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Mittwoch, 10. Juni 2020

Kapitel 116 - Verschwunden



Es ging also zum Uruk-Stamm hinüber, wo Isaac feststellen musste, dass Hana recht hatte. Er wurde allgemein angestarrt, was ihm irgendwann schon ein klein bisschen unangenehm war. Aber immerhin brachte es ihn auf andere Gedanken. 
     Er sah, wie Hana ein herzliches Wiedersehen mit ihrer Schwester feierte, er wurde vorgestellt, angestarrt und rang sich ein Lächeln dazu ab.


Und dann fiel erstmals wieder etwas um. Einfach so. Ja, der Besen flog regelrecht durch die Gegend, und wenn Isaac sie nicht am Arm zurückgezogen hätte, wäre Hana direkt davon getroffen worden.
     „Jetzt geht das wieder los!“, beschwerte sich die Heimgesuchte. „Ich hatte so gehofft, dass das mit der Feuerschale im Wirtshaus nur ein Zufall gewesen war, nachdem danach nichts mehr passiert ist.“
     „Verfolgt Dias Geist dich etwa immer noch?“, fragte Dana besorgt.
     „Sieht so aus… Und jetzt ist deine Tochter nicht mal da, Isaac. Sie kann Geister sehen, oder so etwas in der Art“, erzählte Hana ihrer Schwester seufzend. Vielleicht kann sie etwas gegen ihn machen.“
     „Was hat es mit diesem Geist eigentlich genau auf sich?“, wollte Isaac wissen. „Du hast mir ja gesagt, dass du von einem heimgesucht wirst, aber ansonsten hast du nichts weiter darüber erzählt.“


Also weihten sie ihn ein. In alles, was Dia Hell betraf. Von dem Moment, als Hana ihn in ihrer Kindheit getroffen hatte und dabei gewesen war, als seine Schwester getötet worden war.


Wie er dadurch scheinbar seinen Verstand verloren und versucht hatte, Tann zu töten.


Von seiner Rückkehr in diese Gegend und von dem Krieg, der beinahe wegen ihm ausgebrochen war.


Letztendlich sein Tod. Lediglich die Tat an Jana, die zu seinem vorzeitigen Ableben geführt hatte, erwähnten sie nicht näher. Während der Erzählung machte sich das Gesprächsthema auch mindestens fünfmal bemerkbar.


„Und was habt ihr schon dagegen unternommen?“, fragte Isaac, als sie fertig erzählt hatten.
     „Das weiß ich leider nicht so genau. Ihr Schamane hat ein paar Rituale durchgeführt, aber es hat nichts geholfen.“
     „Und was genau?“
     Alle Blicke richteten sich nun auf Jana, doch die konnte nur mit den Schultern zucken. Luis, der auch zugegen war, wusste glücklicherweise jedoch, was sein Vater theoretisch gemacht hatte, um den Geist loszuwerden.


Danach versank Isaac in seine Gedanken. Er sprach eine Weile in seiner Muttersprache vor sich hin, was Dana ganz hinreißend fand, bevor ihm einfiel, dass er ja nicht allein war.
     „Entschuldigung. Ich dachte nur gerade daran, was ich über Geister weiß. Es ist lange her, dass unser Priester darüber sprach, aber soweit ich mich erinnere, verbleiben Geister in dieser Welt, wenn sie etwas daran bindet. Meistens sind das die eigenen Angehörigen, über die sie wachen. Und manchmal ist es ein unerfüllter Wunsch, wie eine Schuld zu begleichen oder Rache zu üben, den der Verstorbene zu Lebzeiten hatte und der ihn im Tod zu einem ruhelosen Geist werden lässt.“


„Und wie wird man sowas los?“, fragte Jana neugierig.
     „Indem man ihm diesen letzten Wunsch erfüllt.“
     „Das wird ja immer besser! Jetzt müssen wir dem Mistkerl auch noch helfen?“
     „Ich verstehe, dass dich das ärgert, Jana“, sprang Luis gewohnt ruhig ein, „aber das ist es, was wir tun müssen, damit Hana frei ist und wir ihn endlich loswerden.“
     „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was er will“, merkte Dana an.


