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Dienstag, 10. Mai 2022

Kapitel 151 - Eifersucht

 
Da es draußen ein bisschen stürmisch geworden war, hatte Jade sich schnell von ihren Eltern dazu überreden lassen, die Nacht sicherheitshalber bei ihnen im Uruk-Haus zu verbringen. Dass sie dabei ganz viel Zeit bei ihrem Liebsten Wulf verbringen konnte, war natürlich überhaupt nicht ihre Motivation gewesen und nur ein netter Nebeneffekt, versteht sich.

Deshalb konnte sie auch gar nicht schnell genug von ihren Eltern loskommen und zu Wulf hinübergehen, der gerade mit der Hellhaarigen zusammenstand, die letztens mit dem Möchtegern-Ragna zusammen hergekommen war. Doch das war nicht alles. Luis stand auch da, wie bestellt und nicht abgeholt, und sah überaus unbehaglich aus. Die Hellhaarige, Luna, warf ihm ab und an ebensolche Blicke zu, während Wulf dauernd versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und als Jade den versonnenen Blick sah, mit dem er die Frau betrachtete, erstarrte sie auf der Stelle.
     Ganz langsam spürte sie den Schmerz von ihrer Brust aus sich ihrer überall bemächtigen. Sie hatte es gewusst – er hatte es ihr schließlich erzählt – aber sie hatte es einfach nicht hören wollen. Und es jetzt zu sehen, war beinahe, als würde man sie erstechen. Mit der Klinge mitten durchs Herz. Seine Augen, die glänzten, während er Luna ansah, sein Lächeln, so wunderschön. Sie wünschte sich so sehr, sein Gesicht so zu sehen, wenn er sie ansah. Aber das hatte sie nie. Natürlich nicht.
     Ihr Blick rutschte von ihm zu der Hellhaarigen, und im nächsten Moment war da ein neues Gefühl in ihr, das sich mit dem alten mischte und sie beinahe aufzufressen drohte: Eifersucht.

 
Sie ging hinüber, stellte sich trotzig neben Wulf und als Luna – was fand er eigentlich an dieser komisch aussehenden Frau? – gerade mal wieder ihren unbehaglichen Blick zu Luis sandte und abgelenkt war, raunte sie ihm zu: „Das ist also die Frau, der dein Herz gehört.“
     Zuvor ignoriert, hatte sie jetzt augenblicklich seine vollste Aufmerksamkeit. Er sah hastig zu Luna, überprüfte, ob sie es gehört hatte, dann war sie wieder das Zentrum seiner Aufmerksamkeit.
 

Erschrocken schob er sie an den Schultern Richtung Küche. Es war ein schönes Gefühl, seine Berührung zu spüren, aber umso vernichtender war es, als er sie wieder losließ, auf Abstand ging, als hätte sie eine ansteckende Krankheit.
     „Sei bloß ruhig, du! Wenn Luna dich gehört hätte!“, knurrte er aufgekratzt. „Glaub bloß nicht, dass du mich jetzt damit in der Hand hast und deine komischen Spielchen mit mir treiben kannst!“
     „Warum sagst du es ihr nicht?“, fragte sie traurig, was er jedoch nicht sah.
     „Nein“, erklärte er reserviert. „Ich kann nicht. Noch nicht. Nicht jetzt.“
     „Warum nicht?“
     „Weil ich ihrer Liebe noch gar nicht würdig bin.“ 


Er strich sich gewohnheitsgemäß übers Gesicht, obwohl er nüchtern war und gerade überhaupt keinen Drang dazu verspürte, zu trinken, und Jade war einfach nur fassungslos. Es ärgerte sie. Es ärgerte sie so sehr, dass er das sagte. Dass er dieser Frau nicht würdig war. Was war sie denn schon? Eine Göttin? Nein, sie sollte sich geehrt fühlen, dass jemand wie er sie liebte. Dass sie haben konnte, was sie, Jade, so sehr wollte und nicht haben konnte.
     „Also tu mir einen Gefallen und behalt das für dich, ja?“, setzte er hinzu, aber Jade antwortete ihm nicht mehr.
      Er betrachtete sie noch einmal ein bisschen beunruhigt, dann strich er schließlich die Segel und ließ sie stehen.


Luis derweil hatte die letzte Zeit damit zugebracht, einem sehr einseitigen Gespräch zwischen Luna und Wulf zuzuhören, von dem er kein Wort verstanden hatte.
     Er hatte vorher noch allen Mut zusammengenommen, war zu Luna hinübergegangen, um mit ihr zu reden. Doch da er keinen wirklichen Anlass für eine Unterhaltung gehabt hatte und er auch nicht sehr gut darin war, über Belanglosigkeiten zu plaudern, um es milde auszudrücken, war ihr ohnehin stockendes, unangenehmes Gespräch schnell zum Erliegen gekommen. Dann war auch noch Wulf aufgetaucht, der weniger Probleme hatte, zu plaudern, und Luis war völlig abgeschrieben gewesen.
     Er hätte einfach gehen sollen, blieb aber, wo er war, bis er hörte, dass Wulf seinen ununterbrochenen Redeschwall endlich einstellte.


