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Donnerstag, 28. Mai 2020

Kapitel 115 - Ungleiche Cousinen



Nicht dass Mari es lange aushielt, im Handelsposten eingesperrt zu sein. Da Hanas Geist dieser auch weiterhin fernblieb, nutzte sie die Chance, als alle schliefen, um erneut auszubüxen.
     Sie hasste es, lange an einem Ort zu sein. Vor allen Dingen seitdem sie ihre Heimat verlassen hatte, wollte sie keine Sekunde mehr stillsitzen. Sie wollte am liebsten die ganze Welt sehen.
     Sie fragte sich wirklich, wie ihr Vater es so lange Zuhause ausgehalten hatte, wo es ihn doch all die Jahre in die Ferne gerufen hatte. Sie hätte diesem Ruf niemals so lange widerstehen können wie er, und sie wusste jetzt schon, dass sie nicht wieder mit nach Hause gehen würde, wenn sie ihren ätzenden Bruder erstmal gefunden hatten. Sie würde auch danach weiterhin die Welt bereisen.


Am meisten liebte sie das Meer, weshalb sie diesmal am Strand entlangging, bis sie ihn in der Ferne abrupt enden sah. Also bog sie landeinwärts ab, ging einen Hügel hinan und verschwand dann zwischen ein paar Bäumen, die in der aufziehenden Dunkelheit nur noch schwarze, gespenstische Pfähle mit aufgeplatzten Enden waren. 
     Sie musste unwillkürlich an die Totentänze denken, die ihr Priester Zuhause mit ebensolchen Stäben vollführte, an deren oberen Ende ein Büschel aus ausgetrockneten Palmenblättern und schwarzen Federn befestigt war.

 
In ihrer Kindheit hatten ihre Freunde immer Angst davor gehabt, während Mari ganz fasziniert davon gewesen war. Von dem unheilvollen Rascheln des Stabes, dem tiefkehligen Gesang und der weiß-schwarzen Totenschädelbemalung des Priesters. 
     Es hatte sie schon immer zum Mysteriösen hingezogen, genau wie Luna, und auch jetzt hatte sie keine Angst. Im Gegenteil. Da war etwas, das sie beinahe magisch zu einer kleinen Lichtung rief, über der Trauer und Angst wie ein unheilvoller Nebel hingen. Hier war etwas Schlimmes geschehen und sie fühlte sofort ein bedrückendes Gefühl von Gefahr, als sie näherkam, dass selbst sie schlucken und sich Mut zureden musste, um nähergehen zu können.
     „Was ist hier nur geschehen?“, flüsterte sie in die unheimliche Stille des Waldes hinein.


Als hätte ihre Stimme etwas beschworen, kam plötzlich Bewegung in einen Busch zu ihrer Linken. Ein junger Mann kam durch das Blattwerk gebrochen, ungefähr in ihrem Alter, schätzte sie.
     Auch er bemerkte sie jetzt und fror an Ort und Stelle fest. Sie hatte keine Ahnung, ob er böse Absichten ihr gegenüber hatte – sie konnte immerhin keine sichtbaren Waffen sehen – also blieb sie wo sie war.


„Wer bist du und was suchst du hier?“, sagte er todernst, aber mit einer angenehmen klingenden Stimme.
     „Oh, dasselbe will ich auch von dir wissen. Ich bin Mari. Also?“
     Er antwortete nicht auf ihre Frage, ließ den Blick schweifen, fragte stattdessen: „Mit wem hast du da gerade geredet?“
     „Mit niemandem. Was ist hier eigentlich passiert? Hier ist alles voller Angst und Trauer.“
     Er runzelte die Stirn. „Von was redest du?“
     „Na, ich frage dich, ob hier ein Unfall oder Mord passiert ist oder so.“
     Der Junge tat die nächste Zeit nichts anderes, als sie erschrocken anzustarren, weshalb sie nochmal: „Also?“, fragte.
     „Mein kleiner Bruder ist hier von Bienen gestochen worden und gestorben“, erzählte er traurig.
     „Wie beneidenswert, dass er schon so früh gehen durfte.“
     „Was? Er ist tot; hast du nicht zugehört?“


