Neuigkeiten

Hallo und herzlich willkommen in meiner (Sims-)Wortschmiede!
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Neu hier? Dann hier anfangen.
Wulfgars Geschichte jetzt komplett online!

Mittwoch, 5. Juni 2019

Kapitel 89.2 - Das zweite Junggesellenfest Teil 2



Kurz darauf kam auch Malah endlich zum Fest und sie wurde natürlich von Alek empfangen, der schon den ganzen Abend nichts anderes getan hatte, als auf sie zu warten.
     „Hey, da bist du ja“, begrüßte er sie mit einem versonnenen Lächeln. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“
     „Natürlich komme ich her. Ich war ursprünglich als neue Stammesführerin ja auch eingeladen, und jetzt bin ich halt als Vertretung meines Vaters hier.“ Sie seufzte. „Und schon komme ich zu spät. Alles wegen dieser verfluchten Hitzewelle. Es ist das reinste Chaos. Unsere halbe Ernte ist praktisch verbrannt.“


„Das ist schlimm“, meinte Alek, der ihr nur halb zuhörte. Als sie daraufhin nur gequält aussah, fragte er schnell: „Sag mal, willst du vielleicht tanzen?“
     „Ich muss erstmal Roah begrüßen gehen und noch diverse Dinge mit ihr klären. Ich werde heute nicht so viel Zeit haben. Wann anders vielleicht.“


Nicht, dass sich Alek davon abwimmeln ließ. Er folgte ihr kurzerhand und verbrachte die nächste Zeit damit, ihr bei ihren langatmigen und langweiligen Gesprächen mit Roah und den anderen wichtigen Leuten der Gegend zuzuhören. Während er sich die ganze Zeit über nur wünschte, dass sie ihn wenigstens einmal ansehen würde.


Nero derweil stand auf der genau anderen Seite. Er bekam Aufwartungen (und verstand sie unglücklicherweise), wollte sie aber gar nicht haben. Er war hierhergekommen, weil alle seine Freunde hergekommen waren, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass er so beliebt bei den Frauen sein würde. Vor allen Dingen bei Mai. Die ihn schon zum zweiten Mal an diesem Abend behelligte. Und die scheinbar keine Sekunde lang den Mund halten konnte.
      ‚Verdammt, warum kann die mich nicht endlich mal in Ruhe lassen?‘, dachte er gerade (mal wieder), während er sehnsüchtig zu dem Tisch hinüberschielte, auf dem sich die Köstlichkeiten stapelten. ‚Wie komm ich nur von der weg? ‘
     Er versuchte es noch einmal mit: „Ähm, hör mal, ich müsste mal austreten gehen.“
     Das hatte er schon ein paarmal versucht. Zusammen mit dem freundlichen Hinweis, dass sie ja ganz nett sei, aber er einfach nicht auf der Suche war. Doch wie zuvor schon, ignorierte sie es auch diesmal einfach.


Als er gerade ernsthaft darüber nachdachte, einfach wegzulaufen, kam glücklicherweise Rettung in Form von Adelaide an. Sie hatten sich verabredet, zusammen zum Fest zu gehen, aber wie er vermutete, hatte sie eigentlich gar nicht kommen wollen, weshalb sie erst so spät aufgetaucht war.
      Nero musste sich ziemlich zusammenreißen, vor Erleichterung nicht lauthals loszuschreien, während Mai nun versuchte, den armen Neuankömmling mit bösen Blicke zum Verschwinden zu bringen.


Bevor die menschenscheue Rothaarige das aber noch mitbekommen und tatsächlich verscheucht werden konnte, war er flugs bei ihr. Er nahm sie beim Arm, drehte sie um und sagte Mai: „Entschuldige, aber jetzt, wo meine Verabredung da ist, muss ich gehen“, dann sah er zu, dass er wegkam.


Ihre Flucht beendete er erst, als sie das Fest hinter sich gelassen hatten und er sich sicher war, dass Mai sie nicht mehr sehen konnte. Glücklicherweise war sie ihnen nicht gefolgt. Zugetraut hätte er es ihr ja.
     „Bin ich froh, dass du gekommen bist. Ich dachte schon, ich muss ihr Gequatsche die ganze Nacht hindurch ertragen.“
     Er war sich nicht sicher, aber er glaubte, mittendrin auch kurz eingenickt zu sein. Sie hatte es aber scheinbar nicht bemerkt. Trotzdem – Nero hatte erstmal genug von Frauen. Für sein ganzes Leben lang, schien ihm. Er war nur froh, dass Adelaide nichts von ihm wollte.


