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Mittwoch, 20. Juni 2018

Kapitel 56 - Neid und Missgunst - oder - Elrik und die Laune des Wassers



Akara konnte es nicht ertragen, Tanna ins Gesicht zu sehen. Sie konnte es nicht einmal ertragen, mit der anderen Frau im selben Raum zu sein. Von einem Moment auf den anderen war ihr Elriks Mutter, die sie eigentlich immer gut hatte leiden können, zutiefst zuwider geworden. Wenn sie sie sah, wie sie redete, lachte, scheinheilig und unschuldig, als hätte sie nichts getan, kam ihr die Galle hoch. Sie wollte ihr am liebsten ins Gesicht spucken, wenn sie ihren Unmut schon nicht in die Welt hinausschreien konnte.
      Wie konnte diese unverschämte Frau es wagen, so unbeschwert und glücklich zu sein, während Tann noch immer in Lebensgefahr schwebte? Akara wusste es nicht. Sie hatte keine Antwort auf diese Frage. Und das machte sie so unfassbar wütend.
      Die Wut war ein alter Begleiter von ihr. Wie ein steter Wegbegleiter. Ein falscher Freund, der einem lächelnd das Messer in den Rücken rammte. Sie kannte die Wut. Den Hass. Abscheu. Sie hatte das alles so oft in den Augen ihrer Mitmenschen gesehen und nicht selten hatten auch ihr diese Blicke gegolten, aber sie hätte niemals gedacht, dass sie einmal selber so empfinden würde.  


Doch schlimmer noch als die Wut war die Hilflosigkeit, die sie fest im Griff hatte, seitdem ihre Mutter sie gebeten hatte, Stillschweigen über das zu bewahren, was sie gesehen hatte. Die Affäre, die Liebelei von Tanna und Leah, während es noch immer unklar war, ob es Tann überhaupt schaffen würde zu überleben.
     Ein kühler Wind schlich sich an sie heran und ließ sie frösteln. Ihr Blick fiel auf das kleine Menschlein, das unter ihr im Bettchen lag und mit neugierigen Augen zu ihr aufsah.
     ‚Was nur tue ich hier?‘, musste sie plötzlich denken.
     Malah streckte die Hände nach ihr aus und gluckste, aber Akara machte keine Anstalten, auch nur einen Finger zu bewegen. Das kleine Mädchen, das so weit weg schien, das ihr so fremd war. Sie fühlte sich so kalt und leer, wenn sie es ansah. Als würde es nicht zu ihr gehören. Elrik sagte immer, dass Malah ein Teil von ihnen beiden sei. Wenn er über seine Tochter sprach, leuchteten seine Augen voller Liebe. So, wie sie es damals auch immer getan hatten, wenn er sie, die Mutter seiner Tochter, angesehen hatte, und so, wie sie wahrscheinlich noch niemandem in ihrem Leben angesehen hatte.
      Sie fühlte sich so leer.


 Das Geräusch der sich öffnenden Tür zerschnitt ihre Gedanken und als sie nachsah, blieb ihr Herz beinahe stehen. Da war Tann, der vorhin, als sie das Haus verlassen hatte, noch nicht einmal bei Bewusstsein gewesen war. Sie hatten es noch nicht einmal geschafft, seine blutige Tracht wieder in Ordnung zu bringen, aber er war bereits wieder auf den Beinen.
      Sein Anblick riss ihr die restliche Wut aus dem Bauch und die Leere, die die Wut zurückgelassen hatte, wurde von etwas ersetzt, das sie überhaupt nicht deuten konnte. War es Schuld? Erleichterung? Es fühlte sich nicht unbedingt gut an und doch war da etwas, das sie dazu bewog, sich trotzdem in Bewegung zu setzen und zu ihm zu gehen.