Als dann auch noch Schritte zu hören waren, wurde Luis klar, dass er wahrscheinlich gerade von den beiden stehen gelassen worden war.
     Also suchte er geschlagen seinen Weg in die hinteren Gefilde des Hauses, wo Jana für gewöhnlich zu dieser Zeit vor der zweiten Feuerschale hockte und betete, wenn das Wetter draußen zu schlecht war, um zum Tempel zu gehen.


Er hörte ihr leises, inzwischen sehr viel harmonischeres Gebet, als er sich näherte, und wartete, bis sie fertig damit war. Er erholte sich ein wenig von der selbst zugefügten Schmach, während er ihr zuhörte.


„He, du Trauerkloß, was machst du denn schon wieder hier?“, begrüßte sie ihn. „Wolltest du nicht zu wem rübergehen?“
     „Ach! Ich kann das einfach nicht…“
     „Was denn?“
     „Reden, wenn ich keinen Anlass dazu habe.“
     „Klar kannst du!“, lachte sie. „Redest doch auch mit mir.“
     „Das ist ja auch was anderes. Du bist meine Freundin, ich kenne dich, und außerdem habe ich ja einen Anlass, mit dir zu reden.“
      „Ja? Welchen denn? Jammern?“ Luis antwortete mit einem missbilligenden Gesicht, dass Jana alle Mühe hatte, nicht zu lachen. „Ja, siehst du, aber dann weißt du ja, was du machen musst.“ Er wusste es scheinbar nicht, also erklärte sie: „Ihr Freund werden. Dann kannst du auch mit ihr reden.“
      „Du bist mir lustig! Wie soll ich das denn bitte bewerkstelligen, wenn ich nicht mal einen ordentlichen Satz vor ihr zustande bringe?“


Er setzte einen Hundeblick auf, der Jana sofort weich werden ließ. „Kannst du mir nicht ein paar Tipps geben, wie ich… naja, sie von mir überzeugen kann?“
     „Und da fragst du echt mich? Ich hab von sowas doch keinen Schimmer!“
     „Irgendwie musst du Ahnung davon haben, weil du ja jemanden von dir überzeugt hast. Außerdem bist du doch eine Frau und weißt, was Frauen an Männern so mögen. Wie hat dich Aan beispielsweise von sich überzeugt? Was mochtest du an ihm?“

 Jana war daraufhin kurz wieder so merkwürdig ruhig, wie sie es die letzte Zeit immer war, wenn er Aan erwähnte. Er hatte auch schon überlegt, sie darauf anzusprechen, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie es mögen würde, wenn er seine Nase in ihre Privatangelegenheiten steckte.
     „Hm, wissen ja eh alle, also: Ich mochte halt, dass er so friedlich war“, antwortete sie schließlich widerwillig.
     „Das war alles?“

„Naja, gefallen hat er mir auch und – das musst du jetzt aber für dich behalten“, plötzlich spürte er ihren Atem warm an seinem Ohr, dass er eine Gänsehaut bekam, „ich hab eine Schwäche für hilflose Männer, die ich beschützen kann.“ Sie entfernte sich wieder. „Aber die meisten Frauen, die ich kennen tu, wollen starke Männer. So welche, die sie beschützen und versorgen. Das wär ja nix für mich.“
     „Und was glaubst du, zu welcher Sorte Frau Luna gehört?“
     „Was fragst du mich? Frag sie doch selber!“, sagte sie, und er konnte genau das neckende Grinsen in ihrer Stimme hören.
     „Sehr witzig!“

„Ach, komm! Sei nicht stinkig! Schau, wenn du zu viel Schiss hast, sie selbst zu fragen, dann frag doch wen, der sie kennt. Wie der Kerl, den dein Vater atto… atto… na, den er zu seinem Sohn gemacht hat.“
     „Ich glaube ja nicht, dass der so ein guter Ansprechpartner dafür ist.“
     „Wie kommst drauf?“
     „Seitdem Luna da ist, habe ich das Gefühl, dass er irgendwas gegen mich hat.“
     „Ha! Vielleicht ist er ja auch in deine Luna verschossen! Ich schmeiß mich weg!“ Sie lachte. „Dann sind beide Söhne von Lu hinter Wulfgars Tochter her. Apopo“, setzte sie ihre schlaue Stimme auf, „frag doch einfach gleich Wulfgar.“

Luis lächelte schief. „Ich würde doch bevorzugen, erstmal mit Luna selber reden zu können, bevor ich mich ihrem Vater stelle.“
     „Tja, dann frag halt Isaac, oder diese andere, die mit ihm hergekommen ist“, schlug Jana vor, nachdem sie das Lachen wieder eingestellt hatte.
     Von all den Neuankömmlingen in der letzten Zeit, war es auffällig, dass Jana nur einen Namen behalten hatte. Isaac hatte einfach einen Stein bei ihr im Brett, seitdem er ihr seine Ehrerbietung erwiesen hatte, indem er gesagt hatte, sie sei von den Göttern gesegnet. Seitdem sprach sie von ihm mit denselben glänzenden Augen, mit denen sie auch von ihrem großen Vorbild und Mentor Lu sprach.


