Lu sah der Sonne schon seit einer gefühlten Ewigkeit beim
Aufgehen zu. Als er an den Strand gekommen war, war der Himmel noch so
pechschwarz gewesen, dass die Sterne wie kleine, leuchtende Augen auf ihn
hinabgesehen hatten. Inzwischen waren sie am Verblassen und die Sonne
begann, einen violetten Fleck im Dunkel des Himmels zu bilden. Wie Farbe, die
man auf ein Stück nassen Stoffes tropfte.
Doch Lu hatte
keine Augen für diesen Anblick. So sehr die Farbspiele, die die Götter für sie
an den Himmel malten, ihn auch sonst faszinierten, momentan schienen seine
Gedanken in einer ganz anderen Welt festzustecken.
‚Dieser verdammte, ignorante Holzkopf!‘, fuhr es ihm durch
den Kopf.
Er hatte es
so satt. Die letzten paar Stunden hatte er versucht, mit Tann zu reden. Er
hatte es mit Ruhe versucht, mit Vernunft und Logik, aber der Stammesführer war
unerbittlich in seiner Sturheit gewesen. Irgendwann hatte selbst ihn die
Geduld verlassen und er war laut geworden. Nicht, dass es Tann interessiert
hätte. Nicht, dass es Tann interessiert hätte, was er – oder auch nur irgendwer
– zu erzählen hatte.
Letztendlich
war er nur wieder gegen Mauern gerannt und er hatte zwischenzeitlich Dinge
gedacht, die sich überhaupt nicht für einen Schamanen gehörten. Deshalb
hatte er es irgendwann sein lassen, hatte seine Tracht ausgezogen, die er
zwischenzeitlich nass geschwitzt hatte, und war in bequemeren Kleidern zum Strand hinuntergegangen.
Hier war es still, ein angenehmer Wind kühlte sein
erhitztes Gemüt, und hier musste er sich auch nicht mehr mit Tanns dämlicher
Sturheit herumschlagen.
Trotzdem verfolgte sie ihn selbst bis hierher.
Trotzdem verfolgte sie ihn selbst bis hierher.
Es war
frustrierend. Er wollte nur noch schreien, wollte Tann seine Faust mitten ins
Gesicht schlagen, bis er endlich einsah, dass er nicht nur darauf und daran
war, seine Familie zu zerstören, sondern auch einen vollkommen unnötigen Krieg vom Zaun zu brechen.
Doch obwohl er
ernsthaft darüber nachgedacht hatte, Tann zu schlagen, wusste er auch, dass es
ohnehin nichts geändert hätte. Tann, sein Freund von früher, hatte sich
inzwischen so sehr verändert, dass er ihn kaum noch wiedererkannte. Da war
fast nichts mehr von dem gerechten, besonnen Mann von einst, nur noch ein von Hass
zerfressener Kerl, der eine zu hohe Position innehatte, als dass gut für sie
alle war. Und es war ja nicht einmal mehr nur Tann. Inzwischen waren auch so gut wie
alle anderen von Hass infiziert.
Und es gab
nichts, rein gar nichts, was Lu tun konnte, um das zu ändern. Er konnte reden,
er konnte um sich schlagen, konnte beten, aber es würde letztendlich alles
nichts ändern.
‚Und das,
obwohl du mich einst darum gebeten hast, deine rechte Hand zu werden. Aber meine Ratschläge schlägst du trotzdem in den Wind.‘
Was sollte er jetzt nur tun?
Auch als die Sonne schließlich ihr Antlitz gezeigt hatte,
war er zu keiner Lösung des Problems gekommen. Er war rastlos umhergelaufen,
hatte sich in den Sand gesetzt, um dann wieder aufzuspringen, und schließlich
war er vor lauter Erschöpfung einfach eingeschlafen. Das Rauschen der Wellen
und die ersten, schlaftrunkenen Lieder der Möwen waren ein zu verlockendes Schlaflied gewesen.
Und er hatte einen erstaunlich festen, traumlosen Schlaf, für den er dankbar war.
Und er hatte einen erstaunlich festen, traumlosen Schlaf, für den er dankbar war.
Zumindest, bis ein penetrantes Hämmern ihn viel zu früh
wieder weckte. Er drehte sich ein paarmal hin und her in dem Versuch, wieder
ins Vergessen des Schlafs zurückzufinden, aber schließlich musste er einsehen,
dass es keinen Sinn hatte.
Er kam auf seinem Bauch zum Liegen, gähnte herzhaft und blinzelte auf der Suche nach der Quelle des Lärms verschlafen ins viel zu helle Tageslicht. Eine Bewegung in der Ferne erregte seine Aufmerksamkeit.
Er kam auf seinem Bauch zum Liegen, gähnte herzhaft und blinzelte auf der Suche nach der Quelle des Lärms verschlafen ins viel zu helle Tageslicht. Eine Bewegung in der Ferne erregte seine Aufmerksamkeit.
Er brauchte eine Weile, um überhaupt zu verstehen, was er
da sah. Da war ein merkwürdiges Gefährt, das an ihrem Strand angelegt hatte und
das er schließlich als Boot identifizierte. Er hörte das Rauschen der Wellen,
das Krächzen der Möwen und ein Lied, das undeutlich an sein Ohr drang. Und als
er die Stimme hörte, fiel der Schlaf mit einem Mal von ihm ab und er war sofort
auf den Beinen. Ein Regen aus Sandkörnern ging von ihm nieder, aber Lu hatte
nur Augen für das, was sich da gerade vor ihm abspielte.
Träumte er etwa? Konnte das sein? Er
hatte so lange gehofft, so lange gebangt, aber letztendlich hatte er, wie er nun
feststellen musste, die Hoffnung dennoch aufgegeben gehabt, ihn jemals wiederzusehen. Jemals
die Schuldgefühle loszuwerden, die ihn seit dem Tag seiner Abreise quälten.
Und wenn er es
wirklich war, was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sich verhalten?
Für einen Moment nur dachte er daran, einfach
fortzulaufen, aber dann ging er dennoch vorwärts. Er musste es wissen, musste
sichergehen, dass das, was er sah, nicht nur seiner Fantasie entsprang. Oder es
sich doch nur um eine Verwechslung handelte.
Und je näher
er kam, je klarer er die inzwischen noch rauere Stimme vernahm, die unentwegt
ihr Lied sang, desto schneller schlug sein Herz und desto schneller wurde er, bis er schließlich rannte.
