Die nächste Zeit wurde die Hitze beinahe unerträglich.
Die Sonne schien jeden Tag erbarmungslos an einem fast wolkenlosen Himmel und da
der Regen seit Wochen ausgeblieben war und noch immer auf sich warten ließ, schwanden auch ihre Wasservorräte zusehends. Bald schon mussten sie es rationieren, weswegen Malahs Übernahmefest erneut verschoben wurde.
Viel schlimmer
für die junge Generation war jedoch die Nachricht, dass der Zoth-Stamm wegen
der anhaltenden Hitze und Wasserknappheit das kommende Junggesellenfest
ausfallen lassen könnte. Obwohl es nur einmal stattgefunden hatte, erfreute es sich
bereits allgemeiner Beliebtheit und es war sogar über ihr Tal hinaus bekannt geworden.
Deshalb entschied sich der Zoth-Stamm schließlich
dafür, es doch stattfinden zu lassen.
Tanja, die schon das letzte Mal zu Gast gewesen war, beehrte das Fest auch diesmal wieder mit ihrer üblich wütenden Anwesenheit. Glücklicherweise war diesmal aber ja
jemand da, um sich anzuhören, was ihren Unmut so erregt hatte.
„Bei aller
Liebe, dass jetzt schon Geschwister miteinander anbändeln!“, sagte sie mit
Blick auf Jade und Wotan, die sich gerade vor ihr auf der Tanzfläche drehten,
während sie am Rand stand und noch immer nicht tanzte.
„Wotan hat nichts mit seiner Schwester.“
Wirt, der bislang schweigend neben ihr gestanden hatte, fing sich nun einen
wütenden Blick von ihr, der nicht ihm galt. Er sprach ja nicht oft von sich aus und
deshalb war sie jedes Mal froh, wenn er es doch tat. Dann fühlte sie sich als etwas
Besonderes.
„Und das weißt
du so genau, weil?“
„Er erzählt
dauernd von seinen Frauen.“
„Frauen?“ Tanja lachte abfällig. „Als ob sich
auch nur eine Frau für den
interessiert!“
„Er hatte
schon mehr Frauen, als ich zählen kann.“
Tanja wollte etwas sagen – sie wollte nicht, dass ihr
Gespräch erlahmte – aber da kam plötzlich eine Frau an. Sie blieb vor Luis
stehen, der sich dreist neben sie gestellt hatte und wie gewohnt vor sich
hinstarrte und kein Wort sagte. Als wäre er gar nicht da.
„Ähm… möchtest
du vielleicht tanzen?“, fragte sie zögerlich.
Der
Angesprochene antwortete ihr nicht. Wahrscheinlich bekam er gar nicht mit,
dass sie ihn meinte.
„Sie redet mit
dir, Luis, du Blindfisch!“, half Tanja ihm freundlicherweise auf die Sprünge.
Luis zuckte ertappt zusammen, versuchte dann, ein
Lächeln aufzusetzen und den Kopf dorthin zu drehen, wo die fremde Stimme hergekommen
war. Was ihm nicht so gut gelang.
„Tut mir leid,
aber ich bin nicht auf der Suche“, stotterte er hastig.
Die Frau warf daraufhin einen Blick zu Wirt, was Tanja dazu
brachte, ihr angriffslustig die Zähne zu zeigen. Sie war von jenseits des
Tals und sie war schon ein bisschen älter und konnte ihr nicht das Wasser
reichen, fand Tanja, aber sie sollte trotzdem nicht auf dumme Gedanken kommen.
Die Fremde bemerkte die kaltblütige Ausstrahlung der anderen Frau zu ihrem Glück und zog daraufhin ohne ein weiteres Wort zu sagen von Dannen.
Die Fremde bemerkte die kaltblütige Ausstrahlung der anderen Frau zu ihrem Glück und zog daraufhin ohne ein weiteres Wort zu sagen von Dannen.
„Wenn du nicht auf der Suche bist, warum bist du dann
überhaupt hier?“, fauchte Tanja in Richtung des Störenfriedes, kaum, dass die
Frau abgedreht war. Sie hatte wirklich keine Lust, dass er noch mehr
verzweifelte Frauen anlockte.
