Akara konnte es nicht ertragen, Tanna ins Gesicht zu
sehen. Sie konnte es nicht einmal ertragen, mit der anderen Frau im selben Raum
zu sein. Von einem Moment auf den anderen war ihr Elriks Mutter, die sie
eigentlich immer gut hatte leiden können, zutiefst zuwider geworden. Wenn sie
sie sah, wie sie redete, lachte, scheinheilig und unschuldig, als hätte sie
nichts getan, kam ihr die Galle hoch. Sie wollte ihr am liebsten ins Gesicht
spucken, wenn sie ihren Unmut schon nicht in die Welt hinausschreien konnte.
Wie konnte
diese unverschämte Frau es wagen, so unbeschwert und glücklich zu sein, während
Tann noch immer in Lebensgefahr schwebte? Akara wusste es nicht. Sie hatte keine Antwort auf diese
Frage. Und das machte sie so unfassbar wütend.
Die Wut war
ein alter Begleiter von ihr. Wie ein steter Wegbegleiter. Ein falscher
Freund, der einem lächelnd das Messer in den Rücken rammte. Sie kannte die Wut.
Den Hass. Abscheu. Sie hatte das alles so oft in den Augen ihrer Mitmenschen
gesehen und nicht selten hatten auch ihr diese Blicke gegolten, aber sie hätte niemals
gedacht, dass sie einmal selber so empfinden würde.
Doch schlimmer noch als die Wut war die Hilflosigkeit,
die sie fest im Griff hatte, seitdem ihre Mutter sie gebeten hatte, Stillschweigen
über das zu bewahren, was sie gesehen hatte. Die Affäre, die Liebelei von Tanna
und Leah, während es noch immer unklar war, ob es Tann überhaupt schaffen
würde zu überleben.
Ein kühler
Wind schlich sich an sie heran und ließ sie frösteln. Ihr Blick fiel auf das
kleine Menschlein, das unter ihr im Bettchen lag und mit neugierigen Augen zu
ihr aufsah.
‚Was nur tue ich hier?‘, musste sie
plötzlich denken.
Malah
streckte die Hände nach ihr aus und gluckste, aber Akara machte keine Anstalten,
auch nur einen Finger zu bewegen. Das kleine Mädchen, das so weit weg schien,
das ihr so fremd war. Sie fühlte sich so kalt und leer, wenn sie es ansah. Als
würde es nicht zu ihr gehören. Elrik sagte immer, dass Malah ein Teil von
ihnen beiden sei. Wenn er über seine Tochter sprach, leuchteten seine Augen voller Liebe. So, wie sie es damals auch immer getan hatten, wenn er sie, die Mutter seiner Tochter, angesehen hatte, und so, wie sie
wahrscheinlich noch niemandem in ihrem Leben angesehen hatte.
Sie fühlte
sich so leer.
Das Geräusch der
sich öffnenden Tür zerschnitt ihre Gedanken und als sie nachsah, blieb ihr Herz
beinahe stehen. Da war Tann, der vorhin, als sie das Haus verlassen hatte, noch nicht einmal bei Bewusstsein
gewesen war. Sie hatten es
noch nicht einmal geschafft, seine blutige Tracht wieder in
Ordnung zu bringen, aber er war bereits wieder auf den Beinen.
Sein Anblick
riss ihr die restliche Wut aus dem Bauch und die Leere, die die Wut zurückgelassen hatte,
wurde von etwas ersetzt, das sie überhaupt nicht deuten konnte. War es Schuld?
Erleichterung? Es fühlte sich nicht unbedingt gut an und doch war da etwas, das sie dazu
bewog, sich trotzdem in Bewegung zu setzen und zu ihm zu gehen.
Bevor sie wusste, was sie tat, hatte sein Name ihre
Lippen verlassen und sie stand vor ihm. Er drehte sich um, als er ihrer gewahr
wurde und da erstarrte sie auf der
Stelle.
