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Mittwoch, 17. März 2021

Kapitel 135 - Herzschmerz

 
Jade war tatsächlich ein ganz klein wenig unsicher, ob sie das Richtige getan hatte, während sie dabei zusah, wie Mai sie verließ, um Gabriela nachzugehen. Die beiden Mädchen, die sie all die Jahre über für Freundinnen gehalten hatte und von denen sie sich jetzt losgesagt hatte.
 

Aber als sie schließlich um den Stall ging und, zu ihrer unendlichen Freude, Wulf noch immer da war, lässig an die Wand gelehnt, legte sich ihre Unsicherheit wieder.
     ‚Ich habe das einzig Richtige getan‘, bekräftigte sie sich neuen Mutes.
 

„Siehst du, ich habe dir gezeigt, dass ich nicht lüge“, sagte sie zu ihm. „Ich hoffe, du glaubst mir jetzt.“
     Er stieß sich von der Wand, dass er wieder größer war als sie und sah sie gewohnt desinteressiert an.
     „Wenn du meinst. Kann ich jetzt endlich nach Hause gehen? Es ist arschkalt hier.“
     „Also… glaubst du mir immer noch nicht?“, fragte sie besorgt.
     Er lachte. „Glaubtest du echt, dass euer kleines Schauspiel mich überzeugen würde? Ihr habt das doch alles geplant.“
     Sie wusste einfach nicht, was sie noch sagen sollte. Wie sie ihm beweisen sollte, dass sie es ernst meinte. Dass sie ihn wirklich liebte. Und als ihr bewusst wurde, dass sie mit ihrem Latein am Ende war, wurde auch ihr kalt.


„Aber… ich…“ Plötzlich brach sie verzweifelt über ihn herein. Ging zu ihm und krallte die Finger in sein Hemd. „Was soll ich denn sonst noch machen, um dir zu beweisen, dass ich dich liebe? Sag es mir!“
     Er war zuerst ziemlich überfordert mit ihr, bis er es schaffte, sich aus ihrem Griff zu befreien und auf Abstand zu gehen.


„Okay! Okay!“, rief er hastig. „Mal angenommen, ich glaube dir: Du bist aber doch verheiratet!“
     „Das war auch der größte Fehler meines Lebens!“, spie sie bitter. „Wenn ich nur gewusst hätte, dass ich dich treffen würde… wenn ich das nur vorher gewusst hätte! Aber… mein Ehemann muss es ja nicht wissen. Wir können trotzdem beieinander sein“, bot sie verschmitzt lächelnd an.


„Du willst also deinen Mann betrügen?“ Er verschränkte die Arme, schüttelte den Kopf. „Was bist du denn für eine? Du bist ja schlimmer, als ich dachte.“
     „Es ist nicht so, dass er mich lieben würde. Dass ich ihm auch nur irgendetwas bedeuten würde! Ich bin nur wie ein Topf voll Erde für ihn, damit er Kinder bekommen kann.“
     „Dann hättest du ihn nicht heiraten sollen.“


„Da sagst du mir nichts neues.“ 
     Sie sah ihn an und die Bitterkeit verschwand aus ihrem Gesicht, wurde wieder ganz weich bei seinem Anblick. Es leuchtete geradezu, dass er immer weniger verleugnen konnte, dass sie ihn nicht nur an der Nase herumführen wollte. 
     „Ich hasse meinen Ehemann, aber wenn ich an dich denke, ist das alles erträglich für mich. Solange ich nur bei dir sein kann. Also bitte – bitte – hilf mir, dass mein Leben wieder erträglich wird! Dass die Sonne für mich scheint, wie sie es seit der Hochzeit nur einmal getan hat. Als du bei mir warst. Du bist meine Sonne, mein größtes Glück!“


Er rieb sich die Nasenwurzel, seufzte. „Hör mal, selbst wenn das alles so ist; tut mir ja leid, aber ich hab trotzdem nichts für dich übrig.“
     „Warum nicht? Sag mir, was es ist, dass du nicht an mir magst, und ich werde es ändern.“
     „Als ob ich das wollen würde! Aber darum geht es nicht. Egal, was du auch an dir ändern würdest, es würde nichts bringen.“
     „Das kannst du doch gar nicht wissen!“, rief sie verzweifelt.
     „Doch. Das weiß ich.“
     „Und wie kannst du dir da so sicher sein?“
     Er zögerte. Aber dann sagte er ihr schließlich: „Weil mein Herz schon einer anderen Frau gehört“, weil es das war, was sie verstehen würde anstatt dem ebenfalls sehr triftigen Grund, dass er sich ganz sicher keinen so mächtigen Feind wie ihren Mann, den Stammesführer, machen wollte. Und weil er ihr schuldig war, die Wahrheit zu sagen, nachdem sie ihm ihr Herz geöffnet hatte.
     Ihr Herz, das in diesem Moment brach.


