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Mittwoch, 7. Juli 2021

Kapitel 143.3 - Das Ritual Teil 3


Da Isaac nicht mehr aufwachte, bevor er selber schlafen ging, erhielt Wulf an diesem Abend keine Chance mehr, mit ihm zu reden und ihm die Fragen zu stellen, die ihn so sehr beschäftigten, seitdem Isaac plötzlich redselig geworden war. Er hatte so viele Dinge behauptet, die er – angeblich, um ihn zu schützen – getan hatte, aber Wulf wollte das einfach nicht glauben.
     Er hatte seinen leiblichen Vater immer gehasst. Er wusste nicht, wann genau das angefangen hatte, aber er erinnerte sich nur an Hass, wenn er an ihn dachte.


Die erste Erinnerung, die er an diesen Hass hatte, war der Hass, den er im Gesicht seiner Mutter gesehen hatte. Wie sie seinen Vater damit angesehen hatte, wie sie mit diesem Gesicht zu ihm gesprochen hatte. Er hatte gewusst, dass sein Vater sie – seine Familie – gar nicht liebte. Dass sie ihm egal waren und dass sie ihn sogar daran hinderten, frei zu sein und weggehen zu können. 
     Er war immer davon überzeugt gewesen, dass dies der Wahrheit entsprach, aber wenn er so darüber nachdachte, konnte er nicht einmal genau sagen, warum.


Sein Vater war nie für ihn dagewesen, wenn er ihn gebraucht hätte. Aber Wulf hatte ihn auch nicht gelassen. Er war ihm immer aus dem Weg gegangen. Isaac hatte sich um seine Schwester gekümmert, aber nie um ihn. Doch wenn er seinen leiblichen Vater auch nur näherkommen gesehen hatte, war Wulf ihm immer ausgewichen oder hatte ihn gleich fortgeschickt. Er hatte Isaac nie die Chance gelassen, für ihn da zu sein.


Er erinnerte sich nicht daran, warum er es für wahr gehalten hatte, dass sie seinem Vater egal seien, aber er erinnerte sich daran, wie Eris ihm erzählt hatte, dass sein Vater seine Mutter betrogen hatten. Er hatte das hasserfüllte Gesicht seiner Mutter gesehen. Ihre Krankheit. Ihre Schwäche. Wie sie gestorben war und sein Vater keine Träne vergossen hatte, ein steinernes Gesicht gemacht hatte, als würde es ihn nicht im Geringsten kümmern, ob sie da war oder nicht.


Und dafür hatte Wulf seinen Vater gehasst, und er tat es noch immer. Gerade jetzt, nachdem er gesehen hatte, was er seiner Mutter selbst im Tod noch angetan hatte. Dass er sie zu einem Rachegeist gemacht hatte. Er wusste nicht, ob es stimmte, dass er gelogen hatte, um ihn zu schützen – er wusste ja nicht mal, was es eigentlich war, das er hatte verheimlichen wollen – aber es war eigentlich auch nebensächlich. Denn es hatte bewirkt, dass seine Mutter selbst im Tod gelitten hatte.
      Und dafür hasste Wulf Isaac nur noch mehr.


Mit diesem frischen, neuen Hass war er auch eingeschlafen, und er begleitete ihn selbst in seine Träume hinein.


Er war an einem merkwürdigen, hellen Ort, an dem nichts existierte, außer er und sein Hass.  
     „Hallo?“, rief er in die Leere hinein, aber sein Rufen verlor sich in der endlosen Weite.
     Plötzlich eine zarte Stimme, die „Minloppah!“ rief.


