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Mittwoch, 20. Februar 2019

Kapitel 81 - Was du tun kannst



Tanna beobachtete das Auf und Ab ihres Zeigefingers. Unruhig trommelte sie auf die Tischplatte, nahm sich gar nicht erst die Zeit, die Rillen, die die Maserung des Holzes gezeichnet hatte, zu untersuchen. Ab und an bewegte sich ein Schatten, streckte oder duckte sich, wenn das Feuer besonders hungrig war oder es mal wieder nach neuem Holz verlangte. Die Bewohner des Hell-Hauses hingegen lagen entweder in ihren Betten, saßen still am Feuer oder übten sich darin, Statuen zu sein. Leah, die gerade ihr gegenüber am Tisch saß, war besonders gut darin.
     Aber Tanna nahm sowieso keine Notiz von ihr. Ihre Gedanken kreisten seit dem gestrigen Abend nur um eines: Tann. Sie hatte versucht, ihm zu helfen, und er hatte versprochen, sein Bestes zu geben, aber sie bezweifelte, dass er sich auch daran halten würde. Und die Geister, die ihn noch immer wie Glühwürmchen umschwirrten, gaben ihr leider recht.
     Nur weil Lu versprochen hatte, auf Tann aufzupassen, war sie überhaupt zum Hell-Haus rübergegangen, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte gehofft, dass ihr schon etwas einfallen würde, wie sie Tann noch helfen konnte, wenn sie erst einmal ein bisschen Abstand genommen hatte, aber es war leider nicht so. Sie war ratlos. Sie hatte doch alles getan, was in ihrer Macht stand.


Zögerlich wagte sie einen Blick auf die Statue namens Leah. Obwohl ihre Augen ins Leere gerichtet waren, hatte sie ihr merkwürdiges Lächeln aufgelegt, das sie immer trug, wenn Tanna anwesend war. Selbst, wenn es so schien, als schwebe Leah gerade in ihrer eigenen Welt, wusste Tanna deshalb immer genau, dass sie doch mitbekommen hatte, dass sie bei ihr war.
     Sie hatte den unsinnigen Gedanken, Leah um Rat zu fragen, schnell wieder verworfen, aber vielleicht war es ja doch einen Versuch wert. Also wagte sie es und fragte ihre Gefährtin: „Sag mal, wenn jemand, den du kennst, versucht hätte, sich das Leben zu nehmen, was würdest du da tun, um ihm zu helfen?“


Leahs Augen kehrten zu ihr zurück und ihr Lächeln wurde warm. „Ich würde dich in die Arme nehmen und nie mehr loslassen. Möchtest du ein bisschen schmusen?“
     „Ich rede hier aber nicht von mir.“
     Doch ihr Gegenüber war nur noch damit beschäftigt, liebevoll vor sich hin zu lächeln. Sie wusste, dass es nur Leahs Art war, schwierige Themen, die sie wahrscheinlich selber belasteten, zu umschiffen, indem sie nicht mehr antwortete. Sie wusste ja, wie fragil ihr Geist war. Aber trotzdem war Tanna momentan einfach nur genervt. Wie sehr sie sich wünschte, einmal nur vernünftig mit ihrer Partnerin reden zu können.


Da Tanna und Lu sich darin abwechselten, auf Tann achtzugeben, geschah es, dass Tanna gerade im Uruk-Haus war, als tags darauf unerwartet ein Sturm losbrach. Er war innerhalb kürzester Zeit von einem kleinen Windzug zu einem wahren Unwetter herangewachsen, sodass sie alle Hände voll damit zu tun gehabt hatten, überhaupt das Vieh nach drinnen zu schaffen und im Haus Unterschlupf zu suchen. Das ängstliche Muhen der Kühe, die zusammen mit den anderen Tieren im hinteren Stall untergebracht waren, mischte sich nun mit dem unheilvollen Knarren des Hauses, während der Sturm von draußen sein bestes gab, um nach drinnen zu gelangen.


Dementsprechend groß war die Sorge der Hausbewohner auch, ob das Dach über ihren Köpfen halten würde, und bei manchen zeigte sich diese Sorge auch unverhohlen auf dem Gesicht. Vor allen Dingen Tanja hatte man mehrmals davon abhalten müssen, nach draußen zu gehen. Sie alle wussten, dass sie sich Sorgen um Wirt machte. Auch wenn sie das natürlich nicht zugeben würde.