„Weil meine
Mutter mich darum gebeten hat.“
Sie hatte ihn
eher gezwungen, genauso, wie sie Leif gezwungen hatte. Luis hatte überhaupt
nicht herkommen wollen, aber sein Vater hatte gesagt, dass er sich doch mal ein
Bild von den Festen der anderen Stämme machen sollte. Als Schamane würde er
später schließlich viele dieser Feste besuchen.
Also war er gegangen, aber er hatte weiterhin kein Interesse daran, sich eine Frau zu suchen. Es war nicht so, dass er sich keine wünschte, aber er wusste, dass er in seiner Situation nie mit einer Frau zurechtkommen würde. Deshalb hatte er sich zur Devise gemacht, dass er das, was er nicht kannte, nicht vermissen würde, und er hatte sich vorgenommen, allein zu bleiben.
Also war er gegangen, aber er hatte weiterhin kein Interesse daran, sich eine Frau zu suchen. Es war nicht so, dass er sich keine wünschte, aber er wusste, dass er in seiner Situation nie mit einer Frau zurechtkommen würde. Deshalb hatte er sich zur Devise gemacht, dass er das, was er nicht kannte, nicht vermissen würde, und er hatte sich vorgenommen, allein zu bleiben.
„Ja, was auch
immer“, fuhr Tanja überaus genervt fort. „Aber warum bist du hier? Deine komische Du-heit verscheucht
alle guten Männer. Kein Wunder, dass keiner herkommt, um mich zum Tanz
aufzufordern.“
Luis dachte sich: ‚Dass
keiner herkommt, dafür sorgst du schon selber‘, aber er sagte es ihr natürlich
nicht.
Außerdem war die Frage doch eher, warum Tanja hier war. Immerhin hatte sie doch Wirt. Aber scheinbar hielt sie sich noch immer für zu gut für ihn. Luis fragte sich wirklich, wie Wirt es mit ihr aushielt, ohne schreiend davonzulaufen.
Außerdem war die Frage doch eher, warum Tanja hier war. Immerhin hatte sie doch Wirt. Aber scheinbar hielt sie sich noch immer für zu gut für ihn. Luis fragte sich wirklich, wie Wirt es mit ihr aushielt, ohne schreiend davonzulaufen.
„Komm, Wirt!“, hörte er sie ihren Begleiter
herumkommandieren, als wäre er ein Hund. „Lass uns woanders hingehen. Weg von
dieser Langweiler-Aura, die der da ausstrahlt.“
Luis war sich
ziemlich sicher, dass die beiden bald zusammen auf der Tanzfläche stehen
würden. Weil „alle anderen zu dämlich waren, um ihre Großartigkeit zu
erkennen“, würde Tanja dann wahrscheinlich sagen.
Doch er war
froh, als sie endlich weg waren und er wieder allein sein konnte.
Als Jade beschloss, dass ihre Füße es nicht länger
aushalten würden, mit ihrem Bruder zu tanzen, beendeten die beiden Geschwister
ihren beinahe einstündigen Tanz und sie sah zu, dass sie hastig zu den
anderen Mädchen floh, die noch immer (ohne zum Tanz aufgefordert worden zu sein) am Rande standen.
Jade hatte
überhaupt erst mit ihrem Bruder getanzt, um den andauernden Avancen der anderen
Jungs zu entkommen. Sie war hier heißbegehrt, das war ihr schon klar, und ihr
war auch klar, dass sie irgendwann einen der ortsansässigen Jungen heiraten
würde und es nur noch eine Frage war, wer es sein würde. Aber sie wollte es
sich lieber nicht mit den anderen Mädchen verscherzen. Sie empfingen sie schon
jetzt mit giftigen Blicken. Naja, eigentlich nur Gabriela und Mai, die sich
inzwischen für die Königinnen der Gegend hielten, nachdem Jade sich dazu
entschlossen hatte, es nicht sein zu wollen. Nio stand wie immer daneben
und starrte nur Löcher in die Luft.
„Seht euch an, wer da ankommt“, kam von Mai mit einem
selbstgefälligen Grinsen, als sie fertig war, Jade mit Missbilligung zu löchern.