„Wulfgar!“, rief er, und als er ihn rief, verstummte das
Lied und der Angesprochene wurde endlich auf ihn aufmerksam.
Er drehte
sich zu ihm und Lu konnte erstmals sein Gesicht sehen. Es war inzwischen von
einem krausen Bart eingerahmt, aber es war dennoch unverkennbar. Es war
Wulfgar, der da vor ihm stand.
„Hey! Wenn
das nicht Lu ist!“
Lu hatte immer
gehofft, dass er zurückkehren würde und hatte gleichzeitig so viel Angst davor
gehabt. Doch jetzt, als er so plötzlich wieder vor ihm stand, ein Lächeln im
Gesicht, als wäre er niemals fort gewesen, war es mit einem Mal alles so einfach.
Er ging auf ihn zu und drückte den Heimgekehrten an sich.
„Du lebst!“, flüsterte er erleichtert. „Den Göttern sei Dank, du lebst!“
„Du lebst!“, flüsterte er erleichtert. „Den Göttern sei Dank, du lebst!“
Er genoss die
Nähe des Anderen, der keine Anstalten machte, ihn
fortzustoßen oder die Umarmung zu erwidern, nahm den Geruch von Nässe und
Meersalz in sich auf, der nicht nur vom Meer ausging, und dann ließ er Wulfgar
schließlich wieder gehen.
Da war jetzt so etwas wie Verwirrung auf
dessen Gesicht zu sehen, aber Lu ließ sich selber gar nicht erst die Zeit, das
weiter zu ergründen.
„Wulfgar, ich bin so froh, dass du
lebst! Ich wollte dir schon so lange sagen, dass es mir schrecklich leid tut,
wie ich mich damals verhalten habe!“
Doch Wulfgar,
der inzwischen sein Lächeln wiedergefunden hatte, unterbrach ihn: „Schon gut.
Das ist ja ewig her. Mach dir keine Gedanken mehr drum.“
„Du bist mir
also nicht böse?“
„Nah!“, machte
Wulfgar und Lu nahm an, dass das nein hieß.
Dann war es
für einen Moment still, als sie sich nichts mehr zu sagen hatten. Lu jedoch
störte das nicht. Alles, was zählte, war, dass Wulfgar wieder da war. Er konnte
das Lächeln nicht aus seinem Gesicht bekommen, während sein Gegenüber sich unbehaglich an seinem Bart kratzte. Er hatte inzwischen eine dreigliedrige Narbe, die
quer übers linke Auge verlief, fiel Lu auf.
„Erzähl mir lieber, wie es dir so ergangen ist und was es
so Neues hier gibt“, brach Wulfgar schließlich das Schweigen.
Lu grinste
noch einen Moment länger versonnen, doch dann fiel ihm etwas ein und ihm
verging das Grinsen gehörig.
Da gab es tatsächlich etwas, das Wulfgar erfahren sollte.
Er wusste nur nicht, wie er es ihm beibringen sollte. Er hatte so etwas noch
nie gemacht.
„Ich… weiß
nicht, wie ich dir das sagen soll, aber…“ Er zögerte. „Es geht um Greta…“
Und spätestens da hatte
sich Sorge auf Wulfgars Gesicht gelegt.
Jin war noch immer auf der Flucht. Er hatte keine Ahnung,
wo er hingehen, noch, was er überhaupt tun sollte. Ihm war bewusst, dass
er nicht ewig davonrennen konnte. Irgendwann musste er zurück nach Hause gehen.
Aber momentan wollte er lieber allein sein. Er wollte nicht mit Dana zu tun
haben oder auch nur daran denken, was er vorher schon wieder angerichtet hatte.
Also war er
Richtung Strand gegangen. Er ging oft dorthin. Manchmal in der Hoffnung, dass
er Greta vielleicht dort finden würde, obwohl er wusste, dass das nicht
passieren würde. Er ging gern morgens oder nachts, wenn keine
Menschenseele am Meer war.
Doch heute
war der Strand nicht leer. Lu feierte gerade Wiedersehen mit Wulfgar, und da
wollte er lieber nicht stören. Also ging er woanders hin.
Es war das erste Mal seit langem, dass er wieder klarer im Kopf war. Dass er seine Umgebung wahrnahm, sah und spürte, dass seine
Gedanken auf das gerichtet waren, was um ihn herum geschah. Und er mochte es
nicht. Es führte nur dazu, dass er sich unbehaglich fühlte und dass er nicht
aufhören konnte, nachzudenken. Über Greta, über Dana, wo er hingehen sollte
und über so viele andere Dinge, die er lieber vergessen wollte.
Da kam er schließlich zu dem kleinen
Tümpel, an dem er sich als Kind gerne die Zeit damit vertrieben hatte,
Steine ins Wasser zu werfen. Oder Frösche. Je nachdem, was er gerade zur Hand
gehabt hatte. Er hatte sich damals immer hier versteckt und vor der Arbeit
gedrückt. Was für unbeschwerte Zeiten das doch gewesen waren. Wie einfach alles
gewesen war.
Er war beinahe
ein bisschen neidisch, als er Jana bemerkte, die am Tümpel hockte und ins
Wasser starrte. Das kleine Mädchen hatte noch keine Ahnung von den komplizierten Dingen, die
einen erwarteten, wenn man erwachsen wurde.
Er erhoffte sich Ablenkung von dem Kind, also ging er zu
ihr. Sie bemerkte ihn nicht und starrte nur weiter angestrengt ins Wasser.
„Was suchst du
da?“, fragte er nach.
Sie ignorierte ihn noch einen Moment länger, dann stand sie auf und bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick, den er nicht
deuten konnte. Das Mädchen war eigentlich immer unkompliziert gewesen, so sehr,
dass er erstaunt gewesen war, dass Dana ihre Mutter war. Er hoffte nur, dass
sich das nicht allzu bald ändern würde. Dann, wenn sie irgendwann zur Frau
wurde und er aufhören würde, sie zu verstehen.
„Warum habe
ich braune Augen?“, fragte sie plötzlich.
Es schien
schon anzufangen. „Ähm… weiß nicht. Weil deine Eltern braune Augen haben?“
„Aber das ist
es ja! Die haben beide blaue Augen!“
Er hatte sich schon einige Dinge gefragt, aber ihm war
nie die Frage gekommen, woher jemand seine Augenfarbe hatte. Deshalb
wusste er auch nicht, was er darauf antworten sollte. Aber da Jana den Kopf
hängen ließ, wusste er, dass er etwas sagen sollte. Das Thema war
noch nicht erledigt.