„Hm, vielleicht tue ich das ja…“
     Jana legte ihm einen Arm um die Schultern, hängte sich an ihn. „Tu das“, sagte sie verschwörerisch leise. „Und ich hör mich für dich mal bei deinem neuen Bruder um, wenn du willst.“


Luis wollte. Also ging Jana schnurstraks in die Küche, wo der Gesuchte das letzte Mal gesehen worden war. Er war just dabei, sie zu verlassen, also begegneten sie sich im Türrahmen.
     „He, du! Ich will dich mal was fragen“, kam Jana ohne Umschweife zum Punkt. Jade streckte neugierig ihren Kopf hinter ihm hervor, also sagte sie zu ihr: „Na, Schwesterherz, wer wird denn lauschen? Husch, bevor die Götter dir die Ohren für deine Neugier abfallen lassen.“
     Jade verzog das Gesicht, ging aber.


„Also“, fuhr Jana fort und ging in die Küche, „geht um diese… ähh… Luna. Wollt mal fragen, was das eigentlich für eine ist.“
     Wulf runzelte die Stirn. „Wenn du was über sie wissen willst, dann frag sie doch selbst.“
     „Ja, nee, ich frag aber dich. Du kennst sie doch, oder?“
     „Natürlich.“ Er streckte die Brust raus und sah wichtig aus. „Ich kenn sie quasi seit ihrer Geburt.“
     „Ja, dann erzähl mal was!“


„Warum willst du eigentlich was über sie wissen?“, fragte er misstrauisch.
     „Ach, nur so. Will sie besser kennenlernen und so.“
     „Siehst mir aber nicht so aus. Wie du sie dauernd anguckst, glaube ich eher, dass du bald anfängst, Messer nach ihr zu werfen.“
     „Erzähl keinen Stuss!“, gab Jana verstimmt zurück.
     „Ich glaub eher, dass du Stuss erzählst. Du fragst doch für diesen komischen Blinden, der den Mund nicht aufkriegt, oder?“


„Er ist kein komischer Blinder!“, gab Jana noch verstimmter zurück. „Er hat einen Namen: Luis.“
     „Ich weiß. Ist mir aber egal. Soll seine Griffel von Luna lassen, sonst kriegt er Ärger mit mir!“
     „Drohst du etwa meinem Freund? Du kannst gleich mal Ärger mit mir kriegen!“
     „Nee, lass mal. Ich prügel mich nicht mit Frauen.“
     „Ich hab aber kein Problem mit, mich mit dir zu prügeln!“, erwiderte Jana und zeigte ihm angriffslustig die Zähne.
     „Ha! Du gefällst mir! Sag, was willst du wissen?“


Jana sah ihn einen Moment lang todernst an, dann: „Luis sagt immer, dass Luna ein total guter Mensch ist und alles, aber er hat auch erzählt, dass sie ihm irgendsowelche komischen Pilze zu essen gegeben hat. Aber sowas tun gute Menschen doch nicht machen! Das passt doch nicht zusammen!“
     „Pilze?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, sah böse aus. „Das passt sogar sehr gut. Das kann nur Xanthippe, die blöde Schlampe, gewesen sein.“
     „Wer ist Xan… das?“
     „Xanthippe war eine Sklavin, die Luna in ihrer Güte befreit hat. Doch sie war ein böses, falsches Biest, das Luna nur Kummer bereitet hat.“


„Als ich sie getroffen habe, hat sie mir auch diese Pilze aufzwingen wollen und sich mir an den Hals geworfen. Aber ich war natürlich stärker als das. Ich bin nicht schwach geworden“, berichtete er stolz, „und habe sie von mir gewiesen.“
     „Aber Luis hat gesagt, dass Luna ihm die Pilze gegeben hat.“
     „Dann ist er ein Lügner!“, rief Wulf aufgebracht. „Luna würde so etwas Schändliches niemals tun!“


„Xanthippe hat auch nie gesprochen. Wahrscheinlich dachte er, dass es Luna ist, weil er nicht wusste, dass Xanthippe da war. Ist ja blind und so. Ja, das muss es sein!“ Er nickte, sah sie wieder grimmig an. „Kannst deinem Freund also sagen, dass es nicht Luna war, mit der er mutmaßlich ins Bett gestiegen ist, und er sich keine falschen Hoffnungen deshalb bei ihr machen soll.“


Er ließ sie stehen, und Jana war einfach nur erschüttert über das, was sie gehört hatte. Und sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt mit dieser neuen Information anstellen sollte.


Während Jana mit Wulf beschäftigt war, hatte Jade gleich die Chance genutzt, dass Luna ausnahmsweise mal allein war. Sie ging zu der Frau rüber, die sie nie zuvor gesprochen hatte und die sie jetzt schon nicht ausstehen konnte, und bat sie um ein Gespräch unter vier Augen.
     „Wir kennen uns nicht, aber das ist auch unwichtig“, fing sie reserviert an. „Alles, was du wissen musst, ist, dass ich Wulf kenne und ich dich fragen will: Was ist er für dich?“
     „Wulf?“ Luna lächelte warm. „Ich bin mit ihm aufgewachsen, und er ist wie ein großer Bruder für mich.“
     „Mehr nicht?“
     „Nein“, erwiderte Luna irritiert.


