Das Meer war unruhig.
Ein eisiger Wind.
Grauer Himmel, kleine Wellen, die die beinahe gespenstisch ruhige Oberfläche in Unordnung brachten.
Er glitt übers Meer.
Länder flogen unter ihm hinweg, Berge, Täler, weite Wiesen und die Spitzen von Bäumen und Dächern.
Eine Küste.
Ein Schiff, in praller Sonne auf spiegelglattem Wasser, das anlegte.
Er sah Gesichter, die er glaubte, noch nie gesehen zu haben.
Zwei Männer, eine Frau.
Reden.
Er kann sie nicht verstehen.
Wer sind sie?
Schwarzes Haar, vertraute Augen.
Ist das… Elrik?
Er hatte ihn seit seiner Kindheit nicht mehr so klar und deutlich gesehen.
Worte, die seinen Mund verlassen.
Bekannte Namen.
Bekannte Namen.
Wo ist er?
Bedauern auf seinem Gesicht.
Dann flog er wieder übers Meer, und das Schiff kam mit
ihm.
Zurück nach Hause.
Es hatte wieder zu regnen begonnen.
Als Luis die Augen aufschlug, zurück in die Dunkelheit kehrte, war ihm schwindelig.
Es war anstrengend, wenn er sah, und er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, bezweifelte, dass er es jemals tun würde.
Irgendetwas an seinem Ohr rauschte leise. Kleine, kalte und nasse Nadeln, die ihn sachte stachen. Er fühlte noch immer den Wind an der Haut, als er übers Meer geflogen war. Wie ein Vogel. Frei und unbeschwert. Doch das war er nicht länger. Das Gewicht seines Körpers fühlte sich mit einem Mal unerträglich schwer an.
Irgendetwas an seinem Ohr rauschte leise. Kleine, kalte und nasse Nadeln, die ihn sachte stachen. Er fühlte noch immer den Wind an der Haut, als er übers Meer geflogen war. Wie ein Vogel. Frei und unbeschwert. Doch das war er nicht länger. Das Gewicht seines Körpers fühlte sich mit einem Mal unerträglich schwer an.
Ein seichter Druck an seinem Arm riss ihn schließlich vollends in die
Gegenwart zurück, sagte ihm, dass Jana bei ihm war.
„Alles okay?“,
hörte er sie unbeschwert fragen.
Luis nickte.
Er brauchte eine ganze Weile, um überhaupt sprechen zu können. Um sich aus dem
Sog seiner Vision zu ziehen. Es war manchmal schwierig, überhaupt zu erkennen,
wo sie aufhörte und wo die Realität anfing. Man sollte meinen, dass die
Tatsache, dass er bei einem sah und beim anderen blind war, das ziemlich klar
machte, aber das war leider nicht so.
„Ein Schiff“,
brachte er mühsam hervor, während er sich auf alle Viere quälte, „sag Bescheid, dass ein Schiff anlegt. Sie bringen
Neuigkeiten über Elrik… und Anya, glaube ich. Ich habe sie gesehen.“
Jana drückte
seinen Arm, um ihm zu signalisieren, dass sie verstanden hatte. Sie fragte
nicht, ob er Hilfe brauchte, und er war ihr dankbar dafür. Dabei wusste er ja, dass ihr Helferdrang noch größer war als der seines Vaters, und normalerweise machte sie auch vor ihm nicht halt. Doch sie wusste, was momentan wichtiger war, und ließ ihn allein, um Bescheid zu geben.
Er kam schwankend auf die Beine, tastete nach dem Schrein, und als er
den rauen Stein unter seinen Fingern spürte, lehnte er sich dagegen, um
auszuruhen. Sein Kopf schwirrte noch immer, aber dennoch konnte er nicht
aufhören, sich immer wieder dieselbe Frage zu stellen: Wo nur war er? Sein
Vater. Er hatte ihn nicht in der Vision gesehen und er hatte das beklemmende Gefühl, dass die Sorge in Elriks Gesicht ihm gegolten hatte.