„Wie kommst
du überhaupt auf so eine Frage?“, lenkte er ab.
Die Wut, die
er schon eher von ihr kannte, erschien auf ihrem Gesicht. Sie verschränkte
die Arme. „Weil Tanja, die doofe Kuh, meint, dass ich blaue Augen haben
müsste, so wie sie und Diana, wenn ich wirklich Tanns Kind bin. Sie sagt, dass
ich deshalb nicht sein Kind sein kann.“
„Weißt du, du
solltest dir sowas nicht von irgendwem einreden lassen…“
Da legte sich plötzlich Verzweiflung über ihre Wut. „Aber es stimmt doch! Ich hab schon immer gespürt, dass Tann
ganz anders ist als ich! Er versteht mich überhaupt nicht und ich weiß, dass
er mich auch nicht so behandelt, wie seine anderen Kinder!“
Jin wollte etwas dazu sagen, aber was Jana dann von sich
gab, ließ ihn sich fast an seiner eigenen Spucke verschlucken: „Kann es nicht
sein, dass du mein Papa bist?“
Sie packte seinen Arm und zog ihn zu sich runter. Im nächsten Moment war
er Aug in Aug mit ihr.
„Siehst du, weil du ja braune Augen hast, so wie ich. Und guck, unsere Haut sieht auch fast gleich aus. Du bist auch viel mehr wie ich. Du verstehst mich.“
„Siehst du, weil du ja braune Augen hast, so wie ich. Und guck, unsere Haut sieht auch fast gleich aus. Du bist auch viel mehr wie ich. Du verstehst mich.“
Und für einen
Moment war es Jin tatsächlich, als würde er seine eigenen Augen sehen, die ihm
immer aus dem Wasser des Tümpels heraus entgegengeblickt hatten. Für einen
Moment war er sich sicher, dass Jana recht hatte.
„Du siehst es
auch, nicht?“
Sie ließ ihn los und Jin fühlte sich, als wäre sein
ganzer Körper taub. Dann jedoch erinnerte er sich daran, dass das nicht sein
konnte. Er wusste ja, wie das mit dem Kindermachen funktionierte und er
wusste, dass er nicht mit Janas Mutter geschlafen hatte. Zumindest vor heute nicht,
sodass er Janas Vater hätte sein können.
Es brach ihm
dennoch fast das Herz, als er in ihr vor Hoffnung leuchtendes Gesicht sah und ihr sagen musste: „Weißt du, ich würd mich ja freuen, wenn es so wär, aber
es ist leider nicht so. Ich kann nicht dein Papa sein, Jana.“
Enttäuschung
auf ihrem Gesicht. Natürlich.
„Vielleicht
solltest du mal mit deiner Mutter drüber reden. Ich denk, dass sie dir solche
Sachen viel besser als ich erklären kann“, riet er ihr.
Und obwohl er es besser wusste, konnte er nicht
verhindern, sich erneut in Jana zu sehen, als die daraufhin genervt das
Gesicht verzog. Genau so, wie er es früher oft getan hatte.
„Weißt du, vielleicht solltest du einfach mal mit dem
Mädchen reden. Sie kennenlernen. Ich werde natürlich auch dabei sein“, schlug
Tanna vor.
Sie hatte das
schon dreimal vorgeschlagen, seitdem Lu ihn endlich in Ruhe gelassen hatte und
sie dazu übergegangen war, seinen Platz einzunehmen. Nicht, dass Tann daran
dachte, das zu tun. Das hatte er auch schon dreimal gesagt und er würde es nicht noch
einmal wiederholen.
„Ich frage mich viel mehr, wie wir verhindern können,
dass Dia noch mehr unserer Leute mit seinen zwielichtigen Methoden auf seine
Seite zieht“, redete er also über etwas ganz anderes. „Er muss dringend verschwinden. Wenn ich nur
wüsste, aus was seine Waffen gemacht sind. Ich habe ihn damit sogar mühelos massives
Holz spalten sehen.“
„Das sind wahrscheinlich Eisenwaffen“, fuhr eine Stimme
dazwischen. „Ich habe jede Menge davon und ich werde sie Jin alle einzeln
schmecken lassen, wenn er meiner Schwester etwas was hat!“
Tann brauchte
einen Moment, um überhaupt zu erkennen, wer es war, der dort vor ihnen stand. Die
Hälfte seines Gesichtes lag inzwischen unter einem Bart, er hatte langes Haar
und trug einen merkwürdigen, schwarzen Überwurf.
Als Lu aber dazukam und den Neuankömmling
beim Namen nannte, war Tann alles klar. Und ihm gefiel überhaupt nicht, dass da
schon wieder jemand mit Drohungen daherkam. Als ob sie nicht genug mit Dia und
seiner Sippe zu schaffen hatten!
„Beruhige
dich! Ich habe nicht gesagt, dass Jin deiner Schwester etwas getan hat“,
beschwichtigte Lu den Neuankömmling. „Nur, dass er gesagt hat, dass sie von einer Klippe
gefallen ist.“
Wulfgar sah noch immer nach Konfrontationskurs aus, aber
glücklicherweise kam Dana jetzt an. Sie hatte eine unverkennbar rot leuchtende Nase und
rote Augen.
„Wulfgar!“,
rief sie erschrocken. „Das mit Greta… das tut mir so leid!“
Bei ihrem
Anblick verschwand die Wut aus Wulfgars Gesicht. Er wandte sich ihr zu und
fragte: „Weißt du, was mit ihr geschehen ist?“
„Naja, sie
ist… von einer Klippe ins Meer gefallen. Das hat Jin zumindest gesagt.“
„Und hat er
auch gesehen, dass sie untergegangen ist?“
Dana war ein
bisschen irritiert über diese Frage. „Ich… weiß nicht…“
„Ja, ich hab's gesehen“, kam ihr
jemand zu Hilfe.
Es war Jin und
sein Anblick ließ Danas Mundwinkel augenblicklich nach unten sinken.
Wulfgar ging zu
ihm. Doch anstatt zu sprechen, bedachte er zuerst das blonde Mädchen
an Jins Seite mit einem wortlosen Blick, der dann zu Jin selber und schließlich zu Dana wanderte, die darunter erstarrte.