„Ähm… bist du sicher, dass du nicht lieber wieder zurückgehen willst?“, fragte jene plötzlich zaghaft.
     „Todsicher. Ich bleibe lieber hier bei dir.“
     Sie bedachte ihn da mit einem langen Blick und dachte: ‚Oh nein, hoffentlich fängt er nicht an, mich zu mögen. Das konnte ein Problem werden‘, während Nero einfach nur froh war, von Mai weggekommen zu sein.


Ihre Sorgen wurden im nächsten Augenblick aber glücklicherweise zerstreut, als eine nicht gerade leise Unterhaltung zu ihnen hinüberwehte. Die beiden Freunde riskierten einen Blick und entdeckten die beiden Hell-Schwestern, die scheinbar gerade heftig miteinander stritten.
     „Vielleicht sollten wir lieber woanders hingehen“, schlug Nero vor, und Aidelaide nickte.


Es war noch gar nicht so lange her, dass die beiden Freunde gegangen waren, dass auch Alistair sich dazu entschloss, nach Hause zu gehen. Eigentlich hatte er sich nicht die Blöße geben wollen, vor allen anderen über den Boden zu kriechen, weshalb er auf dem Hinweg noch Hilfe von Leif und Wotan angenommen hatte, aber jetzt war ihm selbst dieses kleine Stückchen seiner Würde egal geworden.
      Er klopfte seinem Cesar den Hals, als er es endlich geschafft hatte, den Platz auf dem Rücken des Pferdes einzunehmen. Hier, hoch oben über allen anderen, fühlte er sich wenigstens ein bisschen besser.
     „Es war sowieso sinnlos“, sagte er leise und das Pferd schnaufte, als würde es ihm antworten. „Es war dumm von mir, zu glauben, dass mich irgendjemand haben wollen würde.“
     Aber es änderte dennoch nichts an dem bitteren Gefühl, das von seinem Herzen Besitz ergriffen und sich in seinem ganzen Körper breit gemacht hatte.
     ‚Wenn nur wenigstens sie das nicht gesagt hätte. Ich wusste, dass es so ist, aber ich wollte es nicht hören. Nicht aus ihrem Mund‘, dachte er.
     Für einen Moment verschwamm ihm die Sicht vor Augen, und als er das bemerkte, nahm er die Hand zurück und setzte sich aufrechter hin. Trotzig zog er die Nase hoch und schluckte die Tränen. Er würde sich nicht auch noch die Blöße geben, jetzt zu weinen wie ein kleiner Junge.
      ‚Und wenn schon! Es ist nicht so, dass das jetzt mein ganzes Leben in Frage stellt. Ich kann – nein, ich werde noch so viel in meinem Leben erreichen. Das habe ich mir schließlich vorgenommen.‘
      Und das würde er schaffen. Also nahm er die Zügel in die Hand und schritt vorwärts – naja, ließ das Pferd schreiten – oder besser gesagt, wollte es schreiten lassen.


Aber da fiel ihm auf, dass dort jemand unweit entfernt in der Dunkelheit vor ihm saß. Er kniff die Augen zusammen, brauchte jedoch etwas, bis er Gisela in diesem jemand erkannte. Gisela! Ausgerechnet!
      Sein Selbstbewusstsein war augenblicklich dahin, als er sie erkannte, und sein Trotz dazu. Jetzt war gar nicht mehr daran zu denken, hoch erhobenen Hauptes an ihr vorbeizureiten. Er wollte nur noch abhauen. Oder besser noch, im Boden versinken. Verdammt, er sollte zusehen, dass er wegkam, bevor sie ihn bemerkte.


Doch als er gerade den Entschluss gefasst hatte, sich wie ein Feigling aus dem Staub zu machen, bemerkte er, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Leise drang ein Schluchzen zu ihm vor und als er das hörte, verkrampfte sich sein Herz in seiner Brust zu einem ekligen Klumpen. Die Angst wechselte augenblicklich mit dem Drang, zu ihr zu gehen und sie trösten zu wollen. Es war ein nicht sehr schönes Wechselbad, und bevor er sich versah, hatte er Cesar in Bewegung gesetzt und war zu ihr geritten.


