Als die Küste in Sicht kam, trat Lu an die Reling und das
immerzu seichte Lächeln, das geradezu in sein Gesicht gemeißelt war, seitdem er
und Wulfgar auseinandergegangen waren, wurde endlich einmal echt.
„Da ist es.
Mein Zuhause“, sagte er mit sanfter, geradezu liebevoller Stimme.
Wulf trat neben ihn, aber er warf nur einen kurzen Blick
auf die Küste, die da näherkam. Er hatte schon ein paar Länder besucht, und er
würde wahrscheinlich noch genug Zeit hier verbringen, um sich das Stückchen
Land dort genauer anzusehen.
Stattdessen
sah er zurück auf das, was sie hinter sich gelassen hatten. Mit gemischten
Gefühlen. Er war froh, diesen schrecklichen Ort hinter sich gelassen zu haben,
aber er vermisste Luna jetzt schon. Und es gefiel ihm auch nicht, dass sie mit
den geflohenen Sklaven gegangen war.
Es war schon für ihn nicht einfach
gewesen, unbeschadet zu reisen. Da er als Kopf eines Sklavenaufstandes bekannt war,
hatten sie einigen Sklavenjägern aus dem Weg gehen müssen.
Er war erleichtert gewesen, als Marduk sie dann endlich an
Bord genommen hatte. Aber auch danach hatte er die meiste Zeit versteckt im
düsteren Bauch des Schiffes verbringen müssen. Er war nur froh gewesen, dass es
eine ruhige Überfahrt gewesen war und dass Marduk genug Wein geladen hatte, an
dem er sich großzügig bedient hatte.
Dennoch wurde es langsam Zeit, dass er mal wieder Frischluft atmen konnte. Die Gegend, die Lu Zuhause nannte, war glücklicherweise so abgelegen, dass man ihn hier bestimmt nicht suchen würde.
„Und? Freust du dich, wieder Zuhause zu sein?“, fragte er
den Älteren nach längerem Schweigen schließlich.
Da sah Lu plötzlich bitter aus, und Wulf befürchtete sofort, etwas Falsches gesagt
zu haben. Seitdem er mit Wulfgar dem Älteren auseinandergegangen war, stimmte
etwas nicht mit ihm. Er versuchte zwar, es zu verstecken, aber Wulf konnte es
sehen. Er aß wenig, sprach wenig und war oft abwesend.
Deshalb hatte er ihn
auch nicht einfach alleinlassen können. Denn er schuldete ihm etwas. Ihre Zeit
zusammen war zwar nur kurz gewesen, aber dennoch hatte Lu ihm etwas gegeben, um
weiterzumachen und für seine Freiheit zu kämpfen. Und sei es nur, um den ehemaligen
Schamanen aus der Gefangenschaft zu befreien.
Doch nach einem kurzen Moment lächelte Lu glücklicherweise wieder und antwortete ehrlich:
„Ja.“
Die restliche Fahrt bis zur Küste verbrachten sie
schweigend. Erst als das Schiff angelegt hatte, fing Lu wieder zu erzählen an,
und er schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Von den Leuten seines Stammes,
von der Landschaft, dem Wetter, den Tieren. Er bedachte ihn mit solch einem
Redeschwall, dass Wulf beinahe nicht hörte, wie plötzlich sein Name fiel, während er an Lus Seite den Pier entlangging.
Aber als er sah, wer jetzt auf ihn zukam, erstarrte er unwillkürlich.
„Oh, nein!
Scheiße!“, entwich es ihm.
Sofort machte er kehrt, rannte den Pier entlang, bis die Bohlen unter seinen Füßen endeten, und sprang ins Wasser. Lu war ja einiges von seinem Begleiter gewohnt, doch das kam so unerwartet, dass er ihm nur verdutzt dabei
zusehen konnte.
Aber noch verdutzter war er, als er nun demjenigen ins Gesicht sah, der im Begriff war, an ihm vorbei Wulf nachzusetzen. Auch der bemerkte ihn jetzt und blieb stehen, und sie starrten sich beide an.
Der Andere hatte ein Gesicht, das aussah wie seines in jüngeren Jahren.
Eine Weile zuvor, an dem Tag, an dem Seher Luis einen aufziehenden Krieg prophezeit hatte, waren sie spät abends mit dem kleinen Segelboot angekommen, das sie trotz des teilweise ziemlich schlechten Wetters unbeschadet ans Ziel gebracht hatte.