„Ziegela und ihr Bruder.“
Ziegela war
eine Mischung aus Ziege und Gisela. Gisela und Mai waren sich ziemlich ähnlich,
wenn es darum ging, sich für das Beste der Welt zu halten. Aber trotzdem taten
sie so, als wären sie die besten Freundinnen, wenn sie zusammen waren.
Gabriela, die zusammen mit Mai auch eingebildet hoch zehn war, gackerte jetzt,
nur Nio schüttelte den Kopf. Sie war ein bisschen anständiger, aber dennoch sagte auch
sie nie etwas gegen die Freundinnen.
Als die beiden Hell-Schwestern dann ankamen, begrüßte Mai Gisela entsprechend falsch überschwänglich, während Giselinde vollkommen ignoriert wurde. Das ging
meistens so.
„Und? Schon
viele Heiratsanträge heute bekommen?“, fragte Gisela zuckersüß, als sie fertig
mit ihrer heuchlerischen Begrüßung waren.
Mai verdrehte
die Augen. „Von wem denn? Es sind ja nur Idioten hier.“
„Ach, du wartest doch bloß darauf, dass Malahs Bruder dir
Aufwartungen macht.“
„Sag mal,
willst du mich etwa beleidigen?“
Nila galt als
der am wenigsten begehrenswerte Junggeselle der Gegend. Jade war sich ziemlich
sicher, dass sie nicht mal seinen Namen kannten.
„Das würde ich
doch nie machen“, meinte Gisela zufrieden grinsend.
„Natürlich
nicht.“ Mai erwiderte das Grinsen überlegen. „Aber keine Sorge, vielleicht
kommt er ja noch für dich rum.“
Wofür sie einen bösen Blick von Gisela
kassierte, den sie großzügig ignorierte.
„Ich werde später jedenfalls noch mit Nero tanzen“,
war sich Mai jetzt sicher.
Nero wiederum
galt als einer der begehrtesten Junggesellen weit und breit. Jedes Mal, wenn die Jungs ihre Wettstreite abhielten, ging er als Sieger hervor. Zudem machte seit kurzem das unsinnige Gerücht die Runde, dass er als Rahns Sohn die Führung über den Zoth-Stamm übernehmen würde, weil Nio das nicht tun wollte, wie alle wussten.
Er war bei den Mädchen jedenfalls so beliebt, dass Mai sogar schon rübergegangen war, um ihn anzusprechen. Aber sie hatte sich eine Abfuhr von ihm eingehandelt. Nur, dass sie das natürlich nicht einsah und auch niemals gegenüber Gisela zugeben würde, die es wohl ebenfalls auf ihn abgesehen hatte, so, wie sie jetzt aussah. Jade tat er jedenfalls leid, dass er sich mit all den schrecklich überheblichen Zicken rumschlagen musste, die sie Freunde nannte.
Er war bei den Mädchen jedenfalls so beliebt, dass Mai sogar schon rübergegangen war, um ihn anzusprechen. Aber sie hatte sich eine Abfuhr von ihm eingehandelt. Nur, dass sie das natürlich nicht einsah und auch niemals gegenüber Gisela zugeben würde, die es wohl ebenfalls auf ihn abgesehen hatte, so, wie sie jetzt aussah. Jade tat er jedenfalls leid, dass er sich mit all den schrecklich überheblichen Zicken rumschlagen musste, die sie Freunde nannte.
Gisela behauptete also, dass Nero natürlich mit ihr tanzen
würde, beide Mädchen grimmten sich eine Weile an, bis sie dazu übergingen, die anderen Jungs zu beurteilen. Von Nila, den sie widerlich, hässlich und
widerlich fanden, zu Leif, der langweilig war. Lin, für den Jade wohl bestimmt
war, wenn es nach Mai ging. Wolfmar, über den ganz schön herzogen wurde („Also
tut mir ja leid, Gabi, aber dein Bruder ist einfach unmöglich“). Alistair, bei
dem es eine Verschwendung war, dass er nicht laufen konnte und zu dem Gisela
ausnahmsweise mal nichts zu sagen hatte. Wotan, zu dem Mai ja auch nicht nein
sagen würde (was Gisela überhaupt nicht verstehen konnte) und natürlich Nero,
von dem sie alle ganz begeistert waren. Über die Älteren wurde sich natürlich
auch das Maul zerrissen. Vor allen Dingen Alek kam ganz schön übel weg. Er
rangierte irgendwo zwischen Nila und Leif, wurde letztendlich aber doch noch vorletzter.