‚Was tue ich hier eigentlich?‘, schrie es in ihm, aber so ruhig, als würde ihn das gar nicht interessieren, fragte er sie: „Was ist denn los?“
     Ihre Augen trafen ihn erschrocken und er war wirklich überrascht von sich, dass er sie jetzt nicht auch anstarrte. Oder doch noch abhaute, je nachdem.


Sie brauchte einen Moment, bevor sie sich so weit wieder im Griff hatte, dass sie in ihrer gewohnt bissigen Art fragen konnte: „Was… was willst du denn von mir?“
     „Naja… ähh… ich dachte, vielleicht bist du verletzt oder krank oder so und brauchst Hilfe“, stotterte er ein bisschen.
     ‚Reiß dich zusammen! Es ist jetzt sowieso alles egal! Es ist nicht mehr wichtig, was sie über dich denkt.‘ Er konnte trotzdem nicht verhindern, dass es ihn dennoch interessierte, was sie über ihn dachte.
     „Soll ich dich nach Hause bringen?“, bot er an.
     „Warum interessierst du dich eigentlich dafür, was mit mir ist, wo ich doch vorher sowas gemeines zu dir gesagt habe?“


Er lächelte ein bisschen bitterer als dass er es wollte. „Du hast ja nur gesagt, wie es ist. Ich kann nun mal nicht für Frau und Familie sorgen und bin deshalb nutzlos.“


Er wollte noch etwas hinzufügen, aber da war Gisela auf die Beine gesprungen und rief inbrünstig: „Nein, das stimmt nicht! Du bist nicht nutzlos! Wenn jemand nutzlos ist, dann bin ich es! Ich kann niemandem genügen und… und… ich bin so unfair und böse zu dir gewesen…“
      Mit einem Mal brach ihre Stimme und mit ihr der Damm, den sie so lange versucht hatte, intakt zu halten und der über die Jahre schon unzählige Risse davongetragen hatte. 
     Sie war einst so voller Stolz gewesen, auf sich und ihre Familie, aber seitdem sie die Angst in den Augen ihrer Mutter gesehen hatte, hatte sich das von einer Sekunde auf die andere geändert. Seitdem hatte sie alles gegeben, um eine perfekte Tochter zu sein, damit ihr Vater nicht auf die Idee kam, seine Familie zu verlassen, weil seine Frau ihm keinen Sohn geboren hatte. Die Angst ihrer Mutter war irgendwann ihre eigene geworden. 
     Dass ihre Schwester so eine Schande über sie alle brachte, indem sie sich wie ein Junge benahm, hatte es nicht einfacher gemacht. Also hatte sie sich noch mehr angestrengt. Sie hatte so lange durchgehalten, aber jetzt plötzlich, in diesem Moment, schien es ihr unmöglich, überhaupt noch länger zu bestehen. Sie wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte.


Also brach sie zusammen. Sie fiel auf den Baumstamm zurück, auf dem sie zuvor schon gesessen hatte, und weinte. Es war jetzt alles unwichtig, wo sie doch ihren letzten Hoffnungsschimmer im Leben verloren hatte. Und daran war allein sie selber schuld.
      „Ich habe so gehofft, dass du heute zu mir kommen würdest“, gestand sie schluchzend. „Weil du mich auf dem Hof immer angesehen hast, dachte ich, dass du mich mögen würdest, aber das war dumm von mir, zu hoffen. Und dann, als ich heute herkam, waren da so viele Mädchen um dich, dass ich eifersüchtig geworden bin… Deswegen habe ich das zu dir gesagt, obwohl es nicht stimmt… Es tut mir leid… Es tut mir so leid…“


Während sie wieder zum bloßen Weinen übergegangen war, war Alistair noch immer damit beschäftigt, zu verarbeiten, was er gerade gehört hatte. Er war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte, aber das war momentan auch gar nicht wichtig. Wichtig war, dass er jetzt für sie da war und sie tröstete.
      Also lenkte er Cesar an die Seite und gab ihm das Zeichen, dass er in die Knie gehen sollte. Es hatte lange gedauert, bis er es gelernt hatte, aber so konnte Alistair sein Reittier nun auch ohne Hilfe besteigen und verlassen. Er verhedderte sich nur diesmal und legte das letzte Stück fallend zurück, weil er mit den Gedanken ganz woanders war.