Jade schwieg einen Moment bedeutungsschwer, bevor sie Luna direkt entgegenwarf: „Gut, dann solltest du ihm das vielleicht mal sagen, weil er das nicht so sieht.“
     „Was meinst du damit?“
     „Stell dich nicht dumm; du hast mich gehört: Wulf hat Gefühle für dich, also sag ihm, dass du nicht so empfindest für ihn, wie er für dich empfindet.“
     Lunas Mundwinkel zuckten ein bisschen, sie versuchte, abgebrochen zu lächeln. Sie wollte es nicht einsehen. Das machte Jade so wütend.
     „Da muss ein Missverständnis vorliegen. Ich bin mir sicher, dass du etwas missverstanden hast.“
     Jade ging näher ran, sie musste sich sehr zusammenreißen, nicht zu schreien. „Ich weiß, was er gesagt hat!“, zischte sie. „Ich weiß, was er mir sagte, nachdem er meine Liebe von sich gewiesen hat! Weil sein Herz an dir hängt! Also tu ihm den Gefallen und erlöse ihn, damit er endlich von dir weiterziehen und sein Glück mit einer anderen finden kann!“


Sie dachte in diesem Moment vielleicht nicht so sehr darüber nach, was sie sagte und was für Konsequenzen ihre Worte haben würden. In diesem Moment, als ihr ganzes Handeln von Eifersucht getrieben war, konnte sie nur sich selber und den Schmerz sehen, den sie empfand. Sie war so kurz davor, dieser Luna ins erschrockene Gesicht zu spuken. Also drehte sie um und stapfte davon, bevor sie das tatsächlich noch tat.


Jana tat das, was sie immer tat, wenn sie ratlos war: Sie fragte ihren Mentor um Rat. Sie fand Lu neben Wulfgar auf dem Bett sitzend vor, der den Arm um ihn gelegt hatte. Jana freute sich, das zu sehen. Es war einfach schrecklich gewesen, wie ihr verehrter Vorgänger zuvor unter der Einsamkeit gelitten hatte. Zudem mochte Jana Wulfgar ja auch. Er war immer ein klasse Kampflehrer und Raufpartner gewesen.
     „Schamane… ähh Lu“, korrigierte sie sich schnell, als sie seinen mahnenden Blick sah, „kann ich dich mal was Pi…Pi…Pivates fragen?“
     Lu nickte, tauschte einen Blick mit Wulfgar, der verstand und ihn gehen ließ, damit er Jana ins nahegelegene Kinderzimmer folgen konnte.


„‘s geht um Luis“, fing sie zögerlich an, „und Luna.“
     Und dann berichtete sie ihm, was sie gerade eben von Wulf erfahren hatte. Lu hörte ihr zu, und obwohl es ihm an manchen Stellen ein bisschen unangenehm war, solch private Dinge über seinen Sohn zu hören, ließ er sich das nicht anmerken.
     „Und jetzt weiß ich nicht, ob ich’s ihm erzählen soll oder nicht“, schloss Jana schließlich ihre Erzählung.
     Doch Lu war ab einem gewissen Punkt ein bisschen abgelenkt worden. An dem Punkt nämlich, als Jana „Sandwippe“ erwähnt hatte.


„Sagtest du, diese Frau hieß Xanthippe?“, fragte er.
     „Ja, irgendwie so. Warum?“
     Lu strich sich über den Bart. Er war ein bisschen blass geworden. „Ich glaube, dass ich ihr auch schon mal begegnet bin. Eine Frau namens Xanthippe, die sich den Männern an den Hals wirft und ihnen süchtig machende Pilze gibt.“
     „Und du glaubst, es ist dieselbe wie die von Luis?“
     „Ich befürchte es. Es würde zumindest einiges erklären. Und Luis weiß nichts davon?“
     „Nein. Und ich weiß nicht, ob ich’s ihm erzählen soll.“
     „Was spricht denn dagegen?“


„Naja, stell dir mal vor, ich erzähl’s ihm und dann ist er ganz enttäuscht, dass er doch mit wem anders Liebe gemacht hat“, erwiderte sie aufgeregt und ignorierte Lus peinlich berührtes Räuspern. „Stell dir mal vor, dass er jetzt merkt, dass er eigentlich sie mag und nicht Luna. Das wäre ja nicht gut.“
     „Also willst du es ihm nicht erzählen?“
     „Ich… weiß nicht. Als Freundin sollte ich’s ihm erzählen, aber ich will’s irgendwie auch gar nicht.“
     „Warum?“
     Plötzlich sah sie ihn mit großen Augen an, die ein bisschen verzweifelt aussahen. „Ich glaub, dass diese Luna nicht gut für ihn ist, deshalb!“
     „Und wie kommst du darauf?“, fragte Lu überrascht.


Sie ruckte den Kopf weg, sah auf ihre Hände hinab. „Ich glaub’s halt einfach. Ich mein, warum erzählt sie‘s ihm nicht, wie’s wirklich war mit dieser Sklavin, wenn sie so gutherzig ist, wie er sagt?“ Ihr Gesicht lief vor Wut rot an. „Da ist doch was faul! Das stinkt doch bis zum Himmel!“
     „Das hört sich ja fast so an, als ob du etwas gegen Luna hast.“
     „Ich mag sie auch nicht“, gab sie trotzig zu und wandte wieder den Blick ab.