Aber anstatt
das Offensichtliche anzusprechen, fragte er: „Und danach? Kam sie wieder
hoch? Hast du sie gesucht?“
„Ich hab sie
nicht mehr gesehen, seit sie im Meer unterging. Ich hab
sie natürlich gesucht. Am Strand und so. Aber ich hab sie nicht
gefunden.“ Plötzlich brach sein Blick. „Ich konnt sie nicht beschützen… Ich
hab nicht auf sie aufgepasst…“
Da hatte Wulfgar genug gehört. Er ließ Jin stehen und
ging ohne ein weiteres Wort davon.
Als Dana sah,
dass er Richtung Nebelwald ging, folgte sie ihm. Sie hatte das Gesicht des
Blum-Zwillings nicht gesehen, aber sie kannte ihn lange genug, um zu wissen,
dass hier etwas vor sich ging.
Also lief sie ihm nach, aber sie schaffte es erst, ihn zum
Anhalten zu bringen, als sie sich ihm auf halbem Wege zum Wald in den Weg
stellte.
„Warte! Was
ist los, Wulfgar?“
„Ich glaube,
dass Greta noch lebt“, erklärte er unverblümt und Dana erschrak.
„Was? Aber sie
ist doch ins Wasser gefallen. Wie soll das gehen?“, fragte sie ungläubig.
„Ich habe
schon lange den Verdacht, dass sie schwimmen kann. Du weißt, dass unser alter
Schamane es konnte, und ich glaube, dass sie es von ihm gelernt hat, bevor er
gestorben ist.“ Sein Blick schweifte ab. „Ich habe sie damals oft beim Wasser
gesehen und ich war mir nicht nur einmal sicher, dass sie geschwommen ist. Aber sie hat es
immer dementiert. Ich glaube, dass sie mich sogar einmal gerettet hat, als ich
untergegangen bin und das Bewusstsein verloren habe.“
„Und warum hat
sie das dann niemandem gesagt? Ich meine, ihr zwei habt euch doch sonst immer alles
erzählt.“
„Sie wollte
nicht, dass ich es lerne. Damit ich nicht zur See fahren kann.“
Wenn das wahr war… Wenn Greta noch lebte….
„Aber wenn sie schwimmen kann, wäre sie doch aufgetaucht und hätte Jin gezeigt, dass es ihr gutgeht.“, klammerte sie sich an die letzte Logik, die ihr blieb.
„Nun, sag du
mir doch, warum sie das nicht getan hat! Ich war schließlich jahrelang weg und habe wohl verpasst, wie du und Jin zusammen ein Kind bekommen habt. Wusste Greta wenigstens davon oder habt ihr es
klammheimlich hinter ihrem Rücken gemacht?“
„Ich… ich wollte ihn ihr nie wegnehmen. Ich dachte, sie würden glücklich miteinander. Aber sie
konnten keine Kinder bekommen…“, stotterte sie und sie bemerkte selber, wie
armselig sich das anhörte.
„Ach, also
hast du dich seiner erbarmt, als er zu dir kam?“ Wulfgar schüttelte
missbilligend den Kopf. „Ich will es gerade, ehrlich gesagt, nicht mal wissen. Also erspar mir deine Ausreden! Alles, was ich wissen will, ist, ob
Greta lebt oder nicht. Und von ihr werde ich dann hören, wie es wirklich war.
Dir glaube ich gerade sowieso nicht ein Wort! Greta war wie deine Schwester! Du
warst wie eine Schwester für uns, Dana!“
Er starrte
sie noch einen Moment länger in Grund und Boden, dann jedoch erlöste er sie
endlich und ging. Nicht, dass Dana ihm nicht gefolgt wäre. Wenn Greta lebte,
wollte sie es mit eigenen Augen sehen. Und aus ihrem Mund hören, warum sie Jin in
dem Glauben gelassen hatte, dass sie tot sei.
Der Hof, den sie vor so vielen Jahren verlassen hatte,
hatte sich kaum verändert, als sie an diesem Tag zurückkehrte. Damals hatte es
geregnet und der Himmel war grau gewesen, jetzt schien die Sonne und das Muhen
von Kühen empfing sie aus einem Kuhstall, wo sich früher Schweine im Schlamm
gesuhlt hatten.
Ein Mann, den Dana nicht kannte, arbeitete auf dem Feld vorm Haus. Sie dachte zuerst, er sei einer ihrer Brüder, aber keiner in der Familie hatte schwarze Haare. Als Wulfgar ihn grüßte,
wandte er sich ihnen zu und Dana sah, dass sie recht gehabt hatte. Sie
kannte ihn nicht.
„Ich denke,
wir sind uns noch nicht begegnet. Mein Name ist Wulfgar“, stellte sich der
älteste Sohn des Hauses vor.
Der Fremde
kam jedoch gar nicht dazu, etwas zu erwidern, da sie von einem
spitzen Aufschrei unterbrochen wurden. Für einen Moment glaubte Dana mit
Schrecken, Greta vor sich zu haben, als sie die Frau in dem braunen Kleid sah, die jenseits des Feldes stand, dann
jedoch erkannte sie Gisa in ihr. Sie hatte erst kurz vor Gretas Sturz mit ihr
gesprochen.
Gisa war mit ein paar schnellen Schritten bei ihr und
drückte sie erfreut an sich.
„Dana! Wie schön, dass du uns mal besuchen kommst. Ich habe dir ja so viel zu erzählen. Du hast ja gar keine Ahnung, was mir so alles in letzter Zeit passiert ist“, plapperte sie munter drauflos.
„Dana! Wie schön, dass du uns mal besuchen kommst. Ich habe dir ja so viel zu erzählen. Du hast ja gar keine Ahnung, was mir so alles in letzter Zeit passiert ist“, plapperte sie munter drauflos.
Das ging noch
eine ganze Weile so weiter, in der die beiden Männer nichts tun konnten, als
schweigend zuzusehen und Dana aus Höflichkeit ein Lächeln
aufgesetzt hatte, selber aber auch nicht zu Wort kam.
Bis sich dann schließlich Wulfgar, der bislang eisern
ignoriert worden war, wagte, zu Wort zu melden: „Hey, Gisa! Schön, dich zu sehen! Bist
groß geworden!“
Ein eisiger
Blick traf den Störenfried, sodass es selbst Dana fröstelte. Wulfgar jedoch
blieb unbeeindruckt.