Vor Wochen, als Hana die drei Fremden das erste Mal getroffen hatte, war sie noch besorgt gewesen, dass das kleine Boot im ersten hohen Wellengang kentern würde, aber sie hatte sich glücklicherweise geirrt. Sie hatte sich damals dennoch dazu bereit erklärt gehabt, mit den drei Fremden zu reisen, so verzweifelt war sie gewesen, aus der gottverlassenen Gegend zu entkommen, in der festgesessen hatte.
Vor Wochen, als Hana die drei Fremden das erste Mal getroffen hatte, war sie noch besorgt gewesen, dass das kleine Boot im ersten hohen Wellengang kentern würde, aber sie hatte sich glücklicherweise geirrt. Sie hatte sich damals dennoch dazu bereit erklärt gehabt, mit den drei Fremden zu reisen, so verzweifelt war sie gewesen, aus der gottverlassenen Gegend zu entkommen, in der festgesessen hatte.
Und jetzt,
jetzt war sie wieder hier. An dem Ort, den sie vor Monaten verlassen hatte, und zu
ihrem Bedauern hatte sich nichts geändert.
„Ach, Mist! Nicht immer noch!“, fluchte Hana, als sie
beim Betreten des Wirthauses sogleich von einer
umfallenden Feuerschale begrüßt wurde.
„Da! Ich hab’s
gesehen! Es ist knallrot!“, rief die Jüngste ihrer Begleiterinnen, den Finger
in die Leere vor sich gerichtet. „Wow, es ist echt rot. Du musst es ganz schön
wütend gemacht haben.“
„Und? Kannst
du den Geist vertreiben?“
„Wenn er hier
ist. Vielleicht. Aber er ist abgehauen“, eröffnete die Andere.
In diesem
Moment wurden sie von Alin erreicht, der sich erhoben hatte, um die
Neuankömmlinge zu begrüßen. „Hana, du bist das!“, stellte er mit Blick auf die
umgeworfene Feuerschale fest, deren Asche und Ruß sich auf dem ganzen Boden
verteilt hatte. „Grüß dich! Wer sind deine Gäste?“
Hana murmelte
eine kleinlaute Entschuldigung, begrüßte ihren alten Arbeitgeber und winkte
ihre Begleiter danach zu sich.
Und als jene ins Licht getreten waren, gab Lulu einen
halb erschrockenen, halb verschluckten Laut von sich.
„Lu! Du hast
Lus Augen! Du siehst aus wie Lu in seiner Jugend!“, rief sie.
„Das ist
Isaac“, stellte Hana kichernd vor, während der Angesprochene mittelalte Mann
neben sie trat, lächelnd grüßte und die Hand ausstreckte.
Lulu wurde ob
ihres Ausbruches rot vor Scham, stotterte ihren Namen und ignorierte
glatt die dargebotene Hand. Doch zu ihrem Glück sprang eines der Mädchen
dazwischen, bevor das auffallen konnte.
„Ich bin Mari. Und das da ist meine schrullige Cousine
Eris.“
„Gar nicht!“,
gab jene aufgebracht von sich.
Sie nuschelte irgendetwas in einer wunderbar melodischen Sprache, worauf Mari grinsend erklärte: „Es heißt, dass du verkorkst bist.“
Eris murmelte wieder etwas Unverständliches, doch Isaac trat jetzt vor und unterbrach sie.
Eris murmelte wieder etwas Unverständliches, doch Isaac trat jetzt vor und unterbrach sie.
„Hana sagte, dass ein Mann namens Wulfgar hier lebt.“
Da Lulu nur
mit großen Augen antwortete, erklärte Alin an ihrer Stelle: „Das stimmt. Aber
er ist momentan leider nicht hier.“
„Wo kann ich
ihn finden?