„Ja, und das bedeutet, dass er mit dem großen Schöpfer eins geworden ist und alles erfahren hat, was auch er weiß. Alle Geheimnisse dieser Welt. Ist das nicht spannend? Alles zu wissen und zu sehen, meine ich. Ich kann es gar nicht abwarten, bis es bei mir soweit ist. Und bis dahin werde ich schon mal so viel von der Welt sehen gehen, wie ich kann.“
     Er beäugte sie einen Moment lang irritiert, dann merkte er an: „Siehst du nicht sowieso alles, wenn du dann tot bist?“
     „Ja, schon. Aber was soll ich sonst bis dahin machen? Mich langweilen?“
     Obwohl sie merkwürdig war, konnte Leif nicht verleugnen, dass sie eine faszinierende Art hatte, die Dinge zu sehen. Vor allen Dingen ihre Ansicht über den Tod war interessant.


„Woher wusstest du eigentlich, dass hier etwas passiert ist?“
     „Alles was lebt, hinterlässt in der Welt seine Spuren. Auch starke Emotionen können sich wie Fußabdrücke an einen Ort haften. Und ich kann sowas sehen.“
     „Und hier? Was siehst du hier?“, fragte er ein bisschen besorgt.
     „Hier ist alles voller Angst und Trauer“, erzählte sie mit bedrücktem Gesicht. „Die Angst ist schon recht schwach, aber die Trauer ist allgegenwärtig.“
     Leif hätte sie gerne gefragt, ob sie auch Geister sehen konnte, aber er traute sich nicht. Er wollte nicht erfahren, dass Ragna hier war und dass er vielleicht doch böse auf ihn war. Deshalb hatte er auch nie Tanna nach dem Geist seines Bruders gefragt. Er war einfach nach wie vor ein Feigling.


„Ich warte übrigens immer noch drauf, dass du mir deinen Namen sagst“, schreckte sie ihn aus seinen trübsinnigen Gedanken. „Du weißt meinen und könntest mich damit verfluchen, da ist es nur fair, dass ich deinen auch weiß.“
     Also sagte er ihr seinen Namen.


Bevor sie etwas dazu sagen konnte, wurden sie im nächsten Moment von Nefera unterbrochen. Sie, Gil und er trafen sich seit einer Weile schon, und das eigentlich immer an den Klippen, doch die anderen beiden waren noch nicht dagewesen, als er zuvor nachgeschaut hatte. Deshalb hatte er einen Abstecher gemacht, um ein Feuer für seinen Bruder anzuzünden. Manchmal kamen sie drei auch hierher, um das zu tun.
     Nefera stolperte beinahe über ihre eigenen Füße, als sie Mari bemerkte, machte große Augen und fragte dann in Leifs Richtung: „Oh, äh… wer ist das?“
     Er kam nicht zum Antworten, weil Mari schneller war und sich selber vorstellte. Nefera nannte ihr daraufhin ihren Namen, wandte sich danach aber gleich wieder an Leif.


„Ähm, Leif, ist Gil schon dagewesen?“, fragte sie zögerlich, immer wieder nervöse Blicke zu Mari werfend.
     „Nein. Ihr kommt doch sonst immer zusammen.“
     „Ja, aber sie war nicht an unserem üblichen Treffpunkt, deshalb dachte ich, sie wäre vielleicht schon hier“
     „Wer ist Gil?“, klinkte sich Mari ein.