Er drehte sich einmal um sich selbst, bis er seiner Mutter ins Gesicht sehen konnte. Er war froh, dass sie diesmal ihr eigenes und nicht das von Tanna hatte.
     Er ging zu ihr, nahm sie in den Arm. Er träumte manchmal von ihr, aber meistens war ihr Gesicht undeutlich und verwaschen. Wie in seinen Erinnerungen. Aber jetzt war es das nicht.
     „Mutter! Ich bin froh, dass du mich diesmal erkennst.“


Unglück in ihrem Gesicht. „Es tut mir leid, dass ich dich vorher nicht erkannt habe und dich sogar angegriffen habe. Ich wusste gar nicht, was ich tat, weil ich nur noch Hass und Wut gesehen habe. Aber jetzt sind diese Gefühle glücklicherweise fort. Seitdem ich hinübergehen konnte, bin ich wieder bei Sinnen. Ich kann wieder klar und deutlich sehen. Klarer als jemals zuvor.“
     „Mach dir keine Gedanken“, beruhigte er sie.
     Sie löste sich von ihm, schüttelte den Kopf. „Das ist nicht alles, was mir leidtut. Ich habe dir noch sehr viel mehr angetan als das heute. Deshalb bin ich hier. Um wenigstens zu versuchen, einzurenken, was ich zerstört habe.“


„Was meinst du? Du redest doch nicht etwa von dem alten Mann, oder?“
     „Was dein Vater gesagt hat, entspricht der Wahrheit. Er hat uns immer geliebt. Vor allen Dingen dich und deine Schwester“, behauptete sie.
     „Es ist lieb von dir, dass du versuchst, zu vermitteln, aber du hast keine Ahnung, was er alles getan hat, seitdem du tot bist. Oder was er besser nicht getan hat. Nein, dass ich ihm verzeihe, dafür ist es schon viel zu spät. Ich habe deshalb jetzt auch einen anderen Vater.“


„Ich weiß. Deswegen bin ich hier.“ Plötzlich kam sie auf ihn zu, legte die Hände auf seine Brust, sagte: „Erinnere dich.“
     Und er erinnerte sich an das, was er längst vergessen, was er verdrängt hatte.


Ein Sternenmeer über ihm, ein anderes Meer vor ihm, das er nicht sehen, aber hören konnte.
     „Was ist das, Papa?“, hörte er seine kindliche Stimme fragen.
     „Das ist Panloppah – der große Stern – und das dort ist Minloppah – der kleine Stern.“
     Das grinsende Gesicht, viel jüngere Gesicht seines Vaters erschien über ihm. „Das sind du und ich.“


Im nächsten Moment hatte sein Vater ihn unter den Achseln gegriffen und ihn nach oben gerissen. Hoch hinaus zu den Sternen ging es, er flog im Kreis, dass sich die Sterne und Lichter des Dorfes zu wirren Linien verwandelten.


Schließlich landete er auf seinem Vater, der Sand unter ihm glitzerte beinahe wie die Sterne über ihm.
     „Sieht man überall dieselben Sterne?“, fragte er.
     „Ich weiß es nicht“, gab sein Vater zu. „Aber eines Tages werden wir es herausfinden. Wir alle zusammen, wenn du groß bist. Du, deine Mutter, deine Schwester und ich.“
     ‚Eine Reise! Wie aufregend!‘, hatte der kleine Wulf gedacht, erinnerte er sich. Aber es war nie zu dieser Reise gekommen.
     „Machst du mich wieder wach“, bat er seinen Vater, „wenn nächstes Mal Vollmond ist?“
     „Mach ich.“ Er zwinkerte. „Aber lass es bloß nicht deine Mutter wissen.“
     Er nickte verschwörerisch, aber auch dazu sollte es nicht mehr kommen.


Sein Vater weckte ihn zum nächsten Vollmond nicht, obwohl er noch nie zuvor ein Versprechen gebrochen hatte. Wulf wurde in dieser Nacht von ganz allein wach, und als er sich daran erinnerte, dass heute Vollmond war, schlich er nach draußen, um nach seinem Vater zu sehen. Er lag nicht in seinem Bett, und auch seine Mutter war nirgends zu sehen.