„Tann! Du bist ja wieder wach! Wie geht es dir?“
„Tann! Du bist ja wieder wach! Wie geht es dir?“
„Jetzt, da ich gegessen habe und man mich endlich mal wieder aufstehen lässt, eigentlich ganz gut“, hörte sie ihn sagen. Sie mochte seine Stimme. Sie hatte es so vermisst, sie zu
hören. „Und du? Dieser Kerl letztens hat dich doch nicht verletzt, oder?“
„Weil du da
warst, ist mir nichts passiert“, sprudelte es aus ihr heraus. „Ich
bin so froh, dass du da warst! Du hast mich gerettet! Du bist ein richtiger
Held!“
Tann
verschluckte sich beinahe an seiner eigenen Spucke, dann jedoch hob er
abwehrend die Hände. „Ich habe nur meine Pflicht getan.“
‚Endlich‘, fügte er in Gedanken hinzu. ‚Diesmal konnte ich den Stamm endlich
beschützen.‘
„Ich bin jedenfalls froh, dass nichts
passiert ist. Nicht auszudenken, wenn euch oder den Kindern etwas passiert
wäre“, sagte er.
Dann verstummte er und auch Akara hatte nichts
mehr zu sagen. Eigentlich hatte sie ihm ja ziemlich viel zu sagen; das Problem
war bloß, dass sie zum Schweigen verdammt war.
Sie zögerte,
dann konnte sie es aber doch nicht lassen zu fragen: „Ähm… ich muss dich mal
etwas fragen.“ Als er aufsah, fuhr sie fort: „Tanna ist doch deine Gefährtin,
oder?“
Sofort legte
sich ein Lächeln auf seine Lippen, das ihr da überhaupt nicht gefiel. „Ja, das
ist sie. Und ich habe großes Glück, so eine tolle Frau wie sie zu haben.“
‚Das ist nicht fair! So überhaupt nicht
fair!‘, fuhr es ihr durch den Kopf. ‚Womit
hat sie ihn nur verdient? Und womit hat Tann es verdient, derart dreist belogen und
betrogen zu werden?‘
Hass, Wut, Abscheu und zu guter Letzt
Neid und Missgunst. Sie hatten sie ihr Leben lang begleitet und nun waren sie ein Teil von ihr geworden.
Bevor sie sich versah, war es geschehen und sie
hatte gesagt: „Dann solltest du vielleicht wissen, dass ich sie mit meiner
Mutter erwischt habe. Sie betrügt dich, Tann!“
Seine
wunderbaren, blauen Augen wurden groß und sein Schrecken traf sie so unvermittelt, dass
sie selbst erschrocken zusammenzuckte.
„Was? Das… das
kann nicht sein! Da muss ein Irrtum vorliegen!“
Nur, wenn er
noch gelacht hätte, hätte es sie noch mehr geärgert. Es tat so weh. Also kehrte
die Wut in sie zurück und füllte die Leere, die sich erneut in ihr auszubreiten
begann.
„Es ist aber wahr!“, erwiderte sie verärgert. „Wenn du mir nicht glaubst, dann frag
sie doch selbst!“
Die
erschrockenen Augen versuchten noch einen Moment länger, an ihrer Wut zu
rütteln, dann jedoch nahm er sie von ihr und verschwand wieder im
Haus, wo er kurz zuvor erst hinausgekommen war.
Und als er
verschwunden war, fiel Akaras Wut nun doch in sich zusammen.
Was nur hatte sie gerade getan?
Was nur hatte sie gerade getan?
Kurz darauf flog die Tür erneut auf und diesmal spuckte
sie Tann und Tanna aus. Akara war da bereits im Schuppen in Deckung gegangen, was eine weise Entscheidung war. Denn schon anhand
von Tannas strammem Gang sah sie, dass die andere Frau stinksauer war. Und obwohl
sie selber noch immer wütend auf Tanns Gefährtin war, wollte sie sich momentan
lieber nicht mit ihr anlegen.
Deshalb war es
Tann, der sich Tannas Wut als Erster stellen musste. Als sie vor ihm anhielt, die Arme verschränkt, und ihn wütend anfunkelte, rutschte
ihm für einen Augenblick das Herz in die Hose. Aber nicht aus Angst vor
ihr, sondern aus Sorge, dass Akara tatsächlich recht haben könnte.
„Was willst du
jetzt von mir hören, Tann?“, fing Tanna an, als er stumm blieb.