„Eine Freundin von uns“, antwortete Leif ihr ohne Umschweife, bevor er zu Nefera sagte: „Wenn du noch nicht bei den Klippen warst, dann lass uns zusammen hingehen. Vielleicht ist sie ja schon da.“ Und Mari bot er an: „Willst du mitkommen?“
     Nefera warf ihm einen überraschten Blick zu. Sie wollte etwas einwenden, ließ es aber bleiben. Es kam so selten vor, dass Leif mal nicht abwesend war. Dass seine Augen Leben zeigten. Und momentan funkelte es dort so intensiv, wie sie es noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Sie fragte sich nur, was passiert war, bevor sie angekommen war. Was diese Mari mit ihm gemacht hatte.


Gil war tatsächlich bei den Klippen. Sie war ein zusammengekrümmtes Häufchen Elend am Boden, als sie sie fanden.
     „Gil, was ist denn los?“, fragte Nefera behutsam, ging neben der Freundin in die Hocke und berührte sie leicht an der zuckenden Schulter.
     Aber Gil weinte nur weiter, und es brauchte eine ganze Weile, bis sie mit der Sprache rausrückte und sagte: „Ich werde heiraten.“


Am nächsten Morgen war Eris – schon wieder! – auf der Suche nach der verschwundenen Mari. Sie hatte gerade das kalte, muffige Wirtshaus verlassen und war in den Dauerregen hinausgetreten, als ihr auffiel, dass da zwei standen und tuschelten.
     Es erinnerte sie sofort an Zuhause, an das Dorf, in dem sie nicht leben durfte, und dessen Bewohner, deren Augen bei ihrem Anblick immer voller Abscheu waren, die verletzenden Worte, die viel zu laut waren, als dass sie sie nicht hätte hören können.
     Sofort war ihre ohnehin schlechte Laune im Keller und das wurde auch nicht besser, als einer der Jungen jetzt ankam, das hämische Grinsen seines Kumpanen wie ein Leuchtfeuer im Rücken.


Dementsprechend bekam er auch erstmal einen deftigen Tritt gegens Schienbein, als er tatsächlich nach ihr griff, nachdem Eris seinen flätigen Spruch einfach ignoriert hatte. Er jaulte noch erbärmlicher auf als der Kerl vom Vortag, mit dem Mari sich geprügelt hatte, sodass er den Händler anlockte, der ihnen gestern erzählt hatte, was ihrem armen Wulf widerfahren war. Da nahmen die beiden Jungs auch glücklicherweise Reißaus.


„Was ist passiert? Haben sie dir was getan?“, fragte Alin sie.
     Eris schüttelte den Kopf, fragte: „Mari. Wo?“
     „Ich weiß leider nicht, wo deine Begleiterin ist. Wenn du willst, lass ich sie aber suchen.
     Sie schüttelte wieder den Kopf und ging dann davon.


Obwohl sie es nicht glaubte, dass ihre Cousine zweimal am gleichen Ort zu finden war, ging sie erneut den Hügel hinauf zu den Höfen. Und erneut hörte sie Lärm aus dem vorderen der Häuser dringen.
     ‚Barbaren, allesamt!‘, dachte sie, als die Tür aufflog und – schon wieder – jemand mit verheultem Gesicht daraus hervorbrach.


Diesmal war es aber eine Frau und diesmal floh sie nur ein Stück weit bis zu einem nahegelegenen Brunnen, auf dessen Rand sie sich niederließ, das Gesicht in den Händen vergrub und laut zu schluchzen begann.


Eris ging zu ihr hinüber und fragte: „Alles in Ordnung sein?“
     Die Frau zuckte zusammen und sah sie erschrocken an, und auch Eris erschrak bei ihrem Anblick. Diese Frau hatte das Gesicht von ihrer Schwester Luna.
     „Ja, es ist alles in Ordnung“, erwiderte die Frau und trocknete sich die Tränen.