Er fand sie am Strand, ein bisschen abseits, wo sie manchmal hingingen, wenn sie allein sein wollten. Wulf ging näher, aber als er hörte, dass sie sich stritten, versteckte er sich hinter den Booten, die umgedreht im Sand lagen. Seine Mutter stritt sich häufig mit seinem Vater. Sie war so oft böse auf ihn, obwohl Wulf nicht verstehen konnte, wieso. Über was sie sich überhaupt stritten. Sein Vater war immer nett und freundlich. Er war nie laut, er schrie nie wie seine Mutter. Deshalb hatte er manchmal ein bisschen Angst vor seiner Mutter und er war lieber mit seinem Vater zusammen. Sein Vater schimpfte auch nie mit ihm.
     Auch jetzt gerade war sein Vater ruhig, während seine Mutter wieder böse auf ihn war.


„Gib es schon endlich zu, du hast eine andere Frau!“, warf sie ihm vor.
     „Wie kommst du denn darauf? Ich habe keine andere Frau. Du bist die einzige für mich.“
     „Lüg mich nicht an! Wenn es wirklich so wäre, dann würdest du mich auch mal anfassen!“
     „Ich… es tut mir leid, Shana. Ich vergesse das manchmal einfach.“
     „So etwas vergisst man doch nicht! Vor allen Dingen nicht als Mann! Ani liegt mir so oft damit in den Ohren, dass Kane andauernd ankommt, dass sie schon gar keine Lust mehr hat! Aber du schaust mich nicht einmal mehr an! Wenn ich nicht ankommen würde, würdest du wahrscheinlich vergessen, dass ich existiere! Also, mit wem machst du es hinter meinem Rücken, Isaac?“
     „Mit niemandem. Ich sage doch, dass ich es einfach nur vergesse.“ Hastig fügte er hinzu: „Aber ich werde in Zukunft versuchen, daran zu denken.“


„Das hast du schon mal gesagt, aber geändert hat es trotzdem nichts.“ Sie schniefte, weinte beinahe. „Was hat die Andere, was ich nicht habe? Ich habe doch wirklich alles versucht, dir eine gute Frau zu sein.“
     „Du bist eine fantastische Frau, und ich liebe dich. Nur dich!“
     Er ging zu ihr, wollte sie in den Arm nehmen, aber sie schlug seine Hände wütend weg.
     „Lügner! Wer ist die Andere? Ist es Lorna? Meine Schwester? Sie wollte dich schon immer haben! Es ist Lorna, nicht wahr?“


‚Da ist er wieder‘, hörte Wulf, der nicht länger nur das kleine Kind war, das versteckt zuhörte, die Gedanken seines Vaters. ‚Dieser unselige Streit, den wir schon so häufig gehabt haben. Ich habe ihr schon so oft versucht, zu erklären, dass ich keine andere Frau neben ihr habe. Ich habe versucht, mich dazu zu zwingen, daran zu denken, öfter mit ihr das Lager zu teilen. Aber irgendwann, immer, wenn ich mich zu wohl und sicher genug gefühlt habe, habe ich es doch wieder vergessen. Und dann haben wir uns wieder gestritten und alles ist von vorne losgegangen.
     Doch diesmal ist es anders. Das sehe ich. Diesmal wird sie mir nicht mehr glauben. Ich will sie aber doch nicht verlieren! Vielleicht… ja vielleicht ist es endlich Zeit für die Wahrheit. Vielleicht wird sie es verstehen. Immerhin ist sie meine Frau und wir sollten uns doch lieben und verstehen.‘



„Hör zu, Shana, ich will dir die Wahrheit erzählen, aber du musst mir bis zum Ende zuhören, in Ordnung?“  Sie verschränkte ungeduldig die Arme. „Die Wahrheit ist, dass ich noch nie Lust verspürt habe. Und auch wenn ich es tue… es ist… ich weiß nicht, wie ich dir das beschreiben soll. Manchmal ist es mir unangenehm, aber meistens glücklicherweise nur unspektakulär.“
     „Ich gefalle dir also wirklich nicht!“, verstand sie es völlig falsch.
     „Nein, es liegt nicht an dir!“, erklärte er hastig. „Ich sagte doch, dass ich noch nie Lust verspürt habe. Auch auf andere nicht. Das ist einfach so. Und weil es für mich nichts Besonderes ist, vergesse ich es einfach immer wieder. Aber wenn du mich daran erinnerst, dann tue ich es gern für dich.“