Nicht sehr elegant kroch er deshalb danach zu Gisela und zog sich neben ihr am Baumstamm hoch. Sie beachtete ihn nicht, war noch immer mit Weinen beschäftigt, und er musste zugeben, dass er doch ein bisschen überfordert mit der Situation war, als er neben ihr saß und nach den richtigen Worten suchte.
      Schließlich riss er sich jedoch zusammen, rückte näher an sie heran und legte ihr vorsichtig eine Hand auf den Rücken, dass sie zusammenzuckte. Erschrocken starrte sie ihn mit ihren tränennassen Augen an. Diese wunderschönen Augen, die ihn so an das Grün einer Sommerwiese erinnerten.


„Ich hatte eigentlich vor, heute zu dir zu kommen“, sagte er ihr. „Aber die Mädchen, die du gesehen hast, waren überhaupt nicht an mir interessiert, sondern nur an meinem Pferd. Als sie bemerkten, dass ich nicht laufen kann, haben sie mich so mitleidig angesehen. Manche haben auch die Nase gerümpft, aber letztendlich sind sie alle gegangen. Und das, obwohl mir ein paar sagten, dass ich ihnen gefalle.“ 
     Er brauchte einen Moment, um zuzugeben; „Danach hat mich der Mut verlassen und ich habe mich nicht mehr getraut, zu dir zu kommen, weil ich dachte, dass du genauso reagieren würdest. Entschuldige. Die Wahrheit ist nämlich, dass ich es gar nicht erwarten konnte, jedes Mal, wenn ich dich sehen durfte.“


Da er es übernommen hatte, den Wagen mit den Waren, die sie bei Alin verkauften, zum Handelsposten zu fahren, war er in regelmäßigen Abständen auf dem nachbarlichen Hofe zu Gast. Sein Vater hatte ihn darum gebeten, bei seinen Fahrten bei den Hells Halt zu machen und deren Eisenwaren mitzunehmen, um das unterkühlte Verhältnis zu ihnen ein bisschen aufzutauen. 
     Und das war immer eine Aufgabe gewesen, die er gern erledigt hatte. Denn es hatte bedeutet, dass er Gisela sehen konnte. Das Nachbarsmädchen, das ihm den Kopf verdreht hatte, seitdem sie beide herangewachsen waren und sie so viel ruhiger und anmutiger geworden war. Er hatte sie beobachtet, und als er bemerkt hatte, dass auch sie ihn beobachtet hatte, dass sie immerzu mit einem Lächeln auf seine Blicke geantwortet hatte, hatte er begonnen, sich Hoffnungen bei ihr zu machen.


„Ich mag dich, Gisela, und ich wollte dich eigentlich fragen, ob du… ob du mich heiraten möchtest“, stolperte er fast über seine Worte.
     Er hatte es gesagt! Er konnte es nicht fassen, dass er das getan hatte! Sie scheinbar auch nicht, da sie jetzt nur noch damit beschäftigt war, ihn anzustarren. Eine viel zu lange, schreckliche Zeit lang hatte ihn die Angst, dass sie ihn von sich stoßen und auslachen würde, fest im Griff, und er glaubte, dass er es war, der demnächst weinen würde.
     ‚Immerhin hat sie aufgehört zu weinen‘, dachte er.


Aber dann wurden seine Gedanken glücklicherweise abgelenkt, als Gisela sich vorbeugte und ihn küsste, sein ganzes Sichtfeld ausgefüllt von ihrem Gesicht, das er so wunderschön fand. 
     Das war der Moment, in dem ein wunderbares Gefühl ihn zu durchströmen begann. Ein bisschen warm, heiß und gleichzeitig kalt. Er fühlte sich zittrig und aufgeregt, und bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, was gerade geschah, hatte er unbeholfen die Hand an ihren Arm gelegt und den Kuss vorsichtig erwidert.


Es war sein erster Kuss, ihrer beider erster Kuss, und er hoffte, dass er Gisela noch sehr viel häufiger würde küssen können. So wie an diesem Abend, während die Sterne über ihnen schienen und Cesar friedlich neben ihnen zu grasen begonnen hatte. Als nichts anderes zu existieren schien als sie beide und das Glück, das sie gefunden hatten. 
     Das Glück, das ihnen in diesem Moment unzerstörbar erschien.  