„Was Akara
gesagt hat… stimmt das?“
„Ja, es ist
wahr“, gab sie unumwunden zu. „Und jetzt, da es raus ist, kann ich es dir ja
auch sagen: Ich will nicht mehr deine Gefährtin sein, Tann.“
Mit einem Schritt war Tann bei ihr und hatte ihr eine
Hand an die Wange gelegt. „Aber Tanna, warum denn? Ich…“
Tanna drehte
angewidert ihren Kopf weg, dann stieß sie ihn vollends von sich.
„Meine Entscheidung steht und daran gibt es nichts zu rütteln. Ich habe dir zwei Kinder geboren und habe dich unterstützt, während du den Stamm angeführt hast. Ich habe meine Aufgabe erfüllt und jetzt will ich nicht länger an deiner Seite sein.“
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte: „Ich hätte es dir auch schon viel früher gesagt, aber ich habe es aus Rücksicht Elrik gegenüber nicht getan.“
„Meine Entscheidung steht und daran gibt es nichts zu rütteln. Ich habe dir zwei Kinder geboren und habe dich unterstützt, während du den Stamm angeführt hast. Ich habe meine Aufgabe erfüllt und jetzt will ich nicht länger an deiner Seite sein.“
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte: „Ich hätte es dir auch schon viel früher gesagt, aber ich habe es aus Rücksicht Elrik gegenüber nicht getan.“
Tann tat ihr nicht den Gefallen, das Gespräch
fortzuführen, sondern starrte sie nur ungläubig an. Sein Gesicht eine Maske der Bestürzung.
Deswegen fuhr
Tanna fort: „Ich möchte auch, dass du dich in Zukunft dieser Akara gegenüber
zurücknimmst! Dass du dich andauernd um sie kümmerst, ist diesem naiven Mädchen wohl zu Kopf
gestiegen. Sie himmelt dich jedenfalls an und das muss aufhören, sonst
zerstörst du noch die Familie deines Sohnes.“
Akara hätte zu gerne gewusst, was Tann und Tanna
miteinander besprachen. Sie konnte sich schon vorstellen, dass das Gespräch
nicht sonderlich erfreulich verlief. Aber obwohl sie gerne
näher rangegangen wäre und gelauscht hätte, traute sie sich nicht aus ihrem
Versteck. Als Tanna kurz darauf mit wutentbranntem Gesicht um die Ecke bog, war
sie auch ganz froh über diese Entscheidung.
Sie schlüpfte aus ihrem Versteck, kaum, dass sie die Tür
gehen hörte, und dann ging sie, um nach Tann zu sehen. Sie wusste nicht, was
sie vorzufinden erwartete, aber als sie den heldenhaften, starken Mann da
sah, wie er sein Gesicht in den Händen verbarg, erschütterte sie das zutiefst.
Mit einem Satz war sie bei ihm und hatte ihm die Hände
auf die Schultern gelegt.
„Tann! Ist
alles in Ordnung? Was ist passiert?“
‚Als ob ich das nicht ganz genau wüsste‘, hörte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf vorwurfsvoll sagen.
Der Angesprochene brauchte einen
Moment, dann trat er einen Schritt zurück und sah sie mit leeren Augen an,
die sie erschraken.
„Tanna sagte, dass
du mich anhimmeln würdest. Stimmt das?“, fragte er plötzlich.
Ihr Herz
verkrampfte sich, als sie das hörte und ein dicker Klumpen bildete sich in ihrer
Kehle. Sie wollte es verneinen, aber da fiel ihr plötzlich auf, dass es genau
so war. Er hatte recht. Das war es gewesen, was sie all die Zeit über
beschäftigt hatte. Was sie und ihr Herz in Aufruhr versetzt hatte.
„Und wenn es so ist?“, hörte sie sich sagen und sie
erschrak selber über ihre Direktheit. „Ist das so schlimm für dich, jetzt, wo
Tanna dich verlassen hat?“
Doch Tann zögerte nicht, um sofort auf Abstand zu gehen. Seine Hände wie eine Mauer zwischen ihnen erhoben. Ein Knoten bildete sich in ihrer Brust und sie konnte nichts anderes tun, als hilflos die Hände nach ihm auszustrecken, die ihn nicht erreichen würden.