Isaac nickte und legte die Hand wieder ans Kinn, wie er es immer tat, wenn er nachdachte.
     „Wenn er hinter mir her ist, dann hat es doch bestimmt etwas mit seiner Schwester zu tun“, mutmaßte Hana.
     „Das ist es!“, rief er. „Seine Schwester! Er will wahrscheinlich bei ihr sein. Wo sagtest du, ist sie gleich gestorben?“
     „Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht mehr so genau. Ich war damals ja noch ziemlich jung. Warum willst du das eigentlich wissen?“
     „Wenn wir ihre sterblichen Überreste zu den seinen bringen, dass sie wieder vereint sind, wird er dich vielleicht endlich in Ruhe lassen.“


„Oh-oh!“, kam von Jana.
     „Was?“
     „Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wo seine sterblichen Überreste sind. Wir haben ihn ins Meer geworfen“, erzählte Dana.
     Und Luis warf ein: „Vater hat gleich gesagt, dass das keine gute Idee ist.“
     „Ich sehe das Problem dabei nicht. Wenn ihr wisst, wo ihr ihn ins Meer geworfen habt, werft ihr sie einfach hinterher. Natürlich müsst ihr dafür jedoch zunächst einmal ihre sterblichen Überreste finden.“
     Da war es eine Weile still, und alle schweiften in ihre Gedanken ab, bis plötzlich Akara hinzukam, die bislang still aus dem Hintergrund zugehört hatte.


„Ähm… also… ich bin einmal mit Diana zusammen auf ein paar Knochen in einer Höhle gestoßen“, stotterte sie nervös. „Und dort… dort war ein Geist, der aussah wie ich. Ich weiß ja nicht, aber vielleicht ist das seine Schwester.“
     Sie hatte lange nicht daran gedacht. Damals hatte sie sich immer mal wieder den Kopf zerbrochen, wer die Tote mit ihrem Gesicht wohl gewesen war, aber seitdem sie Hanas Geschichte gehört hatte, war ihr das ziemlich schnell klar gewesen.
     „Weißt du noch, wo das ist?“, fragte Hana aufgeregt,
     Akara nickt scheu. Doch noch bevor irgendjemand einen Schritt tun konnte, flog nicht nur wieder etwas um, sondern auch die Tür auf, und Eris kam aufgeregt hereingeplatzt.


„Schnell! Schnell! Da… da… ähm…“
      Als Isaac sich aus der Menge schälte, kam sie ihm entgegen und redete auf ihn ein. Und während er ihr zuhörte, wurde auch sein Gesicht ernst.
      „Sie sagt, sie hat eine Bewusstlose gefunden“, berichtete er schließlich.


Es war Malah, die sie bei dem See fanden, an dem der Zoth-Stamm immer sein Wasser holte. Sie hatte eine große, hässliche Wunde an ihrem Hinterkopf, die sie in die Ohnmacht geschickt hatte. Scheunigst brachten sie sie nach Hause, und die Zeit, die sie brauchte, um das Bewusstsein wiederzuerlangen, nutzte Tenn, um bei ihnen aufzutauchen.


„Roah: Wo ist sie?“, überfiel er Malah sofort, nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte.
     Die Verletzte brauchte erst einen Moment, bis sie erkannte, wo sie war und wen sie da vor sich hatte. Doch auch danach verschwand die Verwirrung nicht aus ihrem Gesicht.
     „Ich… weiß nicht. Was ist passiert?“  
     „Roah hat dich um ein Treffen im Vertrauen gebeten, und jetzt ist sie verschwunden“, erzählte Tenn besorgt. „Wo ist sie?“


Da erinnerte sie sich undeutlich. Die andere Stammesführerin hatte ihr an diesem Morgen über ihre Tochter Nio eine Nachricht zukommen lassen, dass sie ein Gespräch unter vier Augen wünsche, weil sie mit ihr über etwas Vertrauliches hatte sprechen wollen. Deswegen hatte sie sie auch gebeten, allein zum Wasserloch des Zoth-Stammes zu kommen, was Malah dann natürlich auch getan hatte.
     „Ich habe keine Ahnung! Ehrlich! Als ich am Treffpunkt ankam, war niemand dort, und dann… setzt meine Erinnerung aus. Was ist denn passiert?“, wiederholte sie hilflos.
     „Eine der Fremden hat dich bewusstlos vorgefunden“, erklärte Tann ihr.