Eris wollte weiter nachfragen, aber dass diese Frau wie Luna aussah, verstörte sie so sehr, dass sie nur nickte und dann das Weite suchte. Sie traute sich nicht mal, nach Mari zu fragen.
     Es war offensichtlich, dass diese Frau etwas mit Lunas Vater Wulfgar zu tun hatte. Und sie konnte Lunas Vater, im Gegensatz zu Mari und Isaac, nicht ausstehen. Luna gehörte zu ihrer Familie und zu keiner anderen. Vielleicht hatte ihr Cousin Wulf sie auch ein bisschen beeinflusst. Er hatte seinen Namensvetter ja nie leiden können.
     Deshalb wollte sie lieber nicht länger mit der Frau reden, obwohl man sehen konnte, dass sie ganz offensichtlich nicht die Wahrheit erzählte. Mit einem unheimlich schlechten Gewissen ging Eris also weiter und beschloss, woanders nach Mari zu fragen.


Nachdem die Verschwundene auch beim Nachbarhaus von niemanden gesehen worden war, geriet Eris, während sie gerade am Stall vorbeiging, an den Kerl vom Vortag. Wotan hieß er, soweit sie sich richtig erinnerte. Er kam ihr entgegen und hielt sofort auf sie zu, bemerkte sie.
     Ihr war ein bisschen mulmig zumute, als sie das Schwert an seiner Seite sah, aber sie ließ sich das nicht anmerken. Sie konnte sich gegen Männer zur Wehr setzen, doch der hier war nicht nur offensichtlich ziemlich kräftig, sondern auch noch bewaffnet. Deshalb ließ sie lieber einen Sicherheitsabstand zwischen sich und ihm.


„Mari. Wo?“, bellte sie bissig.
     „Keine Ahnung“, sagte er, zuckte mit den Schultern und grinste dann so anzüglich wie der Kerl mit dem gemeinen Gesicht von vorhin. „Aber zu dir war ich ohnehin gerade unterwegs, Süße. Die Götter müssen uns zusammengeführt haben.“
     „Du lustig über mich machen?“
     „Hey, du kannst unsere Sprache ja doch sprechen.“
     Wie konnte sie auch nicht? Als Mari von ihrem Vater dieses Gekrächze gelernt hatte, hatte ihre Cousine teilweise nur noch in dieser Sprache gesprochen. Eris hatte sie deshalb zwangsläufig mitlernen müssen, um überhaupt noch etwas zu verstehen. Wulf war es damals ähnlich gegangen. Aber er hatte sowieso weniger Probleme damit, schnell Dinge zu lernen. Sie konnte diese merkwürdige Sprache immer noch nicht ganz richtig.
     „Ja. Aber ich nicht mögen sprechen. Eure Sprache hässlich sein.“
     „Gegen deine liebliche Sprache klingt sie tatsächlich etwas rau. Aber aus deinem hübschen Mund klingt sogar sie wunderschön.“
     „Warum du wieder lustig über mich machen?“, sagte sie wütend und befand, dass er bald mal wieder einen ordentlichen Tritt nötig hatte, wenn er so weitermachte.


„Warum sollte ich mich denn lustig über dich machen? Ich sage nur, wie es ist.“
     Er kam näher, also hob sie die Fäuste, warnte: „Ich dich verhauen, wenn du nah kommen.“
     „Na! Na! Wer wird denn gleich gewalttätig werden? Ich wollte dir nur ein paar Komplimente machen. Deine Schönheit ist mir seit gestern einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen, weißt du.“
     „Du aufhören, lustig machen! Ich wissen… ähm… ich nicht schön sein. Alle Jungs aus mein Dorf sagen, ich nicht schön sein. Ich wissen. Du aufhören lügen.“
     Er machte ein so betroffenes Gesicht, dass sie es ihm beinahe abkaufte. „Wenn sie das sagen, dann haben sie alle keine Augen im Kopf, wie es scheint.“