Jade
jedenfalls hatte zu all dem nichts zu sagen, obwohl sie ja vieles hätte sagen
wollen. Sie hasste das so sehr, und sie hasste es, wie die anderen Mädchen
waren.
„Ihr seid ganz schön oberflächlich, wisst ihr das?“,
mischte sich plötzlich Giselas Schwester ein und sprach damit aus, was Jade dachte. „Wenn ihr so weitermacht, werdet
ihr nie jemanden finden.“
Sofort bekam
Giselinde, die nur noch Gil genannt werden wollte, böse Blicke ab. Normalerweise
sagte sie kaum je ein Wort, wenn sie ihre Schwester begleitete, aber seitdem Ragna
gestorben war, war sie ziemlich direkt geworden.
Mai rümpfte
die Nase. „Was willst du denn? Wenn
jemand keinen Mann kriegt, dann bist höchstens du das!“
Gisela sah aus, als würde sie auf die Barrikaden gehen. Auf ihre Zwillingsschwester ließ
sie nach wie vor nichts kommen. Aber das war gar nicht nötig, da Gil vollkommen
unbeeindruckt blieb und klarstellte: „Ich will das ja
auch gar nicht.“
Die anderen
Mädchen starrten sie ungläubig an, nur Gisela sah irgendwie unglücklich aus. Jade
haderte mit sich, ob sie einfach nur betroffen oder wütend sein sollte.
Sie wusste, dass sie nichts dazu sagen würde, aber sie wusste auch, dass sie
irgendwann einen Mann heiraten würde, den sie wahrscheinlich gar nicht haben
wollte. Weil das ihre Aufgabe war. Alle erwarteten das von ihr.
„Und was ist, wenn du irgendwann keine andere Wahl hast?“,
entwich es ihr schließlich doch, bevor sie sich stoppen konnte.
Da starrte Gil
sie plötzlich an und Jade erkannte, dass sie nicht wusste, was sie darauf
antworten sollte.
Aber bevor eine der beiden in die Verlegenheit kam, antworten
zu müssen, fand Lin sie schließlich doch noch, um ihr den Hof zu machen. Wie seine
Schwester Mai es erwartete, würde er es wahrscheinlich sein, der eines Tages
ihr Mann werden würde. Die einzige Wahl, die
sie hatte, war, ob sie ihn oder Wolfmar nehmen würde. Sie wollte keinen von beiden, aber sie wollte auch nicht wie Rahn verenden und allein bleiben, nur weil sie auf den Richtigen wartete.
Derweil war Wotan zu den Jungs zurückgegangen, von denen
aber nur noch Leif und Alistair übrig waren. Alistair saß unverrückt auf seiner
Bank, wie schon seit Stunden, und auch Leif hatte sich scheinbar keinen
Millimeter weit bewegt.
„Na, ihr
Langweiler?“, rief er ihnen zu. „Was macht ihr denn hier noch immer allein? Geht raus da und schnappt euch wen!“
„Wir sind
nicht alle so beliebt wie du oder Nero“, sprach Alistair ernüchtert, bevor er
fassungslos zu dem Jüngsten des Uruk-Stammes sah, der in der Ferne noch immer
von den Mädchen belagert wurde.
„Mann, schau dir das mal an, der hat so ein Glück und
weiß gar nichts damit anzufangen. Der ist ja total überfordert.“
„Vielleicht mag er ja keine Frauen“, mutmaßte Wotan.
„Er ist nur schüchtern und unerfahren, das ist alles“,
erklärte Leif in seiner gewohnt ruhigen Art. „Er wollte eigentlich nicht mal mitkommen. Er
hat noch gar kein Interesse an sowas.“
Wotan lachte. „Jeder Mann hat doch Interesse an den Frauen.“
„Nein, ich
nicht. Dieser ganze Heiratskram interessiert mich nicht. Ich will allein
bleiben.“
„Ach, komm
schon! Als ob du nicht mal gerne willst.“
„Nicht alle
ticken so wie du.“
Da mischte sich plötzlich Nefera ein, die bislang unweit
entfernt gestanden und auf Reinard gewartet hatte. „Oh? Das sind aber ganz neue
Töne. Ich habe bislang nämlich nur Männer getroffen, die wie Wotan waren. Auch wenn sie
behaupteten, nicht so zu sein.“
„Ihr tut immer
alle so, als ob dieser ganze Partnerkram das Wichtigste und Einzige auf der Welt
ist“, brach es aus Leif heraus, „aber das ist es nicht... das ist es nicht“, wiederholte er bitter, bevor
er sich abwandte und davonging. „Es gibt so viel wichtigere Dinge im Leben…“
„Was ist denn mit dem los?“, fragte Nefera
überrumpelt.
