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Mittwoch, 23. Dezember 2020

Kapitel 129 - (Kein) Vertrauen in den Stamm - oder - wie der Vater so die Tochter?

 

Als Lu am nächsten Morgen erwachte, dachte er für einen Moment, dass alles gut sei. Er schaute in das vertraute Gesicht seines schlafenden Gefährten und war einfach nur friedlich. Zufrieden.
     Nur, dass nicht alles gut war. Das vertraute Gesicht vor ihm war verändert, der Bart viel zu kurz und Wulfgar lag auf der ordentlichen Decke, als würde er nur ein Nickerchen machen. Und da erreichte auch ihn die Erinnerung an das, was er momentan eigentlich lieber vergessen wollte: Wulfgar war ja gar nicht mehr sein Gefährte und er gehörte dort nicht hin.
 

Dessen bewusst geworden, schälte er sich unter der Decke hervor und richtete sich auf, doch sein schwirrender Kopf erinnerte ihn jetzt freundlicherweise noch an etwas anderes: Er war krank.
     Das Stöhnen, das ihm entwich, während er versuchte, die Welt um sich herum vom Drehen abzuhalten, weckte den Schlafenden neben ihn. Es dauerte einen Moment, dann hatte er das Gesicht seines Gefährten, der nicht mehr sein Gefährte war, erneut vor sich.
 

Wulfgar hielt ihn fest, dass das Drehen ein bisschen nachließ und er verstehen konnte, wie er: „Alles in Ordnung?“, fragte.
     Er saß inzwischen auf der Bettkante, fiel ihm auf. 
     „Es geht schon“, antwortete er.
     „Du solltest dich wieder hinlegen. Ich gehe besser Tann holen, dass er nach dir sieht.“
 

Wulfgar wollte weggehen, aber Lu sprang auf, was ihm gar nicht gut tat, und griff nach dem Anderen, hielt ihn zurück.
     „Wulf, hör, ich muss mit dir reden!“
     „Du musst dich ausruhen. Wir können später reden.“
     „Nein, jetzt! Zu dem, was du gestern gesagt hast: Ich will nicht“, er brauchte einen Moment, um zu Atem zu kommen, „dass du dich für mich veränderst. Dass du mir irgendetwas beweist. Denn es wird nichts an meiner Entscheidung bezüglich unserer Trennung ändern.“
     Er wollte ihm sagen, dass er ihn einfach nicht mehr liebte, aber als er den Mund aufmachte, blieben ihm die Worte im Halse stecken. Es war beinahe so wie damals, als er sich hatte opfern wollen und Wulfgar nicht hatte sagen können, dass er ihn liebte. Nur eben andersherum. Warum nur war das plötzlich so?
 

„Ich weiß“, unterbrach Wulfgar ihn und verhinderte, dass er sich weiter mit dieser Frage auseinandersetzen konnte. „Doch das ist egal. Ich meine, natürlich habe ich gehofft – hoffe ich – dass du deine Meinung änderst, aber… selbst wenn nicht, will ich nicht, dass du einfach so aus meinem Leben verschwindest. Ich will, dass wir wenigstens Freunde sein können. Das… können wir doch, oder?“
     „Das würde mich freuen.“
     Wulfgar nickte daraufhin zwar, aber sein getretener Anblick ging ihm schon nahe, musste er zugegeben.
      Sein ehemaliger Gefährte war jedoch nie jemand gewesen, der lange Trübsal geblasen hatte, weshalb er sich zwang, mit einem Lächeln hinzuzufügen: „Außerdem wollte ich nach Hause kommen.“
     „Das erinnert mich: Ich muss dir sagen, dass Leif fortgegangen ist. Um durch die Welt zu reisen.“
     „Ich weiß. Tann hat es mir schon gesagt.“ Bevor Lu auch nur nachfragen konnte, wie es ihm damit ging, wechselte er abrupt das Thema: „Apropos Tann, ich glaube, ich hole ihn dann mal besser her. Er wollte dich untersuchen, wenn du wach bist.“