Aber das schien wohl das falscheste zu sein, was er hätte sagen können. Sie ging auf Abstand.
     ‚Sie hat es nicht verstanden. Oh nein, sie hat es nicht verstanden! Ich habe ja immer gewusst, dass es schwierig werden würde, wenn ich eine Frau hätte.‘


Sie brach in Tränen aus. „Du liebst mich gar nicht!“
     „Natürlich liebe ich dich!“
     „Dann würdest du auch Lust auf mich haben!“
     „Du hast mir gar nicht zugehört“ Verzweifelt wiederholte er: „Es liegt nicht an dir! Es liegt ganz allein an mir, dass ich keine Lust habe!“


Da wurden ihren Augen plötzlich groß. „Du bist ein Geschlechtsloser!“
     Geschlechtslose waren in ihrem Dorf diejenigen, denen der Schöpfer das Geschlecht genommen hatte. Jene, die keine Kinder zeugen konnten, diejenigen, die der Schöpfer in einen falschen Körper gesteckt hatte oder die sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlten. Oder eben diejenigen, die keinen Drang dazu verspürten, sich fortzupflanzen. Isaac wusste, dass die Geschlechtslosen in ihrem Dorf verpönt waren. Sie mussten Kleidung tragen, auf sie wurde herabgeschaut und nicht wenige waren auch gänzlich verbannt worden, weil man sagte, dass der Schöpfer sie für Verfehlungen in ihrem früheren Leben bestraft hatte.


‚Ich wusste das, aber ich habe trotzdem gehofft, dass Shana anders sein würde. Dass sie mich akzeptieren würde. Aber das tut sie nicht. Das wird sie nie. Wie angewidert sie mich jetzt ansieht… Oh nein, was habe ich nur getan? Wenn herauskommt, dass ich ein Geschlechtsloser bin, wird sich das nicht nur auf mich auswirken. Als Sohn eines Geschlechtslosen wird Wulf von allen verachtet werden und nie eine Frau finden. Vielleicht wird er sogar ausgestoßen werden! Das kann ich nicht zulassen!‘


Also tat er etwas, das er noch nie zuvor getan hatte: er log. „Nein, ich bin kein Geschlechtsloser. Ich habe gelogen. Du hattest recht. Ich habe eine andere Frau.“
     ‚Es ist, als hätte ich eine Fremde vor mir. Mit wie viel Hass und Enttäuschung sie mich ansieht.‘


Von da an veränderte sich alles. Wo Shana zuvor darum bemüht gewesen war, sich ihm anzunähern, suchte sie nun die Distanz. Sie mied ihn wie einen Pestkranken, und alles Entschuldigungen für eine Tat, die er nie begangen hatte, half nichts. Sie blieb unnachgiebig, aber immerhin behielt sie es für sich, um die Schande zu verstecken, die er ihr angeblich angetan hatte. Und er hatte keine andere Wahl, als aufzugeben.


Doch das war nicht alles. Nicht nur Shanas Blick veränderte sich. Nicht nur ihr Verhalten. Sondern auch das seines Sohnes. Er kam nicht mehr zu ihm, lief weg, wenn er ihn näherkommen sah. Seine kindlichen Augen so voller Unsicherheit und Enttäuschung. Und sein kleines Mädchen, das damals noch den Namen Luna hatte, ließ Shana ihn nicht einmal mehr sehen.


„Was hast du ihm erzählt?“, stellte er Shana resigniert zur Rede, als er das bemerkt hatte. „Wulf, meine ich. Er will nicht mal mehr mit mir reden.“
     „Nur das, was er wissen sollte.“


Wulf erinnerte sich. Er erinnerte sich an den Moment, an dem seine Mutter ihm den Hass ins Herz gepflanzt hatte. An ihr eigenes, hasserfülltes Gesicht, als sie zu ihm gekommen war und ihm gesagt hatte: „Dein Vater hat dich nicht mehr lieb. Er hat niemanden mehr von uns lieb. Er tut zwar so, aber eigentlich hasst er uns alle, weil er wegen uns nicht von hier weggehen kann.“
     Er erinnerte sich an diese Worte, die ihm damals den Boden unter den Füßen weggerissen hatten, und an die Angst, die er dabei empfunden hatte. Von da an hatte er gedacht, dass sein Vater ihn nicht lieben würde und er hatte angefangen, ihn selber zu hassen.


