen Gedanken ab und sah ihrem eigentlichen
Vorhaben entgegen, das ihr so viel Angst machte, dass ihre Hände einfach nicht
trocken werden wollten. Ihr Herz schlug ihr beinahe bis zum Hals, wenn sie nur
daran dachte, was sie gleich vorhatte. Aber gleichzeitig dachte sie auch an
Rahns Worte. Dass sie sagen sollte, was sie wollte. Dass sie nicht so viel auf
die Meinung anderer geben sollte.
‚Ich schaffe das!
Ich kann das!‘, sagte sie sich immer wieder.
Also ging sie
los, obwohl ihr nur nach Weglaufen zumute war. Sie wollte nichts lieber als
dass die Meinung der Anderen ihr egal gewesen wäre, aber so einfach war es
leider nicht. Die Angst war trotzdem da. Ihre Gedanken kreisten immer wieder
darum. Um das, was geschehen könnte. Sie malte sich die allerschlimmsten
Szenarien aus, obwohl sie wusste, dass das Unsinn war, und plötzlich verließ
sie jeglicher Mut.
‚Ich will umdrehen! Ich will hier weg! Ich
sollte einfach gehen! Ja, das tue ich!‘
Doch bevor sie es tun konnte, stand sie plötzlich schon
Tanna gegenüber und erschrak. Sie sah ihr ins wütende Gesicht. Der Frau, mit
der sie sich die letzte Zeit immer wieder gestritten hatte. Oder besser gesagt,
die ihr immer wieder sagte, was sie tun sollte. Akara hatte ihr niemals Widerworte gegeben, aber Tanna war trotzdem schon öfter laut geworden. Egal, was sie auch tat, sie konnte es ihr einfach nicht recht machen. Die ältere Frau
hasste sie, das wusste sie auch so. Schon allein, weil sie ihrem Sohn das Herz
gebrochen hatte. Mal ganz von ihren mütterlichen Qualitäten abgesehen, die sie
laut Tanna einfach nicht besaß. Das wusste sie ja selber, da brauchte es nicht
erst Tanna, die ihr das immer wieder sagte.
Plötzlich sah
sie nur die Wut. Das wütende Gesicht ihrer ehemaligen Schwiegermutter. Tanja,
die neben ihrer Mutter stand und die sich gerade noch mit ihr gestritten hatte.
Sie dachte an Rahns Geschichte, an ihren Vater, der ihr immer gesagt hatte, was
sie zu tun und zu lassen hatte, und sie dachte nur: „Ich will nicht mehr, dass
du mir sagst, was ich zu tun habe“, und während sie es dachte, sagte sie es
auch.
„Wenn du
endlich anfängst, dich wie eine richtige Mutter und ein richtiges Mitglied des
Stammes zu verhalten, dann brauche ich das auch nicht mehr zu tun“, hörte sie
Tanna unbeeindruckt sagen.
Da platzte Akara die Hutschnur. „Ich entscheide selber,
was ich tue!“, warf sie Tanna laut entgegen. „Und ich entscheide selber, wie
ich mit meiner Tochter umgehe! Du hast nichts dazu zu sagen!“
Tanna sah
nicht so aus, als ob sie das so einfach hinnehmen würde, aber da war Akara
schon auf und davon, bevor die Angst, die versuchte sie niederzuringen, sich
auch in ihrem Gesicht zeigen konnte. Doch während sie rannte, erkannte sie, was
sie eigentlich gerade getan hatte und ihre Angst wurde zu unfassbarem Glück.
Als sie vor Rahn zum Stehen kam, der gerade Nero beim
Laufen geholfen hatte, war sie geradezu berauscht davon. „Rahn! Rahn! Ich habe
es geschafft! Ich habe Tanna gesagt, was ich wollte, und es war einfach klasse!“,
berichtete sie aufgeregt.
Rahn schenkte
ihr dafür ein Lächeln, aber so schnell, wie es auf seinem Gesicht erschienen
war, verschwand es auch wieder. Wie so oft die letzte Zeit, sah er müde und
erschöpft aus.
„Du siehst nicht
gut aus. Was ist denn los?“
„Nichts. Es
ist alles gut.“
„Hast du heute
überhaupt schon etwas gegessen?“
Er sah sie nur
müde an und da wusste sie Bescheid. Sie kannte das schon von ihm. Sofort fühlte
sie diesen unheimlichen Drang in sich, ihm helfen zu wollen.
„Weißt du, Jana
hat recht damit, wenn sie sagt, dass du etwas essen musst, um auf den Beinen zu
bleiben. Wer kümmert sich denn sonst um Nero, wenn du umkippst?“, tadelte
sie. „Weißt du was, ich kenne da ein Gericht, das dir bestimmt gut schmecken
wird. Ich werde es dir gleich zubereiten.“
Rahn wollte sie aufhalten, aber so kam es, dass er wenig
später einen vollen Teller vor sich hatte und Akara neben sich. Da konnte er ja
schlecht nein sagen, als sie ihn zum Essen aufforderte. Es duftete ja auch
ganz köstlich. Er wollte es sogar essen, aber er konnte es in letzter Zeit
einfach nicht mehr. Er hatte keinen Hunger, keinen Appetit und sein Bauch
fühlte sich alles andere als gut an. Seitdem Diana gestorben war, schien
auch er selber krank zu sein. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Denn er hatte
Diana doch versprochen, sich um ihr Kind zu kümmern.
Dennoch aß er
kurz darauf den ganzen Teller leer, da Akara nicht so kurzsichtig war, ihn beim
Essen allein zu lassen.
________________________________
Hier weiterlesen -> Kapitel 73
Tja, leider ist es nicht so einfach, Unsicherheiten und Ängste abzulegen, auch wenn man manchmal weiß, dass sie vollkommen unsinnig und unnötig sind. Vor allen Dingen schwer ist das, wenn sie einen in der Kindheit derart geprägt haben, wie es bei Akara der Fall gewesen war. Und dasselbe kann man auch über Rahn und die Schuld sagen, die er sich selber gibt. Auch wenn es da eher so ist, dass er nichts davon hören will, dass er nicht an den Dingen schuld ist, für die er sich die Schuld gibt.
Ach ja, Teddys gibt es übrigens erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts, aber naja... ;P
Nächstes Mal dann muss Tanja den Preis für eine alte Sache bezahlen.
Hier weiterlesen -> Kapitel 73
Tja, leider ist es nicht so einfach, Unsicherheiten und Ängste abzulegen, auch wenn man manchmal weiß, dass sie vollkommen unsinnig und unnötig sind. Vor allen Dingen schwer ist das, wenn sie einen in der Kindheit derart geprägt haben, wie es bei Akara der Fall gewesen war. Und dasselbe kann man auch über Rahn und die Schuld sagen, die er sich selber gibt. Auch wenn es da eher so ist, dass er nichts davon hören will, dass er nicht an den Dingen schuld ist, für die er sich die Schuld gibt.
Ach ja, Teddys gibt es übrigens erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts, aber naja... ;P
Nächstes Mal dann muss Tanja den Preis für eine alte Sache bezahlen.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich!
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