Bevor sie wusste, was sie tat, hatte sein Name ihre Lippen verlassen und sie stand vor ihm. Er drehte sich um, als er ihrer gewahr wurde und da erstarrte sie auf der Stelle. 
     „Tann! Du bist ja wieder wach! Wie geht es dir?
     „Jetzt, da ich gegessen habe und man mich endlich mal wieder aufstehen lässt, eigentlich ganz gut“, hörte sie ihn sagen. Sie mochte seine Stimme. Sie hatte es so vermisst, sie zu hören. „Und du? Dieser Kerl letztens hat dich doch nicht verletzt, oder?“
     „Weil du da warst, ist mir nichts passiert“, sprudelte es aus ihr heraus. „Ich bin so froh, dass du da warst! Du hast mich gerettet! Du bist ein richtiger Held!“
     Tann verschluckte sich beinahe an seiner eigenen Spucke, dann jedoch hob er abwehrend die Hände. „Ich habe nur meine Pflicht getan.“
      ‚Endlich‘, fügte er in Gedanken hinzu. ‚Diesmal konnte ich den Stamm endlich beschützen.‘
      „Ich bin jedenfalls froh, dass nichts passiert ist. Nicht auszudenken, wenn euch oder den Kindern etwas passiert wäre“, sagte er.


Dann verstummte er und auch Akara hatte nichts mehr zu sagen. Eigentlich hatte sie ihm ja ziemlich viel zu sagen; das Problem war bloß, dass sie zum Schweigen verdammt war.
      Sie zögerte, dann konnte sie es aber doch nicht lassen zu fragen: „Ähm… ich muss dich mal etwas fragen.“ Als er aufsah, fuhr sie fort: „Tanna ist doch deine Gefährtin, oder?“
     Sofort legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, das ihr da überhaupt nicht gefiel. „Ja, das ist sie. Und ich habe großes Glück, so eine tolle Frau wie sie zu haben.“
     Das ist nicht fair! So überhaupt nicht fair!‘, fuhr es ihr durch den Kopf. ‚Womit hat sie ihn nur verdient? Und womit hat Tann es verdient, derart dreist belogen und betrogen zu werden?‘
     Hass, Wut, Abscheu und zu guter Letzt Neid und Missgunst. Sie hatten sie ihr Leben lang begleitet und nun waren sie ein Teil von ihr geworden.


Bevor sie sich versah, war es geschehen und sie hatte gesagt: „Dann solltest du vielleicht wissen, dass ich sie mit meiner Mutter erwischt habe. Sie betrügt dich, Tann!“
      Seine wunderbaren, blauen Augen wurden groß und sein Schrecken traf sie so unvermittelt, dass sie selbst erschrocken zusammenzuckte.
     „Was? Das… das kann nicht sein! Da muss ein Irrtum vorliegen!“
      Nur, wenn er noch gelacht hätte, hätte es sie noch mehr geärgert. Es tat so weh. Also kehrte die Wut in sie zurück und füllte die Leere, die sich erneut in ihr auszubreiten begann.
     „Es ist aber wahr!“, erwiderte sie verärgert. „Wenn du mir nicht glaubst, dann frag sie doch selbst!“
     Die erschrockenen Augen versuchten noch einen Moment länger, an ihrer Wut zu rütteln, dann jedoch nahm er sie von ihr und verschwand wieder im Haus, wo er kurz zuvor erst hinausgekommen war.
     Und als er verschwunden war, fiel Akaras Wut nun doch in sich zusammen. 
     Was nur hatte sie gerade getan?


Kurz darauf flog die Tür erneut auf und diesmal spuckte sie Tann und Tanna aus. Akara war da bereits im Schuppen in Deckung gegangen, was eine weise Entscheidung war. Denn schon anhand von Tannas strammem Gang sah sie, dass die andere Frau stinksauer war. Und obwohl sie selber noch immer wütend auf Tanns Gefährtin war, wollte sie sich momentan lieber nicht mit ihr anlegen.


 Deshalb war es Tann, der sich Tannas Wut als Erster stellen musste. Als sie vor ihm anhielt, die Arme verschränkt, und ihn wütend anfunkelte, rutschte ihm für einen Augenblick das Herz in die Hose. Aber nicht aus Angst vor ihr, sondern aus Sorge, dass Akara tatsächlich recht haben könnte.
     „Was willst du jetzt von mir hören, Tann?“, fing Tanna an, als er stumm blieb.
     „Was Akara gesagt hat… stimmt das?“
     „Ja, es ist wahr“, gab sie unumwunden zu. „Und jetzt, da es raus ist, kann ich es dir ja auch sagen: Ich will nicht mehr deine Gefährtin sein, Tann.“