„Das ging mir am Anfang auch so“, erzählte Lu belustigt.
     „Echt?“
     „Ja. Von dem Moment an, als ich sie sah, hatte ich etwas gegen sie. Ich ahnte, wer sie war. Und für das, was sie meinem Sohn angetan hatte, habe ich sie gehasst. Das habe ich mir zumindest eingeredet. Aber heute weiß ich, dass ich einfach nur Angst um Luis hatte. Und dass ein großer Teil meines Unmuts ihr gegenüber eigentlich ihrem Vater galt. Zuerst das, und dann war ich eifersüchtig.“
     „Wieso eifersüchtig?“
     „Hm, das war ziemlich kompliziert und idiotisch von mir. Ich bin nicht mal sicher, ob ich es selber richtig verstehe. Ich hatte zum einen Angst, dass sie mir Wulfgar und Luis wegnehmen könnte, und zum anderen hat mich die Vorstellung irgendwie gestört, dass Wulfgar ja mit ihrer Mutter… du weißt schon.“ Er räusperte sich erneut, um die Röte aus seinem Gesicht zu vertreiben. „Es war, wie gesagt, ziemlich kompliziert.“
      Vor allen Dingen, da kurz zuvor auch noch die Sache mit Lulu gewesen war, wegen der er ja auch eifersüchtig gewesen war.


„Und jetzt? Magst du sie immer noch nicht?“, fragte Jana, und Lu konnte irgendwie nicht umhin, zu bemerken, dass ihre Augen ein bisschen hoffnungsvoll funkelten.
     „Doch. Seitdem sie mir geholfen hat, Wulfgar zurückzuholen, hat sich das glücklicherweise geändert. Seitdem habe ich meinen Frieden mit ihr geschlossen.“
     „Also stört es dich gar nicht mehr, dass sie Luis angeflunkert hat?“, wollte Jana verstimmt wissen.
     „Es ist nicht so, dass ich mir keine Sorgen mache, aber ich hatte genügend Gelegenheit, um mich davon zu überzeugen, dass Luna tatsächlich keine bösen Absichten hegt. Ich habe sie in all der Zeit nie lügen sehen, und sie hat auch immer zu ihrem Wort gestanden. Deswegen glaube ich, dass sie gute Gründe dafür hatte. Und außerdem“, er lächelte breit, „ist sie Wulfgars Tochter und ich will auch auf sein Urteil und sein Wort vertrauen.“


Jana sah nicht so aus, als ob sie zufrieden mit dieser Antwort war, doch sie sagte nichts mehr dazu.
     Also fuhr er fort: „Ich glaube jedenfalls, dass Luis es erfahren sollte. Er sollte selber die Möglichkeit dazu erhalten, zu entscheiden, was er danach machen will.“
     „Na gut. Aber kannst du’s ihm bitte sagen?“
     „Ich denke ja nicht, dass er so etwas ausgerechnet von seinem Vater erfahren möchte. So etwas hört er bestimmt lieber von seiner Freundin.“
     „Ich weiß… aber ich mag nicht“, erwiderte sie knapp.
     Lu sah sie forschend an, doch Jana wandte schon wieder den Blick ab. Als sie ihn wieder ansah, war ihr Gesicht so ausdruckslos, wie er es lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte.
     „Machst du’s bitte?“
     Er nickte, sie bedankte sich kühl und ging einfach davon.


Lu wusste nicht, was er von dem halten sollte, was er gerade gesehen hatte, aber er beschloss, sich vorerst keine weiteren Gedanken darüber zu machen. Es gab Dinge, in die man sich als Elternteil einfach nicht einmischen sollte. Selbst wenn das hieß, dass man letztendlich einen Scherbenhaufen aufkehren musste.
     Eines dieser Dinge jedenfalls war das Beziehungsleben des Nachwuchses, und doch war Lu nun gezwungen, sich genau da einzumischen. Nachdem Jana zu ihrer Familie zurückgegangen war und jetzt still wie eine Statue zwischen Dana und Alistair stand, fand er Luis bei der Feuerstelle im Gespräch mit Wulfgar vor.


Da es um etwas derart Privates ging, fand sich Lu also kurz darauf wieder im Kinderzimmer wieder, diesmal Luis vor sich. Und weil es ihm noch immer unangenehm war, mit seinem Sohn über dessen Liebesleben zu sprechen, erzählte er kurz und schmerzlos, was Jana ihm berichtet hatte. Er ließ jedoch aus, von wem er diese Information hatte, und Luis fragte glücklicherweise auch nicht nach.
     Sein Sohn sah nach der Offenbarung lange Zeit ernst aus, war still und nachdenklich, und Lu ließ ihn.
     „Glaubst du, es stimmt?“, fragte er ihn schließlich.
     „Ich denke schon. Ich glaube sogar, diese Xanthippe selber schon einmal getroffen zu haben.“


„Als ich im Haus der Scipionen gelebt habe, habe ich zumindest eine Frau mit diesem Namen kennengelernt. Sie war… sehr aufdringlich.“ Er räusperte sich. „Hat sich jedem Mann an den Hals geworfen. Sie hat auch nie gesprochen. Niemand konnte mit ihr kommunizieren.“