Als das Dach gerade wieder einmal sehr gefährlich knarzte, kam Lu, der bislang dabei zugesehen hatte, wie Wulfgar Lulu beruhigt hatte, zu Elrik, um ihm mitzuteilen: „Stammesführer, die Kinder haben sie überall gesucht, aber Takka ist verschwunden.“
     Takka war ihre älteste Hündin. Eine überaus treue Seele, die Alistair früher immer herumgetragen hatte.


„Ich habe sie das letzte Mal draußen gesehen“, mischte sich Tann ein. „Ich dachte, jemand würde sie schon mitnehmen. Ich gehe besser mal nachschauen.“
     Er wartete gar keine Antwort ab, sondern ging, um zu tun, was er angekündigt hatte und was bei diesem Wetter überaus gefährlich war.


Doch Tanna machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie ging ihm nach, kaum, dass sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte und stellte sich ihm in den Weg.
     „Du wirst ganz sicher nicht dort hinausgehen! Das ist gefährlich!“
     „Das ist ja wohl meine Sache, was ich mache“, gab Tann grimmig zurück.    
     Doch sie unterbrach ihn und was sie dann sagte, traf ihn unvorbereitet: „Wir wissen doch beide, dass du nur da raus willst, weil du lebensmüde bist, nicht wahr?“ Tanns Mund klappte erschrocken auf, aber sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Ist es nicht so? Vielleicht springst du hier von keiner Klippe, aber dennoch ist die Gefahr hoch, dass du da draußen stirbst. Und das ist es doch, was du willst.“
     „Das hat überhaupt nichts damit zu tun!“, wiegelte er verärgert ab.
     „Ach nein? Und warum sind die Geister gerade jetzt wieder aufgetaucht, hm? Du kannst das nicht vor mir verstecken, Tann!“


Da kam schließlich Elrik an. Der Lärm, den Haus, Vieh und Sturm im Einklang erzeugten, hatte ihre Worte vielleicht bislang vor den Anderen verborgen, aber es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte.
     „Was geht hier vor sich?“, wollte er wissen. „Wovon redet sie?“
     Scheinbar hatte er es doch gehört. Tann fluchte innerlich. Er hatte nie gewollt, dass alle davon erfuhren. Und Tanna konnte natürlich auch nicht einfach Stillschweigen darüber bewahren.
     „Davon, dass dein Vater sich neulich die Klippen herunterstürzen wollte.“
     Skepsis auf dem Gesicht ihres Sohnes. Er glaubte ihr nicht.


 „Du hättest das wirklich nicht vor allen anderen ausbreiten sollen. Das ist immer noch meine Sache. Mein Leben“, knurrte Tann.
     „Und was ist mit uns? Deiner Familie? Hast du eine Sekunde nur mal an uns gedacht?“


Es war zu viel. Es war einfach genug. Ihm platzte der Kragen. 
     „Was mit euch ist? Sei doch ehrlich! Dir ist es vollkommen egal, ob ich da bin oder nicht. So, wie du mich immer ansiehst, bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass du nichts dagegen hättest, wenn ich einfach verschwinden würde. Aber das geht dich sowieso alles nichts mehr an! Das geht niemanden etwas an, außer mir!“
     Sie sah plötzlich wirklich betroffen aus, doch er ließ sich nicht davon beirren. Er ließ sie einfach stehen.


Nur kam er wieder nicht weit. Diesmal war es Elrik, der bislang schweigend zugehört hatte, der sich ihm in den Weg stellte, bevor er die Tür erreichen konnte.
     „Ich habe angeordnet, dass keiner das Haus während des Sturms verlassen darf und das gilt auch für dich.“
     Vater und Sohn tauschten einen bösen Blick miteinander und Tanna befürchtete, dass die Situation bald eskalieren würde. Sie musste endlich handeln.


Also ging sie, um Akara und Tanja hinzuzuholen. Erstere sah mal wieder aus, als wäre sie lieber ganz woanders, während Tanja tatsächlich zweimal versuchte, das Weite zu suchen, was Tanna aber zu unterbinden wusste.


