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Mittwoch, 5. August 2020

Kapitel 119.3 - Ein Fest für die Götter Teil 3


Gabriela kehrte ohne Nero, aber dafür überaus genervt zu ihren „Freundinnen“ zurück, und Mai ließ es sich natürlich nicht nehmen, Salz in die Wunden zu streuen.


„Na? Hat Nero dich etwa abblitzen lassen? Ich dachte, er wäre ja so verliebt in dich.“
     „Ach, sei ruhig!“, fauchte Gabriela gereizt. „Das ist nur die Schuld von diesem komischen Weibsbild, das andauernd an ihm klebt. Ich muss dringend dafür sorgen, dass sie sich von ihm fernhält.“
     Es würde Nero nicht sehr gut tun, ihn von Adelaide zu trennen. Sie war Ragna ziemlich ähnlich, und nach dessen Tod war es für Nero heilsam gewesen, einen neuen Freund und jemanden in ihr gefunden zu haben, um den er sich kümmern konnte. Adelaide tat Nero gut, und er passte dafür wiederum auf sie auf.
     Das wusste Jade, aber sie bezweifelte, dass Gabriela auch nur versucht hatte, Nero genügend kennenzulernen, um das herauszufinden. Sie interessierte sich nur dafür, dass er gut aussah und begehrt war. Dass sie Mai eins damit auswischen konnte, dass der Junge, den ihre Freundin haben wollte, sich für sie interessierte.  


„Ach, mach dir keine Sorgen. Vielleicht hast du ja auch so ein Glück wie dein Bruder und findest trotz deines Aussehens einen hübschen Partner“, kicherte Mai unverändert schadenfroh.
     „Was soll das denn heißen?“, knurrte Gabriela böse.
     „Gar nichts. Nur, dass es mich wundert, dass Nio echt deinen Bruder genommen hat. Ich meine, komm schon, sie hätte es wirklich besser treffen können.“


Nio war eben nicht so oberflächlich wie sie. Sie und Wolfmar waren schon immer gute Freunde gewesen, und es war irgendwann ziemlich offensichtlich gewesen, dass sie miteinander angebändelt hatten. Auch wenn Nio es lange versucht hatte, zu verstecken.


Jade konnte ihr das nicht verdenken, bei dem, wie arg sich Gabriela und Mai das Maul darüber zerrissen hatten, nachdem sie es erfahren hatten. Seitdem war Nio auch zu keinem ihrer Treffen mehr aufgetaucht.
     „Stimmt es eigentlich, dass sie schwanger ist?“, fragte Jade.
     Gabriela schnitt nur eine genervte Grimasse, was ihr schon alles sagte und was Mai nur wieder zum Lachen brachte.


Da meldete sich erstmals Wylona zu Wort, Gabrielas jüngste Schwester, die heute das erste Mal dabei war. Sie war Nios Ersatz, sozusagen. Sie war ein bisschen ruhiger als Gabriela, aber nicht minder auf den Mund gefallen. Sie verstand nur oft nicht, wenn man sich über sie lustig machte, was Mai mit Inbrunst gern tat.
     „Immerhin ist mal jemand schwanger“, warf sie ein. „Mutter sagt immer, dass wir hier viel zu wenige Kinder haben.“


„Stimmt. Nefera und Giselinde waren sich ja viel zu fein dafür“, pflichtete ihr Gabriela abfällig bei. „Und ich habe gehört, dass es bei Tanja und Wirt gar nicht klappen soll. Wahrscheinlich lässt sie ihn nicht ran.“
     Jade verlagerte unbehaglich ihr Gewicht. Es war ein offenes Geheimnis, dass es bei Wirt und Tanja einfach nicht klappen wollte. Die beiden waren ein Herz und eine Seele, aber selbst Jade hatte mitbekommen, wie Tanja letztens tatsächlich zu Jana gegangen war, um sie über Fruchtbarkeitsrituale auszufragen.


„So eine will ja auch niemand haben. Wundert mich echt, dass die jemanden bekommen hat.“ Mai grinste Gabriela an, dass es aussah, als würde sie die Zähne fletschen. „Aber selbst du hättest gute Chancen bei so einem potthässlichen Kerl.“
     Jade musste mit sich kämpfen, um ruhig zu bleiben.
     „Wie gut, dass du ja so einen gutaussehenden Kerl heiraten wirst“, schoss Gabriela überlegen zurück.
     „Hey! Warum sagst du sowas? Gael ist unser Bruder!“, kam aufgebracht von Wylona.