„Ich habe natürlich versucht, ihr zu helfen und habe ihr das Schreiben beigebracht. Dadurch habe ich erfahren, dass sie einst eine Sklavin gewesen war, die man gezwungen hatte, gegen Geld mit Männern... du weißt schon. Und dass ihr alter Besitzer ihr die Zunge hat rausschneiden lassen, um gewisse Methoden zu verschleiern, die er seinen Sklavinnen antat, damit sie keine Kinder mehr bekommen konnten.“


„Es hat ihr wohl auch danach immer wieder schlimme Schmerzen bereitet, weshalb sie angefangen hat, berauschende Pilze zu sich zu nehmen, um dem Schmerz zu entkommen. Sie ist irgendwann fortgelaufen, erzählte sie, und eine Priesterin hätte ihr die Flucht ermöglicht, bis Sklavenjäger sie in einem unachtsamen Moment wieder eingefangen hätten. Sie hatte einen schrecklichen Hass auf alle Männer, und es hat ihr eine ungeheure Genugtuung bereitet, sie von jenen Pilzen abhängig zu machen“
     „Das ist ja… schrecklich“, meinte Luis betroffen. „Was ist aus ihr geworden?“


„Sie ist an einer Krankheit gestorben, noch während ich dort war“, berichtete Lu traurig.


„Verstehe… Das würde wirklich einiges erklären. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum Luna mir nichts davon erzählt haben soll.“
     „Ich weiß es nicht, Luis.“ Als sein Sohn nur bedrückt schwieg, fügte er hinzu: „Aber was ich weiß, ist, dass Luna dir bestimmt nichts Böses wollte.“
     „Was macht dich da so sicher?“
     „Ich hatte genügend Zeit, um sie selber kennenzulernen. Und außerdem glaube ich, dass sie dich sehr gern hat.“
     Luis lächelte gequält. „Wenn es nur so wäre…“
     „Ich weiß natürlich nicht, wie sie sich anhört, wenn sie mit dir redet, aber ich sehe es. Und was ich sehe, ist eine junge Frau mit puterrotem Gesicht, die kein Wort herausbekommt, wenn du da bist. Die verlegen aussieht. Versonnen lächelt, wenn sie dich sieht. Die dir immer wieder verträumte Blicke zuwirft und dich beobachtet.“


Luis war der Mund aufgeklappt, aber es kamen keine Worte raus. Lu musste sich ein Lachen verkneifen, als er das sah.
     „Wirklich?“, fragte er schließlich aufgeregt. „Bist du sicher?“
     „Nun, wenn du auf deinen alten Herrn hören willst, von dem einst behauptet wurde, er sei ein Frauenversteher, dann ja.“ Er legte Luis eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube, dass es einfach eines mutigen ersten Schrittes deinerseits bedarf.“


 Luis wollte ihm am liebsten sagen, dass er aber keine Ahnung hatte, wie dieser erste Schritt aussehen sollte und er sich ganz nebenbei auch nicht traute, diesen ersten Schritt zu tun, doch er tat es nicht. Denn so wie Lu sich eigentlich nicht in das Liebesleben seines Sohnes einmischen wollte, wollte Luis seinem Vater seine Angst – seine Schwäche – nicht zeigen. Die zeigte er für gewöhnlich nur Jana.
     Also zwang er sich ein Lächeln auf die Lippen, das schief wurde, und nickte mit Muffensausen.


Jade unterdessen hatte die Tür, durch die Wulf und Luna vor einer Weile zusammen verschwunden waren, keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Und als sie jetzt aufging, war sie sofort zur Stelle. Nur, dass sie Luna und nicht Wulf gegenüberstand, passte ihr gar nicht.
     „Und? Hast du es ihm gesagt?“, keifte sie, aber Luna antwortete ihr nicht. Sie hatte eine Trauermiene auf, die Jade nicht sehen wollte, und starrte auf ihre Füße. „Wo ist er eigentlich?“, wollte sie stattdessen unfreundlich wissen.
     „Er ist… im Stall geblieben.“
     „Was? Warum hast du ihn denn allein draußen gelassen?“, schimpfte sie erschrocken. „Da zieht ein Sturm auf, du dumme Kuh!“


Jade befasste sich nicht länger mit ihr. Sie übersah alles, vergaß selbst ihren Mantel, rannte sofort nach draußen und kämpfte sich durch den inzwischen ziemlich heftigen Schneefall. Der Wind fegte ihr augenblicklich die langen Flechten nach hinten. Immer wieder kamen ihr Schneeflocken in die Augen und sie musste sich mit aller Kraft gegen den Wind stemmen, um überhaupt vorwärts zu kommen.


Als sie den Stall endlich erreicht hatte und ins Innere geschlüpft war, fühlte sie sich gerupft und durchgefroren. Es war beinahe ein bisschen unangenehm warm hier, kam es ihr vor.
    Doch von Wulf fehlte jede Spur. Sie rief ihn ein paarmal, aber er antwortete ihr nicht. Die Angst, dass er etwas Dummes getan haben könnte, ließ sie schnell gehen, die Sprossen der Leiter beinahe gehetzt erklimmen. Wenn ihm etwas passiert war, dann war das allein ihre Schuld. Sie war bislang von der Eifersucht benebelt gewesen, aber die Angst hatte den Nebel vor ihren Augen nun aufklaren lassen.