„Das wissen
wir leider nicht so genau.“
„Und mein Sohn Wulfgar? Er ist auch nicht hier, nehme ich
an? Er sieht – nun ja, ein bisschen aus wie ich.“
„Hier ist er
nicht. Aber ich glaube, letztens von ihm gehört zu haben.“
„Wirklich?“, fragte Isaac aufgeregt. „Weißt du, wo er jetzt ist?“
„Ich muss dir
leider sagen, dass dein Sohn wohl Sklavenhändlern in die Hände gefallen ist.“
Da war es so still, dass das Rauschen des Meeres von draußen zu hören war. Isaac schaute erschrocken, und auch Eris
tat das, nachdem sie von Mari erfahren hatte, was das bedeutete. Sie gab sogar
einen erstickten Schrei von sich und vergrub das Gesicht in den Händen.
Nur Mari sah unbeeindruckt aus.
„Wulfgar, also
der Ältere, ist zusammen mit seiner Tochter aber auf der Suche nach ihm“, setzte Alin hinzu. „Unter anderem.“
„Wulf?“, kam
überrascht von Isaac.
„Luna?“, kam
erfreut von Mari.
„Was? Welche
Tochter?“, kam erschrocken von Lulu, bevor sie verwirrt aussah. „Von… von wem
reden wir gerade?“
„Ich kann euch gerne alles erzählen“, bot Alin an.
Also hörten sie die Geschichte der beiden Wulfgars, von
Lu, Luna, Elrik, Anya und zwei Geschwistern, die offensichtlich in einer Fehde
miteinander gelegen hatten. Alin hatte sie zuvor schon vor versammeltem
Stamm grob zum Besten gegeben, hatte viele Details aber außen vor gelassen. Und das
war auch ganz gut so, wie er jetzt sah. Denn als er geendet hatte, war Lulu
blass und ihre Gäste sahen (fast) allesamt betroffen aus.
Isaac trat schließlich vor, erklärte ernst: „Ich gehe
natürlich auch suchen. Sag mir, wo mein Junge zuletzt gesehen wurde.“
„Nun, ich
halte dich natürlich nicht auf, aber bei dem Wetter würde ich nicht mehr
rausfahren. Ihr habt ja Glück, dass ihr es überhaupt vor dem Unwetter hergeschafft
habt, das sich da zusammenbraut.“
„Das ist egal!
Ich muss meinen Sohn finden, und sobald der Wind wieder gedreht hat, werde ich
das auch tun!“
Also sagte Alin
es ihm.
Isaac war schon halb draußen, als seine Begleiterinnen
aufholten. Er blieb stehen, als er das bemerkte und sprach mit ihnen in seiner
Muttersprache. Hektische Worte flogen hin und her, und scheinbar waren die drei
bald in einer heftigen Diskussion miteinander versunken.
Schließlich seufzte Isaac und ließ geschlagen die Schultern sinken.
Er drehte wieder um, kam zurück ins Licht.
„Du hast
recht“, sagte er betroffen zu Alin. „Ich kann Mari und Eris nicht in Gefahr
bringen, und sie sind zu stur, um auf mich zu hören und hierzubleiben.“ Er
unterbrach sich, um den Händler zerknirscht anzusehen. „Könnten wir hier
Herberge beziehen, bis sich die See beruhigt hat? Ich kann zwar nichts dafür
bezahlen, würde für die Unterbringung aber selbstredend arbeiten.“
„Mach dir
keine Umstände. Dein Sohn ist in die Sklaverei geraten. Das ist kein schönes
Schicksal, wenn er Pech hat. Bleibt, solange ihr wollt.“
Isaac lächelte
dankbar, bevor das Unglück auf sein Gesicht zurückkehrte und er in Schweigen
versank, während seine Begleiterinnen sich scheinbar darüber zu beschweren
begannen, dass sie nicht wieder loszogen. Aber an diesem Tag blieben sie im Handelsposten.
Auch am nächsten Tag regnete es unvermindert. Der Wind
hatte über Nacht gewütet und jetzt etwas nachgelassen, doch er war nach wie vor
stark und kam nach wie vor aus der falschen Richtung.
Da Mari bald
schon die Decke auf den Kopf fiel und Dias Geist Hana ausnahmsweise mal in Ruhe
ließ, stahl die Jüngste sich am Morgen davon, um die Gegend zu
erkunden.
Sie lief einen Hügel hinan, schlenderte über eine Ebene
zwischen zwei Häusern entlang, die oberhalb des Hügels lagen, und genoss
das klatschende Geräusch ihrer Schritte, das Rauschen des Regens, die
Wassertropfen auf der Haut.