Plötzlich stand er dicht vor ihr, und obwohl sie sofort der Fluchtdrang packte, erstarrte sie an Ort und Stelle, als er jetzt eine Hand auf ihre Wange legte und mit weicher Stimme sagte: „Du bist wirklich die hübscheste Frau weit und breit.“
     Eris wusste, dass sie das nicht war. Sie hatte es immer wieder gehört. Die Jungs aus ihrem Dorf, die sie angesehen und sich über sie lustig gemacht hatten. Sie, die Tochter der ebenfalls hässlichen Ayra. Sie hatte es immer wieder auch von den älteren Frauen gehört, die sich noch immer darüber wunderten, dass ihre Mutter überhaupt einen Mann gefunden hatte.
     „Du hast aber überhaupt nichts von deinem gutaussehenden Vater geerbt“, hatten sie ihr immer wieder gesagt.
     Sie war genauso hässlich wie ihre Mutter. Eris mit der krummen Nase. Niemand hatte sie je angesehen, wie sie die hübsche Mari angesehen hatten.


Deswegen hatte sie von Anfang an zu akzeptieren gelernt, dass sie ihr Leben ohne Mann und Familie verbringen würde. Und nun plötzlich zu hören, dass jemand sie als schön empfand, dazu noch jemand wie dieser Wotan, der ziemlich gut aussah, war für sie wie ein schlechter Witz. Ihre Mutter hatte vielleicht einen gutaussehenden Mann gefunden, aber ihr würde das nicht passieren. Wunder geschahen nicht zweimal. Sie glaubte ihm deshalb kein Wort.


Dennoch, als sie seine warme, große Hand auf ihrer Wange spürte und in seine himmelblaufarbenen Augen sah, die sie geradezu fesselten, wollte sie ihm einfach glauben. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen glühten. Sie hatte sich immer gewünscht, auch einmal so angesehen zu werden, wie die Jungs normalerweise immer nur ihre Cousine ansahen.


Also ließ sie es zu, dass Wotan, den sie keine Stunde lang kannte, sie küsste. Und ihr Herz schlug ihr dabei so heftig in der Brust, dass sie glaubte, es würde bald aus ihrem Mund purzeln, als sie ihn ganz nah bei sich spürte.


Kurz zuvor hatte Wotan an seinem Wachposten Besuch bekommen. Lin, der mindestens einmal täglich vorbeikam, um ihm ins Gesicht zu reiben, dass er Jade heiraten würde, die er eigentlich hatte haben wollen und sich über ihn lustig zu machen, dass er wirklich geglaubt hatte, seine Schwester heiraten zu können. Das tat weh und machte ihn so unglaublich wütend, sodass er schon ein paarmal kurz davor gewesen war, Lin böse zu verprügeln. Aber die Genugtuung, dem Anderen zu zeigen, dass es ihn sehr wohl kümmerte, dass er hatte, was er nicht haben konnte, würde er ihm nie geben.
     Zu seiner schlechten Überraschung hatte Lin diesmal ausgerechnet auch noch Nila im Schlepptau gehabt. Wotan konnte diese Zecke nicht leiden, aber seitdem Wolfmar sich scheinbar auf seinem Hof verschanzt hatte, war er Lins neues Anhängsel geworden. Nur dass Nila kein sehr gutes Anhängsel war. Er wollte es ja auch nicht sein. Er wollte am liebsten selber der Anführer sein.


Sie kamen jedenfalls an, völlig außer Puste und dank dem scheinbar nie enden wollenden Regen klatschnass. Wotan fragte sich ja, warum überhaupt irgendwer draußen war, wenn man es nicht sein musste. Er hätte auf jeden Fall nichts gegen ein Dach über dem Kopf gehabt und hätte gerade nur zu gerne mit Garrus getauscht, der ein kurzes Nickerchen im Zelt hielt.
     Lin kam grinsend vor ihm zum Stehen, und Wotan wappnete sich schon dafür, ihn eisern ignorieren zu müssen, während er über Jade schwafeln würde, aber diesmal hatte er tatsächlich etwas anderes.
     „He, Wotan“, fing er herausfordernd an, „schon gehört, dass da ein paar scharfe Frauen am Hafen angekommen sind?“