Und als sie ihren Liebsten fand, an dem Platz, an dem er sich immer heimlich betrunken hatte, einen Krug lose in der Hand und ein Bild des Unglücks, wurde sie von der Schuld beinahe erschlagen.
Sofort war sie bei ihm, nahm ihm den Krug weg. Der wächserne Stopfen war jedoch unversehrt, wie sie feststellen konnte. Er hatte nicht getrunken, und das machte Jade trotz der Situation doch ein bisschen stolz.
     Sie legte den Krug zur Seite, kniete sich vor ihn. Er hatte den Kopf auf die Knie gebettet und einen Arm herumgeschlungen. Sie lauschte, konnte nichts hören außer den verdammten Wind draußen, und er bewegte sich auch nicht.


Vorsichtig legte sie ihm die Hand auf den Arm. Er war wie üblich eiskalt.
     „Alles in Ordnung?“, fragte sie sanft.
     Da kam er endlich aus seinem Schneckenhaus heraus. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht kaum ausmachen. Er sah sie nicht an, wandte den Blick ab. Ein Stich der Schuld fuhr unschön durch ihren Magen.
     „Warum fragst du überhaupt? Ist doch deine Schuld, nicht wahr?“, warf er ihr vor, und an seiner Stimme konnte sie erkennen, dass er ganz offensichtlich geweint hatte. Er sah sie böse an, dass der Schreck sie zusammenzucken ließ. „Du hast es ihr gesagt!“
     Jade wollte lügen, aber sie widerstand dem Drang und gestand: „Ja. Es tut mir leid.“
     „Deine Entschuldigung kannst du dir sonst wohin stecken! Ich wusste, dass ich recht mit dir hatte. Beinahe hätte ich dir ja geglaubt, dass du doch nicht so bist, aber jetzt weiß ich’s besser. Ich verabscheue dich wirklich“, sagte er kalt und stach ihr damit mitten ins Herz. „Hau einfach ab und lass mich in Ruhe! Ich will dich nie wieder sehen!“


Jade hatte einen Klumpen in der Brust. Einen widerwärtigen, zähen Klumpen, der ihr die Luft abschnürte und sie jeglicher Worte beraubte. Auf Knien rutschte sie zu ihm hinüber – sie konnte einfach nicht einsehen, dass es das gewesen war, dass es vorüber war, denn wenn sie es einsehen würde, würde sie sterben, da war sie sich sicher. Sie griff nach ihm, aber er wandte sich ab, sie rutschte näher, griff noch einmal nach ihm, diesmal verzweifelt.


Er hatte keinen Platz mehr zum Zurückweichen, also erreichte sie ihn. Zog sich an ihn und nahm ihn in den Arm wie ein kleines Kind. Sie strich ihm übers Haar, sagte ihm, dass alles gut sei, obwohl es das nicht war, und dann war sie es, die weinte. Zuerst still, und als die Nase anfing zu laufen, wurde ihre Stimme abgehackt und sie heulte. Er rührte sich nicht, ignorierte sie, während sie sich an ihn klammerte wie eine Ertrinkende.
      Zitternd drückte sie ihm einen Kuss auf den Scheitel, auf die Wange, verschmierte Tränen auf seinem und ihrem Gesicht.


Schließlich drückte sie ihre Lippen auf seine, aber er regte sich immer noch nicht. War still wie eine Statue und leblos wie eine Puppe. Sie küsste ihn immer und immer wieder, ging zu seinem Hals über, strich ihm mit den Händen über Schultern, die Arme hinunter, zog ihn so weit aus, dass sie freilegte, was sie wollte. Sie hatte notgedrungen bereits einige Übung darin, obwohl es bislang immer sie gewesen war, die ungewollt ausgezogen worden war. Ob er sich wohl genauso fühlte wie sie in jenen Momenten?
     Sie schob den Gedanken zur Seite, küsste ihn wieder, presste sich mit aller Macht an ihn. Eine ungeheure Hitze begann sich in ihr auszubreiten, und als es auch ihn erreichte, begann sie zu schwitzen. Und dann, während das widerlich brennende Gefühl in ihrem Magen langsam wich, der Klumpen in ihrer Brust sich löste, fühlte sie einen Funken in sich, den sie bislang noch nie gespürt hatte, wenn sie jemand anderem nahe gewesen war: Lust. Es war der Moment, in dem sie nichts mehr hielt. Von dem an alles ganz automatisch vonstattenging und der Funke schließlich auch auf ihn übersprang.    


Obwohl Wulf am Anfang den reglosen Sack gespielt hatte, war er sofort auf den Beinen, nachdem sie fertig waren. Er war auch währenddessen schon sehr mobil geworden. Mit einem Ruck war das Leben in ihn zurückgekehrt gewesen, er hatte sie sogar herumgeworfen, auf den Rücken gelegt und die Initiative übernommen. Jetzt jedoch stand er mit dem Rücken zu ihr, zog die Hose hoch und die Schuhe an, die er in der Hitze des Moments verloren hatte, und schwieg.
     Jade war ein bisschen unschlüssig, was sie tun sollte. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er nun eine hundertachtzig-Grad-Wendung vollführte und in Liebe zu ihr entflammt war – gehofft hatte sie es, aber sie war einfach viel zu realistisch, um sich falschen Hoffnungen hinzugeben. Wenn sie ehrlich war, hatte sie ein bisschen Angst davor, was er tun würde. Sie wusste nicht, ob sie es noch einmal aushalten würde, wenn er ihr sagte, dass er sie eigentlich nicht ausstehen konnte.