„Das reicht jetzt! Wir werden das jetzt klären! Ich bin es leid, dass unsere Familie so zerrüttet ist, dass wir nicht mal mehr miteinander sprechen. Dass wir nicht einmal sehen, wenn es einem von uns so schlecht geht, dass er sich das Leben nehmen will.“


Sie wandte sich zuerst an ihre Tochter, die ihr aber sofort die kalte Schulter zeigt.
     „Tanja, du benimmst dich wie ein Kind. Dass du dein Bein verloren hast, ist eine schlimme Sache, aber du solltest lieber dankbar sein, dass du überhaupt noch lebst. Du solltest nicht vergessen, dass du allein Schuld daran hast, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Ich, dein Vater, Elrik – wir haben dir immer wieder gesagt, dass du deine Wunde untersuchen lassen sollst, aber du warst ja zu stur dafür.“  


„Lass mich gefälligst in Frieden! Von mir aus könnt ihr alle eine Klippe runterspringen; ist mir egal. Ich bin sowieso weg von hier, sobald ich die Möglichkeit dazu erhalte“, schnitt Tanja ihrer Mutter aber barsch ins Wort, bevor sie sich einfach davonmachte. Wie üblich wollte sie nichts davon wissen, dass sie an irgendetwas schuld war. 
     Bei ihr war Hopfen und Malz längst verloren. Das war schon lange so, wie Tanna wusste. Es brachte nichts mehr, mit ihr zu reden. Das hatte es noch nie. Tanja hatte nicht nur mit ihrem Vater, sondern mit dem ganzen Stamm längst abgeschlossen.


Aber Tanna war noch nicht fertig. Als nächstes nahm sie sich Elrik vor, der ihren Blick ebenso stur erwiderte, wie seine Schwester. 
     „Und was ist mit dir? Meinst du nicht, dass du lange genug beleidigt gespielt hast? Ich muss dir ja nicht sagen, dass du dich als Stammesführer nicht so kindisch benehmen solltest. Dein Vater hat viel für dich getan, Elrik.“


Und dann sagte sie etwas, das nicht nur den Stammesführer völlig aus der Bahn warf: „Himmel, er hat sogar so getan, als wüsste er nichts von eurem Plan, ihn zu stürzen und er hat sogar euren Kampf verloren, damit du übernehmen und dich beweisen kannst!“
     Elrik brauchte eine ganz Weile, bis er das Starren einstellen und sich seinem erbosten Vater zuwenden konnte. Der hatte sichtlich nicht damit gerechnet, dass Tanna irgendwem sagen würde, was er ihr im Vertrauen erzählt hatte.


„Ist das wahr?“, wollte Elrik von seinem Vater wissen. „Aber… warum hättest du das tun sollen?“
     „Ich habe dir nur gegeben, was dir rechtmäßig zustand. Ich sagte dir, dass ich dir die Stammesführung nicht überlasse, bis du mir bewiesen hast, dass du nicht mehr nur an dich, sondern an alle denkst, und das hast du mir bewiesen, indem du das Vertrauen der Anderen gewonnen und für das gekämpft hast, was du für richtig hieltest.“
     Tann sagte das so, als wäre das selbstverständlich. Aber das war es für Elrik nicht. Er wusste nicht einmal, was er dazu sagen sollte.
     „Und es war der richtige Weg, den du eingeschlagen hast“, fuhr Tann fort. „Ich hätte mich auch nie gegen deine Frauenwahl stellen sollen. Das tut mir leid. Es tut mir alles so leid, Elrik, was ich dir die letzte Zeit über angetan habe“, brach es plötzlich inbrünstig aus Tann heraus. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen. Ich wollte mich nie zwischen dich und Akara drängen. Ich habe immer nur versucht zu verhindern, dass dir das passiert, was mir mit deiner Mutter passiert ist.“


Elriks Blick wanderte nun hilflos zu seiner ehemaligen Gefährtin. Sein Vater hatte schon ein paarmal in der Vergangenheit versucht, mit ihm darüber zu reden, er hatte sich zigmal entschuldigt, aber Elrik hatte das nie zulassen können. Auch jetzt konnte er das nicht. Er wusste, dass es nur das Richtige war, seinem Vater zu verzeihen – schon allein als Stammesführer konnte er nicht ewig beleidigt sein – aber er konnte es einfach nicht. Er setzte ein paarmal an, etwas zu sagen, brachte aber kein Wort heraus.