„Ah, du
warst…?“, sagte Gisa desinteressiert.
„Wulfgar. Dein Bruder.“
„Das sehe ich. Was willst
du?“, fragte sie barsch.
„Weißt du
zufällig, wo Greta ist?“
„Das ist ja
mal wieder typisch! Ihr beiden habt euch ja immer nur für euch interessiert! Mal nach dem Wohlbefinden anderer zu fragen, kommt euch
wohl nicht in den Sinn!“
„Also?“
„Keine Ahnung!
Geh und frag Mama! Sie ist drinnen.“ Dann wandte sie sich wieder Dana zu. „Du musst
unbedingt mal meine Kinder sehen! Sie sind anbetungswürdig!“
Dana rang sich
ein Lächeln ab und versprach, so bald wie möglich nochmal vorbeizukommen,
aber jetzt würde sie erst einmal ihre Eltern grüßen gehen. Gisa schnitt eine
unwillige Grimasse, ließ sie aber ziehen.
Im Inneren des Hauses hatte sich scheinbar noch weniger
verändert als draußen. Es war dunkel, nicht
einmal das Feuer in der Herdstelle brannte. Deswegen brauchte Dana auch etwas,
bis sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt hatten und sie die
zusammengekrümmte Gestalt zu ihren Füßen erkennen konnten. Es war ihre Mutter.
Bei ihrem
Anblick kämpfte sich die einst so energiegeladene Frau mühsam auf die Beine.
Ihr Gesicht war inzwischen von noch mehr Falten durchzogen, die Wangen hingen
und ihr Haar war vollständig ergraut. Dana hatte zwar mit Gisa ein paarmal
gesprochen, aber ihre Mutter hatte sie eine lange Zeit nicht mehr gesehen, und
es erschrak sie, wie alt sie plötzlich geworden war.
„Wulfgar!“
Gitta legte ihrem Ältesten die Hände auf die Schultern. „Da bist du ja endlich
wieder!“, sagte sie, als hätte es nie einen Zweifel daran gegeben, dass er
zurückkehren würde.
Und wie Dana
erkannte, hatte es das auch nicht. Als Mutter hatte Gitta nie die Hoffnung
aufgegeben, ihren Sohn wiederzusehen.
„Du siehst gut aus, mein Junge!“
„Mir geht's auch bestens. Wie ist es euch so ergangen?“
Gitta
schüttelte den Kopf. „Mir geht es ganz gut, aber Vater…“
„Was ist mit
ihm?“
„Er stirbt“,
war alles, was sie sagte.
Für einen
Moment war es so still, dass man Gisa draußen zetern hören konnte.
Dann sah Gitta zu Dana hinüber. „Ach, du bist ja auch da! Schön, dass du dich mal blicken lässt!“
Dann sah Gitta zu Dana hinüber. „Ach, du bist ja auch da! Schön, dass du dich mal blicken lässt!“
Dana kam
nicht umhin, den Zynismus in ihrer Stimme zu hören. Sie fühlte sich auch ein
bisschen schlecht, dass sie so lange nicht mehr vorbeigeschaut hatte.
„Wie wäre es,
wenn du erstmal etwas Ordentliches isst, mein Junge?“
Wulfgar riss
den Blick von seinem Vater los, der zu ihren Füßen eingerollt schlief. „Danke, aber ich muss vorher etwas mit dir
besprechen.“
„Sicher doch.
Aber lass uns draußen reden. Dein Vater braucht Ruhe.“
Als sie wieder draußen standen, wandte sich Gitta zuerst erneut an
Dana. „Wo ist eigentlich der Taugenichts, den Greta hier angeschleppt hat? Er
ist schon seit Wochen verschwunden.“
Dana wusste
nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es war die letzte Zeit so viel passiert,
dass es langsam zu viel für sie wurde. Zumal sie immer noch nicht wusste, ob
Greta nun wirklich noch lebte oder nicht.
„Ja, weil er
Greta doch… weil sie von der Klippe gefallen ist…“
„Was redest du
da, Kind?“
Dana glaubte noch immer nicht daran, dass Greta wirklich noch lebte, aber als sie in das ernste, ungläubige Gesicht ihrer Mutter sah, wusste sie, dass Wulfgar doch recht gehabt hatte.
„Greta ist wohlauf. Sie ist unten am Strand.“
Dana glaubte noch immer nicht daran, dass Greta wirklich noch lebte, aber als sie in das ernste, ungläubige Gesicht ihrer Mutter sah, wusste sie, dass Wulfgar doch recht gehabt hatte.
„Greta ist wohlauf. Sie ist unten am Strand.“
Den Weg zum Strand hinunter erlebte Dana wie durch einen
Schleier. Sie konnte es nicht fassen. Sie wusste nicht, was sie denken oder
fühlen sollte. Sie wollte es wahrscheinlich nicht einmal einsehen, dass Greta
tatsächlich noch lebte.
Und selbst,
als sie die kleine Bucht unweit ihres Elternhauses erreichten
und sie Greta dort tatsächlich stehen sah, konnte sie es noch immer nicht glauben. Sie
war hin- und hergerissen zwischen Schuld, Angst, dem Unwillen zu akzeptieren
und Wut.
Selbst, als Wulfgar zu seiner Schwester runterging, kam
ihr noch immer alles wie ein schlechter Traum vor. Sie sah, wie Greta sich
umdrehte, sah die Freude über das
unerwartete Wiedersehen auf ihrem Gesicht. Greta, die ihren Bruder überschwänglich begrüßte und
die von ihm fortgeschoben wurde.
Aber erst, als Wulfgar Antworten forderte, nahm schließlich die Wut das Ruder in die Hand.
Wie nur konnte Greta Jin so etwas antun?
Aber erst, als Wulfgar Antworten forderte, nahm schließlich die Wut das Ruder in die Hand.
Wie nur konnte Greta Jin so etwas antun?
„Was machst du
hier?“, stellte sie die Totgeglaubte zur Rede.
Greta
verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie tödlich an. Doch Dana blieb davon unbeeindruckt. Sie hatte sich einiges zu Schulden
kommen lassen, aber Greta hatte das auch.
Eine Antwort würde sie ihr jedoch vorerst schuldig bleiben. Denn in diesem Moment fiel Gretas Name erneut. Und als Dana herumwirbelte, sah sie
ausgerechnet Jin auftauchen.
Sie fluchte.