Mit einem Schritt war Tann bei ihr und hatte ihr eine Hand an die Wange gelegt. „Aber Tanna, warum denn? Ich…“
     Tanna drehte angewidert ihren Kopf weg, dann stieß sie ihn vollends von sich. 
     „Meine Entscheidung steht und daran gibt es nichts zu rütteln. Ich habe dir zwei Kinder geboren und habe dich unterstützt, während du den Stamm angeführt hast. Ich habe meine Aufgabe erfüllt und jetzt will ich nicht länger an deiner Seite sein.
     Sie machte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte: Ich hätte es dir auch schon viel früher gesagt, aber ich habe es aus Rücksicht Elrik gegenüber nicht getan.“


Tann tat ihr nicht den Gefallen, das Gespräch fortzuführen, sondern starrte sie nur ungläubig an. Sein Gesicht eine Maske der Bestürzung.
     Deswegen fuhr Tanna fort: „Ich möchte auch, dass du dich in Zukunft dieser Akara gegenüber zurücknimmst! Dass du dich andauernd um sie kümmerst, ist diesem naiven Mädchen wohl zu Kopf gestiegen. Sie himmelt dich jedenfalls an und das muss aufhören, sonst zerstörst du noch die Familie deines Sohnes.“


Akara hätte zu gerne gewusst, was Tann und Tanna miteinander besprachen. Sie konnte sich schon vorstellen, dass das Gespräch nicht sonderlich erfreulich verlief. Aber obwohl sie gerne näher rangegangen wäre und gelauscht hätte, traute sie sich nicht aus ihrem Versteck. Als Tanna kurz darauf mit wutentbranntem Gesicht um die Ecke bog, war sie auch ganz froh über diese Entscheidung.


Sie schlüpfte aus ihrem Versteck, kaum, dass sie die Tür gehen hörte, und dann ging sie, um nach Tann zu sehen. Sie wusste nicht, was sie vorzufinden erwartete, aber als sie den heldenhaften, starken Mann da sah, wie er sein Gesicht in den Händen verbarg, erschütterte sie das zutiefst.


Mit einem Satz war sie bei ihm und hatte ihm die Hände auf die Schultern gelegt.
     „Tann! Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“
     ‚Als ob ich das nicht ganz genau wüsste‘, hörte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf vorwurfsvoll sagen.
     Der Angesprochene brauchte einen Moment, dann trat er einen Schritt zurück und sah sie mit leeren Augen an, die sie erschraken.


 „Tanna sagte, dass du mich anhimmeln würdest. Stimmt das?“, fragte er plötzlich.
     Ihr Herz verkrampfte sich, als sie das hörte und ein dicker Klumpen bildete sich in ihrer Kehle. Sie wollte es verneinen, aber da fiel ihr plötzlich auf, dass es genau so war. Er hatte recht. Das war es gewesen, was sie all die Zeit über beschäftigt hatte. Was sie und ihr Herz in Aufruhr versetzt hatte.


„Und wenn es so ist?“, hörte sie sich sagen und sie erschrak selber über ihre Direktheit. „Ist das so schlimm für dich, jetzt, wo Tanna dich verlassen hat?“


Doch Tann zögerte nicht, um sofort auf Abstand zu gehen. Seine Hände wie eine Mauer zwischen ihnen erhoben. Ein Knoten bildete sich in ihrer Brust und sie konnte nichts anderes tun, als hilflos die Hände nach ihm auszustrecken, die ihn nicht erreichen würden.
     „Das wird niemals passieren, Mädchen! Ich habe überhaupt kein Interesse an dir!“


Bevor noch weitere Worte fallen konnten, die ihr wie kleine Messer ins Herz stachen, hatte er sie stehen lassen. Ihr Herz blutete, aber alles, was man sehen konnte, waren die Tränen, die ihr nun kamen. Bitterlich schluchzend blieb sie allein zurück.


Elrik erwachte am nächsten Morgen wie gewöhnlich als Erster. Früher hatte er sich gerne noch ein paarmal gedreht, als die meisten anderen schon längst ihren Tagesgeschäften nachgingen, aber das war nicht mehr drin, seitdem er den Stamm anführte. Diesen Luxus konnte er sich nicht länger leisten. 
     Manchmal vermisste er das. Aber solange ihn Akaras friedlich schlafendes Gesicht am Morgen begrüßte, war alles in bester Ordnung.