Wotan fragte sich, ob er die beiden Cousinen meinte, die er gestern getroffen hatte. Diese Mari war ja wirklich ganz schön scharf, und ihre Stärke hatte es ihm angetan. So eine Frau konnte er sich gut an seiner Seite vorstellen, wenn er schon Jade nicht haben konnte. 
     Ihre Cousine hingegen war ja nicht so seins, aber von der Bettkante würde er sie auch nicht stoßen. Er hatte schon mit wesentlich hässlicheren Frauen geschlafen. Das war auch etwas, das er Lin und all den anderen Jungfrauen der Gegend voraus hatte. Die anderen seiner Altersgenossen wussten ja nicht mal, wie eine Frau nackt aussah, und deshalb bewunderten sie ihn innig.
     „Glaubst du echt, mir entgeht sowas?“, erwiderte er überlegen.
     Lin lachte. „Und? Schon abgeblitzt?“
     „Ich hab gerade gar keine Zeit für Frauen. Du siehst doch, dass ich hier Wache halten muss.“


Da machte Nila den Mund auf, und Wotan wollte ihn dafür am liebsten schlagen. Er hatte so etwas Gemeines in seinem Gesicht. „Traust dich wohl nicht, was?“, provozierte er. „Hast wohl Angst, dass du verprügelt wirst.“
     „Nur weil die dich vors Scheinbein getreten hat, oder was?“, feixte Lin, wofür er von Nila einen bitterbösen Blick erntete, den er ignorierte. Und zu Wotan sagte er: „Aber ich wette, dass du dir bei der auch die Zähne ausbeißt. Die Hässlichen sind immer die Garstigen.“


Wotan konnte sich schon denken, von wem sie sprachen. Ein Schmerz pochte durch sein Bein, als er nur an sein gestriges Zusammentreffen mit ihr dachte.
     Trotzdem behauptete er großspurig: „Als ob die eine Herausforderung für mich ist. Ihr vergesst, mit wem ihr es hier zu tun habt. Im Gegensatz zu euch hatte ich schon jede Menge Frauen.“
     „Dann beweis es!“, forderte Nila.
     Wotan gefiel das nicht; er hatte gerade eigentlich überhaupt keine Lust. Aber was sollte er schon tun? Er musste ja seine Ehre vor den anderen Jungs verteidigen. Dass er sich an Eris die Zähne ausbeißen könnte, kam ihm natürlich nie in den Sinn.
     Also zuckte er mit den Schultern, sagte: „Von mir aus“, weckte Garrus und ging dann los, um die Frau zu suchen, an der Nila und Lin sich die Zähne ausgebissen hatten.


Eris konnte das jedoch nicht wissen, also ließ sie sich auf Wotan ein. Sie hatte es nicht geplant, aber letztendlich folgte sie ihm in eine nahegelegene Höhle, wohin er manchmal seine Errungenschaften abschleppte, und schlief mit ihm.
     Was sie zu einem weiteren Problem führte: Eigentlich wollte sie nämlich nicht hierbleiben. Sie fragte sich ja immer noch, wie auch nur irgendwer hier leben konnte. Deshalb suchte sie das Gespräch mit Wotan, kaum dass sie ihre Kleider wieder angelegt hatten.


„Wir sprechen müssen. Ich nicht hier wollen bleiben. Du mit zu meiner Heimat kommen?“
     Er schnürte seinen Gürtel fest, sagte über seine Schulter: „Ähm… nein. Ich hab nicht vor, hier wegzugehen. Warum sollte ich auch?“
     „Wir jetzt sein…“ Sie überlegte. „Familie.“
     Endlich drehte er sich um, aber als er jetzt lachte, schwante ihr böses. „Hör mal, ich hab jetzt nicht vor, dich zu heiraten oder so. Das war bloß ein bisschen Spaß, du verstehst schon. Ich dachte, das wäre klar.“