Jade verschluckte sich beinahe, als sie das hörte. „Du wirst Gael heiraten?“
     „Ach, sei du bloß ruhig!“, entgegnete Mai genervt. „Du heiratest meinen dämlichen Bruder Lin, und der ist ein Niemand. Also bitte!“ Sie verschränkte die Arme. „Warum reden wir überhaupt über so einen Mist? Da sind Fremde in der Gegend! Lass uns lieber über die reden! Ich meine, habt ihr euch die schon mal angesehen?“


„Oh ja, diese eine hat ja mal überhaupt kein Schamgefühl.“
     Gabriela lachte und nickte zu Mari hinüber, die gerade mit Leif die Köpfe zusammensteckte. Beide schienen sich köstlich über etwas zu amüsieren. Jade hatte Leif seit Ragnas Tod nicht mehr so unbeschwert gesehen, und es wärmte ihr das Herz, dass er scheinbar endlich wieder zu leben begonnen hatte.
     „Guckt euch mal an, wie die rumläuft! In Hosen und mit Haaren wie ein Mann! Keinerlei Anstand! Selbst diesem Miesepeter von Leif fallen da ja beinahe die Augen aus dem Kopf.“


„Die findest du schlimm?“, konterte Mai lachend. „Dann hast du wohl noch nicht gehört, was die Andere gemacht hat. Die mit der krummen Nase.“
     „Was? Was?“
     „Die hat gleich den ersten Tag für Wotan die Beine breit gemacht.“
     Jade klappte der Mund auf, aber sie war es wohl nicht, die am meisten darüber erschrocken war. Hinter ihnen ging in diesem Moment etwas klirrend zu Bruch.


Als sie einen Blick riskierte, sah sie, dass besagte Fremde in Hörweite stand und sie scheinbar alles mitbekommen hatte. Vor ihr stand der Mann, der mit Lu angekommen war, und beide starrten sich jetzt an. Er irritiert, sie mächtig erschrocken.
     „Echt?“, setzte Gabriela extra laut nach, dass es auch ja jeder mitbekam. „Ich hätte gedacht, dass Wotan einen besseren Geschmack hat.“
     „Ich ja auch, aber scheinbar nimmt der jede mit. Selbst die Hässlichen.“


Da fing das arme Subjekt des Tratsches schließlich an zu weinen, und bevor ihr Begleiter sie aufhalten konnte, war sie unter dem schallenden Gelächter der Mädchen davongelaufen. Jade fühlte sich wirklich schlecht für sie. Und es wurde nicht besser, als ihr Begleiter jetzt plötzlich bei ihnen auftauchte.


„Hey, was fällt euch ein, so hässlich über andere zu reden? Euch sollte die Zunge abfallen, dass ihr solche Klatschbasen seid!“
     „Was willst du denn?“, keifte Mai mit abfällig gekräuselter Nase.
     „Entschuldigt euch bei ihr!“
     „Warum sollten wir? Es ist nur die Wahrheit, dass sie hässlich ist. Sie sollte sich lieber dran gewöhnen.“


„Hässlich seid ihr, dass ihr solch gemeinen Sachen sagt! Ihr solltet euch schämen!“
     Da waren die Mädchen aber empört. Nur Jade nicht. Sie hatte vielmehr alle Mühe, nicht lauthals loszulachen, als sie in die Gesichter ihrer Freundinnen sah. Wie gern nur hätte sie ihm recht gegeben. Aber sie würde es nicht tun. Sie wollte es sich mit den Anderen schließlich nicht verscherzen.
     Mai hatte inzwischen aufgehört, den Mund empört auf- und zuzuklappen, dass sie aussah wie ein Fisch. „Was? Wie kannst du es wagen! Du hässlicher Vogel! Dich will eh niemand haben!“
     „Ich bin lieber hässlich und allein, als mit Leuten wie euch zu tun zu haben“, sagte er unbeeindruckt und ließ sie einfach stehen.