Auch Alek glaubte sein Glück gefunden zu haben, als Malah endlich – endlich! – ihre ewig langen Gespräche mit Roah beendet hatte und sich ihm zuwandte. Bislang hatte sie immer nur ein halbes Ohr für ihn übrig gehabt, und er hatte ja ein bisschen das Gefühl, dass sie seine Komplimente einfach überhörte.
     „Also… äh…“, fing er an, „ich wollte dich mal fragen ob du… ob du eigentlich schon jemanden hast?“
     „Jemanden?“
     „Ja, einen Mann. Hast du schon einen Mann?“, fragte er hastig. „Oder jemanden, den du ins Auge gefasst hast?“
     „Nein, an sowas habe ich, ehrlich gesagt, bislang noch nicht gedacht.“
     Sie wusste auch nicht, ob sie überhaupt jemals jemanden haben würde. Ihre Vorfahren hatten alle jemanden an ihrer Seite gehabt, und das war sicher toll und hilfreich gewesen, aber Malah konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie vor allen Dingen einen Nerv dafür haben würde, neben Stammesführerin noch Mutter zu sein. Das stellte sie sich ziemlich schwierig vor. Sie hatte auch gehört, dass ihre Urgroßmutter Luma das zwar prima hinbekommen hatte, aber eine der Schwangerschaften sie derart ausgelaugt hatte, dass sie danach einiges an Hilfe gebraucht hatte.


„Hey, ich habe auch noch niemanden“, brachte Aleks Stimme sie aus ihren Gedanken zurück. „Wäre das nicht witzig, wenn wir zwei…?“
     Malah brauchte etwas, um das zu verstehen und als sie es tat, als sie nach all der Zeit endlich kapierte, dass Alek ihr schon die ganze Zeit über Aufwartungen machte, wollte sie es auch gar nicht mehr verstehen.


„W-wolltest du nicht ein einfaches Leben führen?“, merkte sie erschrocken an. „Ich werde bald einen ganzen Stamm anführen.“
     „Ach, für die richtige Frau bin ich schon bereit, ein weniger einfaches Leben zu führen.“
     „Alek… also… ich… du bist ein… netter Kerl… und ein toller Freund, aber… ich bin wirklich nicht so an dir interessiert. Tut mir leid.“


Und das war der Moment, in dem auch Alek endlich etwas erkannte. Nämlich, dass Malah seine Komplimente nicht einfach nur überhört hatte. Sie hatte sie niemals als solche wahrgenommen. Weil sie in ihm einfach nie etwas anderes als einen Freund gesehen hatte. So, wie alle anderen Frauen vor ihr auch.
      „Du bist ja ganz nett, aber ich bin einfach nicht an dir interessiert“, hatten sie immer gesagt, und es hatte ihn jedes einzelne Mal ein bisschen mehr innerlich erstochen.


Doch obwohl es das getan hatte, hatte er das bislang nie nach außen hin gezeigt. Jetzt jedoch, als er Malah mit verschleierten Augen ansah, die sie gar nicht mehr wahrnahmen, erkannte auch Malah das. Sie sah, dass es ihren Freund, den immerzu gutgelaunten Alek, der immer alles mit einem Lächeln abgetan hatte, nicht so kalt gelassen hatten, wie er immer getan hatte, dass er dauernd Körbe von Frauen bekommen hatte.
      Sie erschrak, als sie das sah und dann wollte sie ihn nur noch in den Arm nehmen. Was aber keine so gute Idee war, wie ihr bewusst wurde. Also ließ sie es bleiben und begnügte sich damit, ihn überfordert anzustarren.


Da lichtete sich der Nebel in Aleks Augen ein bisschen und sein Lächeln kehrte zurück. Aber es war nicht echt, erkannte sie. 
     „Ach, du hast das doch nicht etwa ernst genommen?“, lachte er plötzlich. „Das war doch nur ein Scherz.“
      Doch sie wusste, dass es das leider nicht gewesen war.