Sie liebte es so sehr, draußen zu sein. In der
Natur. In Freiheit. Seitdem sie ihre Heimat verlassen hatte, war sie von diesem
wahnsinnigen Gefühl von Glück und Zufriedenheit geradezu berauscht, das die
Freiheit in ihr auslöste, und sie wusste, dass es ihrem Vater genauso ging.
All
die Jahre wie eingesperrt zu sein, war hart gewesen, und sie wollte sich gar
nicht vorstellen, wie das erst für ihn gewesen war. Doch jetzt war er endlich
frei. Wenn da nicht die Sorge um ihren doofen Bruder gewesen wäre, natürlich.
Während sie ihren Gedanken nachhing, die sich langsam in
Ärger über ihren blöden Bruder verwandelten, erreichte sie einen weiteren Hof,
auf dem sich tatsächlich ein paar Wagemutige nach draußen verirrt hatten, um
den Schwertkampf zu trainieren. Zumindest machte einer gerade vor, wie es zu
laufen hatte und kurz darauf standen sich vor versammelter Meute zwei im Schaukampf gegenüber.
Da ließ Mari sich nicht zweimal bitten. Sie ging rüber,
rief: „He! Ihr da! Darf ich auch mal?“
Einer der
größeren Männer vom Rand, ein junger mit auffallend krummer Nase und in
Rüstung, musterte sie und fragte: „Und wer bist du?“
„Ich bin
Mari!“ Sie nickte ihm anerkennend zu. „Du bist gut, aber von mir kannst du noch
was lernen.“
Garrus sah sie skeptisch an, ließ sie dann aber antreten. Als sie das angebotene Schwert ablehnte, runzelte er die Stirn und steckte
sein eigenes wieder zurück.
„Du kannst
ruhig dein Schwert behalten“, meinte sie grinsend.
„Ich kämpfe
gerne fair und auf Augenhöhe.“
Sie lachte
herausfordernd. „Dann solltest du es wirklich behalten.“
Garrus ließ
sich nicht provozieren. Wie immer blieb er ruhig und ging souverän in den
Angriff über.
Doch anstatt abzuwehren, duckte sich Mari plötzlich,
sodass Garrus‘ Angriff über ihr ins Leere ging. Dann stieß sie sich nach oben,
nutzte den Schwung ihres Gegners und rollte ihn über ihre Schulter hinab, sodass er
hinter ihr zu Boden ging. Es sah aus, als ob er einfach über sie drüber
gefallen wäre.
Er brauchte
nicht lange, um wieder auf die Beine zu kommen. Sie bezogen erneut Aufstellung
voreinander, aber diesmal war es Mari, die angriff. Sie rannte auf ihn zu,
blieb vor ihm stehen, drehte sich und griff nach seinem Arm. Dann ließ sie sich
nach vorne fallen, rollte sich ab und rollte ihn dabei über ihren Rücken. Sie
war unglaublich schnell.
Als Garrus diesmal aufstand, hob sie aber ihre Hand und sagte: „Das
reicht. Ich will dir ja nicht gleich mein ganzes Repertoire zeigen.“
„Also hast du
nichts mehr“, schlussfolgerte er folgerichtig.
Mari grinste als Antwort zahnbewehrt.
„Du hast ein
paar gute Tricks drauf“, stand er ihr zu, „aber auf Dauer würdest du nicht
gegen mich ankommen.“
„Hm, lass es uns das nächste Mal rausfinden.“ Sie gähnte
ungeniert. „Jetzt hab ich aber keine Lust mehr. Sagt mal, wo ihr gerade hier
seid, wohnt hier Wulfgar?“
„Du kennst
Wulfgar?“, kam von einem schmächtigeren Kerl mit Locken vom Rand.
„Pff, klar!
Ich hab schließlich einen Bruder, der nach ihm benannt ist. Der Idiot ist
einfach abgehauen, ohne wem Bescheid zu geben, und deshalb sind wir jetzt hier.
He, aber wenn Wulfgar, also der gescheitere von beiden, hier lebt, dann erzählt
mir ein bisschen was über ihn. Vater hat immer so viel von ihm erzählt, und ich
will wissen, ob das stimmt.“
Mari blieb also auch den restlichen Tag als
selbstgeladener Gast im Uruk-Hof, was Wotan die Chance gab, sie am späten Nachtmittag dort zu finden.
Tropfnass betrat er das Haus.