Das wiederum traf Jade schwer, fegte jegliche Schadenfreude beiseite, und sie begann sich zu schämen. Es war nicht so, dass sie die gemeinen Dinge über die Fremde gesagt oder gedacht hatte, aber es fühlte sich plötzlich so an, als ob sie es getan hatte, weil sie nichts Gegenteiliges gesagt hatte. Weil sie – mal wieder – geschwiegen hatte. 


Während sie noch mit sich haderte, ob das, was sie tat, richtig war oder nicht, kam plötzlich Malah an und bat sie um ein Gespräch unter vier Augen.
     Jade, heilfroh, der Situation und den empörten Freundinnen entfliehen zu können, nickte hastig und folgte der Stammesführerin ins Haus. Da alle anderen noch auf dem Fest waren, waren sie vollkommen allein. Es war so ungewohnt ruhig, dass es beinahe gespenstisch war.


„Hör mal, ich hätte eine Frage an dich“, begann Malah unbehaglich. „Du wolltest doch Lin heiraten, oder?“
     Von wollen konnte ja nicht die Rede sein, aber sie nickte trotzdem, schluckte mal wieder, was sie eigentlich hätte sagen sollen.
     „Reinard kam gerade zu mir und erzählte, dass Lin jemand anderen heiraten wird“, berichtete Malah zerknirscht. „Und da Nefera ja weg ist, ließ er anfragen, ob du nicht vielleicht seine Frau werden willst.“


Das traf Jade vollkommen unvorbereitet. Erst Lin und jetzt das!
     „Ich wollte erstmal mit dir sprechen, bevor er dich gleich damit überfährt“, fuhr Malah vorsichtig fort. „Ich meine, es würde bedeuten, dass du zum Ahn-Stamm ziehen musst und die Frau eines Stammesführers wirst.“ Hastig fügte sie hinzu: „Wenn du nicht willst, dann musst du natürlich nicht.“
     Das war ihre Chance, aus der ganzen Heiratssache rauszukommen!
     Andererseits wusste sie, dass es böses Blut zwischen den Stämmen geben würde, wenn sie sich jetzt plötzlich querstellte, wo sie davor ja bereit dazu gewesen war, Reinards Bruder zu heiraten. Und Streit hatte es die letzte Zeit schon zur Genüge gegeben. Sie brauchten momentan jedes bisschen Zusammenhalt.


„In Ordnung.“
     „Sicher?“
     Was war schon der Unterschied, außer dass Reinard einen Stamm anführte? Ob jetzt Lin oder er, das spielte keine Rolle. Sie liebte keinen von beiden. Und sie hatte es schon längst aufgegeben, auf die Liebe zu warten. Sie glaubte nicht mehr daran. Daran, dass ihr Traumprinz auf einem weißen Ross in die Gegend geritten kommen würden, um ihr Herz im Sturm zu erobern. 
     Nein, sie wünschte sich zwar, dass sowas geschehen würde, dass sie wieder sagen konnte, was sie wollte, aber so lief das leider nun mal nicht im wahren Leben.


Also nickte sie und folgte Malah brav, und unter Mais und Gabrielas ungläubigem Blick, zu ihrem neuen Verlobten, um mit ihm die Formalitäten zu klären. Bald schon würde sie also die Frau des Oberhauptes des Ahn-Stammes werden.


Es war kurze Zeit später, als Rahn vom Austreten zurückkam, dass er seine Akara mit dem Händler Alin redend vorfand. Er blieb abseits stehen, sodass sie ihn nicht bemerkten, und beobachtete die Unterhaltung, und als er sah, dass Akara tatsächlich fröhlich und unbeschwert aussah, traf ihn das irgendwie.


Normalerweise hatte sie immer Angst, wenn sie mit anderen außer ihm zu tun hatte, oder sie war wenigstens ein bisschen eingeschüchtert und sah unbehaglich aus. Aber nicht bei Alin. Der Händler hatte schon immer ein Händchen dafür gehabt, selbst das Vertrauen der schüchternen Akara zu gewinnen, das wusste er schon lange. Aber jetzt störte ihn das plötzlich.


Gleichzeitig wusste er jedoch auch, dass er eigentlich gar kein Recht dazu hatte, eifersüchtig zu sein.   
     Also drehte er um, bevor er noch dort hinübergehen und etwas Dummes tun würde, und verließ das Fest. Er ging eine Weile umher, versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, doch es half alles nicht. 