„Das wird
niemals passieren, Mädchen! Ich habe überhaupt kein Interesse an dir!“
Bevor noch weitere Worte fallen konnten, die ihr wie kleine Messer ins Herz stachen, hatte er sie stehen lassen. Ihr Herz blutete, aber alles, was man sehen konnte, waren die Tränen, die ihr nun kamen. Bitterlich schluchzend blieb sie allein zurück.
Elrik erwachte am nächsten Morgen wie gewöhnlich als
Erster. Früher hatte er sich gerne noch ein paarmal gedreht, als die meisten
anderen schon längst ihren Tagesgeschäften nachgingen, aber das war nicht mehr drin, seitdem er den Stamm anführte. Diesen Luxus konnte er sich
nicht länger leisten.
Manchmal vermisste er das. Aber solange ihn Akaras friedlich schlafendes Gesicht am Morgen begrüßte, war alles in bester Ordnung.
Manchmal vermisste er das. Aber solange ihn Akaras friedlich schlafendes Gesicht am Morgen begrüßte, war alles in bester Ordnung.
Nur, dass es das an diesem Morgen nicht tat. Anstatt
seine Liebste neben sich vorzufinden, schien ihr Schlafplatz unberührt und das
beunruhigte ihn sofort. Er wusste, dass sie gerne bis spät in die Nacht hinein
aufblieb, aber dennoch sah es ihr nicht ähnlich, bis in die frühen
Morgenstunden wachzubleiben. Die ganze Sache mit dem Räuber schien sie
anscheinend doch mehr mitzunehmen, als dass sie es zugeben wollte.
Eilig
schlüpfte er in seine Sachen, die ihm heute merkwürdig eng und erdrückend
vorkamen und ging, um nach seiner Gefährtin zu suchen.
Er fand sie glücklicherweise schnell. Sie lehnte am
Schuppen, aber auch das erste, rosige Tageslicht konnte die Sorge in ihrem
Gesicht nicht übermalen. Die Erleichterung, sie gefunden zu haben, wich
erneut Sorge.
Sie bewegte
sich nicht einmal, als er sich ihr näherte. „Was ist denn los? Geht es dir
nicht gut?“, fragte er besorgt.
Da erst
richteten sich ihre Augen auf ihn. Nur einen Augenblick lang. Dann stieß sie
sich von der Wand ab und wich seinem Blick aus.
„Ich muss mit dir
sprechen, Elrik.“ Sie schwieg einen Moment, als würde sie warten, dass er etwas
sagte, dann erst fuhr sie fort: „Ich… muss dir sagen, dass ich nicht mehr deine
Gefährtin sein will.“
Er sah sie
an. Das erste Sonnenlicht in ihrem schönen Gesicht, das einen immer
gelblicheren Ton annahm. Die sanften, grünen Augen, die ihn nun entschuldigend
trafen. Er sah das alles, hörte ihre Worte, aber er konnte es nicht wahrhaben.
„Was?“, hörte
er sich schließlich sagen und seine eigene Stimme klang so weit entfernt.
Sie
wiederholte, was sie gesagt hatte, als hätte er es nicht gehört. Doch erneut erreichten ihre Worte ihn nicht. Als würde eine unsichtbare Barriere ihn davon abhalten zu begreifen.
Plötzlich stand seine Mutter neben ihm und er erwischte sich
bei der Frage, wie sie da hingekommen war. Alles um ihn herum schien so
unwirklich. Ob er wohl noch immer träumte? Es war jedenfalls kein sehr schöner
Traum.
„Was denkst du
dir dabei, Elrik im Stich lassen zu wollen? Glaubst du etwa, dass Tann dich nimmt,
jetzt, wo ich ihn verlassen habe? Dass du mit ihm besser beraten bist? Denn
wenn du das glaubst, dann liegst du falsch!“, drang die herrische Stimme seiner Mutter zu
ihm vor.
Plötzlich
spürte er die Kälte des herbstlichen Morgens. Die Barriere war gefallen.
„Was?“
Tanna wandte
sich ihm zu. Ihr Gesicht voller Abscheu. „Sie hat Interesse an deinem Vater.“
Elrik wusste
gar nicht, wie ihm zumute war, als er das hörte. Er starrte seine Mutter an,
dann wanderte sein Blick zu Akara rüber, die sichtlich in sich zusammengesunken
war. Dann jedoch seufzte sie plötzlich und als sie ihn jetzt direkt ansah, war
nur noch Bedauern in ihren Augen.