So kam es, dass sich kurz darauf der gesamte Uruk-Stamm
am Hafen versammelt hatte, bevor das Schiff auch nur am Horizont
hatte erscheinen können. Doch statt der Uruk-Rückkehrer, kam nur
Alin von Bord, und er brachte schlechte Neuigkeiten mit sich. Man hatte zwar Anya gefunden, aber Lu war dafür verschwunden.
„Wo ist Vater?“, fragte Luis ihn, der jetzt erst als Nachzügler
mit Jana zusammen angekommen war. Er hatte bis gerade eben noch mit seiner
Schwäche wegen der Vision zu kämpfen gehabt und hatte kaum einen Schritt gehen können.
„Wir wissen leider
nicht, wo dein Vater ist“, antwortete ihm Alin kopfschüttelnd. „Er ist wohl in die
Sklaverei verkauft wurden. Die Anderen sind alle dort geblieben, um nach ihm zu suchen,
und sie haben mich hergeschickt, um euch Bescheid zu geben. Ich werde auch
gleich Marduk hinterherschicken. Ich glaube, dass er sich besser im Aufspüren
von Personen eignet als ich.“
Die Nachricht
schlug natürlich unerwartet ein. Jana erschrak so heftig, dass sie
beinahe hinfiel, als sie hörte, was ihrem Mentor passiert war. Auch Malah
war schnell dabei, Suchtrupps schicken zu wollen, aber Alin riet ihr davon ab. Es
würde wahrscheinlich nur dazu führen, dass noch mehr Leute aus dieser
friedlichen Gegend in der rauen Außenwelt verschwinden würden.
Und Malah musste einsehen, dass er recht hatte. Sie legte
Luis mitfühlend eine Hand auf den Arm, doch der Gehilfe der Schamanin lächelte beruhigend.
„Sorgt euch nicht! Die Götter werden über meinen Vater wachen und ihn sicher wieder hierhin
zurückführen.“
Sofort war Jana an seiner Seite, ergriff seinen Arm und schlug gefasst vor: „Wir
sollten für sie opfern.“
„Das sollten
wir.“
Also brachten sie den Göttern, trotz der
Nahrungsmittelknappheit, großzügige Opfer dar, um für die sichere Rückkehr des
ehemaligen Schamanen zu bitten.
Währenddessen hatte Alin die anderen Uruk-Leute in den Handelsposten
eingeladen, um ihnen zu erzählen, was Lu und seinen
Reisegefährten so alles widerfahren war. Und als er schließlich dazu
übergegangen war, andere Geschichten zum Besten zu geben, hatte Malah die doch
wieder recht heiter gewordene Runde verlassen und war nach draußen gegangen, um
nachzudenken.
Die Sonne war gerade dabei, im Meer zu versinken und tauchte die Umgebung in ein wunderschönes Abendlicht, dass man kaum glauben konnte, dass es vor kurzem noch heftig geregnet hatte. Doch Malah sah die Sonne nicht, die sich so lange hinter den Regenwolken versteckt gehalten hatte. Sie konnte nicht die Wärme auf ihrem Gesicht genießen. Sie war wie immer nur mit den Sorgen der Stammesführerin beschäftigt.
Die Sonne war gerade dabei, im Meer zu versinken und tauchte die Umgebung in ein wunderschönes Abendlicht, dass man kaum glauben konnte, dass es vor kurzem noch heftig geregnet hatte. Doch Malah sah die Sonne nicht, die sich so lange hinter den Regenwolken versteckt gehalten hatte. Sie konnte nicht die Wärme auf ihrem Gesicht genießen. Sie war wie immer nur mit den Sorgen der Stammesführerin beschäftigt.
„Lu ist verschwunden und keiner weiß, wo er ist, falls du das nicht mitbekommen hast. Er und mein Großvater waren ja meine Mentoren. Sie haben mir alles darüber beigebracht, wie man einen Stamm anführt. Und die schwindenden Vorräte machen mir auch große Sorgen.“
„He, es wird schon alles gut werden. Einer eurer Leute ist doch ein Seher, und er hat gesagt, dass der Verschwundene schon wiederkommen wird. Und wenn wir alle den Gürtel ein bisschen enger schnallen, wird das mit den Vorräten auch schon hinhauen. Bis jetzt ist ja noch keiner hier verhungert, obwohl wir schon schlechtere Ernten hatten.“
„Ich hoffe, du hast recht. Immerhin ist die Sommerdürre
endlich vorbei. Vielleicht können wir ja doch noch ein bisschen was ernten.“
Sie seufzte sorgenschwer. „Nur dass Luis auch gesagt hat, dass es die
nächste Zeit oft regnen wird. Ich hoffe, dass das nicht überhandnimmt und uns noch die letzten Ernte absäuft.“
„Wird schon nicht!