Er war gerade dabei, sich zum dritten Mal die Haare zu raufen, als Dana ihn fand.
     „Ah, Rahn, ist dir das Fest auch zu laut und zu hektisch?“, begrüßte sie ihn.
     „Ein bisschen, wenn ich ehrlich bin“, flunkerte er.
     Sie lächelte, dass die zahlreichen Falten in ihrem Gesicht deutlich zutage traten. „Sag, wie fühlst du dich, dass du morgen in den Kreis der Weisen eintrittst?“
     „Kreis der Weisen?“, gluckste er belustigt.
     „Ja, Wanda nennt unseren Ältestenrat so. Du bist dann unser einziger Mann, nachdem Cain gestorben ist.“


„Was ist denn mit Lenn? Ich dachte, er wäre auch Teil des Ältestenrats.“
     „Der ist ausgetreten, weil er meint, dass er eigentlich noch gar nicht hätte Mitglied sein dürfen. Weil er noch nicht weißhäuptig ist und Sharla ja jetzt die Älteste ihres Stammes ist.“
     „Das bedeutet doch aber, dass ich auch nicht Mitglied sein darf. Weil du ja schon unsere Älteste bist“, merkte er an.
     „Nein, so funktioniert das nicht. Der Rat soll ja nicht die Interessen der einzelnen Stämme vertreten, sondern zum Wohle aller Bewohner der Gegend entscheiden. Deshalb kann jeder Stamm so viele Älteste schicken, wie er will, aber mindestens einen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, Lenn ist damals nur beigetreten, um sich heimlich mit Sharla zu treffen, und jetzt hat er sie ja als Gefährtin.“ 
     „Verstehe.“


„Ich freue mich jedenfalls, dass du bald auch dabei bist. Du bist ein guter Mann, Rahn.“ Ihr Lächeln verschwand und plötzlich sah sie betroffen, ja ein bisschen beschämt aus. „Es tat mir ja immer in der Seele weh, dass du niemanden hattest. Vor allen Dingen, da ich… nicht sehr nett zu dir in unserer Jugend gewesen bin. Das tut mir ehrlich leid, Rahn, das wollte ich dir immer mal sagen. Das hattest du wirklich nicht verdient. Und ich habe auch nie verstanden, warum du danach all die Jahre über allein warst. Ich bin ehrlich froh, dass du endlich dein Glück gefunden hast. Tu mir nur einen Gefallen und mach das nicht kaputt, weil du glaubst, dass du zu alt für Akara bist, oder so einen Unsinn.“


„Das mache ich schon nicht“, entgegnete er ausweichend.
     „Oh doch, das tust du. Gerade jetzt. Das sehe ich.“
     „Wie kommst du denn darauf?“
     „Weil ich Augen im Kopf habe und dich gut genug kenne, um zu wissen, dass du dir schon wieder für irgendwas die Schuld gibst. So hast du bei Diana auch immer ausgesehen, wie du gerade aussahst, als du Akara angesehen hast.“
     „Dana, ich…“
     „Na, fang jetzt bloß nicht an, dich wieder wegen Diana zu entschuldigen!“, rügte sie ihn streng. „Sie wird böse sein, wenn sie hört, dass du das noch immer tust. Sieh lieber zu, dass du ihr ordentlich opferst, wenn sie bald ihren Todestag hat, und dann sorge gefälligst dafür, dass du auch mal glücklich bist und das mit Akara nicht kaputt machst.“


„Ach, was soll sie nur mit mir?“, brach es endlich aus ihm heraus. „Ich kann ihr nicht mal eine eigene Familie bieten.“
     Er wusste, dass Akara eigentlich keine Kinder mehr wollte, aber man konnte ja nie wissen, ob sich das nicht noch ändern würde. Oder ob sie log, weil sie wusste, dass er ihr keine Kinder machen würde.
      „Du könntest, du willst nur nicht, weil du Angst hast, dass sie im Kindbett stirbt. Aber mal ganz davon abgesehen, seid ihr doch schon längst eine Familie. Oder hast du etwa Nero vergessen?“


„Ich werde jedenfalls nie vergessen“, fuhr Dana amüsiert fort, „wie der kleine Mann früher herumstolzierte und zu Akara sagte, dass er „der Papa für die Mama sein wird, wenn er groß ist“.“


Das stimmte in der Tat. Rahn hatte ein fürchterlich schlechtes Gewissen gehabt, als Nero angefangen hatte, Akara Mama zu nennen und diese das einfach so hingenommen hatte.
     Er hatte danach lange mit sich gehadert, ob und wann er Nero davon erzählen sollte, wer seine richtige Mutter gewesen war. Und nachdem er seinen Sohn dann ein paar Jahre später aufgeklärt hatte, hatte der auch aufgehört, Akara Mama zu nennen.