„Er hat seinen
kleinen Bruder verloren“, erklärte Alistair ihr traurig, „und er gibt sich die
Schuld daran. Ich glaube, dass er sich seitdem nicht mehr erlaubt zu leben.“
Sie waren alle betroffen am Schweigen, bevor Wotan
die Stille zerbrach und sagte: „Hey, Nefera, hast du Reinard endlich in den Wind
geschossen?“
Nefera
würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Wie Leif zuvor, ging auch sie einfach
davon.
„Was mit dir eigentlich?“, fragte Wotan jetzt an Alistair
gewandt. „Du warst doch vorhin noch der Renner bei den Mädchen.“
„Mein Pferd
war eher der Renner. Ich war nur Beiwerk und als sie gesehen haben, dass ich
nicht laufen kann, war ich so uninteressant wie ein Kuhfladen.“ Er seufzte. „Ich
hätte es eigentlich wissen müssen. Ich hätte lieber zuhause bleiben sollen. Das
hat ja eh keinen Sinn. Wer will schon einen Mann, der nicht laufen kann?“
„Na, lass mal
nicht den Kopf hängen! Ich zeig dir schon, wie du bei den Mädels ankommst.“
Das war, bevor er bemerkte, dass sich Lin an seine
Schwester Jade ranmachte. Da war Alistair ganz schnell vergessen.
„Und damit bin
ich wieder raus“, meinte der bitter.
„Nah! Warte
kurz!“
Wotan sah sich um und als er seine beiden anderen Schwestern entdeckte,
rief er laut: „He! Gil! Gisa! Kommt mal her!“
Gisela
schaute böse, aber beide Schwestern kamen trotzdem.
„Warte! Das
sind doch auch deine Schwestern!“, merkte Alistair erschrocken an, als er das
sah.
„Ja, aber bei
denen habe ich eher Angst, dass sie dich auffressen.“
„Aber…“
Weiter kam er nicht, da beide Mädchen in diesem Moment vor ihnen zum Stehen kamen. Gisela scheinbar nur, um ihren Bruder von nahem mit ihrem
vernichtenden Blick zu bedenken.
„Was? Warum
sprichst du uns hier an?“, fauchte sie patzig.
„Ich muss mal
kurz wen verprügeln gehen. Warum setzt ihr euch nicht ein bisschen zu Alistair und
unterhaltet euch mit ihm, hm?“
Dann ging er einfach weg und ließ Alistair allein mit
seinem Untergang. Er versuchte, beruhigend zu lächeln, als die Blicke der
Mädchen nun ihn trafen, aber er befürchtete, sich demnächst nass zu machen,
wenn das so weiterging. Wenn er nur weglaufen könnte!
„Was zum
Kuckuck denkt sich Wotan dabei, uns mit dem
da allein zu lassen?“, begann Gisela den Beschuss trotzdem.
Und was sie dann sagte, traf ihn mitten ins Herz. „Wer
will schon einen Mann haben, der nicht laufen kann?“
„Gisela!“
„Ist doch
wahr! Der ist total nutzlos.“
Es war zwar
dasselbe, was er schon selber gedacht hatte, aber dennoch traf es Alistair
doppelt so schwer, es aus dem Mund einer anderen Person zu hören. Vor allen
Dingen das von Gisela zu hören war hart. Er wusste, dass sie alle so dachten,
aber niemand hatte es je gewagt, ihm das auch ins Gesicht zu sagen.
Und er konnte nichts anderes tun, als betroffen darüber auszusehen.
Und er konnte nichts anderes tun, als betroffen darüber auszusehen.