„Hey! Ich hab
gehört, dass eine Frau Garrus umgehauen hat“, platzte er mitten in Maris
Erzählung. „Ist sie hier?“
„Ja, das war
ich.“
Wotan kam daraufhin näher, aber als Jade ihn sah, war sie
sofort auf den Beinen und sah betroffen aus. „Wotan…“
Und Wotan, der scheinbar vergessen hatte, dass seine Schwester ja hier lebte, der er vor kurzem erst noch seine Absicht eröffnet hatte, sie heiraten zu wollen, erstarrte zur Salzsäule.
Glücklicherweise kam aber Mari an, um die Situation zu
retten. „Was denn?
Willst du auch umgehauen werden?“, bot sie an.
Wotans Gesicht
wurde plötzlich todernst und er fragte sie: „Wie ist dein Name?“
Sie nannte ihren Namen, und da ging Wotan plötzlich vor
ihr auf die Knie und sagte feierlich: „Mari, bitte werde meine Frau!“
Da war es erstmal still, bis die Gefragte schließlich in
lautstarkes Gelächter ausbrach.
„Was bist du
denn für einer?“ Sie verbrachte einen Moment damit, sich die Tränen aus den
Augenwinkeln zu wischen. „Aber du gefällst mir. Du hast Schneid.“
„Also ist das
ein Ja?“
„Nein. Aber
ich hau dich gern auch um, wenn du willst.“
Eris hatte derweil bemerkt, dass Mari – mal wieder –
verschwunden war. Das war nichts ungewöhnliches, weil ihre Cousine keine fünf
Minuten lang die Beine stillhalten konnte und es deshalb alle von ihr gewohnt
waren, dass man sie manchmal wochenlang nicht zu Gesicht bekam, aber während
ihrer Reise war sie bislang glücklicherweise ausgelastet genug gewesen, um das
zu unterlassen.
Eris fand das
Ganze ja unheimlich anstrengend, und sie war froh, wenn sie endlich wieder zu
Hause war und Ruhe hatte.
Da ihr Onkel Isaac heute jedenfalls mal wieder einen
grüblerischen Tag hatte und nicht mal gemerkt hatte, dass Mari weg war, war es
deshalb jetzt an ihr, die Verschwundene zu suchen. Wenn der Wind wieder drehte,
wollte sie schnellstmöglich von hier weg, um endlich Wulf zu finden. Da konnte
sie es jetzt überhaupt nicht gebrauchen, dass Mari einfach abhaute. Manchmal
war ihre Cousine wirklich nervig.
Nervig fand
sie auch, dass es hier einfach nicht aufhören wollte zu regnen. Sie kannte das
ja schon von Zuhause – in der Regenzeit regnete es dann wochenlang
ununterbrochen, aber der Regen war dort wenigstens nicht so verdammt kalt wie
hier. Sie hasste die Kälte. Sie hasste die Außenwelt. Und sie konnte diesen Ort
jetzt schon nicht leiden. Da brauchte sie nicht erst das laute Geschrei aus
einem der Häuser zu hören, von dem jetzt die Tür aufflog und jemand ihr mit
tränengeschwollenem Gesicht entgegenkam.
‚Hier scheinen nur Barbaren zu leben‘, dachte sie
abfällig. ‚Wo sind wir hier nur hingeraten?‘
Sie
beschloss, nicht dort nach Mari zu fragen, sondern ihr Glück lieber beim Nachbarhaus
zu versuchen, wo sie sich scheinbar immerhin nicht gegenseitig anschrien. Sie
machte sich einer komischen Frau, die ihr Haar kurz wie ein Mann trug – wie ein
Mann! – und einen komischen Hut aufhatte, verständlich und wurde von ihr zu einem
Durchgang zwischen Haus und Stall gewiesen.
Eris nickte,
ließ sie stehen und ging zu dem hohen, steingesäumten Hügel, der sich dort
erhob, hinüber. Doch als sie Lärm hörte, war sie augenblicklich alarmiert
und beschleunigte ihre Schritte.
Und was sie als Quelle des Lärms vorfand, ließ ihr Herz
beinahe stehen bleiben. Dort vor ihr war Mari, die Gesuchte, und ein unbekannter Junge,
und die beiden waren gerade mächtig ineinander verkeilt.