„Und ich hatte auch immer das Gefühl, dass Akara Nero mehr wie ihr Kind angenommen hat, als ihre eigene Tochter“, hörte er Dana weiterreden.
     Auch das stimmte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Akara und Malah sich nicht sonderlich nahe standen. Akara redete so gut wie nie über ihre Tochter, und auch Malah behandelte Akara mehr wie jeden anderen auch, als wie eine Mutter. Ihr Verhältnis war distanziert, wenn nicht gar ein bisschen unterkühlt zueinander. Um Nero wiederum hatte Akara sich all die Jahre über rührend gekümmert.


„Das mag sein, aber ich bin dennoch viel älter als sie, und sie… sie ist noch so jung und hat noch ihr ganzes Leben vor sich.“
     „Glaube mir, wenn ich dir sage, dass wahre Liebe kein Alter kennt“, erwiderte Dana dramatisch. „Ich weiß, wovon ich rede. Jin ist ja auch viel jünger als ich.“
     Rahn verkniff sich lieber, ihr zu sagen, dass ihr Altersunterschied gar nicht vergleichbar mit dem von ihm und Akara war. Stattdessen sagte er: „Ich rede ja auch nicht davon, dass ich Angst habe, dass sie mich nicht liebt, sondern davon, dass ich mir Sorgen darüber mache, bald nicht mehr da zu sein, und dann steht sie ganz allein da.“
     „Macht dein Herz dir etwa wieder Probleme?“, fragte Dana erschrocken.
     „Es ist besser, seitdem ich den Trank von Akara zu mir genommen habe, aber ich fühle mich nach wie vor einfach… naja, schwächer als davor.“


Dana konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Nun ja, du wirst auch nicht jünger, mein Lieber.“
     „Ja, das ist es. Ich werde früher sterben als sie, sehr viel früher, egal ob mein Herz jetzt stehen bleibt oder das Alter mich holt. Und dann ist sie allein.“
     ‚Und deshalb ist es ganz gut, dass sie mit Alin zu tun hat. Er ist jung und gesund, soweit ich weiß. Wenn ich nicht mehr da bin, kann sie vielleicht ihn nehmen.‘
     Und deshalb sollte er auch nicht eifersüchtig sein. Es war nur so schwer, es nicht zu sein.
     „Das weißt du nie“, entgegnete Dana. „Die Götter allein wissen, wann unsere Zeit gekommen ist. Sie könnten Akara morgen schon holen und dir noch viele Jahre schenken.“
     „Das ist grausam von dir, so etwas zu sagen.“


„Aber es ist die Wahrheit. Du solltest dir nicht den Kopf über solche Dinge zerbrechen, sondern endlich einmal anfangen, glücklich zu sein. Genieße endlich mal dein Leben, Rahn! Denn das wird allerhöchste Zeit. Wenn du dir immer nur Sorgen machst, verschwendest du nur die Zeit, die ihr miteinander habt. Und das würde nicht nur dich unglücklich machen, sondern auch Akara.“
     Da war Rahn still, denn er erkannte, dass sie recht hatte. Egal, was die Zukunft auch bringen mochte, momentan war er glücklich.


Als Dana erkannte, dass sie geschafft hatte, wofür sie hergekommen war, wandte sie sich ab, um zum Fest zurückzukehren. „Es wird Zeit, dass ich Jin hole und wir heimgehen“, verkündete sie.
     „Ja, danke, Dana.“
     Sie nickte ihm zu und ließ ihn dann allein. Er blieb noch eine Weile in Gedanken zurück, bevor er ebenfalls zum Fest zurückkehren wollte. Doch er kam nicht weit.