Jade wusste gar nicht, wie sie es geschafft hatte, wieder dorthin zu kommen, wo sie momentan lebte. Sie hatte sich sofort in den Stall zurückgezogen, in eine schön ruhige Ecke, mitten zwischen die Säcke voller Erz hatte sie sich versteckt. Und dort war es auch, wo Mai sie fand. Sie schob mühelos einen Sack zur Seite und hockte sich vor sie, ganz so, als hätte sie sie gesucht.


„Hier bist du“, begrüßte sie sie. „Ich würde ja gerne fragen, ob du in Ordnung bist, aber so wie du aussiehst, kann ich mir das wohl sparen.“
     „Was willst du?“, ging Jade sie mit nasaler Stimme an. „Geh weg!“
     „Ich habe schon verstanden, dass du mich eigentlich nicht leiden kannst, aber kein Grund, gleich so aggressiv zu werden. Ich wollte nur nach dir schauen, nachdem du scheinbar einen Korb kassiert hast. Hätte ich ja, ehrlich gesagt, nicht erwartet.“


Jade sprang auf die Beine. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst! Hör auf, dir Sachen aus den Fingern zu saugen!“, fauchte sie.
     „Ich habe euch gesehen“, erklärte Mai und stand ebenfalls auf. „Als ich nach Gabriela gesucht habe. Wie ihr miteinander gesprochen habt. Wie“, sie wurde leiser, „du ihn angesehen hast. Also ich muss ja sagen, dass ich nicht erwartet hätte, dass der dein Typ ist. Du hättest es wahrlich besser treffen können.“
     „Was soll das heißen?“, zischte Jade bedrohlich. „Wage es ja nicht, ihn zu verunglimpfen! Wegen Leuten wie dir glaubt er wirklich, dass er nicht gut aussieht. So ein Blödsinn!“


„Hey, ich wollte nichts dergleichen damit sagen. Glaube mir, seitdem ich Gael habe, weiß ich, dass Schönheit nicht das Wichtigste ist. Wichtig ist, was man im Herzen hat.“
     „Wenn mir nicht so zum Heulen wäre, würde ich jetzt ja lachen. Du weißt nicht mal, was ein Herz ist. Du hast wahrscheinlich nicht mal eins.“
     „Glaub doch, was du willst!“, war Mai jetzt langsam auch ein bisschen verstimmt. „Als ich sagte, du hättest es besser treffen können, wollte ich dich damit nur warnen.“
     „Was? Dass du es deinem Bruder erzählst, wenn ich nicht tue, was du willst?“


„Nein; lass mich doch mal ausreden!“ Plötzlich wurde ihr Gesicht so ernst, wie Jade es gar nicht von ihr kannte. „Ich meinte damit, dass es zu einem Problem für euch werden wird, wenn er deine Gefühle tatsächlich erhört und ihr beide… na, du weißt schon, wenn du schwanger von ihm wirst. Ich muss dir ja nicht sagen, dass du sein Kind Reinard unmöglich unterschieben kannst.“
     Jade schwieg. Das war ihr durchaus bewusst, aber obwohl sie das wusste, kümmerte sie sich nicht darum. Das Schreien ihres Herzens war einfach viel zu laut, sodass ihr momentan alles andere egal war. Sie würde sich darum sorgen, wenn es dann so weit wäre. Wenn es nur jemals so weit wäre…


„Tja, darum muss ich mir ja keine Sorgen machen, weil er mich ja sowieso nicht will“, sagte sie bitter.
     Und da kamen ihr die Tränen wieder. Sie wollte ganz sicher nicht vor Mai heulen, aber sie konnte es nicht verhindern. Im nächsten Augenblick fühlte sie eine warme Hand an ihrem Rücken, und sie wehrte sich nicht dagegen.
     „Das tut mir leid für dich. Das ist schwer. Ich weiß das“, meinte Mai und schluckte schwer.
     ‚Nero. Mai hat Nero also wirklich geliebt‘, wurde Jade klar.
     „Aber es geht weiter“, versicherte sie und strich Jade über den Rücken. „Und irgendwann findest du schon jemanden, der dich auch liebt.“
     „Ich will aber niemand anderen…“
     „Ich weiß.“
     „Und selbst wenn, bin ich doch trotzdem immer verheiratet mit einem Mann, den ich nicht leiden kann…“