„Dein Vater
hat nichts damit zu tun, dass ich dich verlassen will, Elrik.“ Sie stockte. „Es
stimmt, dass ich ihn… mag…. aber er hat mir gestern noch gesagt, dass ich mir
keine Hoffnungen diesbezüglich machen soll. Nein, ich verlasse dich, weil ich
dich nicht liebe. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich dich niemals wirklich
geliebt habe. Ich… war einfach so aufgeregt, als du dich für mich interessiert
hast. Es hat sich zuvor noch nie jemand für mich interessiert. Aber
letztendlich…. habe ich dich nie geliebt. Ich hatte gar nicht die Zeit dazu,
dich wirklich richtig kennenzulernen. Es ging alles viel zu schnell. Ich…“
Plötzlich schweifte ihr Blick ab und ihre Augen wurden
groß. Als Elrik ihrem Blick folgte, bemerkte er, dass sein Vater aus dem Haus
gekommen war und dass er es war, den sie nun anstarrte. Den sie alle
anstarrten. Wütend. Erschrocken. Resigniert.
Auch Tann war derweil auf die Versammlung aufmerksam
geworden und er war stehengeblieben. Als Elrik zu ihm hinüberging und ihn
ansah, traf ihn beinahe derselbe leere Blick, den auch er momentan zur Schau
trug.
„Kümmere dich
wenigstens besser um sie als um Mutter“, hörte er sich sagen.
Da kehrte das
Leben in die Augen seines Vaters zurück, aber Elrik war bereits gegangen.
Er konnte ihn nicht länger ansehen. Er konnte ihn nicht
länger ertragen. Niemanden von ihnen. Akara. Seine Mutter. Sein Vater. Wenn er
länger bleiben würde, würde er sich vollkommen selbst verlieren. Er war es so leid.
Er rannte so schnell als wäre ein ganzes Rudel Wölfe
hinter ihm her. Seine Lunge sollte brennen, der Schweiß sollte ihn durchnässen
und ihm kalt werden lassen. Er wollte nicht daran denken, was gerade geschehen
war. Wollte davonlaufen vor der Wahrheit und der Erkenntnis.
Doch als das
Meer ihm schließlich den Weg abschnitt und ihn dazu zwang, anzuhalten, da
brannten seine Lungen nicht und ihm war auch nicht kalt. Im Gegenteil. Er war
so erhitzt, so vollkommen erfüllt von Wut, dass er nicht länger an sich halten
konnte.
Also schrie er. So lange und so laut, bis er heiser war
und sein Hals ihm schmerzte.
Wie konnten sie ihm das nur antun?
Er hatte alles für Akara getan, hatte einen Weg eingeschlagen, den er nicht mehr hatte gehen wollen, nur, um mit ihr zusammen sein zu können.
Wie konnten sie ihm das nur antun?
Er hatte alles für Akara getan, hatte einen Weg eingeschlagen, den er nicht mehr hatte gehen wollen, nur, um mit ihr zusammen sein zu können.
Wofür das
Ganze? Wofür hatte er all das getan? All diese Dinge durchgestanden, wenn er
jetzt, am Ende, doch nur wieder allein war? Wozu war er bitte Stammesführer
geworden?
Und wie sollte
er jetzt weitermachen?
Er hatte
keine Antwort auf diese Fragen. Auf keine von ihnen. Und als die Wut ihn
verließ, ließ sie ihn hilflos, schwach und entkräftet zurück und er konnte
nichts anderes tun, als in sich zusammenzusinken und zu weinen.
Und da saß er
nun und weinte, während die Versammlung, die er mit den anderen Stämmen wegen
des Angriffes einberufen hatte, kam und ging. Er dachte nicht daran. Auch nicht
an all die anderen Sachen. Es war ihm egal, wer seinen Vater angegriffen hatte oder
ob der Händler, der behauptet hatte, nichts damit zu tun zu haben, es nicht
doch gewesen war. Manchmal ertappte er sich sogar bei dem Wunsch, dass der
Räuber seinen Vater einfach umgebracht hätte. Das war der einzige Moment, in
dem er sich wegen etwas anderem schlecht fühlte als Akara.