Sei ein bisschen zuversichtlicher! Na komm, lächel zur Abwechslung mal wieder!“, sagte er und
machte es ihr gleich mal vor. „Ich erzähl dir auch eine lustige Geschichte,
damit du mal ein bisschen abgelenkt bist, wenn du willst.“
„Du hast ja
recht. Ich sollte mich lieber zusammenreißen. Als Stammesführerin ist es schließlich
meine Aufgabe, meinen Leuten Zuversicht zu geben, anstatt sie in Sorge zu
versetzen. Danke, dass du mir zugehört hast, Alek. Seitdem ich den Stamm
anführe, habe ich das Gefühl, dass ich ziemlich allein bin. Also… ich bin
natürlich nie allein. Es kommt immer irgendwer und will was von mir, aber…
naja, ich weiß nicht mal, was gerade im Leben meiner Kindheitsfreunde vor
sich geht.“
Sie schaute einen Moment überrascht, bevor sie lachen musste. „Ja, vielleicht ist es wirklich so einfach. Ich bin echt froh, dass du hier bist, weißt du das? Du bist ein guter Freund.“
Sie stockte, zog beschämt den Kopf ein. „Wir sind doch
noch Freunde, oder? Ich meine, ähm… weil ich ja… du weißt schon…“
Weil sie ihn
abgewiesen hatte. Sie wollte gar nicht wissen, wie merkwürdig das Ganze für ihn gerade sein musste. Doch er grinste nur.
„Klar sind wir
das! Mach dir nicht immer so viele Sorgen.“
Ja, vielleicht sollte sie wirklich damit aufhören, sich andauernd um alles Sorgen zu machen und stattdessen ein bisschen zuversichtlicher in die Zukunft blicken.
Nur dass es tags darauf nicht besser wurde. Es regnete wieder,
und Alek wollte gerade aufbrechen, um zu versuchen, Nara in den Stamm zu holen, als Lärm vom
Nachbargrundstück zu ihnen drang. Malah tauschte einen ernsten Blick mit Alek,
und beide gingen zusammen zum Hell-Haus hinüber.
Schon als sie
näherkamen, sahen sie, dass Griswold und Jin gerade momentan waren, sich zu
prügeln, während Dana und Greta danebenstanden und heftig miteinander stritten.
Es bedurfte erst Aleks Eingreifen, der gleich noch selber
ein paar Schläge abbekam, um beide Männer auseinanderzubringen. Auch Dana und
Greta waren nun endlich still, warfen sich aber weiterhin böse Blicke zu.
„Was ist hier
los?“, forderte Malah zu wissen
„Ihr seid hier
los!“, fauchte Greta in Danas Richtung. „Ich bin lange genug ruhig geblieben,
aber jetzt reicht es mir endgültig mit euch!“
„Was ist denn eigentlich
passiert?“
Jin spuckte auf
den Boden. „Die glauben, unsere Jade beleidigen zu können!“
„Es ist ja
wohl ihre Entscheidung, wen sie wählen, und nicht eure!“, pflichtete Dana ihm
bei.
„Es war alles geregelt, bis ihr euch eingemischt habt! Erst meint dieser
Hurensohn von Elrik, mit meinen Schwestern zu spielen und sie in Gefahr zu bringen, dann entführt euer Krüppel unsere Tochter, und jetzt das! Ich will, dass ihr meine
verbliebene Schwester wieder rausgebt! Sofort!“
„Ruhig Blut!“,
versuchte Malah zu beschwichtigen. „Es ist ja alles gutgegangen. Anya ist zwar
nicht hier, aber sie ist in Sicherheit. Das haben wir gestern erst erfahren.“
„Glaubt bloß
nicht, dass du was zu sagen hast, du kleine Mistkröte!“, ging Griswold sie böse
an. „Du und dein dreckiger Bruder sind eine Schande unserer Familie, die niemals
hätten geboren werden sollen!“
Jin, der schon
bei der abfälligen Erwähnung seines Enkels Alistair mit den Fäusten gezuckt
hatte, machte jetzt Anstalten, ihn wieder anzugreifen, aber Alek griff
geistesgegenwärtig ein und hielt ihn davon ab. Er hatte dennoch ziemliche
Probleme, den aufgebrachten Älteren zurückzuhalten.