Mai löste sich von ihr. „Hör mal, was das angeht“, fing sie zögerlich an, und Jade versuchte, ihre Tränen zu trocknen. „Ich hätte dich früher warnen sollen, aber… mit Reinard ist nicht zu spaßen. Wenn er rausfindet, dass du ihn betrügst, wird das nicht gut für dich ausgehen. Es… wäre besser gewesen, wenn du ihn nicht geheiratet hättest. Ich will wirklich nicht mit dir tauschen.“
     „Was… meinst du damit?“, fragte Jade besorgt.


Mai sah sie finster an, und dann erzählte sie ihr die Wahrheit darüber, wie es in ihrer Familie zuging. Von ihrer lieblosen Kindheit, ihrer strengen Mutter, die nur Erfolg duldete und die dafür gesorgt hatte, dass ihre Kinder keine Geschwister, sondern Rivalen waren. Sie erzählte von den vielen, grausamen Strafen und der Missachtung, die sie jahrelang über sich hatte ergehen lassen.
     Und auch davon, wie sie ihren Frust an ihrer hilflosen Schwester Nara ausgelassen hatte.


Dass sie alles und jeden gehasst hatte, bis Gael in ihr Leben getreten war und ihr gezeigt hatte, dass eine Familie eigentlich Liebe und Zusammenhalt bedeutete, und wie sehr sie das verändert hatte.


Und letztendlich davon, dass Reinard, der immer Mutters Liebling gewesen war, genauso war wie seine Mutter Lann.  


„Er ist vielleicht sogar noch grausamer als Mutter“, beendete Mai ihre Erzählung, und die Angst war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. „Deswegen musst du vorsichtig sein, Jade! Für dich und auch für die Kinder, die du eines Tages wahrscheinlich mit ihm haben wirst. Du musst sie vor ihm beschützen und dafür sorgen, dass sie nicht dasselbe durchmachen müssen, wie ich und meine Geschwister.“
     Jade schwieg eine ganze Weile lang, wirklich verängstigt, bis sie schließlich fragte: „Warum erzählst du mir das alles?“
     „Weil ich nicht möchte, dass dir etwas zustößt. Denn… wir waren in der Vergangenheit vielleicht keine richtigen Freundinnen, aber ich würde es gerne sehen, dass wir es von jetzt an sind.“


„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, beschloss Jade schließlich. „Ich weiß ja nicht mal, ob ich dir tatsächlich glauben kann oder du mir nur einen Bären aufbindest, aber… ich sehe ja selber, dass mit Reinard nicht gut Kirschen essen ist. Ich… muss erst darüber nachdenken.“ Sie ging an Mai vorbei, blieb noch einmal stehen, sagte ihr: „Trotzdem danke, dass du mir das erzählst hast“, bevor sie den Stall mit einem bösen Gefühl im Magen verließ und in die Abendkälte hinaustrat.


Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Aber sie wusste zweierlei: Sie hatte Angst. Aber all das war dennoch nebensächlich, da der Schmerz in ihrem Herzen noch immer größer war als alles andere.


Tann hatte die letzte Zeit damit zugbracht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was er wegen der unseligen Sache mit Isaac tun sollte. Er hatte sich beim besten Willen nicht in seinen Freund verlieben wollen, aber es war nun mal geschehen, und auch wenn er gern daran glauben wollte, was Tanna ihm erzählt hatte, tat er es einfach nicht.
     ‚Isaac hat nie irgendwelche Signale von sich gegeben, dass er an auch nur irgendwem interessiert wäre. Auch nicht an mir‘, dachte er frustriert.
     So bitter das auch war, war das wahrscheinlich die Wahrheit, und er wollte auch nicht riskieren, die Freundschaft zu ihm, die ihm so wichtig war, zu gefährden für etwas, das wahrscheinlich völlig aussichtslos war. Also hatte er sich dazu entschlossen, seine Liebe zu Isaac tief in sich zu vergraben und sie nicht weiter zu verfolgen.