Er nickte in Eris‘ Richtung, woraufhin sich aller Blicke auf sie richtete. Doch Eris schwieg, bis ihr Onkel ihr eine Hand auf die Schulter legte und etwas sagte, was sie nicht verstanden. Eris antwortete ihm gleichermaßen, es ging zweimal hin und her, bis die Jüngere sich dazu überreden ließ, zögerlich zu erzählen: „Ähm… ich verlaufen und da ich gefunden. Ich denken, dass tot sein, weil überall Blut sein.“
     „Hast du sonst irgendetwas gesehen? Irgendjemanden?“, fragte Malah sie flehentlich.
     Eris schüttelte den Kopf, und da wandte sich Tenn plötzlich an sie.


„Du hast dich also verlaufen und sie ganz zufällig gefunden? Wer sagt mir, dass du nicht etwas mit Roahs Verschwinden zu tun hast? Wer seid ihr überhaupt? Wo kommt ihr her und was wollt ihr hier?
       „Ich sagen, ich verlaufen! Du nicht hören? Ich nichts mit dein Roah machen! Wenn nicht du glauben, du gehen und fragen den...“ 
     Sie gab ein Wort von sich, das sie nicht verstanden, das Isaac jedoch dazu brachte, erschrocken die Luft einzuziehen.


„Eris!“, rügte er sie erschrocken.
     Die Nichte wechselte daraufhin wieder ein paar Worte mit ihrem Onkel, dem irgendwann während des Gesprächs der Mund aufklappte, während sie immer verlegener auszusehen begann. Sie mussten ihn aber erst daran erinnern, dass sie alle noch auf eine Erklärung warteten, bevor er sich auch dazu bequemte, sich zu erklären.


„Ich versichere dir, dass sie nichts mit dem Verschwinden deiner Frau zu tun hat. Sie… ähm… war mit jemandem namens…“ Er warf seiner Nichte einen fragenden Blick zu. „Wotan? Sie war mit ihm zusammen, bevor sie auf die Verletzte stieß. Ihr könnt ihn fragen; sie war die ganze Zeit über bei ihm.“
      Tenn sah sie misstrauisch an, bevor er sich mit unverändertem Blick wieder Malah zuwandte.


„Wenn sie es ist nicht waren, dann muss es dein Bruder gewesen sein“, beharrte er.
     „Mein Bruder? Was hat der denn jetzt damit zu tun?“
     „Weil er es ist, worüber Roah mit dir reden wollte. Sie hat ihn gesehen. Zusammen mit den Räubern.“
     Und während diese Nachricht einschlug wie ein Steinschlag, fiel erneut etwas lautstark um, und alles, was man in der Stille des Hauses noch hören konnte, war Hanas derbes Fluchen.


Ein paar Stunden früher an den Klippen hatte Gil sich inzwischen so weit gefangen, dass ihre Erzählungen nicht mehr nur aus Schluchzern bestanden.
     „Wen sollst du denn eigentlich heiraten?“, fragte Nefera sie sanft.
     „Alek“, gab sie abgehackt von sich.
     Nefera und Leif tauschten einen irritierten Blick, und Erstere fragte: „Wie kommt es denn dazu?“
     „Mein Vater will schon eine ganze Weile die Verbindung zum Ahn-Stamm festigen. Weil sie ja unsere Eisenlieferanten sind.“


„Naja, aber Alek ist doch nicht so schlecht“, meinte Leif, und er erntete dafür einen bösen Blick von Nefera. „Du hättest es schlimmer treffen können.“
     „Alek ist auf jeden Fall ein guter Kerl“, stimmte Nefera ihm dennoch zu. „Ich bin mir sicher, dass er mit sich reden lässt. Er wird dich bestimmt nicht zwingen, Kleider zu tragen.“
     Sie alle wussten, dass es eigentlich das war, das Gil so mitnahm. Dass sie von nun an wie eine Frau leben musste. Kleider tragen. Sich das Haar wachsen lassen. Kinder bekommen und den Haushalt führen. Denn das wollte sie nicht.