Nila war auch mit den anderen Jungs zum Fest gekommen,
aber im Gegensatz zu Leif und Alistair war er sofort zum Angriff auf die
arglosen Frauen übergegangen. Nur, dass die scheinbar nichts von ihrem Glück
wissen wollten.
„Wer bist du
denn überhaupt?“, meinte gerade eine von denen, die sich glücklich schätzen
konnten, dass er sie überhaupt ansprach. Es war eine von denen aus dem Dorf
jenseits des Tals.
„Der
zukünftige Anführer vom größten Stamm dieser Gegend, das bin ich“, erklärte er
großspurig.
„Da habe ich aber etwas anderes gehört. Malah soll doch
den Uruk-Stamm übernehmen.“
„Ja, aber sie
wird ihn nicht lange anführen“, sagte er. „Ich werde mir die Stammesführung von
ihr nehmen.“
„Und warum
machst du das nicht jetzt schon?“, mischte sich ihre immerhin besser aussehende
Freundin ein. „Hast du Angst, nicht gegen Elrik anzukommen, oder was, und musst
warten, bis du deine Schwester herausfordern kannst?“
Und die Erste:
„Ziemlich armselig. Und gutaussehend bist du auch nicht mal.“
„Wer will
schon einen wie dich haben?“
Sie ließen ihn lachend stehen, und Nila konnte es
nicht fassen. Es war nicht das erste Mal, dass ihm heute sowas passiert war. Er
hatte eigentlich fast alle Frauen gefragt, die hier waren, selbst die, die er
eigentlich nicht hatte fragen wollen, aber sie alle hatten ihn, mal mehr und
mal weniger freundlich, abgewiesen. Nicht wenige von ihnen hatten auf seinem
schlechten Ruf oder darauf herumgehackt, dass er sich nicht traute, gegen
seinen Vater anzutreten. Dabei wollte er nur warten, bis Malah Stammesführerin
war, um es ihr so richtig zu zeigen. Seinem Vater die Führerschaft zu entreißen
würde einfach keinen Spaß machen.
Die Frauen
hier waren alle das Letzte. Sie wussten gar nicht, was ihnen entging. Welche
Ehre sie überhaupt hatten, dass er sich dazu herabließ, mit ihnen zu reden. Ja,
eigentlich sollten sie ihm die Füße küssen und ihn darum betteln, sie zu
nehmen. Vielleicht sollte er sich einfach nehmen, was er wollte.
Doch als er sich umsah, erkannte er, dass es hier dafür zu viele Zuschauer gab.
Doch als er sich umsah, erkannte er, dass es hier dafür zu viele Zuschauer gab.
Also ließ er es bleiben und ging stattdessen zu den
einzigen Frauen, die er noch nicht mit seiner Anwesenheit beehrt hatte. Gisela
und Giselinde. Und als er sie erreichte, tat er das in dem Moment, in dem
Gisela Alistair als nutzlos bezeichnete, und als er das
hörte, wurde er erst so richtig wütend.
Wie konnten sie es wagen, sich so
aufzuspielen? Sie sollten mal lieber schnell erkennen, wo ihr Platz war!
„Und wer will dich bitte haben?“, mischte er sich ein.
Gisela sah sofort eingeschüchtert aus, nur ihre Schwester erwiderte seinen
Blick trotzig. Er bedachte beide Schwestern nacheinander mit einem Blick. „Ich
weiß nicht mal, wen von euch beiden ich weniger haben wollen würde.“ Er blieb
bei Gisela hängen. „Wahrscheinlich dich, du Vogelscheuche. Du solltest froh
sein, wenn dich überhaupt jemand mit dem Arsch ansieht.“
Im nächsten Moment stand Gil plötzlich vor ihm und hatte die Frechheit,
ihn anzupacken. „Pass auf, was du da sagst!“, knurrte sie bedrohlich.
Nila erwiderte
ihren Blick eiskalt. „Was willst du
denn? Dich sollte mal lieber jemand richtig rannehmen, damit aufhörst, dich wie
ein Kerl aufzuführen.“
Bevor er sich versah, hatte sie ihm ihre Faust ins
Gesicht geschlagen. Er ging ohne jede Gegenwehr zu Boden. Aber es war nicht
seine Wange, die sie getroffen hatte, die am meisten schmerzte, sondern sein
verletzter Stolz. Sie hatte ihn geschlagen! Eine Frau hatte es gewagt, ihn zu
schlagen!