Er machte sich nichts vor, das würde wahrscheinlich nicht einfach werden, aber wenn er Isaac jetzt aus dem Weg ging, würde er nur genau das bewirken, das er eigentlich verhindern wollte: Eine wichtige Freundschaft zu verlieren.
     Deshalb hatte er sich an diesem Abend dazu gezwungen, mal wieder zum Handelsposten hinunterzugehen. Obwohl er es zuvor noch nicht gern gesehen hatte, dass Wulfgar die letzte Zeit auch immer zu ihrem Stammtisch gekommen war, hoffte Tann diesmal irgendwie, dass er da war, um Isaac davon abzulenken, dass er wahrscheinlich wie ein Idiot stottern oder gleich gar kein Wort rausbringen würde, wenn sie allein waren.


Doch Wulfgar war nicht da. Nicht einmal Isaac war es, als er ins Wirtshaus kam. Dafür traf er jedoch Ida an, die natürlich sofort ankam, als sie ihn bemerkte.
     Tann fluchte leise. Er hatte eigentlich gerade gar keinen Nerv dazu, mit ihr zu reden. Naja, sie redeten eigentlich auch nie viel miteinander, verschwanden meistens nur in ihr Bett, und danach ging er gleich wieder, aber heute war ihm einfach nicht danach. Er ging sicherheitshalber ein bisschen auf Abstand.


„Oh, da ist ja mein Großer! Du hast mich ja lange nicht mehr besucht“, begrüßte sie ihn ein bisschen vorwurfsvoll.
     „Entschuldige, ich war die letzte Zeit sehr beschäftigt. Sag mal, hast du zufällig Isaac gesehen?“, versuchte er sie abzulenken.
     „Der kleine Fremde? Mit dem hatte ich vorhin erst das Vergnügen, zusammen einen köstlichen Wein trinken zu können.“
     „Und wo ist er jetzt?“
     „Ich weiß es nicht. Aber lass uns doch nicht von ihm reden, sondern von uns“, meinte sie und kam nun doch näher.
     „Ich muss wirklich mit ihm sprechen“, beharrte er. „Es ist dringend. Tut mir leid, Ida, aber wann anders, ja?“


Doch sie ließ ihn nicht gehen, stellte sich ihm in den Weg und zog einen Schmollmund.
     „Du hast nicht einmal ein bisschen Zeit für mich? Wie grausam von dir!“, beschwerte sie sich. „Du könntest wenigstens auch einen Schluck mit mir trinken und mich fragen, wie mein Tag war!“
     „In Ordnung“, ließ er sich breitschlagen. „Für einen kleinen Schluck habe ich Zeit.“


So kam es, dass er kurz darauf seinen Stammtisch mit Ida hatte, nur eben ohne Stammbesetzung. Er fragte sie höflich nach ihrem Tag, aber sie antwortete nicht darauf. Stattdessen fing sie an, eine gar herzzerreißende Geschichte darüber zu erzählen, wie ihr Nachbar ihr Zuhause den Hof streitig zu machen versuchte, seitdem ihr Mann tot war.
     „Er hatte davor schon immer ein Auge auf unser Land geworfen, aber mein Mann hat ihn immer in die Schranken weisen können“, erzählte sie. „Doch jetzt, wo nur noch ich arme, hilflose Dame da bin, hat er keinerlei Skrupel mehr. Deswegen bin ich auch hergekommen, um bei meiner Schwester unterzukommen.“
     „Dieser Kerl hat dich aus deinem eigenen Haus vertrieben?“
     „Ja“, sagte sie melodramatisch und schniefte. „Ich weiß gar nicht, wo ich jetzt hingehen soll. Meine Schwester sagte mir auch schon, dass ich nicht ewig bleiben kann.“
     „Naja, du könntest ja zu uns in den Stamm kommen“, bot Tann ihr an. „Ich bin mir sicher, dass du dich auch mit allen anderen gut verstehen würdest.“
     „Vielleicht.“ Kunstpause. „Aber ich will das Land eigentlich nicht verlassen, auf dem ich jahrelang gelebt habe. Auf dem meine Kinder aufgewachsen sind!“