„Alek soll die Schmiede übernehmen und als seine Frau muss ich unseren Betrieb repräsentieren, sagt Vater. Deshalb hat er mir verboten, von jetzt an weiter Hosen zu tragen und mich wie ein Junge aufzuführen. Mutter hat versucht zu vermitteln, aber es hat nicht geholfen. Er war kurz davor, mir eine zu verpassen.“ Sie fing wieder zu weinen an und Nefera sofort zur Stelle war. „Ich will nicht mehr dahin zurück!“
     Einen Moment lang war es still. Niemand wusste, was zu sagen war und Betroffenheit lag wie eine schwere Decke auf ihnen.


„Na dann geh doch einfach nicht zurück“, ergriff Mari das Wort, die beinahe schon vergessen worden war, jetzt aber die Aufmerksamkeit aller hatte. „Wenn mich jemand zwingen würde, etwas zu tun, was ich nicht will, würde ich einfach weggehen.“
     „Ich kann aber nicht einfach weggehen!“
     „Warum nicht? Wenn du deinen Eltern so wenig bedeutest, dass sie dich zwingen, etwas zu tun, was du nicht willst, warum solltest du dann Rücksicht auf sie nehmen? An deiner Stelle würde ich die Chance nutzen, solange ich noch kann, und zusehen, dass ich von hier wegkomme.“  


Gil starrte sie an, und sie sah wirklich so aus, als würde sie darüber nachdenken. Seitdem sie, Leif und Nefera sich regelmäßig zu treffen begonnen hatten, hatten sie oft zusammen hier gesessen und darüber sinniert, wie es wohl da draußen war. Die Welt jenseits ihres kleinen Tales. Jenseits des Meeres. Und Leif hatte lange darüber nachgedacht, wie er ein Leben führen konnte, das Ragna stolz machte, aber obwohl er nie darüber nachgedacht hatte, ernsthaft von hier fortzugehen, tat er das mit einem Mal.


„Vielleicht solltest du das tun. Von hier fortgehen, meine ich“, sagte er schließlich gedankenverloren und fügte hinzu: „Vielleicht sollten wir das ja alle tun.“
     Sie sahen ihn an, Nefera starrte ihn sogar an. Sie alle wussten, dass auch sie hier nicht glücklich war. Dass sie von einer merkwürdigen inneren Unruhe getrieben war. Dass sie sich einfach nicht vorstellen konnte, ihr Leben als Reinards Frau zu verbringen.
     Während sie alle nun in ihren Gedanken versanken, trat Mari an den Rand der Klippe und sah aufs Meer hinab, blickte den gesamten Strand entlang. „Da unten stehlen sich anscheinend auch gerade zwei davon“, sagte sie.


Die Anderen gesellten sich daraufhin zu ihr und wagten einen Blick, und da konnten sie Nila sehen, der ausgerechnet Nara bei sich hatte. Leif war zuerst alarmiert, dass er Nara etwas tun würde, dann aber war er verstört, als er bemerkte, dass sie dort wirklich Hand in Hand den Strand entlanggingen. Ganz friedlich und einträchtig.


Ausgerechnet die arme Nara und dieser Giftpilz von Nila!


Nila kehrte erst nach Hause zurück, als die Sonne schon so hoch gestiegen war, dass sie das erste Zwielicht des Tages bereits vertrieben hatte. Das war nichts Ungewöhnliches; er traf sich inzwischen beinahe jede Nacht mit Nara, und bislang hatte niemand auch nur bemerkt, dass er überhaupt fort gewesen war. Oft lag ein Großteil des Stammes sogar selber noch in den Betten, wenn er heimkehrte.


Heute jedoch war das nicht so. Heute erwartete ihn gleich ein ganzes Empfangskomitee, als er zur Tür hinein ins Warme trat. Die Gesichter, die ihm nun allesamt zugewandt wurden, waren so ernst, dass er sofort wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte.