Plötzlich stand eine ältere Frau mit hellem Haar vor ihm, dass er für einen Moment glaubte, Dana wieder vor sich zu haben. Aber dann sah er, dass er es mit einer Fremden zu tun hatte.
     „Entschuldigung“, begann sie süßlich, „weißt du zufällig, wo sich eine Frau namens Cordelia aufhält? Ich habe gehört, sie wäre hierhergekommen.“
     Er musste erst nachdenken, wen sie wohl meinen könnte, bis er darauf kam.
     „Ich glaube, dass eine Frau unten im Handelsposten lebt, die so heißt“, erzählte er und wies ihr mit einem Fingerzeig den Weg.


Sie nickte, dass sie verstanden hatte, machte jedoch keine Anstalten, wieder abzuziehen. Stattdessen begann sie nun, ihn neugierig zu mustern, was ihm ein bisschen unangenehm war. 
     „Rahn? Bist du das?“
     „Ja, das ist mein Name“, erwiderte er irritiert. „Und wer bist du, wenn ich fragen darf?“


„Ich bin es, Ida!“, erklärte sie hocherfreut, während er noch immer auf dem Schlauch stand.
     „Ähm… ich muss zugeben, dass ich leider keine Ahnung habe, wer du bist.“ 
     Sie lächelte, strich sich mädchenhaft eine Strähne hinters Ohr. „Nun, ich kann wohl nicht verlangen, dass du dich nach all den Jahren noch an mich erinnerst. Obwohl ich dich ja nie vergessen habe. Immerhin haben wir uns damals geschworen, Gefährten zu werden. Auch wenn es dann ein bisschen anders gekommen ist, weil ich mich Lycastus‘ angenommen habe. Erinnerst du dich noch an ihn? Lyca? Nicht? Aber wie es sich trifft, ist er vor kurzem gestorben und ich bin wieder frei. Wie sieht es mit dir aus?“
     „Moment! Moment!“, unterbrach Rahn sie, der jetzt völlig verwirrt war. „Wir haben uns geschworen, Gefährten zu werden? Wann war das denn?“


„Na, nachdem ich dich aus dem Wasser gefischt habe, als du fünf oder sechs oder so warst. Erinnerst du dich daran etwa auch nicht mehr?“
     Er erinnerte sich daran, dass er einmal beinahe ertrunken wäre und dass er damals von einem Mädchen gerettet worden war.


Nur, dass in seiner Erinnerung Dana dieses Mädchen gewesen war. Sie hatten sich danach versprochen, Gefährten zu werden, und nur deshalb hatte er es später auch so hartnäckig bei ihr versucht gehabt.  
     Sollte er sich etwa die ganze Zeit über falsch erinnert haben?


„Bist du dir sicher? Ich dachte immer, dass jemand anderes mich gerettet hat.“
     „Oh ja, sicher bin ich sicher. Aber du warst damals auch noch ziemlich klein. Kein Wunder, dass du das nicht mehr weißt. Sag, hast du es inzwischen eigentlich geschafft, deinen Vater zufriedenzustellen?“
     Rahn war noch immer damit beschäftigt, zu verdauen, was er gerade gehört hatte, um mit mehr als einem zustimmenden Brummen zu antworten.


Die jetzt entstehende Pause gab wiederum Akara, die von Dana erfahren hatte, wo er steckte, die Zeit, zu ihrem Gefährten zu stoßen. Sie lächelte scheu in Idas Richtung und stellte sich in sicherem Abstand an seine Seite. Ida nickte ihr grüßend zu, fokussierte sich dann aber wieder gänzlich auf Rahn.


„Und was ist jetzt mit dir? Bist du zufällig gerade zu haben?“, wiederholte sie.
     Akara erschrak, als sie das hörte, und Rahn beeilte sich: „Nein“, zu sagen.
     „Schade, aber ich hab’s mir fast gedacht. Du hast dich kaum verändert seit damals. Du warst so niedlich, und du bist zu einem richtigen Augenschmaus herangewachsen.“
     Akara verzog den Mund, blieb jedoch ruhig, und auch Rahn begnügte sich mit einem aufgesetzten Lächeln, das Ida signalisieren sollte, es gut sein zu lassen.   