„Du sagen, ich schön sein! Warum?“
     „Ja, ich sehe nicht, was du von mir willst. Ist doch klar, dass ich es lieber mit wem mache, der schön ist, oder? Heißt ja aber nicht, dass ich dich dann auch gleich heiraten muss. Sei mal realistisch. Ich kenn dich ja gar nicht. Und ich will dich auch nicht heiraten.“
     „Und… und… Kind? Wenn ich Kind bekommen?“
     Er zuckte mit den Schultern. „Tja, Pech für dich, würde ich sagen.“


Sie öffnete und schloss den Mund ein paarmal wortlos, erschrocken und empört, bevor sie wütend über ihn hereinbrach. Er verstand zwar kein Wort von dem, was sie sagte, aber er konnte sich denken, dass es nichts sehr Nettes war.
     „Ach, komm schon!“, brachte er zwischen ihre Schimpftiraden lachend ein. „Du konntest dir doch denken, was ich von dir wollte. Hab dich nicht so! Komm, ich bring dich auch zum Hafen zurück.“


Sie schlug mit der flachen Hand nach ihm, als er sich ihr zu nähern versuchte. Also zuckte er erneut mit den Schultern, nahm sich sein Schwert und ließ sie einfach stehen.
     „Ja, dann danke für den Spaß! Mach’s gut!“


Aber Eris war nur noch am Schimpfen. Sie konnte nicht glauben, dass sie so dumm gewesen war. Zu denken, dass wirklich jemand Interesse an ihr hätte. Nicht an ihrem Rock, sondern an ihr. 
     Als Wotan verschwunden war, klang die Wut über diese Erkenntnis langsam ab und ihr kamen die Tränen. Das war so naiv von ihr gewesen. Und dabei hätte sie es doch eigentlich besser wissen müssen…


Isaac, der glaubte, dass seine beiden Begleiterinnen brav und sicher in ihren Zimmern waren, stand am Strand und wartete noch immer darauf, dass der Wind endlich drehte, als Hana ankam. 
     Sie stellte sich neben ihn, schaute eine Weile schweigend mit ihm zusammen aufs Meer hinaus, bevor sie sagte: „Das macht dich ziemlich fertig, dass du da jetzt nicht rausfahren und deinen Jungen suchen kannst, was?“
     „Wenn Mari und Eris nicht dabei wären, wäre ich schon längst wieder fort. Und wenn ich rudern müsste!“ Er seufzte. „Ich hoffe nur, dass das schlechte Wetter bald vorbei ist.“
     „Hey, ich wollte gerade zu meiner Schwester rübergehen. Möchtest du vielleicht mitkommen?“, schlug sie vor. „Das wird dich bestimmt auf andere Gedanken bringen.“


Isaac sah nicht so aus, als ob er das wollte. Also lachte Hana und versuchte, ihn weiter abzulenken: „Aber du musst dich darauf gefasst machen, dass du da ähnliche Reaktionen wie gestern von Lulu bekommst.“
     „Was hatte es damit eigentlich auf sich?“
     „Scheinbar siehst du ihrem Schamanen in seinen jungen Jahren verdammt ähnlich. Schade, dass er gerade nicht hier ist. Dann könntest du es dir selber ansehen.“
     „Ist es jener, der in die Sklaverei verkauft wurde?“


Hana nickte, bevor ihr auffiel, dass sie das Gespräch erneut zu seinen Sorgen zurückgelenkt hatte. Betroffen verstummte sie.
     Als Isaac jetzt wieder ein langes Gesicht machte, sein Blick abschweifte, wie sie es während ihrer gemeinsamen Fahrt oft hatte erleben dürfen, sagte sie: „Na, komm! Dein Freund Wulfgar ist da auch Zuhause. Schau es dir mal an.“
     Er lächelte daraufhin ein bisschen, auch wenn sie sah, dass er sich dazu zwingen musste. Aber immerhin begleitete er sie danach zum Uruk-Hof.
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Hier weiterelesen -> Kapitel 116 

Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, bin ich ein bisschen später diesmal dran, weil sich am Montag mein Modem verabschiedet hat und ich bis jetzt auf Ersatz warten musste. Sorry dafür!