Eris wusste nicht, in was genau sie da hineingeraten war – Mari war schließlich dafür bekannt, der körperlichen Liebe gegenüber sehr offen zu sein, wie sie schon oft von den Jungen ihres Heimatdorfes gehört hatte – sie entschied sich aber dazu, dass ihre Cousine diesmal wohl in Gefahr schwebte. Sicher war sicher.
Also ging sie dazwischen, zog den Kerl von Mari
und verpasste ihm einen saftigen Tritt gegens Schienbein, dass er aufheulte.
Die Gerettete unterdessen war erstmal mit Lachen beschäftigt. „Eris! Ganz ruhig! Wir haben
nur ein bisschen gerauft.“
Eris
ignorierte, dass Mari in der Ortssprache sprach und redete in der ihr
vertrauten Sprache zu ihrer Cousine, die gleichsam antwortete. Und Wotan stand
dazwischen, rieb sich das Schienbein und verstand nur Bahnhof.
„Wollt ihr mich auch noch an eurer Unterhaltung teilhaben
lassen, nachdem sie mich schon getreten hat? Wer ist das
eigentlich?“
„Eris, meine Cousine. Sie versteht zwar das meiste hier, kann eure Sprache aber nicht so gut sprechen.“
„Eris, meine Cousine. Sie versteht zwar das meiste hier, kann eure Sprache aber nicht so gut sprechen.“
Eris zupfte an ihrem Ärmel und sprach wieder
zu ihr. Sie konnte sich vielleicht nicht gut ausdrücken, aber das war auch gar nicht nötig. Ihr Gesicht, das eine Maske aus Misstrauen und Ablehnung Wotan gegenüber war, sprach bereits deutlich genug für sich.
„Ist ja gut. Ich komm ja schon. Tja, ich muss zurück. Vielleicht sieht man sich ja nochmal.“
„Ich hoffe
doch. Mein Angebot von vorhin steht übrigens nach wie vor“, merkte er grinsend
an, dass selbst für Eris klar wurde, dass Mari diesmal nicht in Gefahr
schwebte.
Mari beachtete
ihn aber nicht weiter und ging mit Eris zusammen davon.
Doch kaum, dass sie sich umgedreht und ein paar Schritte
gegangen war, blieb sie wieder stehen.
„Was ist?“
„Der da“, erklärte
Mari erstarrt und zeigte zu dem langhaarigen Mann, der vor einem aufgetürmten
Schrein und einer Feuerschale hockte. „Er hat eine Aura. So wie Luna.“ Sie
kniff die Augen zusammen, sah genauer hin. „Nein, genau
wie Luna.“
Wotan erschien neben ihr, fragte: „Was hast du denn
mit Luis?“
„Wer ist er?“,
antwortete sie mit einer Gegenfrage.
„Der Schamane
hier. Glaube ich. Oder der Helfer? Irgendwie sowas. Was ist denn los?“
„Bei uns
Zuhause gab es einst eine ganz besondere Frau“, erzählte Mari gedankenverloren.
„Ihr Name, mit dem sie geboren wurde, war Mari, aber jetzt heißt sie Luna. Ihre
Mutter war ein Stück vom Mond, und so ist es auch Luna. Aber nicht nur das. In
ihrem Körper wohnen zudem zwei Geister. Der des Mondes und der eines verstorbenen
Mädchens namens Mari, von dem sie ihren ursprünglichen Namen hat. Sie hat deswegen immer schon in die Zukunft und die
Anderswelt sehen können.
Ich bin vor einigen Jahren mit ihr eins geworden. Wir
haben unsere Namen getauscht und uns verbunden, und seitdem kann ich das auch.
In die Zukunft sehen. Emotionen sehen. Naja… ich kann es nicht ganz so gut wie
sie. Ich bekomme nur Visionen, wenn ich bei ihr bin und sie welche hat, und
selbst dann sehe ich nur sehr vage und verschwommen.“
Ihr Blick
glitt zu Luis hinüber. „Seitdem ich mich mit ihr verbunden habe, sehe ich
jedenfalls bei manchen Leuten so etwas wie Auren. Das ist das Einzige, das ich
kann, was Luna nie konnte. Meistens sind es selber Leute, die irgendwie berührt
wurden, bei denen ich das sehe. Von Geistern oder sowas. Und dieser Mann da hat
das auch. Viel mehr noch, er hat genau dieselbe Aura wie Luna um sich. Das habe
ich zuvor noch nie gesehen.“
„Luis kann auch in die Zukunft sehen, hab ich gehört“,
berichtete Wotan ihr.