Nila war währenddessen noch immer unterwegs in der Dunkelheit. Er wusste nicht einmal, wo er hinging oder wo er hingehen sollte, aber er konnte auch nicht so einfach stoppen. Noch immer hatte seine Wut ihn fest im Griff und er hatte das Gefühl, zu zerbersten, wenn er anhielt. Seine Gedanken konnten nicht aufhören, um das zu kreisen, was diese Vogelscheuche Gisela gesagt hatte.


Sein Großvater. Ihr Großvater. Was bedeutete, dass es nicht Tann war, von dem sie gesprochen hatte. Es musste der Vater von Anya gemeint gewesen sein, aber er hatte noch nie jemanden von ihm reden hören. Bis jetzt zumindest. Er fragte sich nur, was der Grund dafür war.
     „Bevor du uns alle schändest“, hatte Gisela gesagt. Bedeutete das also, dass sein Großvater das getan hatte?


Ohne es zu merken, war er nun doch stehen geblieben, und die Wut brach aus ihm heraus, bevor er es verhindern konnte. 
     Er wollte schreien über die Ungerechtigkeiten, die sie ihm heute angetan hatten, aber nur ein heiseres Krächzen verließ seine Kehle. Die Sterne über ihm verschwammen für einen Augenblick, bevor er die Fassung über sich wiedererlangen konnte. Er kühlte ein wenig ab, und alles, was in ihm übrig blieb, war ein widerliches Gefühl im Magen und der Schweiß auf seiner Haut, der ihm nun kalt werden ließ.


Als er wieder ins Diesseits zurückgekehrt war, fiel ihm schließlich auf, dass er nicht allein war. Unweit von ihm entfernt, unten beim See, hockte Nara, die wieder eines ihrer Häuser aus Dreck baute.
     „Wer will schon mit einem wie dir zusammen sein?“, kamen ihm die Worte von einem der Mädchen in den Sinn. Und: „Du bist total nutzlos.“
     Gisela hatte es gesagt, und es war nichts, was Nila nicht selber schon über Alistair gedacht hatte. Er hatte ihn immer geärgert, so, wie er auch Nara oft geärgert hatte. Er hatte ihnen Sachen weggenommen und sich darüber lustig gemacht, dass sie sie nicht erreichen konnten. Hatte sie ausgelacht, bis sie beide geweint hatten. Vor Hilflosigkeit. Aber auch vor Wut. 
     Nun ja, Nara war nie wütend geworden. Sie hatte immer Angst vor ihm gehabt, so, wie kaum einer Angst vor ihm hatte. Sie empfanden ihn höchstens als lästig, aber bei Nara hatte er immer ein wirkliches Gefühl von Macht und Beherrschung gehabt, das sich gut angefühlt hatte. So, stellte er sich vor, würde sich auch die Führung über den Stamm bestimmt anfühlen.


Dennoch, obwohl er Alistair schon selber oft geärgert hatte, hatte es ihn wütend gemacht, dass Gisela so abfällig über ihn geredet hatte.
     „Du bist total nutzlos. Wer will dich schon haben?“
     ‚Genau wie ich‘, schoss es ihm durch den Kopf und er hasste sich dafür.
     Er verdrängte den Gedanken. Die Frauen hatten doch alle keine Ahnung. Sie wussten nicht, wo sie hingehörten. Mit Ausnahme von Nara. Sie wusste es. Sie war wie Alistair. Genauso hilflos und genauso nutzlos. Doch vielleicht konnte er das ja ändern. Sie war blöd wie Stroh, aber dennoch war sie recht hübsch geworden. Er hatte sie bislang nie so gesehen, hatte nie auch nur im Traum daran gedacht, sich dazu herabzulassen, sie zu nehmen, aber was war schon dabei? Es war ja nicht so, dass er sie heiraten musste, und es war vielleicht endlich an der Zeit, dass er sich nahm, was er wollte.


Er zögerte nicht lange und beeilte sich, den langen Weg zum See hinunterzugehen. Die Aufregung über das, was er vorhatte, nahm mit jedem Schritt zu, doch als er dann hinter ihr stand und auf sie hinabsah, das Lied hörte, das sie schon die ganze Zeit über sang, versank sein Mut mit einem Mal im Boden. 
     Er wusste, was er vorhatte, war falsch – zumindest in den Augen aller anderen. Wenn es herauskam, würde er mächtig Ärger bekommen. Und die Vorstellung, dass sie schreiend unter ihm lag, machte ihm schon ein bisschen Angst. Was war nur mit ihm los?
     Dann kam ihm jedoch eine Idee und er beruhigte sich wieder. Vielleicht, ja vielleicht war es gar nicht nötig, dass er sie überfiel. Nara war schließlich nicht die Hellste.