Seine Befürchtung wurde zur Gewissheit, als Malah wütend auf ihn zukam und rief: „Nila! Was hast du getan? Man hat dich mit den Räubern zusammen gesehen!“
     „G-gar nichts habe ich getan! Wer behauptet sowas?“
     „Roah vom Zoth-Stamm, die plötzlich spurlos verschwunden ist, als sie mit mir darüber reden wollte! Wo ist sie, Nila?“


Er überwand den ersten Schock, wurde jetzt selber wütend und schnappte: „Woher soll ich das denn wissen? Ich habe nichts mit den Räubern zu tun! Roah lügt!“
     „Ach ja? Und wo warst du dann heute die ganze Nacht über?“ Sie wartete auf eine Antwort, aber da er schlecht sagen konnte, wo er wirklich gewesen war, schwieg er grimmig. „Ich habe gehört, dass du in letzter Zeit öfter verschwindest. Was treibst du also, wenn du nichts mit den Räubern zu tun hast?“
     „Das… das geht dich nichts an!“
     „Das geht es sehr wohl, wenn du dadurch in Verdacht gerätst, Roah entführt zu haben!“


„Ich… treffe mich mit einem Mädchen…“, gestand er schließlich zögernd.
     „Und welchem Mädchen?“ Als er wieder nur mit Schweigen antwortete, klickte sie ungehalten mit der Zunge. „Wir müssen das wissen, um sie fragen zu können, ob du wirklich zur fraglichen Zeit bei ihr warst!“
     Doch Nila schwieg weiter. Er würde nie zugeben, mit wem er sich traf.
     „Wenn du es uns nicht sagst, müssen wir annehmen, dass du uns anlügst und dich doch mit den Räubern getroffen hast. Dass du mit Roahs Verschwinden zu tun hast.“ Sie gab ihm noch eine Chance, zu erzählen, die er ungenutzt verstreichen ließ. „Weißt du eigentlich, was das bedeutet? Du bringst uns damit alle in Gefahr!“
     Aber alles, was sie ihm damit entlockte, war ein wütendes Knurren.


„Er trifft sich mit Nara“, kam gewohnt ruhig von Nyota, doch ihre Worte ließen Nilas Herz beinahe versagen.
     „Nara?“ Sofort schoss Malah einen ungläubigen und anklagenden Blick in seine Richtung. „Was hast du mit ihr gemacht, Nila?“


Sie sahen ihn alle abwartend an, aber für ihn war es, als ob sie ihn anstarren und verurteilen würden.
     „Das ist gar nicht wahr! Sie lügt! Du lügst! Warum erzählst du so etwas? Ihr alle wisst, dass ich sie nicht ausstehen kann! Sie ist die Letzte, mit der ich mich einlassen würde! Sowas widerliches!“
     Auch wenn Nara wohl weit und breit die Einzige war, die sich mit ihm einlassen würde, das war Malah leider bewusst. Ihr Bruder hatte schließlich nirgendwo einen guten Ruf.


„Dann sollten wir das Mädchen fragen“, griff Luis souverän ein und brachte die ausufernde Situation damit wieder unter Kontrolle.
     Nila verstummte augenblicklich, wurde blass, als er das hörte. Auch das noch!


Weil ihr Verletzung Malah noch immer zu schaffen machte, ging Tann nach dem Mittagsessen an ihrer Stelle mit Alek zusammen zum Ahn-Stamm hinüber. Wie zum Hohn hatte es an diesem Tag endlich einmal aufgehört zu regnen und die Sonne stand hoch an einem strahlend blauen, wolkenlosen Himmel.


Alek war natürlich ausgerastet, als er erfahren hatte, dass Nila Nara, die wie eine Schwester für ihn war, vielleicht angefasst haben könnte. Hätte Malah nicht interveniert, wäre das Ganze mit ziemlicher Sicherheit eskaliert.  


Doch seine Laune war dementsprechend schlecht und sie wurde auch nicht besser, als sie schließlich im Ahn-Haus standen und das traute Bild von Zweisamkeit sahen, das Sharla und Lenn ihnen gerade präsentierten. 
     Tann hatte schon davon gehört, dass sein Bruder eine neue Frau hatte. Er freute sich ja für ihn und Sharla. Immerhin wusste er, dass die alte Kräuterkundige damals unglücklich in seinen Vater Enn verliebt gewesen war, und Lenn war ihrem alten Herrn nicht nur vom Aussehen her verdammt ähnlich. 
     Nur Alek sah das leider nicht so. Er nahm es seinem Vater übel, dass er seine Familie einfach so fallen gelassen hatte, wie er sagte. Obwohl es ja eigentlich Aleks Mutter Ana gewesen war, die seinen zuerst Vater verlassen hatte.