Er musste ihnen gefolgt sein. Wahrscheinlich hatte nicht nur sie bemerkt, dass etwas nicht stimmte.
Es ging alles viel zu schnell. Jin tauchte auf, und dann
hatte Greta ihn plötzlich um den Hals hängen. Sie sah überhaupt nicht erfreut
darüber aus, aber Dana stach dieser Anblick mitten ins Herz. Zu wissen, dass
Jin Greta liebte, war schwer, aber es war noch so viel schwerer, es auch zu
sehen. Die Erleichterung in seinem Gesicht, die Freude, wieder bei seiner
Liebsten zu sein. Es tat einfach nur weh.
„Greta! Ich bin so froh, dass es dir gutgeht!“
‚Und warum freust du dich? Warum fragst du sie
nicht, was das sollte? Du solltest wütend sein und dich nicht freuen, verdammt!
Sie hat dich schließlich angelogen!‘, dachte Dana frustriert.
Inzwischen
hatte Greta Jins Hände von ihren Schultern entfernt und war auf Abstand
gegangen.
„Von wegen!
Erzähl mir keine Lügenmärchen! Dir kam es doch ganz recht, dass du dachtest,
ich sei tot!“, konterte sie.
Da ging es plötzlich mit Dana durch. Bevor sie es verhindern
konnte, ging sie dazwischen: „Was? Sag mal, spinnst du? Du hast ja keine
Ahnung, wie sehr er gelitten hat, als er dachte, du seist tot! Er hat um dich
getrauert! Er hat dich geliebt! Und du hast nichts Besseres zu tun, als ihn in
dem Glauben zu lassen, du wärst tot und ihm jetzt auch noch Vorwürfe zu machen?“
Schon als sie
es tat, wusste Dana, dass es keine gute Idee gewesen war, überhaupt den Mund
aufzumachen. Oder auch nur hier zu sein. Aber es war zu spät. Greta
lachte nur, aber als sie mit dem Lachen fertig war, landete ihr Finger anklagend auf ihr.
„Du solltest lieber ganz still sein! Du verlogenes
Miststück! Von wegen, er ist der widerlichste Kerl, den du jemals gesehen hast,
aber dann hast du trotzdem nichts Besseres zu tun, als dich ihm an den Hals zu
werfen, wenn ich nicht hinsehe und mit ihm ein Kind zu bekommen!“ Sie
schnaubte abfällig. „Hat dir das eigentlich Spaß gemacht, hm? Mir euer blödes
Balg unter die Nase zu reiben, während ich keine Kinder bekommen kann?“
Dana dachte, sterben zu müssen, aber es wurde noch
viel schlimmer, als sie es schließlich nicht mehr verhindern konnte und ihr
Blick zu Jin huschte. Sie sah, dass er es nicht verstand. Wie sollte er auch, wo
er nicht einmal wusste, wovon Greta eigentlich sprach?
„Was meint sie
damit?“, wollte er natürlich wissen.
Und da war er
gekommen. Der Moment, vor dem sich Dana gefürchtet hatte, seitdem sie erfahren
hatte, dass sie von Jin schwanger geworden war. Sie hatte ihn so lange
aufgeschoben, obwohl sie gewusst hatte, dass sie es damit nur schlimmer machen
würde. Und jetzt konnte sie es nicht mehr. Jetzt musste sie es ihm sagen.
Also erzählte
sie es ihm. Von der Nacht, die sie zusammen verbracht hatten. Davon, dass er zu
betrunken gewesen war, um sich daran zu erinnern. Und natürlich von ihrer Tochter. Von
Jana, dessen Vater er war.
Jin hörte ihr zu und er unterbrach sie nicht einmal. Da war keine Wut, keine Verwunderung, da war keinerlei Emotion in seinem Gesicht, während sie erzählte. Wie die letzten paar Wochen, in denen er getrauert hatte.
Jin hörte ihr zu und er unterbrach sie nicht einmal. Da war keine Wut, keine Verwunderung, da war keinerlei Emotion in seinem Gesicht, während sie erzählte. Wie die letzten paar Wochen, in denen er getrauert hatte.
Doch Dana wusste, dass das nicht so bleiben würde. Und
als Jin die beiden Frauen vor sich sah, die ihn so schändlich belogen hatten,
als er Gretas wütendes Gesicht sah und Danas Entschuldigungen hörte, zerbrach
die Mauer in ihm, die ihn so lange von der Außenwelt abgeschnitten hatte.
„Warum hast mir das nicht gleich erzählt?“, forderte er zu wissen.
„Ich… ich
konnte nicht… ich wollte mich nicht zwischen dich und Greta drängen…“
Greta lachte, blieb ansonsten
aber still.
„Hier geht es
aber um meine Tochter!“, stellte er
wütend klar. Und was er dann sagte, erschütterte sie bis ins Mark: „Wie willst
du mir und ihr die Jahre wiedergeben, die du uns weggenommen hast?“
Dana wusste
es nicht. Sie hatte darauf keine Antwort. Alles, was sie sagen konnte, war: „Es
tut mir leid! Bitte verzeih mir!“
Sie machte
einen Schritt auf Jin zu, aber er wehrte sie ab. „Nein! Ich will nichts mehr
von dir wissen!“
Während Danas Welt
zerbrach, bedachte er Greta mit einem letzten Blick, aber für sie hatte er schon keine Worte mehr. Also ließ er sie alle
stehen, und Greta tat es ihm gleich, untermalt von Danas Weinen.
Als Jin zum Hof seiner Eltern erreichte war, war er
von Schweiß durchnässt. Er war ohne Pause durch den Wald gerannt, um schnellstmöglich wieder hier zu sein. Tann und Luma standen gerade
zusammen am Rande der Schafsweide, also ging er zu ihnen.
„Wisst ihr,
wo Jana ist?“, fragte er atemlos.
Es war Tann,
der ihm antwortete: „Sie ist zum Strand runter, soweit ich weiß. Sie wollte
euch nachgehen, aber Lu hat sie nicht gelassen.“
Er bemerkte
Tanns forschenden Blick und da wusste er Bescheid. Trotzdem fragte er nach:
„Wusstest du davon?“
„Ja, und ich
habe keine Entschuldigung dafür, dass ich es dir nicht gesagt habe.“
Bevor Tann sich versah, war sein Bruder vorgetreten und
hatte ihm die Faust ins Gesicht gerammt. Er wurde schmerzhaft an der Wange
getroffen und die Wucht warf ihn sogar von den Beinen. Als er auf dem
Hosenboden landete, durchzuckte nicht nur sein Gesicht ein böser Schmerz.