„Dein Vater“, fand Akara endlich ihre Stimme, „hat überhaupt nichts damit zu tun gehabt, dass ich dich verlassen habe, Elrik. Die Wahrheit ist, dass ich dich nie geliebt habe. Ich war einfach so glücklich darüber, dass sich endlich mal jemand für mich interessierte hat, dass ich das mit dir überstürzt habe, obwohl ich dich eigentlich überhaupt nicht kannte. Deswegen hätte ich dich so oder so verlassen. Dein Vater hat sogar noch versucht, mich davon abzuhalten. Deshalb: bitte sei ihm nicht böse!“


Sie wagte einen verstohlenen Blick zu seinem Vater. „Tut mir leid, Tann. Ich wollte nie, dass Elrik dich hasst.“
     „Mach dir keine Gedanken darüber“, wiegelte der ab. „Ich muss mich eigentlich bei dir dafür entschuldigen, dass ich so rüde zu dir war. Ich kann dir vielleicht nicht das geben, was du möchtest, aber ich würde mich freuen, wenn wir wieder eine Familie wären.“
     Es war nicht das, was sie von ihm wollte, aber dennoch lächelte Akara scheu und zustimmend.


 Tanna trat daraufhin zwischen Vater und Sohn und legte beiden eine Hand auf die Schulter. „Also? Jetzt, da das geklärt ist, kannst du dich ja wieder mit deinem Vater vertragen.“
     Doch Elrik sah leider überhaupt nicht so aus, als ob er das tun würde. Er verschränkte die Arme und antwortete nicht. Er war nach wie vor zerrissen zwischen dem, was er wollte und dem, was richtig war.


Erst, als Anya schließlich ankam und sich vor Tann hinstellte, verschwand der Groll aus seinem Gesicht. Wie immer schaffte es allein der Anblick seiner Gefährtin, dass er milder gestimmt war.
     „Elriks Papa, da ich selber keinen Papa hab, darf ich dich Papa nennen?“, fragte sie unvermittelt.
     Elrik wusste, dass Anya sich immer einen richtigen Vater gewünscht hatte. Einen, der sie beschützte vor den Dingen, die ihr eigener Vater ihr angetan hatte. Sie wünschte sich einen Vater, wie Elrik ihn hatte.


Er wusste das, aber erst jetzt, als er in Anyas leuchtende Augen sah, als Tann warm lächelnd „Natürlich“ sagte, wurde ihm das auch bewusst. Da konnte – wollte – er nichts mehr dagegen tun. Nicht, wenn es Anya doch zum Strahlen brachte.


Im nächsten Moment hatte Anya Tannas Platz zwischen ihnen eingenommen und mit Schwung die Arme um die Schultern der beiden Männer gelegt, sodass Elrik beinahe von den Füßen nach vorn gerissen wurde.
     „Wir sind eine Familie! Ich habe eine Familie!“, sang Anya, und Tann lächelte endlich wieder richtig.

    
In diesem Moment…


… verschwand auch der letzte Geist endlich, der Tann bislang immer begleitet hatte.


Und obwohl sie nicht verschwunden bleiben sollten und auch in Zukunft immer wieder auftauchten, wenn es Tann schlechter ging, blieben die Geister an diesem Tag fort.


An diesem Tag, an dem ein gefährlicher Sturm übers Land zog und Tann wieder in den Kreis seiner Familie zurückfand.


Bald darauf tauchte Takka urplötzlich wieder auf und der Sturm ließ nach. Und auch wenn das Dach gelitten hatte, überstanden sie alle das Unwetter unbeschadet. 
     Was man vom restlichen Hof nicht so sagen konnte. Der Wind hatte ungehemmt gewütet und nicht nur ihre gesamte Ernte zerstört, sondern auch Bäume entwurzelt und den ohnehin fragilen Verschlag weggerissen, in dem die Kühe bislang untergebracht gewesen waren. Sogar der Rastplatz war wie weggefegt, und bei den Nachbarn sah es auch nicht besser aus. Tanja erklärte sich ohne Aufforderung natürlich sofort bereit, dort nach dem Rechten zu sehen, während auf dem Uruk-Hof die Aufräumarbeiten anfingen. Elrik hatte seinen Vater tatsächlich darum gebeten, bei der Einteilung der Aufgaben zu helfen, was der nur zu gern getan hatte.


Als Tann sah, dass Tanna sich mit einigen schweren Holzklötzen abmühte, die Jin aus den umgefallenen Bäumen gehackt hatte, ging er zu ihr, um zu helfen. Und Tanna, deren Arme schon bedrohlich zitterten, war froh, als er ankam, um ihr ihre Last abzunehmen.