Ich möchte hier gleich mal mit Eris und ihren Komplexen weitermachen, die ja eigentlich hirnrissig sind, weil sie ja ein hübsches Mädchen ist. Dasselbe gilt auch für ihre Mutter Ayra, von der sie meint, dass sie hässlich ist. Ihre Mutter Ayra lebt als eine Ausgestoßene außerhalb des Dorfes, und da liegt eigentlich auch der Hund begraben. Bevor sie (aus unbekannten Gründen) ausgestoßen wurde, war Ayra sogar recht begehrt. Ja, sie war sogar verlobt. 
      Aber dann wurde sie ausgestoßen und seitdem ist sie für die Männer ihres Dorfes tabu. Ihr damaliger Verlobter übrigens ist ihr damals nicht gefolgt, doch dass er sie "verloren" hat, hat er niemals verkraftet. Die Wulfgar-Leser mögen sich vielleicht noch an ihn erinnern, es ist Ao gewesen, den Wulfgar dann als abgestürzten Alkoholiker kennengelernt hat.
     Ayras jetziger Mann Yunn, der ein sehr begehrter Mann im Dorf gewesen war und der auch Eris' Vater geworden ist, hatte zum Glück mehr Mut und ist deshalb später dann auch freiwillig in die Verbannung gegangen, um bei seiner Liebsten leben zu können. Eris und ihre Schwestern sind also alle als Ausgestoßene aufgewachsen, und die Abneigung der Dorfbewohner, insbesondere der Männer, für die sie ja tabu sind, hat letztendlich dazu geführt, dass Eris denkt, dass sie hässlich ist, was ja völliger Blödsinn ist. Sie müsste nur mal ein bisschen freundlicher sein, dann würde es auch mit der Liebe klappen. 

Dann noch etwas zu Mari, die ja das krasse Gegenteil von ihrer verschlossenen, grantigen Cousine ist. Oder besser gesagt zu ihr und ihrer Mutter bzw. deren Sim. Denn wie man vielleicht schon gesehen hat, werden Mari und Shana vom selben Sim verkörpert, die meine Lieblings-Simin in Sims 3 ist: 


Ihr Name ist Luisa Li.


Und sie ist übrigens auch die Mutter von Cynthia, die hier Adelaide spielt.


Falls ihr euch erinnert, kommt auch Alberich, der hier den Garrus spielt, aus diesem Spielstand. Hier sieht man mal, was Luisa von dem Freund ihrer Tochter hält. Ich habe übrigens keine Ahnung, was er getan hat, dass sie ihn verprügelt hat; sie hat es ganz automatisch und ohne mein Zutun gemacht XD .

Eigentlich wollte ich es diesmal in einem Knall enden lassen, so schön mit Cliffhanger und allem, aber da die Einteilung der nächsten Kapitel darunter gelitten hätte, kommt er dann halt nächstes Mal. Da wird Isaac jedenfalls den Uruk-Hof besuchen und versuchen, Hana bei ihrem Problem zu helfen, bevor sie die Nachricht erreicht, dass jemand ihrer Leute niedergeschlagen worden ist. 

PS: Da der alte Lao-Pao Stammbaum so schlecht belichtet war und auch, weil so viele Personen namentlich doppelt vorkamen, habe ich besagten Stammbaum nochmal neu gemacht und aktualisiert. Er ist in Zukunft unten bei der Charakterübersicht beim Handelsposten/Welt zu finden, wo auch Isaac, Mari und Eris ihren Platz gefunden haben.  Wirklich relevant sind aber nur jene drei und Shana, die ab und an mal erwähnt werden wird.




Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, bleibt gesund, und ich verabschiede mich!

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