„Lüg mich nie wieder an!“, war alles, was Jin sagte.
Dann war er
auf und davon.
Es dunkelte bereits, als Jin den Strand
endlich erreichte, und als er den blonden Schopf des gesuchten Mädchens in der Ferne sah,
machte sein Herz einen aufgeregten Sprung. Wie Tann gesagt hatte, stand Lu bei
ihr und auch er hatte diesen forschenden Blick drauf, den er zuvor schon bei
seinem anderen Bruder gesehen hatte. Er hatte es also auch gewusst.
Doch
momentan hatte Jin nur Augen für Jana. Seine Tochter.
„Siehst du, da ist Jin auch schon wieder“, hörte er
Lu sagen. „Ich lass euch dann mal besser allein.“
Und dann war er endlich allein mit dem Mädchen, von
dem er jetzt wusste, dass es doch seine Tochter war. Sein eigenes Kind. Er
hatte die letzte Zeit gedacht, dass er nie Vater werden würde und jetzt war er
es plötzlich doch. Er konnte gar nicht sagen, wie verdammt gut sich das
anfühlte. Und es war momentan alles, was zählte.
„Was ist?“, fragte Jana schließlich, als Jin sie nur wortlos anstarrte.
Sie war sein
Kind! So ein tolles Mädchen wie sie war seine Tochter!
Er lächelte
und es war das erste Mal seit langem, dass es wirklich ehrlich war. Aus
tiefstem Herzen.
„Weißt du noch, als du sagtest, ich wär vielleicht dein
Papa? Weißt du, ich hab zwar gesagt, dass ich das nicht bin, aber ich hab mit
deiner Mutter gesprochen und wie sich rausgestellt hat, bin ich doch dein
Papa!“, erzählte er.
Es war, als
würde sie zeigen, wie er sich fühlte. Da war plötzlich so eine unbändige Freude
in ihrem Gesicht zu sehen, dass ihm ganz warm ums Herz wurde.
„Wirklich?
Das ist… das ist Wahnsinn! Du bist so viel besser als Tann!“
Dann war sie an ihn herangetreten und hatte
ihre kleinen Arme um ihn gelegt. Sie reichte ihm gerade einmal bis zur Brust.
Sie war noch so klein und doch schon so groß, und er hatte all die Jahre nicht
für sie da sein können.
Doch obwohl er das bedauerte, nahm er sich vor, von nun
an umso mehr für sie da zu sein. Er würde der beste Papa sein, den man sich
vorstellen konnte, das schwor er sich.
Dana war beinahe krank vor Sorge. Sie hatte eine ganze Weile mit Weinen zugebracht, hatte sie sich dann aber zusammengerissen und dazu gezwungen,
nach Hause zurückzukehren. Sie wusste, dass sie es nicht verdient hatte, aber
sie wollte dennoch dabei sein, wenn Jana die Wahrheit erfuhr.
Doch dann hatte sie erfahren, dass Jin bereits zu ihr gegangen war. Natürlich war er das. Er war nie ein Mensch gewesen, der lange gezögert hatte.
Doch dann hatte sie erfahren, dass Jin bereits zu ihr gegangen war. Natürlich war er das. Er war nie ein Mensch gewesen, der lange gezögert hatte.
Also hatte
sie den beiden ihre Zeit zusammen gelassen. Seitdem wartete sie, und sie konnte
nichts anderes tun, als dem Himmel dabei zuzusehen, wie er immer dunkler wurde, und sich dabei Sorgen zu machen.
Als schließlich schon alle Sterne zu sehen waren, kam Lu in der
Ferne in Sicht. Und er hatte eine Nachricht für sie. Jin würde
heute nicht mehr nach Hause kommen. Ebenso Jana. Er hatte sie mit sich genommen,
und er wollte eine Weile mit ihr allein in der Wildnis verbringen.
„Er weiß nicht, wann sie wiederkommen werden.
Aber ich soll dir sagen, dass er auf sie aufpassen wird“, beendete Lu gerade.
Und Dana
konnte nichts dagegen tun, dass man ihr ihr kleines Mädchen auf unbestimmte
Zeit nahm. Denn sie hatte kein Recht dazu, sich zu beschweren. Nicht, nachdem
sie Vater und Tochter so viel Zeit miteinander verwehrt hatte.
Lu wiederum konnte nicht verhindern, dass er ein wenig Mitleid mit
Dana bekam, als sie in Tränen ausbrach. Doch er hatte sie gewarnt, hatte ihr
einen guten Rat gegeben, auf den sie gepfiffen hatte, und letztendlich war er nur froh, dass Jin endlich die
Wahrheit kannte. Sein Bruder hatte ihn zwar angesehen, als würde er ihn am liebsten auch
schlagen, aber dann hatte er gesagt, dass er noch einen gut hatte von
früher, als er ihn am Tümpel verprügelt hatte.
Jetzt war
Jin zwar weg und Jana auch, aber trotz Danas Schluchzen,
konnte Lu nicht verhindern, dass er momentan bester Laune war. Dass er den
ganzen Tag über aufgeregt war und er sich seit langem einmal wieder darauf freute, zurück nach Hause zu gehen.
Nur, dass ihn dort gleich der nächste Krisenherd
erwartete. Seine Mutter und seine Schwester standen mit Tann zusammen am Eingang, und
schon von ihren Gesichtern konnte Lu ablesen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
„Lu, hast du zufällig Elrik und Rahn
gesehen? Sie sind seit gestern Abend verschwunden“, fragte seine Mutter ihn besorgt.
Stimmt, da
war ja noch etwas gewesen, um das er sich Sorgen machen musste. Die Sache mit
Elrik und Tann. Aber jetzt
auch Rahn? Was war nur eigentlich in letzter Zeit los, das er nicht mitbekam?
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Hier weiterlesen -> Kapitel 42
UPDATE: Wenn ihr erfahren wollt, was Wulfgar während seiner Reise so alles erlebt hat, verweise ich hier mal auf Wulfgars Geschichte. Die Geschichte ist allerdings rein textbasiert und... nun ja, alles weitere dazu hab ich ja dort geschrieben.