Glücklicherweise tauchte da jemand weiteres auf. Es war
Luis, der vorsichtig tastend ankam.
„Es wäre
besser, die Gemüter abkühlen zu lassen, bevor man etwas sagt, das man später
bereut“, sagte er ruhig. „Wir sind Nachbarn, und keiner möchte das, was in der
Vergangenheit liegt, wiederholen, nicht wahr?“
„Ich glaube
eher, dass ich in der Vergangenheit einen Fehler gemacht habe, nicht auf der anderen
Seite gestanden zu haben!“, spie Griswold wütend.
„Bist du dir da so sicher?“
Er drohte
Griswold nicht, aber dennoch war allein Luis‘ Auftreten von einer derartigen
Intensität, dass der Schmied verstummte. Da war etwas Unheimliches an dem Jungen.
Etwas unwirkliches, seitdem er angefangen hatte zu sehen. Seitdem kam es nicht
nur Malah so vor, als wäre eine göttliche Gestalt bei hm, die ihn immerzu
begleitete. Vielleicht war das ja auch so.
„Lass uns reden, werter Nachbar“, fuhr er ruhig fort, bot ihm
die ausgestreckte Hand an.
Doch Griswold
antwortete ihm nicht einmal. Er ließ sie einfach stehen, Greta folgte ihm, und
sie knallten die Tür lautstark hinter sich zu, sodass selbst für den Blinden klar
wurde, dass sie fort waren.
Nachdem sie weg waren, wandte sich Malah an den Seher und fragte ihn: „Hast
du wieder etwas gesehen, Luis?“
„Die Götter
zeigten mir, wie Griswold mit Reinard redete und darüber wütete. Lenn war auch
dabei, soweit ich das sehen konnte. Deswegen kam ich her, als ich den Lärm hörte.“
„Reinard und Lenn? Was hat das zu bedeuten?“
Sie sah Alek
an, der blass geworden war.
„Ich glaube, daran bin ich schuld“, gab er kleinlaut zu.
„Nachdem klar war, dass Lin Giselinde nicht heiraten würde, kam Reinard zu mir,
noch bevor ich weg bin, um mich darum zu bitten, sie an Lins Stelle zu heiraten. Er meinte, ich bin ja trotzdem
ein Teil des Stammes und deswegen würde das schon gehen. Aber ich hab ihm
gesagt, dass er sie halt heiraten soll und Nefera dazu, und bin abgehauen. Ich
hätte ja nie gedacht, dass der Hell mich überhaupt akzeptieren würde. Weil
ich ja keine Sohn von Lann bin.“ Er schnitt eine unwillige Grimasse. „Und ich
hab auch echt keine Lust, in dieser schrecklichen Familie zu leben.“
Malah sagte
nichts dazu. Ihr Mund war vor lauter Sorge nur noch ein schmaler Strich.
„Wir sollten auf jeden Fall etwas deswegen tun. Das wird
sonst nicht gut ausgehen“, fügte Luis hinzu.
„Was meinst
du damit?“
„Ich sah Feuer
und Blut, Malah. Einen Krieg. Du weißt sicherlich selber, wie angespannt die
Lage mit unseren Nachbarn schon immer war. Und wenn jetzt nicht einmal mehr
Greta vermitteln will…“
Sie hatte auch
kein Interesse daran, wenn ihr Bruder Wulfgar sie nicht darum bat, das wussten sie alle.
„Sie treten immer ein, wenn man sie nicht verhindert. Und manche von ihnen kann man auch gar nicht verhindern“, setzte er düster hinzu. „Außer den Göttern kann beispielsweise niemand das Wetter beeinflussen.“
„Gut. Dann werde ich etwas dagegen unternehmen“, verkündete Alek ernst.