Und die Zeit
verging, während er nichts anderes tat, als zu existieren.
Manchmal war der Drang zu sterben zu groß.
An solchen Tagen suchte sie sich eine schöne, steile Klippe
und sprang hinunter ins Meer.
Im Winter, im Herbst und an manchen Frühlingstagen stach
das eiskalte Wasser ihr dann wie tausend Nadeln ins Fleisch und betäubte ihren
Schmerz.
Sie wartete darauf, dass die Wellen sie aufs offene Meer
hinaustrugen, damit sie endlich sterben konnte.
Während sie den Wolken über sich beim Vorbeiziehen zusah,
froh darüber, ihren Gedanken entkommen zu sein.
Doch das Meer hatte sie niemals mit sich genommen. Die
Wellen hatten sie immer wieder zum Strand zurückgetragen und wenn sie die Schwerelosigkeit des Wassers verließ und
den harten Sand an ihrem Rücken spürte, kehrte auch die Schwere der Realität zu ihr zurück.
Eine Realität, der sie um jeden Preis zu entfliehen
versuchte und die sie doch immer wieder einholte und erdrückte. Sie
einquetschte. Wie seine Umarmung. Schmerzhaft und grauenvoll. Die Dinge, an die
sie nicht denken wollte. Die Dinge, die sie vergessen wollte und die sie doch
immer und andauernd verfolgten.
‚Wann wird es
enden? Wann darf ich gehen?‘
Sie konnte ihrem
Schmerz nicht entkommen. So auch an diesem Tag nicht. Doch an diesem Tag war es
dennoch anders. Denn heute war sie nicht allein, als sie in die
kalte Realität zurückkehrte.
Als sie sich dazu entschied, die Augen auf denjenigen zu
richten, der über ihr hockte, erkannte sie Elrik in dem zusammengekauerten
Häufchen Elend. Da war sie sofort auf den Beinen – oder besser gesagt auf ihren
vier Buchstaben.
„Hallo,
Elrik-Häuptling! Was ist los? Du siehst traurig aus.“
„Ich bin auch
traurig“, kam gedämpft zurück.
„Warum?“
„Akara hat
mich verlassen.“
„Wieso? Warst du
etwa nicht gut zu ihr?“
Da kam er aus
seinem Schneckenhaus, in das er sich verkrochen hatte und sah auf seine Hand
hinab. „Anscheinend nicht gut genug.“
Als er den Kopf erneut in der Umklammerung seiner Arme
vergrub, entschied sich Anya dazu, dass das Gespräch zu Ende war. Eine Weile
beobachtet sie, wie sich zwei Möwen um einen Krebs stritten. Sie fragte
sich, wie es wohl war zu fliegen. Frei über allem zu schweben. Dann spielte
sie mit dem Gedanken, die Möwen davonzujagen und den Krebs selber mit nach
Hause zu nehmen.
Da aber kam ihr plötzlich eine ganze andere Idee. „He, jetzt,
wo du keine Frau mehr hast, kann ich das doch sein, oder?“, sagte sie zu
dem Haufen Elend, der noch immer seine Knie fest umschlungen hielt.
Ein
vorsichtiger Blick. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.
Mit einem Mal war er auf den Beinen und sah auf sie
hinab.
„Weißt du
was? Von mir aus. Erwarte nur keine Gefühlsduseleien von mir oder dass ich mich um dich kümmere.“
Da war auch
Anya sofort auf den triefend nassen Beinen. Sie klatschte erfreut in die Hände, wobei ein nasser Sandregen niederging
und sie verbrachte eine Weile mit Jubeln, während Elrik sich in grimmiges Schweigen hüllte.
Dann schließlich hatte er sie am Arm hängen.
„Ich werde
dir eine gute Frau sein, versprochen!“
Er hatte nie
wieder etwas von irgendwelchen Frauen wissen wollen. Sie konnten ihm gestohlen
bleiben! Frauen, die Liebe, der Stamm, einfach alles!