„Was ist denn eigentlich mit deinen Kindern? Können sie dir nicht helfen?“
     „Leider nicht. Sie sind alle tot. Und alle anderen, die mir helfen könnten, auch.“
     „Das tut mir leid.“
     Ida schwieg einen Moment, dann sah sie ihn an, dass er schon wusste, was sie fragen würde, bevor sie es überhaupt tat. „Würdest du vielleicht mit mir kommen und mir helfen? Du bist ein kräftiger Mann, vor dem er bestimmt weichen wird.“
     „Das kann ich gerne tun, auch wenn ich fürchte, dass er dich wieder verjagen wird, sobald ich weg bin.“
     „Dann bleib doch einfach. Du könntest mich ja heiraten.“
     Tann war ein bisschen sehr von diesem Angebot überrumpelt, musste er zugeben. Er hatte auch alles andere als vor, sie zu heiraten.
     „Ich kann nicht dauerhaft von hier weggehen, Ida“, wich er aus. „Tut mir leid.“
     „Warum denn nicht?“
     „Weil ich hier gebraucht werde.“


„Ach, wirst du das? Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber ich hatte das Vergnügen, mit deinem Enkel Nila reden zu dürfen, und er war der Ansicht, dass du in der Vergangenheit vieles angerichtet hast und es besser wäre, wenn du gehen würdest.“
     Das zu hören, war für Tann wie ein Schlag in die Eingeweide mit einem nagelbeschlagenen Stock. Es war nämlich etwas, dass er früher selber oft gedacht hatte.
     ‚Wenn ich nur nicht dagewesen wäre, wäre es niemals beinahe zu einem Krieg gekommen.‘
     ‚Wenn ich nur nicht dagewesen wäre, hätte mein Sohn nie seine Frau verloren; meine Enkelin nie ihre Mutter.‘
     ‚Wenn ich nur nicht da wäre, wäre ich keine Last für Tanna und die Anderen, die wegen mir immer nur in Sorge sind.‘

     Er hatte diese nagenden Gedanken irgendwann zum Schweigen gebracht, aber jetzt zu hören, dass selbst sein Enkel so dachte, war hart.


Erst, als sich eine warme Hand um seine schloss, kehrte er aus seinem Schrecken zurück. Ida sah ihn ernst an.
     „Siehst du, ich aber brauche dich. Deshalb solltest du mit mir kommen.“
     Tann entzog ihr seine Hand.
     „Gib mir ein bisschen Zeit, darüber nachzudenken“, wich er ihr erneut aus.
     Sie schürzte missbilligend die Lippen, was er nicht sah, dann schenkte sie ihm nach und schob ihm den Becher hin.


„In Ordnung. Lass uns noch ein Schlückchen zum Abschluss des Abends trinken.“
     Sie schenkte sich ein, prostete ihm zu, und Tann, obwohl er sich überhaupt nicht danach fühlte, nahm sich den Becher und trank wie betäubt. Er leerte ihn in einem Zug.


Er kam glücklicherweise aber darum herum, noch einen zweiten Schluck mit Ida trinken zu müssen, da Isaac jetzt endlich hereingeschneit kam. Bei seinem Anblick rutschte Tann augenblicklich das Herz in die Hose und er war auf den Beinen. Auch wenn er sich so fühlte, als sollte er sich lieber wieder setzen. Er sah, wie Ida auch aufstand.
     „Ich verabschiede mich dann für heute Abend von euch, meine Herren“, sagte sie, als Isaac sie bemerkt hatte und zu ihnen gekommen war.
     Tann wünschte ihr abgelenkt eine Gute Nacht, sie ging und ließ ihn mit dem Subjekt seiner Aufregung allein zurück.


„Ach, Tann, schön, dass du mal wieder hergekommen bist“, begrüßte Isaac ihn ohne jeden Vorwurf in der Stimme.
     Und dann war der Moment gekommen, in dem Tann keine Ausrede mehr dafür hatte, ihn nicht anzusehen. Also sah er ihn an, das erste Mal richtig, seitdem ihm bewusst geworden war, dass er Isaac liebte. Und allein sein Anblick schnürte Tann die Kehle zu.
     Isaac lächelte nur, auch wenn sein Lächeln gequält wirkte, aber Tann, gefangen in seiner Aufregung, sah das nicht. Deshalb verbrachten sie eine ziemlich lange Weile einfach nur damit, sich anzuschweigen.
     „Ich… habe gehört, dass du mit Ida Wein getrunken hast“, zwang sich Tann schließlich, zu sagen, und er kam sich dumm dabei vor.
     „Ja, sie… glaubt wohl, dass ich ein Auge auf ihre Schwester geworfen habe und will mich kennenlernen.“
     „Hast du es denn?“, fragte Tann erschrocken.