Er verlor jegliche Selbstbeherrschung daüber.
„Du miese
Kleine!“, schäumte er. „Glaubst du etwa, ich werde dich nicht anfassen, weil du
eine Frau bist, hä?“
Im nächsten Moment hatte er Gil überwältigt und sie am
Boden festgenagelt. Gisela gab einen erschrockenen Laut von sich und selbst
Nyota, die bislang unbeteiligt hinter ihrem Bruder gesessen hatte, machte
Anstalten, einzuschreiten. Aber da gelang es Gil, die Knie so weit anzuziehen, dass sie ihrem Angreifer einen Tritt
zwischen die Beine verpassen konnte, woraufhin er sofort von ihr abließ.
Nila war jetzt eine ganze Weile lang nur damit
beschäftigt, den Schmerz in den Griff zu bekommen, der zwischen seinen Lenden
brannte, während alle anderen erstarrt waren. Nur Gil hatte Abwehrstellung vor
ihm bezogen, jederzeit bereit, sich sofort gegen ihn zu verteidigen.
„Du bist genauso, wie Mutter gesagt hat“, war es
schließlich Gisela, die als erste ihre Stimme wiederfand. Voll Angst und Abscheu sagte sie: „Du hast
dasselbe böse und verdorbene Blut, das auch Großvater gehabt hat. Ihre Augen
waren voller Angst und Abscheu, als sie Nila nun ins Gesicht sagte: „Du bist böse!
Man sollte dich lieber beseitigen, wie man auch ihn beseitigt hat, bevor du
ebenfalls losgehst und uns alle schändest!“
Nila starrte sie irritiert an, aber bevor auch nur
irgendwer etwas sagen konnte, stieß Alek zur Runde hinzu.
„Hey, ähh, ihr
wisst nicht zufällig, wann Malah kommt?“, wollte er wissen, bevor er
bemerkte, dass etwas nicht stimmte. „Was ist denn los?“
Aber niemand antwortete ihm. Nila erhob sich trotz seiner
Schmerzen mit Schwung, spuckte den beiden Mädchen vor die Füße und ließ sie
stehen. Er verließ das Fest, ging hinaus in die Dunkelheit der Nacht hinein.
Nachdem Nila verschwunden war, legte sich eine ziemlich
unbehagliche Stimmung über die Zurückgebliebenen. Eine ganze Weile sagte
niemand von ihnen ein Wort, während Alek verwirrt von einem zum anderen sah und
vergeblich auf seine Antwort wartete. Erst, als die Hell-Zwillinge Anstalten
machten, zu gehen, kam wieder Bewegung in die festgefahrene Szene. Nyota
lief ihnen sofort hinterher.
„Warte!“,
rief sie Gil zu. „Du
hast auch schon einmal von diesem „schänden“ gesprochen. Was genau bedeutet es?“
„Weißt du das nicht? Es bedeutet, dass ein Mann sich von
einer Frau nimmt, was er will“, erklärte Gisela an ihrer Schwester statt. „Gegen
ihren Willen. Du verstehst, was ich meine, oder?“ Als Nyota betroffen nickte,
fuhr sie fort: „Du bist eine Frau und solltest so etwas eigentlich wissen. Vor
allen Dingen du, wo du…“
„Gisela!“,
fuhr Gil warnend dazwischen und die Angesprochene verstummte. Ihr Gesicht war wieder so
betroffen wie bei der Sache mit Nila.
„Was? Was
meint sie damit?“, fragte Nyota nach.
Diesmal
antwortete Gil ihr: „Du solltest es lieber auf sich beruhen lassen. Das ist das
Beste, glaub mir.“
Die beiden Schwestern setzten ihren Weg fort und Nyota blieb
erschrocken allein zurück. Sie wusste ja, dass ihre Mutter geschändet worden
war. Auch wenn ihr Vater ihr damals nur gesagt hatte, dass ihrer Mutter
wehgetan worden war. Aber wenn das, was Gisela sagte, wahr war, dann bedeutete
das vielleicht…?
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Hier weiterlesen -> Teil 2
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