„Ich wollte mich noch bei dir dafür bedanken, dass du mir geholfen hast. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne dich machen sollte“, meinte er, als er ihr die Holzklötze abnahm und sie zu den Holzscheiten brachte, die sie schon fein säuberlich an eine Hauswand geschichtet hatte.


„Ach, wenn du das willst, kommst du auch ohne mich zurecht.“
     Tann schmunzelte. „Du warst schon immer das zweite Standbein des Stammes. Ehrlich, ohne dich hätte ich bestimmt nicht durchgehalten. Ich hoffe nur, dass Elrik in Anya auch so eine gute Gefährtin hat. Jemanden, der ihn unterstützt und ihn auffängt, wenn er mal nicht weiter weiß. Aber ich denke, Anya macht das ganz gut. Sie scheint ein gutes Mädchen zu sein.“


Dann plötzlich verstummte er und sein Blick wurde so leer, dass es sie erschreckte. Sie wollte nicht, dass er wieder in seiner Schwermut versank, aber sie wusste einfach nicht, was sie zu ihm sagen sollte.  


Aber da kehrte er glücklicherweise wieder zu ihr zurück und fragte: „Hast du zufällig Rahn gesehen? Ich wollte noch mit ihm sprechen.“
     „Den hab ich zuletzt gesehen, wie er nach Nero geschaut hat.“
     „Am Strand also.“
     Um die Kinder aus dem potentiellen Gefahrenbereich zu schaffen, hatte Dana sie mit zum Strand hinunter genommen.
     „Nein, Akara passt irgendwo auf ihn auf.“
     Er stutzte. „Akara? Wieso das?“


„Weißt du das nicht?“, entgegnete sie überrascht. „Dana hat noch nie auf Nero aufgepasst.“
     „Warum nicht?“
     „Vielleicht, weil sie auch noch mit Dianas Tod zu kämpfen hat?“, vermutete sie schulterzuckend. „Ich habe jedenfalls noch nie gesehen, dass sie mit Nero zu tun hatte. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Bruder ihr den Umgang mit ihrem Enkel verbietet.“


Es sah so aus, als hätte Tann da noch eine Aufgabe zu erledigen. Aso ging er zum Strand hinunter, als die Aufräumarbeiten vorerst abgeschlossen waren.


Doch unterwegs machte ihn die Sirene namens Nero auf Akara aufmerksam, die mit dem heftig schreienden Jungen auf dem leergefegten Rastplatz stand und offensichtlich sehr überfordert mit dem Kleinkind zu sein schien.


Ohne zu zögern ging Tann zu ihr rüber und fragte: „Kann ich dir helfen?“
      „Ich… ähm… ich weiß nicht“, stammelte sie. „Er ist schon wieder krank. Wenn er krank ist, schreit er immer viel.“
      „Schon wieder? Ist er etwa viel krank?“
      „Ja. Malah und die anderen Kinder waren nicht einmal halb so oft krank.“
      Und Tann hatte das nicht einmal gewusst. Es machte ihm natürlich Sorgen, aber er wusste auch, dass Kinder öfter krank waren. Das pendelte sich in den meisten Fällen wieder ein, wenn sie älter wurden. Hoffentlich würde das auch bei Nero der Fall sein.


„Gib mir den kleinen Mann mal. Ich kümmere mich schon um ihn“, bot er an.
     Da Akara sich ziemlich sicher war, dass Rahn nichts dagegen hatte, dass der Opa auf Nero aufpasste, übergab sie den kleinen Jungen erleichtert. Schon als Nero bemerkte, dass er den Träger wechseln würde, war er plötzlich still und ganz begierig darauf, zu Tann zu kommen. Kurz darauf hatte der seinen Enkel das erste Mal auf dem Arm, während Akara schnell das Weite gesucht hatte. 


Es war ein merkwürdiger Moment, plötzlich allein mit seinem Enkel zu sein, den er bislang so schändlich missachtet hatte. Er bereute das zutiefst, aber er würde alles tun, um es von nun an besser zu machen.