„Was hast du vor?“
„Zurück zum Ahn-Stamm gehen und tun, worum Reinard mich gebeten hat. Ich wäre echt gerne hier geblieben, aber es geht nicht anders.“
Und damit war er verschwunden. Malah hatte ihren Freund
nicht darum bitten wollen, und sie war wirklich froh, dass er es von sich aus
anbot, aber sie fühlte sich dennoch schlecht deswegen. Es war schließlich nicht
das, was Alek gewollt hatte.
Derweil regnete es weiter, und der Regen ließ das
Wasser immer höher steigen, sodass Marduk nicht hatte ablegen können und Lulu zunehmend besorgt zum Meer hinabsah.
„Wenn das so
weitergeht, werde ich die nächste Zeit überhaupt nicht mehr rausfahren können“,
beklagte sich Marduk gerade gelangweilt. „Erst der Sturm, dann die Sommerdürre,
jetzt Dauerregen. Diese Gegend ist wirklich gottverlassen.“
„Tja, wenn die
Ernten ausbleiben, heißt das mehr Umsatz für mich“, entgegnete Alin grinsend.
Alin lachte, als er das sah. „Schau doch nicht so erschrocken! Das war doch bloß ein Scherz!“
„Hoffen wir einfach mal, dass es bald aufhört“, sagte Marduk und streckte sich, dass die müden Knochen knackten. „Ich hau mich eine Weile aufs Ohr.“
Alin nickte ihm zu, und nachdem der Andere den Raum verlassen
hatte, gesellte er sich zu Lulu ans Fenster. Einen Moment betrachtete auch er
das graue Rechteck mit Sorge, dann
wandte er sich seiner neuen Angestellten zu.
„Machst du dir
immer noch Sorgen?“ Als sie nur mit bedrücktem Schweigen antwortete, fügte er
hinzu: „Hey, deinen Männern wird schon nichts passieren. Einer ist immerhin
frei und der Andere… Nun, sofern er nicht in die Minen oder die Arena geschickt
wird, kann man es als Sklave ganz gut dort haben.“
Sie schaute
ihn böse an, sodass er sich wie ein kleiner Junge vorkam, der
etwas ausgefressen hatte. „Sie sind nicht meine Männer“, murmelte sie leise.
„Schon, aber
du machst dir trotzdem Sorgen um sie. Sie sind ja auch die Väter deiner Söhne. Das ist
nur normal.“
Sie konnte
aber nicht verhindern, dass sie sich ein bisschen wünschte, dass Lu einfach
wegbleiben würde. Und sie fühlte sich so schuldig deswegen. Sie wusste ja, dass
es trotzdem nichts ändern würde. Aber Wulfgar fehlte ihr so. Seitdem er weg
war. Seitdem er wusste, was sie für ihn empfand. Seitdem hatten sie so gut wie nicht
mehr miteinander geredet, und das war ihre eigene Schuld.
„Na komm!“, sagte Alin, als sie wieder nur schwieg. „Warum
gehst du nicht nach Hause? So gern ich dich auch um mich habe, musst du nicht
andauernd zugegen sein, wenn der Laden zu ist.“
„Ich wollte
nur warten, bis du wieder da bist.“
„Das klingt ja
fast so, als wärst du die ganze Zeit über hier gewesen, während ich fort war“,
erwiderte er amüsiert.
„Das ist doch
meine Aufgabe, während du nicht da bist.“
Er musste
wieder lachen. „Dafür habe ich Marduk herkommen lassen. Du musst nicht immer
auf mich warten. Also wirklich, ich habe in so ziemlich jedem Hafen ein
Mädchen, aber ich wurde noch nie von einem von ihnen mit Essen erwartet.“
Das hatte Lulu tatsächlich
getan. Als er angekommen war, hatte sie sich in die Küche gestellt und ihr
gewöhnungsbedürftiges Essen für ihn gekocht.
„Hast du keine Familie?“, fragte sie ihn überrascht.