Isaac schüttelte seicht den Kopf, und Tann fiel ein Stein vom Herzen. Dann starrte sein Gegenüber wieder überfordert schweigend an, der dazu übergegangen war, sich an einem Tisch abzustützen.
     „Sie hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihr kommen und sie heiraten würde“, hörte er sich erzählen, obwohl er das gar nicht gewollt hatte.
     Er konnte jedoch nicht verhindern, dass er dennoch auf Isaacs Reaktion gespannt war. Dass er sich wünschte, dass er eifersüchtig reagieren und ihn zum Bleiben überreden würde. Doch die Reaktion blieb einfach mal aus. Isaac nickte ihm nur zu, dann sah er wieder die Tischplatte an.
     „Ich weiß gar nicht, was ich da jetzt machen soll“, legte Tann einen oben drauf. „Was hältst du denn davon?“
     „Nun, möchtest du denn mit ihr gehen?“
     Eigentlich nicht, aber er sagte stattdessen: „Das weiß ich ja nicht.“
     „Tut mir leid, Tann, aber ich weiß nicht, was ich dir raten soll. Ich bin, ehrlich gesagt, auch die falsche Person, wenn es um solche Dinge geht. Wenn du es selber nicht weißt, solltest du es vielleicht mit deiner Familie und deinen Freunden besprechen.“
     Das traf ihn beinahe genauso hart wie das, was Ida ihm über Nila erzählt hatte. Er war Isaac in romantischer Hinsicht tatsächlich vollkommen egal.
     ‚Reiß dich zusammen! Es ist nicht so, dass du das vorher nicht schon gewusst hättest!‘, schalt er sich.


„Tann“, brachte Isaacs Stimme ihn in die Realität zurück, „ich freu mich wirklich, dass du hergekommen bist, aber wäre es in Ordnung für dich, wenn du morgen wiederkommst? Ich bin ziemlich müde.“
     Da fiel es auch Tann endlich auf. Das, was man Isaac schon die ganze Zeit über ansehen konnte: Er sah müde aus. Schwach. Irgendwie krank.
     „Was hast du denn? Geht es dir nicht gut?“
     „Ich fühle mich schon den ganzen Tag nicht gut“, berichtete Isaac.
     „Was fehlt dir denn? Ich bereite dir gleich eine Medizin zu, wenn du es mir sagst.“
     „Danke, aber mach dir keine Umstände. Ich glaube, dass ich nur ein bisschen Schlaf brauche.“
     „In Ordnung. Aber wenn es nicht besser wird, kommst du zu mir, ja?“


Isaac nickte schwach, bevor er sich schwerfällig vom Tisch abstieß und zur Treppe schlurfte. So wie er aussah, befürchtete Tann jedoch, dass das nicht nur mit ein bisschen Schlaf getan war. Er würde morgen früh definitiv nochmal herkommen, diesmal mit seiner Kräutertasche, und nach Isaac sehen, nahm er sich vor.
     Nur, dass er am nächsten Morgen erstmal nicht dazu kam, da sie die Nachricht erreichte, dass Lann vom Ahn-Stamm plötzlich gestorben war.
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Da ich glaube, dass es nicht wirklich rüberkam, es aber den Lesefluss zerstört hätte, sei hier übrigens noch angemerkt, dass Wulf eigentlich nichts gegen ein bisschen ungezwungenen Spaß mit Jade gehabt hätte (auch wenn er nicht sonderlich viel von ihr oder Ehebrecherinnen hält), er sich aber nicht auf sie eingelassen hat, weil ihm das dann doch zu gefährlich ist, eine Affäre mit der Frau eines Stammesführers zu haben. Da er in der Gegend bleiben möchte (falls ich das noch nicht erwähnt habe, sei das hiermit nachgeholt), möchte er diesem Ärger lieber aus dem Weg gehen. Er will ja auch nicht Schande über sich und Papa Lu bringen.  
 
Und nächstes Mal geht es dann genau dort weiter, wo wir heute aufgehört haben, und Malah hat eine Idee, die Sicherheit der Anwohner zu erhöhen.
 
Bis dahin, danke euch fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich! Passt auf euch auf!

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