„Shana, ich bitte dich!“, bat Isaac seine Frau verzweifelt. „Halt ihn da raus! Er ist auch mein Sohn!“
     „Oh, er ist die längste Zeit dein Sohn gewesen! Ich werde dafür sorgen, dass du nicht nur mich verlierst!“, zischte sie kalt.
     „Shana, bitte! Ich weiß, dass ich dir etwas Unverzeihliches angetan habe, aber – “
     „Du hast mich entehrt! Bloßgestellt! Und dafür verdienst du es, allein dazustehen!“
     Die Frau, die er einst geliebt hatte, war eine Fremde für ihn geworden. Eine Fremde, die er abgrundtief zu hassen begann.


Als sie starb, konnte er nicht einmal mehr eine Träne der Trauer vergießen. Tief drinnen war er froh, dass er sie endlich los war, und er hasste sich dafür.
     „Jetzt bist du mich ja endlich los“, warf sie ihm selbst am Totenbett noch gehässig vor. „Jetzt kannst du endlich frei sein…“
     ‚Als ob dich das jemals gekümmert hätte. All die Träume, die Freiheit, die ich bereitwillig für dich aufgegeben habe. Nein, das hat dich nie interessiert. Alles, was dich interessiert hat, warst nur du selber.‘
     Er hatte viele Fehler begangen. Aber am Ende hatte sie alles zerstört. Seine Familie. Seine Bande zu seinem Sohn. Und ihr Tod war wie eine Erlösung. Eine zweite Chance für ihn. Sein Glück. Denn auch wenn sie ihren Sohn mit ihren Worten vergiftet hatte, war ihre Tochter glücklicherweise noch viel zu klein gewesen, um zu verstehen.


‚Ich wünschte nur, dass sie auch dich nie vergiftet hätte, mein Sohn. Ich wünschte so sehr, ich könnte dir die Wahrheit erzählen. Aber das kann ich nicht. Ich will nicht, dass du deine Mutter hasst. Sie hat dich geliebt, euch beide, und ich will, dass du sie in guter Erinnerung behältst. Selbst wenn das heißt, dass ich dafür deinen ganzen Hass tragen muss. Trotzdem werde ich immer für dich da sein. Ich werde alles für dich und deine Schwester tun, weil ihr mir das wichtigste im Leben seid. Das Einzige, was mir von meinen Träumen noch geblieben ist.‘


„Es gibt keine Worte dafür, die entschuldigen könnten, dass ich die Beziehung zu deinem Vater zerstört habe. Dass ich dich als Kind anlog, weil ich selber verletzt war, ist unverzeihlich. Ich weiß jetzt, dass die Dinge, die dein Vater mir damals sagte, der Wahrheit entsprachen. Aber das ist nicht länger wichtig. Wichtig ist nur, dass du verstehst, warum wir beide, deine Eltern, so gehandelt haben, wie wir es getan haben. Ich hoffe, dass du deinem Vater verzeihen kannst, und ich hoffe, dass du auch mir irgendwann verzeihen kannst. Denn ich habe dir etwas Unverzeihliches angetan, obwohl auch ich dich immer geliebt habe, Wulf.“
     Es waren die letzten Worte, die er je von seiner Mutter hören sollte. Dann erwachte er.