„Hey, du!“, rief er sie mit neuem Mut.
     Nara war sofort auf den Beinen und auf Abstand, als sie bemerkte, wen sie vor sich hatte. Es war nie gut für sie, wenn sie ihm über den Weg lief. Nila fragte sich sowieso, warum sie sie überhaupt allein draußen herumlaufen ließen. Wie üblich waren ihre Augen voller Angst.
     Er grinste zufrieden und sagte: „Komm mal mit, ich will dir was zeigen.“


Er ging voran und auch wenn Nara zögerte, wusste er, dass sie ihm folgen würde. Sie wusste, dass es besser war, ihn nicht zu verärgern.


Obwohl Nila sich gut fühlen sollte, als er kurz darauf wieder in seine Hose schlüpfte, war das nicht so. Er fühlte sich ziemlich unbehaglich, ganz so, als hätte er wirklich etwas Falsches getan. Dabei hatte Nara sich nicht einmal gegen ihn gewehrt. Sie hatte keinen Laut von sich gegeben, während er zugesehen hatte, dass er schnell fertig wurde.
     Jetzt wollte er nur noch von ihr wegkommen und er dachte darüber nach, sie tatsächlich einfach zurückzulassen. Aber er wusste, dass er das nicht tun konnte, wenn er nicht wollte, dass sie überall herumerzählte, was er mit ihr getan hatte.


Also drehte er sich noch einmal zu ihr um und kniete sich vor sie. Er wollte ihr drohen, wie er es immer machte, dass sie die Klappe hielt, aber er konnte es diesmal nicht. Diesmal musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Sie saß noch immer brav auf ihren Fersen und sah ihn gehorsam an.
     „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, begann er ernst. „Was wir gerade gemacht haben, muss nämlich unser Geheimnis bleiben. Du darfst das niemandem erzählen. Vor allen Dingen nicht Malah, hast du das verstanden?“


Da verschwand der gequälte Ausdruck aus Naras Gesicht und sie nickte eifrig. Ein Geheimnis. Noch niemals hatte ihr jemand ein Geheimnis anvertraut, und sie würde dafür sorgen, dass das Vertrauen, das man ihr entgegenbrachte, nicht enttäuscht wurde!


So ging das zweite Junggesellenfest des Zoth-Stammes zu Ende. Aber davon bekam Nero nichts mehr mit, hatte er es doch lange schon verlassen. Er war mit Adelaide zu ihrem Ragna-Platz gegangen, und sie hatte ihm eine Geschichte über einäugige Riesen erzählt, die sie Zyklopen genannte hatte und von denen sie letztens von einem Reisenden gehört hatte.
     Und als der Mond ihm gesagt hatte, dass es bereits weit nach Mitternacht war, hatte er sie erschrocken nach Hause gebracht. Sein Vater würde ihm bestimmt wieder ellenlange Vorträge halten, dass er so spät nach Hause kam. Wo er doch so sterbenskrank erkältet war.


Nachdem er Adelaide verabschiedet hatte und gerade nach Hause gehen wollte, rief aber jemand: „He, Junge! Wärst du vielleicht so freundlich, mir mal eine Hand zu leihen?“
     Die Stimme gehörte zu einer Frau, die ziemlich fehl am Platze wirkte. Ihre Kleidung war aufwändig und exotisch, sie trug goldenen Schmuck um Hals und Oberarm, an ihrem Handgelenk klimperte ein Armband. Als sie nähertrat und das Licht des Feuers ihr Gesicht erhellte, merkte er, dass sie ihm irgendwie bekannt vorkam. Er konnte nur nicht so genau sagen, warum.