„Nein. Meine
Eltern sind schon lange tot, und Geschwister habe ich auch keine.“
„Ich dachte,
du hättest irgendwo Frau und Kinder.“
„Wenn ich
sowas hätte, würde ich sie sicher nicht zurücklassen“, meinte er lachend. „Du
solltest froh sein, dass du eine hast. Familie ist das Wichtigste.“
„Warum hast du
dann keine?“
„Oh, das ist
ganz einfach. Ich kann keine Kinder machen, und deshalb ist meine erste Frau mit
jemand anderem durchgebrannt. Die Zweite ist auch auf und davon. Danach habe ich mich
dazu entschlossen, nie mehr zu heiraten und Händler zu werden.“
„Das... tut mir
leid für dich“, sagte sie und machte ein betroffenes Gesicht.
„Muss es
nicht! Manche können nicht sehen, andere nicht laufen, ich kann keine Kinder
zeugen. Immerhin geht es mir ansonsten gut. Ich habe also noch ein ziemlich
gutes Los im Gegensatz zu anderen.“
Lulu war einen Moment lang abwesend, dann rutschte ihr heraus:
„Und ich war mein ganzes Leben lang nur Mutter…“
„Daran ist nichts
verkehrt.“
„Ja, vielleicht…“
Aber
inzwischen wurde sie als Mutter nicht mehr gebraucht, und seitdem sie etwas
anderes tat, als nur Mutter zu sein, fragte sie sich immer mehr, ob sie nicht
all die Jahre etwas verpasst hatte. Denn die Arbeit im Laden war unerwartet erfüllend.
Anstrengend und oftmals beängstigend, aber am Ende des Tages hatte man ein
unheimlich befriedigendes Gefühl. Manchmal hatte sie sich sogar zu fragen
begonnen, wie es wohl dort war, wohin Alin immer wieder segelte. Wie es
jenseits des Meeres wohl war.
„Wie ist es
eigentlich so da draußen in der Welt?“, hörte sie sich ihre Gedanken aussprechen, bevor sie es verhindern konnte.
Alin wies auf den Tisch, der ihnen am nächsten war, und
Lulu folgte ihm und ließ sich neben ihm nieder. Sie hatte einen Moment damit
geliebäugelt, sich auf den Stuhl zu setzen, der am weitesten von ihm entfernt
war, sich aber schließlich dazu überwunden, sich neben ihn zu setzen. Sie wollte
ja nicht unhöflich sein.
Und dann
begann der Händler zu erzählen.
Nur dass er nicht sehr weit kam, da keine Minute später das
laute Poltern einer umgestürzten Feuerschale sie darauf aufmerksam machte, dass
sie Gäste bekommen hatten.
„Ach, Mist!
Nicht immer noch!“, fluchte eine bekannte Frauenstimme.
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Reinard hat scheinbar weniger Probleme damit, die Söhne anderer zu verheiraten, um Verbindungen zu knüpfen, als seine Mutter, die ja noch kategorisch abgelehnt hatte, Alek als Bräutigam für Giselinde anzubieten, da er ja nicht ihr Sohn ist. Spricht schon ziemlich dafür, was Reinard wohl für einer ist. Vielleicht hatte Alek mit seiner Befürchtung, dass er eine Gefahr für den Uruk-Stamm darstellen könnte, ja doch recht...
Lu ist letztendlich also tatsächlich in die Sklaverei geraten, wie es aussieht. Wulfgar und die Anderen scheinen ihn wohl nicht gefunden zu haben. Nächstes Mal dann gibt es erneut einen Szenenwechsel und wir erfahren, wie es in der Außenwelt weitergeht. Werden sie Lu endlich finden, und was ist eigentlich mit dem jüngeren Wulf, der ja ebenfalls verschwunden war?
Bis dahin, danke euch fürs Lesen, passt auf euch auf, und ich verabschiede mich!
Lu ist letztendlich also tatsächlich in die Sklaverei geraten, wie es aussieht. Wulfgar und die Anderen scheinen ihn wohl nicht gefunden zu haben. Nächstes Mal dann gibt es erneut einen Szenenwechsel und wir erfahren, wie es in der Außenwelt weitergeht. Werden sie Lu endlich finden, und was ist eigentlich mit dem jüngeren Wulf, der ja ebenfalls verschwunden war?
Bis dahin, danke euch fürs Lesen, passt auf euch auf, und ich verabschiede mich!
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