Wulf war so erschlagen von den Dingen, die er gerade erfahren hatte, dass er überhaupt nicht wusste, was er deswegen tun sollte. Was er tun, sagen, fühlen oder denken sollte. Das, was er einen Großteil seines Lebens geglaubt hatte, den Hass, den er jahrelang für Isaac gehegt hatte, sollte plötzlich falsch sein? Aber was bedeutete das? Was sollte er tun? Einfach zu seinem biologischen Vater gehen und so tun, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen?
     Er wusste es nicht, aber er wusste, dass ihm das genauso falsch vorkam wie sein Hass auf ihn. Und dass er plötzlich auch seine Mutter verloren hatte. Denn er würde ihr nie verzeihen können, dass sie ihn in dem Glauben gelassen hatte, dass sein Vater ihn hassen würde. So viele Jahre, die er sich einsam, verlassen und ungeliebt gefühlt hatte. Und das alles nur, weil ihr Stolz verletzt gewesen war. Wie konnte eine Mutter ihrem Kind nur so etwas antun?


Und wie sah das jetzt mit Isaac aus? Wulf wusste es nicht. Er wusste nur, dass er jetzt einen neuen Vater hatte, und als er seinem alten Vater am nächsten Morgen gegenüberstand, hatte er ihm immer noch nichts zu sagen. Er sprach nicht an, was er hätte ansprechen sollen und tat so, als wäre der letzte Tag einfach nicht geschehen.
     Und doch sollte sich etwas in ihm verändern. 
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So, damit habt ihr das Ende dieses Monsterkapitels erreicht, und da es schon so viel war, will ich mich hier kurz halten: Zum einen ist mir bewusst, dass es viel zu schnell ging, dass Isaac wegen des Blutverlustes schwach und ohnmächtig geworden ist, aber wenn es länger gedauert hätte, wäre die Dramatik der Situation verloren gegangen, also... nehmt es einfach mal so hin. Auch dass er danach gleich wieder munter auf den Beinen stand, weil das schon lebensgefährlich war, was er da getan hat...
 
Und das zweite, was ich aufklären will, falls es nicht rübergekommen ist, ist, was jetzt eigentlich mit Isaac ist. Es gab ja viele Vermutungen von euch, dass er vielleicht einfach ein Homosexueller ist, der nicht zu seiner Sexualität stehen konnte. Ich will an dieser Stelle nicht dementieren, dass er nicht vielleicht auch an einen Mann an seiner Seite haben wollen würde (denn das würde ja spoilern), aber sein großes Geheimnis ist, dass er asexuell ist. Er wünscht sich schon einen Partner an seiner Seite, aber er verspürt einfach keine sexuelle Lust. Manche tun das wohl ab und an, andere wiederum gar nicht, so wie Isaac. Ich habe mich viel dazu belesen und hoffe, dass ich es irgendwie glaubhaft darstellen konnte. 
     Jedenfalls ist jegliche Art von "sexueller Andersartigkeit" in seiner Heimat verpönt. Und wie wir wissen, überträgt sich ein "Makel" der Eltern in der Kultur ihrer Heimat gleich auch auf die Kinder. Das heißt, dass auch Wulf als Asexueller, also "Geschlechtsloser" angesehen und verpönt gewesen wäre, obwohl er das vielleicht gar nicht ist. Er hätte damit niemals eine Frau gefunden, die bereit gewesen wäre, ihn zu nehmen, und davor wollte Isaac ihn halt beschützen.
     Wenn ihr euch jetzt fragt, warum er dann in Kauf genommen hat, als Betrüger zu gelten, was ja seinem Sohn auch angelastet worden wäre, hat er das deshalb getan, weil er sicher sein konnte, dass Shana das für sich behalten würde, weil es auch für den Betrogenen als Schande gilt, betrogen zu werden. Was bei der Geschlechtslosigkeit nicht der Fall ist, da das ja als "Strafe des Schöpfers" angesehen wird bei denen, für das sie nichts kann.
 
Das alles plausibel zu erklären, warum die in der Hintergrundgeschichte von Isaac und Wulf so gehandelt haben, wie sie es taten, war ziemlich schwierig für mich, und ich weiß auch, dass diese ganze Leerensache kompliziert war, aber.... naja... nächstes Mal geht dann die Hauptstory ein Stück weiter. Denn dann machen sie sich auf die Suche nach Ida und es wird wieder einen Zurückkehrer geben. Wer wird es wohl diesmal sein? Wieder Alistair vielleicht?
 
  Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen, ich verabschiede mich, und passt auf euch auf!

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