Eine tiefe Leere hatte sich in ihm ausgebreitet, die ihn zu verschlingen gedroht hatte. Und dann war ihm plötzlich alles egal geworden. Er hatte alles verdrängt - es war der einzige Weg, um sich zu retten. Er würde weiter existieren, er würde weiter bestehen. Nur sein Herz würde er nie wieder verschenken, das schwor er sich. Er würde nie wieder jemanden so nahe an sich ranlassen, dass man ihm wehtun konnte.
Eine tiefe Leere hatte sich in ihm ausgebreitet, die ihn zu verschlingen gedroht hatte. Und dann war ihm plötzlich alles egal geworden. Er hatte alles verdrängt - es war der einzige Weg, um sich zu retten. Er würde weiter existieren, er würde weiter bestehen. Nur sein Herz würde er nie wieder verschenken, das schwor er sich. Er würde nie wieder jemanden so nahe an sich ranlassen, dass man ihm wehtun konnte.
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Hier weiterlesen -> Kapitel 57
Nach dem, was letztes Kapitel passiert ist, sind jetzt bestimmt einige Fragen entstanden. Sowas wie: Wie geht es Tann? Oder: Wer war der Räuber? Was hat es jetzt mit dem Händler auf sich?
Ich habe auch überlegt, vor allen Dingen den Händler hier nochmal vorkommen zu lassen, habe mich dann aber dagegen entschieden. Er wird noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen. Er wird also nicht unter meinem Teppich verschwinden, keine Sorge, meine Wollmäuse bleiben unter sich.
Was nun dieses Kapitel angeht: Ich hatte ursprünglich nicht geplant, Anya überhaupt in den Stamm zu holen. Eigentlich sollte Akara Elriks Frau bleiben. Aber nach dem Hintergrund, den ich Anya gegeben hatte, tat sie mir so leid. Ich konnte sie nicht untergehen lassen.
Und was sie und Rahn angeht... Naja, dazu an anderer Stelle mehr.
Jedenfalls fand ich immer mehr, dass sie super zu Elrik passen würde. Und die Sims selber finden das übrigens auch:
Nach dem, was letztes Kapitel passiert ist, sind jetzt bestimmt einige Fragen entstanden. Sowas wie: Wie geht es Tann? Oder: Wer war der Räuber? Was hat es jetzt mit dem Händler auf sich?
Ich habe auch überlegt, vor allen Dingen den Händler hier nochmal vorkommen zu lassen, habe mich dann aber dagegen entschieden. Er wird noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen. Er wird also nicht unter meinem Teppich verschwinden, keine Sorge, meine Wollmäuse bleiben unter sich.
Was nun dieses Kapitel angeht: Ich hatte ursprünglich nicht geplant, Anya überhaupt in den Stamm zu holen. Eigentlich sollte Akara Elriks Frau bleiben. Aber nach dem Hintergrund, den ich Anya gegeben hatte, tat sie mir so leid. Ich konnte sie nicht untergehen lassen.
Und was sie und Rahn angeht... Naja, dazu an anderer Stelle mehr.
Jedenfalls fand ich immer mehr, dass sie super zu Elrik passen würde. Und die Sims selber finden das übrigens auch:
Wie sich herausstellte, haben beide sogar etwas gemeinsam: Sie sind beide gut. Bei Elrik hatte ich ja meine Finger im Spiel, aber Anyas Merkmale sind alle ausgewürfelt.
Sind sie nicht süß zusammen? (Ignoriert einfach mal das Handy. Das ist eine... ähm... göttliche Runentafel oder so ^^')
Und ganz nebenbei fand ich auch, dass Tann und Akara sich echt gut zusammen machen würden. Was beide Sims übrigens auch fanden. Aber ob das mit den beiden noch was wird oder nicht, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Nächstes Mal dann hat auch Anya mit ihrer dunklen Seite und ihrer Vergangenheit zu kämpfen.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen und ich verabschiede mich.
Und ganz nebenbei fand ich auch, dass Tann und Akara sich echt gut zusammen machen würden. Was beide Sims übrigens auch fanden. Aber ob das mit den beiden noch was wird oder nicht, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Nächstes Mal dann hat auch Anya mit ihrer dunklen Seite und ihrer Vergangenheit zu kämpfen.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen und ich verabschiede mich.
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