Wulfgar ist also wohlbehalten wieder zurück (ich hab mich so drauf gefreut, ihn endlich wieder spielen zu dürfen :D) und mit ihm gleich auch noch seine Schwester Greta. Oder besser gesagt, sie war nie weg.
Warum sie das Ganze aber getan hat? Da das nicht ganz klar wurde, sollte sie das lieber selber erklären:
"Also, warum hast du deinen Tod vorgetäuscht, Greta?"
Greta: "Nun, wenn ich ehrlich bin, in erster Linie wohl, weil ich Jin loswerden wollte. Als ich ihn kennenlernte, war er ein verwegener Kerl, aber in letzter Zeit ist er unheimlich langweilig geworden. Und seine Dummheit hat mich regelmäßig in den Wahnsinn getrieben! Ich musste ihm immer wieder alles erklären, aber er hat es dennoch nicht begriffen und am Ende immer alles falsch gemacht. Ganz zu schweigen davon, dass er sich oft vor der Arbeit gedrückt hat. Zuverlässigkeit ist auch keine seiner Stärken.
Dass wir keine Kinder zusammen haben würden, hat dem Ganzen schließlich den Todesstoß versetzt. Vielleicht hatte ich auch ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen, dass er bei mir und nicht bei seinem Kind war. Ich meine, ich kann ihm ja keine Kinder schenken, wie ich dadurch erfahren habe. Das war für mich natürlich ein schwerer Schlag ins Gesicht."
"Aber dann gleich den eigenen Tod vortäuschen? Ist das nicht ein bisschen radikal?"
Greta: "Es war ja nicht geplant. Er hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen und mich zu Tode genervt, und da bin ich einfach auf die Idee gekommen, ins Meer zu springen. Ich wollte einfach nur weg von ihm. Einfach nur für einen Moment frei sein. Es war das erste Mal, dass ich Wulfgar verstehen konnte, dass er von hier weggehen wollte.
Ich bin dann also gesprungen, eine Weile getaucht, und an der Bucht wieder rausgekommen. Als ich nach Hause kam, war Jin plötzlich weg, und ich hörte, dass er dachte, ich sei tot. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das denken würde. Aber da er einmal weg war, sah ich auch keinen Grund, ihn wieder herzuholen. Ich wollte ihn ja ohnehin loswerden. Ich wollte nur noch bis nach der Ernte warten. Ab und an hat er ja mitgearbeitet. Und so ging es immerhin ganz einfach. Ich war wieder frei und er konnte endlich zu seinem Kind gehen."
"Wusstest du, dass er nichts von seiner Tochter wusste?"
Greta: "Nicht wirklich. Aber, ganz ehrlich, wenn er es gewusst hätte, hätte er das nie für sich behalten können. Man kann ihm nichts anvertrauen, ohne, dass er es weitererzählt."
"Und was hast du jetzt vor?"
Greta: "Nun, ich werde wahrscheinlich allein auf der Farm meiner Eltern sterben. Vielleicht gehe ich auch woanders hin, aber das ist noch zu unsicher, um jetzt schon darüber zu reden."
"Jetzt, wo du es sagst... du warst ja nicht allein am Strand. Wer war da bei dir?"
Greta: "Das bleibt vorerst mein Geheimnis."
Soviel dazu. Falls euch übrigens Wulfgars Bart merkwürdig vorkam, dann liegt das daran, dass er eine kahle Stelle an den Schläfen hat, die ich selber jedes einzelne Mal übermalen musste. Und ich bin nicht sonderlich gut in Bildbearbeitung x.x. Jedenfalls, und weil seine Haare auch nicht ganz in Ordnung sind, bekommt er bald eine neue Frisur von mir, die das verdeckt. Falls ihr ihn mal in seiner kahlen Pracht sehen wollt, hab ich ein, u.a., mal ein Bild davon bei den Outtakes reingestellt.
Greta und Wulfgar habe ich den Charakteren hinzugefügt, wenn auch unterm Uruk-Stamm. Hab jetzt auch mal vor Aktualisierungen ordentlich gekennzeichnet, damit es ein bisschen besser auffällt, wo was neu ist.
Bis nächstes Mal dann (um die Spannung zu wahren wegen Elrik und Rahn diesmal keine Vorschau), danke fürs Vorbeischauen und bis zum nächsten Mal!
Glaube, das ist bis dato mein Lieblingskapitel =D .
AntwortenLöschen- Es kommt n Wulfgar zurück (in Pseudo Skyrim Robe!)
- Er stellt ma ganz einfache Nachforschungen an wie so n 1€ RPG Held & löst damit enorm viel Kuddelmuddel
- Jin wird wieder ganz der Alte
- Ich weiß warum ich Greta nie mochte
- Jin findet endlich zu seiner Tochter als Papa
- Jemand bekam endlich was schon laaaaange überfällig war von unsrem guten Jin. Jin gab Elrik endlich ma wortwörtlich eins "Aufs Maul" xD !
Soooviele feine Sachen.
PS: Dana ist nun ein weitres Opfer ihes Lügenkartenhauses. Wann lernen die allesamt endlich das Lügen sich NICHT auszahlt :P ? Sollten se sich auf die Hauswand schreiben (...lassen von Lu).
Ist auch mein Lieblingskapitel ^^.
Löschen- Ich hab mich auch soooo auf Wulfgars Rückkehr gefreut. (Und es ist sogar eine richtige echte Skyrim-Robe ;)... Wulfgar scheint nicht nur in Khorinis unterwegs gewesen zu sein.)
- Tja, ist ja auch die Aufgabe von Videospielhelden und nachdem er schon in Gothic und Skyrim war, geht's jetzt hier weiter mit den Quests.
- Endlich.
- Wieso? Sie ist doch eine ganze Nette...
- Wird ja auch Zeit.
- Hm, ist Elrik deswegen weg? Weil Jin ihn etwa verhauen hat ö.ö? Aber Tanns hats einfach verdient. Kann ich nicht anders sagen.
Find ich auch.
Lol, über das von Lu musste ich echt lachen XD.
Korrektur; ich meinte Jin gab Tann eins auf die Mütze ^^' aber gut...nu wissen wa warum Elrik auch weg ist. Wahrscheinlich war Jin zu wütend und sah den Unterschied nicht zwischen Vater & Sohn xD !
LöschenDas ist schon blöd, dass es damals noch keine Brillen gab. Er bräuchte nämlich ganz dringend eine, wenn er die beiden verwechselt XD.
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