Schließlich raffte sie jedes bisschen Mut zusammen, stand auf, strich sich den Rock glatt und fummelte ein bisschen unschlüssig an ihren Haaren herum, bevor sie einen Schritt auf ihn zu machte. Doch er ließ sie nicht einmal zu Wort kommen.
     „Glaub bloß nicht, dass sich was geändert hat. Ich finde dich nach wie vor abscheulich“, sagte er, ohne sie auch nur anzusehen und verpasste ihr damit erneut einen verbalen Schlag mitten ins Gesicht. „Und ich finde mich fast noch abscheulicher, dass ich mich auf dich eingelassen hab.“
     Er ließ sie stehen, kletterte nach unten und ging zur Stalltür, vor der er unschlüssig stehen blieb. Jade folgte ihm umgehend.


„Geh endlich!“, forderte er sie auf, und dann ließ er sie ein weiteres Mal stehen, ging zu einem angehäuften Strohhaufen, der durch gewisse Tätigkeiten schon ganz flachgedrückt war. Seitdem sie den Stall gebaut hatten, wurde er oft für Pausen missbraucht. Manchmal auch für solche zu zweit. Wulf ließ sich schwer darauf fallen. Jade folgte ihm natürlich.
     „Und du?“
     „Ich sagte, du sollst gehen! Ich will allein sein!“


Er drehte ihr demonstrativ den Rücken zu. Aber Jade dachte nicht daran, zu gehen. Sie setzte sich stattdessen hinter ihn auf den Strohhaufen.
     „Und dich mit dem ganzen Wein und Bier allein lassen? Kommt nicht in Frage!“
     „Hast du nicht wenigstens einen kleinen Funken Anstand in dir, mich jetzt in Ruhe zu lassen?“
     „Doch. Aber ich werde es trotzdem nicht tun.“


Sie rollte sich hinter ihm ein, spürte seinen Rücken, der von ihrem Stelldichein noch erhitzt war, jedoch langsam auskühlte. Er war immer so kalt. Doch Jade blieb, um ihn zu wärmen, und vielleicht würde die Wärme eines Tages auch sein Herz erreichen.
     Wulf sagte danach nichts mehr, und auch sie schwieg, und bis sie einschlief, war sie erfüllt von seinem leisen Atmen und dem Wind, der unentwegt durch die Ritzen pfiff und heulte.
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Tja, zu Jade und Wulf will ich jetzt nicht so viel schreiben. Das war von Jade einfach eine bescheidene Aktion gewesen, und dass sie seine Trauer und Verzweiflung danach derart ausgenutzt hat, war auch nicht die feine Art. Aber mal schauen, wo das noch hinführen wird. Momentan scheint Wulf sie ja richtig zu hassen.
 
Zu Luis und Luna lass ich mal den Link zu ihrem Kapitel da, wo sie sich das erste Mal getroffen haben: Kapitel 92, für alle, die es nochmal genau nachlesen wollen, wie das war. 
     Ansonsten noch eine kurze Zusammenfassung von mir, was damals passiert ist: Also, nachdem Luis von Zuhause weggelaufen war, weil Lu ihm gesagt hat, dass er Konkurrenz durch Jana bekommt, hatte er sich verlaufen. Und dabei hat Luis Luna kennengelernt, die sich auf ihrer göttlichen Mission ebenfalls verlaufen hatte. Er hatte sie dann begleitet, wobei er des nachts andauernd von irgendwem überfallen worden war, der ihm wortlos berauschende Pilze in den Mund geschoben hat und mit dem er auch geschlafen hatte. Er hatte damals angenommen gehabt, dass es Luna war, die ihn am anderen Morgen aber immer so behandelt hat, als wäre nie etwas geschehen. Sie hatte ihm nur erschrocken und streng von den Pilzen abgeraten, als er das einmal angesprochen hatte. 
     Luis hatte sich jedenfalls über kurz oder lang in Luna verliebt, doch als er es ihr quasi gestanden hat, hat sie ihn mehr oder weniger abgewiesen und dafür gesorgt, dass er nach Hause kommt. Und jetzt scheint es so, dass es auch gar nicht Luna gewesen war, die ihm die Pilze gefüttert hat und mit der er geschlafen hat, sondern die stumme Xanthippe, die scheinbar ebenfalls mit von der Partie gewesen war, ohne dass Luis davon wusste. Und das ist ja das merkwürdige. Warum hat Luna ihm nicht gesagt, dass da noch jemand drittes ist? 

Nächstes Mal dann zieht Malah Konsequenzen daraus, dass sie ihren Bruder hat fliehen lassen, Nero bekommt einen wertvollen Tipp und Luis hat eine beunruhigende Vision.
 
Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen. Passt auf euch auf, und ich verabschiede mich!

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