Nur, dass es das an diesem Morgen nicht tat. Anstatt seine Liebste neben sich vorzufinden, schien ihr Schlafplatz unberührt und das beunruhigte ihn sofort. Er wusste, dass sie gerne bis spät in die Nacht hinein aufblieb, aber dennoch sah es ihr nicht ähnlich, bis in die frühen Morgenstunden wachzubleiben. Die ganze Sache mit dem Räuber schien sie anscheinend doch mehr mitzunehmen, als dass sie es zugeben wollte.
     Eilig schlüpfte er in seine Sachen, die ihm heute merkwürdig eng und erdrückend vorkamen und ging, um nach seiner Gefährtin zu suchen.


Er fand sie glücklicherweise schnell. Sie lehnte am Schuppen, aber auch das erste, rosige Tageslicht konnte die Sorge in ihrem Gesicht nicht übermalen. Die Erleichterung, sie gefunden zu haben, wich erneut Sorge.
     Sie bewegte sich nicht einmal, als er sich ihr näherte. „Was ist denn los? Geht es dir nicht gut?“, fragte er besorgt.
     Da erst richteten sich ihre Augen auf ihn. Nur einen Augenblick lang. Dann stieß sie sich von der Wand ab und wich seinem Blick aus.


 „Ich muss mit dir sprechen, Elrik.“ Sie schwieg einen Moment, als würde sie warten, dass er etwas sagte, dann erst fuhr sie fort: „Ich… muss dir sagen, dass ich nicht mehr deine Gefährtin sein will.“
      Er sah sie an. Das erste Sonnenlicht in ihrem schönen Gesicht, das einen immer gelblicheren Ton annahm. Die sanften, grünen Augen, die ihn nun entschuldigend trafen. Er sah das alles, hörte ihre Worte, aber er konnte es nicht wahrhaben.
     „Was?“, hörte er sich schließlich sagen und seine eigene Stimme klang so weit entfernt.
     Sie wiederholte, was sie gesagt hatte, als hätte er es nicht gehört. Doch erneut erreichten ihre Worte ihn nicht. Als würde eine unsichtbare Barriere ihn davon abhalten zu begreifen.


Plötzlich stand seine Mutter neben ihm und er erwischte sich bei der Frage, wie sie da hingekommen war. Alles um ihn herum schien so unwirklich. Ob er wohl noch immer träumte? Es war jedenfalls kein sehr schöner Traum.
     „Was denkst du dir dabei, Elrik im Stich lassen zu wollen? Glaubst du etwa, dass Tann dich nimmt, jetzt, wo ich ihn verlassen habe? Dass du mit ihm besser beraten bist? Denn wenn du das glaubst, dann liegst du falsch!“, drang die herrische Stimme seiner Mutter zu ihm vor.
     Plötzlich spürte er die Kälte des herbstlichen Morgens. Die Barriere war gefallen.
     „Was?“
     Tanna wandte sich ihm zu. Ihr Gesicht voller Abscheu. „Sie hat Interesse an deinem Vater.“


Elrik wusste gar nicht, wie ihm zumute war, als er das hörte. Er starrte seine Mutter an, dann wanderte sein Blick zu Akara rüber, die sichtlich in sich zusammengesunken war. Dann jedoch seufzte sie plötzlich und als sie ihn jetzt direkt ansah, war nur noch Bedauern in ihren Augen.
     „Dein Vater hat nichts damit zu tun, dass ich dich verlassen will, Elrik.“ Sie stockte. „Es stimmt, dass ich ihn… mag…. aber er hat mir gestern noch gesagt, dass ich mir keine Hoffnungen diesbezüglich machen soll. Nein, ich verlasse dich, weil ich dich nicht liebe. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich dich niemals wirklich geliebt habe. Ich… war einfach so aufgeregt, als du dich für mich interessiert hast. Es hat sich zuvor noch nie jemand für mich interessiert. Aber letztendlich…. habe ich dich nie geliebt. Ich hatte gar nicht die Zeit dazu, dich wirklich richtig kennenzulernen. Es ging alles viel zu schnell. Ich…“


Plötzlich schweifte ihr Blick ab und ihre Augen wurden groß. Als Elrik ihrem Blick folgte, bemerkte er, dass sein Vater aus dem Haus gekommen war und dass er es war, den sie nun anstarrte. Den sie alle anstarrten. Wütend. Erschrocken. Resigniert.


Auch Tann war derweil auf die Versammlung aufmerksam geworden und er war stehengeblieben. Als Elrik zu ihm hinüberging und ihn ansah, traf ihn beinahe derselbe leere Blick, den auch er momentan zur Schau trug.
     „Kümmere dich wenigstens besser um sie als um Mutter“, hörte er sich sagen.
     Da kehrte das Leben in die Augen seines Vaters zurück, aber Elrik war bereits gegangen.