„Das kann ich
mir gut vorstellen.“
„Geh doch mal
rüber und red mit ihm. Vielleicht kennt er deine Luna ja.“
„Oh, nein!
Darauf kann ich verzichten. Wenn ich solchen Leuten nahekomme, krieg ich auch
oft Visionen. Und ich hasse Visionen. Die machen einen total fertig. Ich habe
keine Ahnung, wie Luna das aushält.“
Eris, die bislang still gelauscht hatte, zog jetzt wieder an
Mari, und die war diesmal froh, dass sie gehen konnte.
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Erstmal will ich mich für die dunklen Bilder entschuldigen. Ich habe sie schon aufgehellt, aber sie sind dennoch immer noch viel zu dunkel. Es werden zwar noch ein paar dunklere Szenen folgen, aber meine Lao-Paoaner haben mir einiges über ordentliche Beleuchtung beigebracht und inzwischen hat der Handelsposten (u.a.) auch eine ordentlichere Beleuchtung bekommen
Und macht euch jetzt auf ein bisschen Gefangirle meinerseits gefasst, weil ihr jetzt meinen neuen Lieblingssim (endlich!) kennenlernt: Isaac. Ich muss ja nicht erwähnen, dass ich schon ewig drauf warte, dass er endlich vorkommt X) .
Ich weiß gar nicht, warum, weil er mir in Wulfgars Geschichte nie der interessante Charakter gewesen ist, aber seitdem ich ihn in Sims erstellt habe, bin ich völlig hin und weg von ihm. Ich habe ihn übrigens tatsächlich aus dem Lu-Sim erstellt, habe nur geringfügige Veränderungen an Nase und Lippen vorgenommen, ihn ein bisschen normalgewichtiger gemacht und sein Gesicht ein bisschen rundlicher. Da ich in Wulfgars Geschichte geschrieben habe, dass Wulfgar dachte, einen dunklen Lu vor sich zu haben, als er Isaac das erste Mal getroffen hat, und er zu dem Zeitpunkt nur den jugendlichen Lu kannte, hielt ich das für sinniger, dass er einfach wie ein junger Lu aussieht.
Ich könnte euch jetzt noch ewig viele Bilder von meinem neuen Lieblingssim posten, aber da ihr ohnehin noch genug von ihm mitbekommen werdet (und ich euch nicht zu sehr zuspammen will), lass ich euch einfach mal mein Lieblingsbild von ihm da, als er für mich Julius' Haus inspiziert hat, und weiter im Text:
Ich könnte euch jetzt noch ewig viele Bilder von meinem neuen Lieblingssim posten, aber da ihr ohnehin noch genug von ihm mitbekommen werdet (und ich euch nicht zu sehr zuspammen will), lass ich euch einfach mal mein Lieblingsbild von ihm da, als er für mich Julius' Haus inspiziert hat, und weiter im Text:
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe die drei Neuankömmlinge zum Handelsposten gepackt, während der junge Wulf seinen Platz beim Uruk-Stamm gefunden hat, falls ihr mehr über sie erfahren wollt. Zudem habe ich auf Vorschlag von Nabila hin eine weitere Seite für die Außenwelt eingerichtet. Dort zu finden sind sowohl die Leute aus Lao-Pao, die ich unter Kapitel 105 schon mal gepostet habe, zudem habe ich auch die Bewohner des Hauses Julius und Scipio hinzugefügt
Ich hoffe übrigens, dass man verstanden hat, dass wir jetzt einen (längeren) Rückblick haben, der zeittechnisch an Kapitel 111 anknüpft. Es wird also noch ein bisschen dauern, bis Lu auch tatsächlich zurück nach Hause kehren wird.
Nächstes Mal dann begleiten wir Mari erneut dabei, wenn sie ausbüxt und jemanden im Wald über den Weg läuft. Zudem gerät Eris mit jemanden "aneinander", und Isaac besucht das Zuhause seines alten Freundes.
Bis dahin, danke euch für eure Aufmerksamkeit, ich wünsche euch alles Gute und verabschiede mich!
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