Obwohl Tann das wusste, hatte er Alek dennoch darum gebeten, ihn zu begleiten. Weil Nara in ihm einen großen Bruder sah und ihm vertraute, weshalb er hoffte, dass sie ehrlich zu ihm sein würde.
    Sie taten so, als würden sie Lenn besuchen, baten ihn aber stattdessen darum, heimlich Nara sprechen zu dürfen. Tann wollte verhindern, dass schon jetzt ans Licht kam, dass Nila sich vielleicht an Nara vergriffen hatte, wenn er noch nicht mit Sicherheit wusste, dass das auch stimmte.


Lenn fragte glücklicherweise nicht nach dem Grund, warum sie Nara sprechen wollten, sondern brachte sie ins Obergeschoss, wo die Gesuchte gerade alleine auf dem Boden saß und lautstark einen kleinen, hölzernen Hasen fliegen ließ.


„Hallo, Nara. Mein Name ist Tann. Ich bin Nilas und Malahs Großvater.“
     Nara gefror sofort an Ort und Stelle und warf einen verängstigten Blick zu Alek, der versuchte, beruhigend für sie zu lächeln.
     „Ich muss dich mal etwas fragen: Weißt du zufällig, wo Nila gestern Abend war?“,
     Sie sah ihn nur weiter mit großen Augen an, also intervenierte Alek: „Sag es ihm ruhig. Er ist ein guter Mann.“
     Doch Nara erinnerte sich genau daran, was Nila ihr immer und immer wieder gesagt hatte. Also schüttelte sie den Kopf.


Da erschien Lenn auf der Bildfläche und fragte: „Was ist eigentlich los?“
     Also weihte Tann seinen Bruder ein. Er hoffte, dass Nara, wenn sie hörte, in welchen Schwierigkeiten Nila steckte, ihm vielleicht doch etwas erzählen würde. Aber sie verstand nicht einmal, dass er in Schwierigkeiten steckte. 
     Nur konnte Tann das leider nicht wissen.


„Und du weißt wirklich nichts, Nara?“, versuchte er es noch einmal behutsam. „Ich habe gehört, dass jemand dich mit Nila zusammen gesehen hat.“
     Doch sie schüttelte folgsam den Kopf.
     „Und Nila hat dir auch nichts getan, was du nicht möchtest?“, fragte Alek besorgt nach. „Du weißt, dass du mir immer alles sagen kannst. Ich werde dir helfen und dich vor ihm beschützen. Du brauchst keine Angst haben.“
     „Nila hat nichts gemacht“, wiederholte sie, was Nila ihr immer wieder eingetrichtert hatte.
     Nara hatte Alek noch niemals angelogen. Er war immer die wichtigste Person in ihrem Leben gewesen, aber inzwischen war Nila das, und sie würde alles tun, um ihn glücklich zu machen. Und Alek wiederum, der nicht glaubte, dass Nara ihn anlügen würde, musste das so hinnehmen.
     Sie bekamen letztendlich nichts aus ihr heraus. 
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Hier weiterlesen -> Kapitel 117 

Ich weiß, dass die Handlung die letzten beiden Kapitel ein bisschen schleppend war, aber jetzt geht es endlich mal ein bisschen mit der "Haupthandlung" weiter. Und da hat Nila sich gleich mal ins eigene Fleisch geschnitten, weil sein einziges Alibi ihn ebenfalls in arge Schwierigkeiten bringen würde.
      Doch es bleibt die Frage: Wer hat Malah jetzt niedergeschlagen und wo ist die Stammesführerin vom Zoth-Stamm; wo ist Roah?

Nächstes Mal dann verschwinden noch mehr Leute und es wird eine Notversammlung der Oberhäupter einberufen.

Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, passt auf euch auf, und ich verabschiede mich! 

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