Er konnte ihn nicht länger ansehen. Er konnte ihn nicht länger ertragen. Niemanden von ihnen. Akara. Seine Mutter. Sein Vater. Wenn er länger bleiben würde, würde er sich vollkommen selbst verlieren. Er war es so leid.


Er rannte so schnell als wäre ein ganzes Rudel Wölfe hinter ihm her. Seine Lunge sollte brennen, der Schweiß sollte ihn durchnässen und ihm kalt werden lassen. Er wollte nicht daran denken, was gerade geschehen war. Wollte davonlaufen vor der Wahrheit und der Erkenntnis.
     Doch als das Meer ihm schließlich den Weg abschnitt und ihn dazu zwang, anzuhalten, da brannten seine Lungen nicht und ihm war auch nicht kalt. Im Gegenteil. Er war so erhitzt, so vollkommen erfüllt von Wut, dass er nicht länger an sich halten konnte.


Also schrie er. So lange und so laut, bis er heiser war und sein Hals ihm schmerzte. 
     Wie konnten sie ihm das nur antun? 
     Er hatte alles für Akara getan, hatte einen Weg eingeschlagen, den er nicht mehr hatte gehen wollen, nur, um mit ihr zusammen sein zu können.
     Wofür das Ganze? Wofür hatte er all das getan? All diese Dinge durchgestanden, wenn er jetzt, am Ende, doch nur wieder allein war? Wozu war er bitte Stammesführer geworden?
     Und wie sollte er jetzt weitermachen?


Er hatte keine Antwort auf diese Fragen. Auf keine von ihnen. Und als die Wut ihn verließ, ließ sie ihn hilflos, schwach und entkräftet zurück und er konnte nichts anderes tun, als in sich zusammenzusinken und zu weinen.
     Und da saß er nun und weinte, während die Versammlung, die er mit den anderen Stämmen wegen des Angriffes einberufen hatte, kam und ging. Er dachte nicht daran. Auch nicht an all die anderen Sachen. Es war ihm egal, wer seinen Vater angegriffen hatte oder ob der Händler, der behauptet hatte, nichts damit zu tun zu haben, es nicht doch gewesen war. Manchmal ertappte er sich sogar bei dem Wunsch, dass der Räuber seinen Vater einfach umgebracht hätte. Das war der einzige Moment, in dem er sich wegen etwas anderem schlecht fühlte als Akara.
     Und die Zeit verging, während er nichts anderes tat, als zu existieren.


Manchmal war der Drang zu sterben zu groß.


An solchen Tagen suchte sie sich eine schöne, steile Klippe und sprang hinunter ins Meer.


Im Winter, im Herbst und an manchen Frühlingstagen stach das eiskalte Wasser ihr dann wie tausend Nadeln ins Fleisch und betäubte ihren Schmerz.


Sie wartete darauf, dass die Wellen sie aufs offene Meer hinaustrugen, damit sie endlich sterben konnte.


Während sie den Wolken über sich beim Vorbeiziehen zusah, froh darüber, ihren Gedanken entkommen zu sein.


Doch das Meer hatte sie niemals mit sich genommen. Die Wellen hatten sie immer wieder zum Strand zurückgetragen und wenn sie die Schwerelosigkeit des Wassers verließ und den harten Sand an ihrem Rücken spürte, kehrte auch die Schwere der Realität zu ihr zurück.


Eine Realität, der sie um jeden Preis zu entfliehen versuchte und die sie doch immer wieder einholte und erdrückte. Sie einquetschte. Wie seine Umarmung. Schmerzhaft und grauenvoll. Die Dinge, an die sie nicht denken wollte. Die Dinge, die sie vergessen wollte und die sie doch immer und andauernd verfolgten.
     Wann wird es enden? Wann darf ich gehen?
     Sie konnte ihrem Schmerz nicht entkommen. So auch an diesem Tag nicht. Doch an diesem Tag war es dennoch anders. Denn heute war sie nicht allein, als sie in die kalte Realität zurückkehrte.