„Na, mein kleiner Nero?“
     „Neo! Neo!“, plapperte der Kleine aufgeregt.
     „Ja, das bist du. Und ich bin dein Opa Tann.“
     „Opapann!“


Tann lächelte liebevoll. „Fast.“ Dann wurde er wieder ernst. „Ich bin wohl selber schuld daran, dass du mich noch gar nicht kennst. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich das Wichtigste völlig vergessen habe: nämlich dich. Aber von jetzt an bin ich für dich da, das verspreche ich dir.“
     Nero beantwortete das, indem er seine ersten kleinen Beißerchen zeigte.
     „Wird Zeit, dass wir uns um deine Oma kümmern.“


Und während das Kind noch immer Opapann sang, unterbrochen von Schniefen und Husten, ging Tann zum Stand hinunter, wo Dana neben Ragna stand, der mit einer Sandburg zu ihren Füßen spielte. Die älteren Kinder waren weiter unten, wo Alin gerade Aufstellung vor ihnen bezogen hatte. Eines der Zelte vom Handelsposten fehlte und den Dingen, die neben den Kindern im Sand aufgetürmt waren zu urteilen, hatten sie dem Händler geholfen, die vom Wind verstreuten Waren wieder einzusammeln. Tann konnte sich schon vorstellen, dass der Sturm ihn ganz besonders hart getroffen hatte. Er hatte die letzte Zeit begonnen, ein Haus zu bauen, doch auch davon fehlte auch jede Spur.
      Dana wurde nun auf ihn aufmerksam, aber als sie Nero in seinen Armen bemerkte, kräuselte sich ihre Nase verräterisch. Tann nahm sich erst die Zeit dazu, den Kleinen runterzulassen, damit er mit dem anderen Kleinkind spielen konnte. Dann erst wandte er sich ihr zu.


„Ich habe gehört, dass du dich bislang noch nicht um Nero gekümmert hast“, begann er geradeheraus. „Ich habe das bis jetzt auch versäumt, und deshalb möchte ich nicht mit Steinen werfen, aber dennoch würde ich gerne wissen, wie es kommt, dass Akara auf Nero aufpassen muss, obwohl du eigentlich auf alle Kinder aufpassen solltest.“
     „Was willst du von mir hören, Tann? Du von allen Leuten weißt doch selber genau, wie schwer es war, Diana zu verlieren.“ 
     „Und was hat das mit Nero zu tun?“, fragte er verständnislos.
     „Alles!“, rief Dana mit einem bitteren Gesicht.
     „Was alles? Sag mir nicht, dass du ihn für Dianas Tod verantwortlich machst.“


Sie brauchte einen Moment, bevor sie antwortete: „Ich weiß, dass er nicht schuld ist, okay? Ich weiß auch, dass ich froh sein sollte, dass wenigstens er überlebt hat. Dass er Dianas Sohn ist und mein Enkel, aber… ich kann einfach nichts dagegen tun, dass ich mir wünschte, dass er anstatt Diana gestorben wäre.“
     Tann war zutiefst erschüttert, das zu hören. „Wenn Diana das hören würde, wäre sie ehrlich enttäuscht von dir.“


„Sie ist aber nicht hier! Sie wird nie wiederkommen!“, schrie sie ihn plötzlich an.


Sie hatte um Diana getrauert, hatte um ihre Tochter geweint, als sie gestorben war, aber dennoch brachen die Tränen nun wieder aus ihr heraus. Niemand hatte ihren Schmerz, den Schmerz eines Elternteils, bislang so verstehen können wie Dianas Vater. Doch sie hatten bislang versäumt, gemeinsam zu trauern.


Also weinte sie hemmungslos und Tann nahm sie schließlich tröstend in den Arm.
     „Sie fehlt mir so…“, brachte sie heraus.
     „Ich weiß. Mir fehlt sie auch.“
     „Wie kann ich nur… Nero kann sie niemals ersetzen!“
     „Das soll er auch nicht. Niemand kann das“, sagte er behutsam. „Aber Tanna hat sie gesehen, Dana.“