Aber da hatte die Fremde die Dreistigkeit, sich dicht vor ihn zu stellen und anzüglich anzubieten: „Wenn du deiner Frau jemals überdrüssig wirst, oder einfach so, wenn du Lust hast, kannst du gerne zu mir kommen. Deine Frau muss es ja nicht erfahren. Ich habe jedenfalls vor, eine Weile in der Gegend zu bleiben.“


Das reichte jetzt wohl auch Akara. Entgegen ihrer sonst eingeschüchterten Art, trat sie energisch dazwischen und schob die Frau von ihrem Gefährten weg.
     „Ja hör mal, ich stehe genau hier!“, ereiferte sie sich.
     Ida bedachte sie mit einem abschätzigen Blick, bevor sie, wieder nur an Rahn gewandt, als wäre Akara gar nicht da, sagte: „Ach, ist das deine Frau? Ich dachte, sie wäre deine Tochter, wo sie doch noch ein halbes Kind ist.“


Akara fiel beinahe die Kinnlade runter, als sie das hörte, doch es war Rahn, der nun entschieden auf den Plan trat und sagte: „Ich glaube, wir sind hier fertig. Ich danke dir, dass du mir als Kind das Leben gerettet hast, aber wenn ich dich jetzt so erlebe, bin ich ganz froh, dass aus unserem Versprechen nichts geworden ist, und ich habe auch kein Interesse daran, in Zukunft jemals wieder mit dir zu tun zu haben. Ich wünsche dir ein angenehmes Leben.“


Dann nahm er Akara an der Hand und ging mit ihr davon.


„Entschuldige, dass sie so gemein zu dir war“, war er ganz untröstlich, als sie vor Ida in die Sicherheit des Hauses geflohen waren.
     „Wer war das denn?“, fragte Akara aufgebracht.
     Rahn erzählte ihr die Geschichte, aber wenn er so darüber nachdachte, war ihm die seine, in der Dana ihn gerettet hatte, eigentlich lieber.
     „Da kann ich ja froh sein, dass aus eurem Versprechen nichts geworden ist“, pflichtete Akara ihm bei, nachdem er fertig erzählt hatte.


Da strich er ihr liebevoll über die Wange, und sie kam am, um die Arme um ihn zu legen und ihn zu küssen. Kurz darauf beschlossen sie, den Abend in Ruhe zu zweit ausklingen zu lassen. Und es war das erste Mal, dass Rahn es wirklich zulassen konnte, glücklich zu sein.


Eris, die, seitdem sie diesen Flecken Erde hier betreten hatte, nichts lieber wollte, als zurück nach Hause zu kehren, war herzgebrochen. Zuerst dieser schreckliche Kerl, der sie belogen hatte, um unter ihren Rock zu kommen, und jetzt diese Ziegen, die sie lächerlich gemacht hatten. Und das auch noch vor Wulf!
     Sie wusste ja, dass es so war – dass sie nicht schön genug aussah, um glücklich bis ans Ende ihrer Tage an der Seite der Liebe ihres Lebens zu leben. So funktionierte das leider nicht.
     Sie hatte gehört, dass man hier einfach verheiratet werden konnte, und das wäre für sie wohl auch die einzige Möglichkeit, einen Mann zu bekommen, aber so tief würde sie niemals sinken. Da bevorzugte sie das Leben in Freiheit, wie sie es Zuhause führen konnte, auch wenn sie dann allein bleiben musste.


Nur, dass dies hier nicht ihr Zuhause war. Sie war so weit weg von Zuhause, dass sie schon in ihren Träumen von Heimweh geplagt wurde. Sie hasste diese Gegend, und sie wollte nur noch so schnell wie möglich von hier verschwinden.
     Aber leider sah es nicht danach aus, dass sie bald wieder gehen würden. Sie hatten Wulf zwar inzwischen gefunden – und wie froh sie darüber war! – doch er stand nach wie vor auf Kriegsfuß mit seinem Vater. Es sah momentan ja nicht mal danach aus, dass Wulf überhaupt wieder mit ihnen nach Hause kommen würde. Und sie wusste nicht, was sie dann tun würde.
     Ihr Onkel Isaac hatte sich die letzten paar Tage, die sie sich die Augen aus dem Kopf geweint hatte, rührend um sie gekümmert, doch auch er hatte nie davon gesprochen, wieder nach Hause zu gehen. Und Eris wusste ja, dass er das ohnehin nicht tun würde. Nicht nur wegen Wulf, seinem Sohn, sondern auch wegen dem anderen Wulfgar. Den, von dem er immer so inbrünstig gesprochen hatte. Bevor er den nicht gesehen hatte, würde er nirgendwo hingehen. Noch ein Grund mehr für Eris, Lunas leiblichen Vater nicht zu mögen.