Obwohl er spät dran war, half er ihr natürlich, ihre Sachen nach drinnen zu bringen. Die Gänge des inzwischen geschlossenen Gasthauses waren zwar allesamt dunkel, aber da er Adelaide so oft hier besuchte, fand er sich glücklicherweise auch ohne Licht zurecht. Er war trotzdem froh, als er die sauschwere Truhe der Frau endlich in ihrem kleinen Zimmer abstellen konnte und sie Licht machte.
     „Danke dir für die Hilfe“, sagte sie gerade.
     „Keine Ursache.“
     Sie betrachtete ihn einen Moment, dass er sich ein bisschen unbehaglich fühlte. Er war heute schon genug angegafft worden.
     „Du bist mir ja ein Süßer. Wie heißt du denn?“, fragte sie schließlich.
     Er nannte ihr seinen Namen und da hielt sie ihm die Hand hin und nannte ihm den ihren:


„Freut mich, Nero. Ich bin Hana.“
______________________________

Hier weiterlesen -> Kapitel 90 

Ich hatte ja schon am Anfang eine Warnung geschrieben und ich glaube, das sie da ganz angemessen war bei dem, was Nila sich diesmal alles so geleistet hat. Ich fühle mich auch jedes Mal ganz schrecklich, wenn ich ihn schreiben muss, und egal, wie das mit ihm und Nara auch weitergeht, ich will in keinster Weise rechtfertigen oder gutreden, was er ihr angetan hat. Denn Nila hat Naras Arglosigkeit schamlos ausgenutzt, um sie zu missbrauchen. 

Zu den Anderen will ich jetzt gar nicht wirklich was schreiben. Es war ziemlich viel, ich weiß, aber es wird jetzt erstmal für lange Zeit das letzte Junggesellenfest bleiben (vielleicht auch das Letzte überhaupt, das weiß ich noch nicht). Und ich habe auch nicht vor, jetzt andauernd solche derben Kapitel zu schreiben.
Zum Schluss noch: Ja, das auf dem letzten Bild ist übrigens der Diana-Sim, die von nun an die Rolle von Hana spielen wird. Aber zu ihr zu gegebener Zeit mehr.   

Nächstes Mal dann fragt sich Nara, was Nila eigentlich mit ihr gemacht hat und jemand verlässt die Gegend.

Danke für eure Aufmerksamkeit, und ich verabschiede mich.

2 Kommentare:

  1. :(
    Ich bin entsetzt! Zuerst Jana, dann Rahn (von dem ich schon lange glaube das du ihn heimlich hasst) und nun die arme arglose Nara. Sonst ist ja alles wieder qualitativ ein schönes lesen, vor allem das Nila vermöbelt wird, aber das mit Nara kann ich nicht annehmen. Lass es Nila nur eingebildet haben in tiefster Trunkenheit oder so. Besser noch; statt die Guten und Wehrlosen immer Pech haben zu lassen, lass doch ma Nila über n Stein stolpern, Kopf am Baum anstoßen dabei, bewußtlos werden und in einer Pfütze dabei ertrinken. Dann kann er sich in der Hölle mit Dia den ganzen Tag prügeln!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Grüße!

      Wie kommst du nur darauf, dass ich Rahn hasse Ö.Ö ? Muss ja zugeben, dass ich lange gebraucht habe, um mit ihm warm zu werden (und ich hätte auch echt nicht gedacht, dass er sich so allgemeiner Beliebtheit erfreut), aber hassen tue ich ihn wirklich nicht.

      Okay, zurück zum Thema: Also erstmal freue ich mich, dass... hm... kann jetzt ja schlecht schreiben, dass es dir gefällt, weil... tuts ja irgendwie nicht, aber dass dir mein Geschreibsel gefällt. Danke dir dafür ^-^ !

      Und zu Nara: So schön es auch wäre, es ist leider nicht nur ein böser Tagtraum von Nila gewesen :-(. Es war ja schon irgendwie abzusehen gewesen, dass er sich irgendwas was richtig... ich hab gar kein richtiges Wort dafür... was schlimmeres als schreckliches zuschulden kommen lassen würde und ich wünschte auch, dass Alek ein bisschen mehr auf Nara aufgepasst hätte, aber so ist es leider nicht gekommen.
      Letztendlich heißt es ja aber nicht, dass deine Wunschvorstellungen bezüglich Nilas vorzeitigem Tod nicht auch trotzdem noch Wirklichkeit werden können. Bis dahin hoffen wir mal, dass Gil ihn noch ein bisschen mehr verprügelt. Das ist mir auch immer eine Genugtuung, wenn Nila einen auf den Deckel kriegt. Es wird auch nicht das letzte Mal bleiben, verrat ich dir.

      Löschen