Dana löste  sich aufgebracht von ihm. „Was?“
     „Als ich mich… von der Klippe stürzen wollte, kamen die Geister derer, die mir lieb und teuer waren. Sie spürten meinen Todeswunsch und wollten mir helfen. Diana war auch dabei, hat Tanna gesagt.“
     „Und du weißt ja auch so genau, dass sie dir nicht nur das Blaue vom Himmel erzählt hat!“
     „Ich glaube ihr. Ich glaube daran, dass sie Diana gesehen hat. Dass unsere Tochter über uns wacht, seitdem sie fort ist. Über uns, über Rahn, und vor allen Dingen über Nero. Tanna sagte, dass sie Diana oft bei Nero und Rahn sieht. Aber dieses eine Mal war sie bei mir, und weißt du, was Tanna sagte, Diana von mir wollte?“
     „Was denn?“, gab Dana gereizt zurück.
     „Dass ich auf Nero aufpasse. Es ist ihr Wunsch, und du weißt, dass es wahr ist. Es waren schließlich ihre letzten Worte, dass Rahn auf Nero aufpassen soll. Du weißt selber ganz genau, wie wichtig der Kleine ihr schon immer war. Und wenn sie erfahren würde, dass ihre eigene Mutter ihren Sohn für ihren Tod verantwortlich macht und nichts mit ihm zu tun haben will, was glaubst du, würde sie wohl darüber denken?“


Sie war getroffen, das konnte er sehen. Sie bekam ein schlechtes Gewissen, so, wie er es vorher auch gehabt hatte. Zu Recht. Also ging er, um Nero vom Boden aufzulesen und ihn ihr vorzuhalten. Der Junge brabbelte etwas Unverständliches und lachte dann, als er Danas erschrockenes Gesicht sah.
     „Er ist Diana ähnlich“, sagte Tann. „Er erinnert mich an sie, als sie auch so klein war.“


Dana nahm den Kleinen schließlich zögerlich entgegen und als sie ihn erst einmal im Arm hatte, wurde ihr Gesicht ganz weich. Sie lächelte, ihre Augen leuchteten, während Nero ihr jetzt vorführte, wie toll er „Opapann“ sagen konnte.


„Danke, Tann…“ 
     Es war alles, was sie mit brüchiger Stimme sagte, aber es bedurfte auch gar keiner Worte mehr. Tann war einfach nur froh, als er sah, wie Dana endlich Frieden mit ihrem Enkel schloss. Etwas, das nur er hatte erreichen können, der er den Schmerz über den Verlust ihres Kindes verstehen konnte. 
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Hier weiterlesen -> Kapitel 82 

Klarstellung: Tann ist jetzt natürlich noch nicht geheilt, aber es wurden erste Schritte getan. Dass er sich mit seiner Familie halbwegs aussöhnen konnte und dass er vor allen Dingen mit Dana, der Mutter seiner Tochter, gemeinsam trauern konnte, war schon einmal sehr wichtig für ihn und es wird ihm vielleicht helfen, nicht mehr sterben zu wollen. Was, wie gesagt, natürlich nicht heißt, dass seine Depression geheilt ist. Aber Depression muss nicht gleich mit Selbstmordgedanken einhergehen.
Nachfolgend habe ich noch ein Bilder ein paar für euch:

Takka ist wohlauf, wie ihr seht.


Nero und seine Großeltern waren einfach zu süß miteinander. Ich hatte so viele niedliche Bilder mit den dreien, dass ich mich gar nicht richtig entscheiden konnte. Hier noch ein paar:


Und zu guter Letzt, war mammut so lieb, mir wunderschöne, historische Boote für meine Seefahrer zu bauen und ich habe sie gleich mal meinen Leuten (aus Wulfgars Geschichte) gezeigt:


Isaac hat das Boot so gut gefallen, dass er sofort eine kleine Testrunde gedreht hat (und er hat sich für euch auch extra was angezogen 😉):


Und auch in Ur/Eridu kam das andere Boot super an.


Auch wenn ich von Puabi (das war Ragnas Frau) ausrichten soll, dass sie traurig ist, dass einer ihrer Jungs jetzt zur See fährt.


Ich möchte mich hier nochmal für die tollen Boote bei mammut bedanken und auf den Thread verlinken, wo die Boote herkommen. Talentierte CC-Ersteller haben sich im Simszoo nämlich zusammengeschlossen und daran gewagt, die "Nordische Antike" und die Wikinger mit neuen Sachen zu bereichern. Den Thread findet man hier, für alle, die es interessiert, ansonsten findet man die Boote (und andere tolle Sachen) natürlich unter den Downloads (Boot Nr.1 hier und Boot Nr. 2 hier).

Zurück zum Thema, geht es nächstes Mal dann mit den Kindern weiter, da Ragna und Nero Geburtstag hatten.

Bis dahin, danke für eure Aufmerksamkeit und ich verabschiede mich. 

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