Als sie gerade die erste Welle ihrer Tränen getrocknet hatte, fiel ihr auf, wo sie eigentlich hingeraten war. Sie war bei dem Haus, aus dem sie die letzten paar Tage immer wieder Geschrei gehört hatte. Manchmal war dann die Frau des Hauses, die mit Lunas Gesicht, nach draußen gekommen, um am Brunnen zu weinen.
     Auch jetzt war sie da. Sie hockte zusammengekauert an der Hauswand und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Eris erschrak, dass sie nicht allein war, doch die Frau hatte scheinbar noch keine Notiz von ihr genommen. Sie saß nur da, und als Eris jetzt still war, konnte sie sie leise schluchzen hören.
     Sie hatte die Frau schon öfter gesehen, war aber nur einmal zu ihr gegangen, obwohl sie jedes Mal Mitleid mit ihr gehabt hatte, wenn sie sie gesehen hatte. Doch jetzt entschied sie sich dazu, erneut zu ihr zu gehen. Sie wollte nicht mehr an die Dinge denken, die geschehen waren. An diesen schrecklichen Kerl, an ihre Demütigung Wulf gegenüber.


„Was los sein? Warum du weinen?“, fragte sie die Frau.
     Greta zuckte heftig zusammen und sprang so schnell auf die Beine, dass selbst Eris nochmal erschrak. Ihr Gesicht war vom Weinen rot und geschwollen, aber nach einem Moment quälte sie sich ein Lächeln auf die Lippen, das ganz eindeutig falsch war. Wahrscheinlich würde sie ihr wieder sagen, dass alles in Ordnung war. Wie das eine Mal, als Eris mit ihr gesprochen hatte.


Sie wollte wieder lügen, doch diesmal hatte sie einfach keine Kraft mehr dazu. Ihr falsches Lächeln zerbrach unter einer Flut an Tränen, und sie begann ihr Leid einer Fremden zu klagen. Davon, wie sie immer versucht hatte, ihrem viel jüngeren Mann einen Sohn zu schenken. Von den vielen Fehlgeburten, die sie gehabt hatte. Und von ihrem Jungen, der gestorben war, als er kein Jahr alt gewesen war. Von ihren Töchtern, von denen eine fortgelaufen war, weil sie sie verheiraten hatten wollen und ihr verboten hatten, Hosen zu tragen, und von der Anderen, die mit einem Mann durchgebrannt war, den sie nicht hatte heiraten sollen.


„Seitdem ist Griswold wie verändert“, erzählte sie, und ihr Stimme klang vom vielen Weinen ganz nasal. „Er war früher schon streng, aber zu uns war er immer ruhig und liebevoll. Jetzt jedoch ist er nur noch wütend. Und ich glaube, dass er mich hasst. Weil ich ihm keinen Sohn schenken konnte und unsere Töchter ihm nur Kummer bereitet haben.“ Sie ging wieder zum Weinen über. „Ich habe so eine Angst, dass er mich vor die Tür setzt.“


Eris ließ die Andere einen Moment lang weinen, dann fragte sie: „Er dir schlagen?“
     „Nein!“, erwiderte Greta erschrocken. „Er hat mich nie geschlagen! Aber… er hätte Giselinde einmal beinahe geschlagen…“
     „Du besser von ihm weggehen.“
     „Das kann ich aber nicht… Ich… ich liebe ihn doch! Er ist doch mein Mann!“, rief sie verzweifelt. „Meine Familie!“
     „Du nie dich lassen schlagen. Das nicht wert sein. Auch Liebe nicht das wert sein. Besser allein sein, als lassen schlagen.“


„Ich sagte doch, dass er mich nicht schlägt. Was soll ich also machen?“, sagte Greta gebrochen in die Nacht hinein, ihr Gesicht abgewandt. „Ich will ihn nicht verlassen. Was soll ich nur tun? Wie kann ich es nur erreichen, dass er nicht mehr wütend auf mich ist?“
     Doch da wusste Eris auch keine Lösung. Und als Greta jetzt weiter weinte, konnte sie ihr nur tröstend den Arm tätscheln. Männer waren echt das Letzte. Vielleicht war es ganz gut, dass sie allein bleiben würde.
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Hier weiterlesen -> Kapitel 119.4

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