Als sie sich dazu entschied, die Augen auf denjenigen zu richten, der über ihr hockte, erkannte sie Elrik in dem zusammengekauerten Häufchen Elend. Da war sie sofort auf den Beinen – oder besser gesagt auf ihren vier Buchstaben.
     „Hallo, Elrik-Häuptling! Was ist los? Du siehst traurig aus.“
     „Ich bin auch traurig“, kam gedämpft zurück.
     „Warum?“
     „Akara hat mich verlassen.“


 „Wieso? Warst du etwa nicht gut zu ihr?“
     Da kam er aus seinem Schneckenhaus, in das er sich verkrochen hatte und sah auf seine Hand hinab. „Anscheinend nicht gut genug.“


Als er den Kopf erneut in der Umklammerung seiner Arme vergrub, entschied sich Anya dazu, dass das Gespräch zu Ende war. Eine Weile beobachtet sie, wie sich zwei Möwen um einen Krebs stritten. Sie fragte sich, wie es wohl war zu fliegen. Frei über allem zu schweben. Dann spielte sie mit dem Gedanken, die Möwen davonzujagen und den Krebs selber mit nach Hause zu nehmen.


Da aber kam ihr plötzlich eine ganze andere Idee. „He, jetzt, wo du keine Frau mehr hast, kann ich das doch sein, oder?“, sagte sie zu dem Haufen Elend, der noch immer seine Knie fest umschlungen hielt.
     Ein vorsichtiger Blick. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.


Mit einem Mal war er auf den Beinen und sah auf sie hinab.
      „Weißt du was? Von mir aus. Erwarte nur keine Gefühlsduseleien von mir oder dass ich mich um dich kümmere.“
     Da war auch Anya sofort auf den triefend nassen Beinen. Sie klatschte erfreut in die Hände, wobei ein nasser Sandregen niederging und sie verbrachte eine Weile mit Jubeln, während Elrik sich in grimmiges Schweigen hüllte.


Dann schließlich hatte er sie am Arm hängen.
     „Ich werde dir eine gute Frau sein, versprochen!“
     Er hatte nie wieder etwas von irgendwelchen Frauen wissen wollen. Sie konnten ihm gestohlen bleiben! Frauen, die Liebe, der Stamm, einfach alles!
     Eine tiefe Leere hatte sich in ihm ausgebreitet, die ihn zu verschlingen gedroht hatte. Und dann war ihm plötzlich alles egal geworden. Er hatte alles verdrängt - es war der einzige Weg, um sich zu retten. Er würde weiter existieren, er würde weiter bestehen. Nur sein Herz würde er nie wieder verschenken, das schwor er sich. Er würde nie wieder jemanden so nahe an sich ranlassen, dass man ihm wehtun konnte.
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Hier weiterlesen -> Kapitel 57 

Nach dem, was letztes Kapitel passiert ist, sind jetzt bestimmt einige Fragen entstanden. Sowas wie: Wie geht es Tann? Oder: Wer war der Räuber? Was hat es jetzt mit dem Händler auf sich?
Ich habe auch überlegt, vor allen Dingen den Händler hier nochmal vorkommen zu lassen, habe mich dann aber dagegen entschieden. Er wird noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen. Er wird also nicht unter meinem Teppich verschwinden, keine Sorge, meine Wollmäuse bleiben unter sich.

Was nun dieses Kapitel angeht: Ich hatte ursprünglich nicht geplant, Anya überhaupt in den Stamm zu holen. Eigentlich sollte Akara Elriks Frau bleiben. Aber nach dem Hintergrund, den ich Anya gegeben hatte, tat sie mir so leid. Ich konnte sie nicht untergehen lassen.
Und was sie und Rahn angeht... Naja, dazu an anderer Stelle mehr.
Jedenfalls fand ich immer mehr, dass sie super zu Elrik passen würde. Und die Sims selber finden das übrigens auch:




Wie sich herausstellte, haben beide sogar etwas gemeinsam: Sie sind beide gut. Bei Elrik hatte ich ja meine Finger im Spiel, aber Anyas Merkmale sind alle ausgewürfelt.


Sind sie nicht süß zusammen? (Ignoriert einfach mal das Handy. Das ist eine... ähm... göttliche Runentafel oder so ^^')

Und ganz nebenbei fand ich auch, dass Tann und Akara sich echt gut zusammen machen würden. Was beide Sims übrigens auch fanden. Aber ob das mit den beiden noch was wird oder nicht, steht natürlich auf einem anderen Blatt. 

Nächstes Mal dann hat auch Anya mit ihrer dunklen Seite und ihrer Vergangenheit zu kämpfen.

Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen und ich verabschiede mich.  

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