 

Lu hätte noch gern die Bettverteilung geklärt, verschob das jedoch und nickte stattdessen. So wie Wulfgar aussah, wollte er gerade nicht mehr reden. Er versuchte zwar, es zu verstecken, wie er das immer tat, aber Lu konnte genau sehen, dass es ihm schwer fiel, mit ihm zu tun zu haben. Das ging ihm ja nicht anders.
     Er hätte seinem ehemaligen Gefährten gerne geholfen, aber so, wie Wulfgar versuchte, stark zu sein, würde auch er nicht weiter nachbohren. Auch wenn es ihm schwerfiel. Es war so merkwürdig, wie distanziert ihre Beziehung zueinander plötzlich geworden war.
     ‚Das ist es, was ich selber wollte‘, dachte er, während er dabei zusah, wie Wulfgar von der Küche verschluckt wurde. Und obwohl er ein bisschen schwermütig bei diesem Anblick war, konnte er auch nicht verleugnen, dass er froh war, dass Wulfgar wieder da war.
 

In der Zeit, in der Tann den Kranken untersuchte, wurde Wulfgar auf Luis aufmerksam, der im hinteren Bereich des Hauses vor einer Feuerschale saß und betete. Eine Weile überlegte er daraufhin, zu ihm zu gehen und mit ihm über seine Tochter zu sprechen. Luna hatte ihn zwar gebeten, es nicht zu tun und ihr das zu überlassen, aber er hatte einfach den Wunsch, etwas für sie zu tun. Etwas für sie zu regeln, nachdem er bislang nicht die Möglichkeit dazu gehabt hatte, weil er al die Jahre nicht für sie hatte da sein können.
     Letztendlich achtete er jedoch Lunas Wunsch, so schwer ihm das auch fiel. Er wollte ja auch nicht einer dieser überbehütenden Väter sein. Es war einfach anders, eine Tochter zu haben. Er hatte immerzu den Drang, sie zu beschützen.
     ‚Aber ich kenne Luis ja glücklicherweise. Ich weiß, dass er anständig ist. Er ist immerhin Lus Sohn.‘
 

Das Hadern hatte immerhin dazu geführt, dass er die Zeit überbrückt hatte, bis Tann mit der Untersuchung ihres Sorgenkind-Patienten fertig war.
     „Und?“, fing Wulfgar den Kräuterkundigen ab, nachdem der seine Utensilien beiseitegeräumt hatte. „Wie geht es ihm?“
      „Nun ja, das Fieber ist weg und er behält endlich was drin. Das ist schon mal gut. Wenn das so weitergeht, ist er bald über den Berg.“ Wulfgar atmete erleichtert auf, während Tann ihm anerkennend zunickte. „Das mit dem Bad gestern war jedenfalls sehr hilfreich. Das war wirklich eine gute Idee, muss ich schon sagen.“
      Sie hatten gestern, auf Wulfgars Vorschlag hin, Schnee von draußen reingeholt, ihn in einem großem Holzbottich schmelzen lassen und Lu dann ein frostiges Bad darin nehmen lassen. Und wie erhofft, hatte es das hohe Fieber gesenkt.
     „Ich hab mich nur dran erinnert, was Elrik mir erzählt hat, als ich ihn letztes Mal gesehen hab. Sie haben sowas wohl auch schon bei Anya gemacht, als sie Fieber hatte.“
     „Weißt du eigentlich was Neues über meinen Sohn? Du kommst ja gerade von dort, wo er ist, nicht? Wie geht es ihm?“
 

„Ja, ich hab ihn vor ein paar Tagen erst gesehen, und es wäre eine Untertreibung, wenn ich sagen würde, dass es ihm gut geht. Glaub mir, du würdest unseren alten Stammesführer gar nicht wiedererkennen. Er und Anya sind ein Herz und eine Seele. Fast wie eine Person. Beenden ihre Sätze und alles. Beinahe ein bisschen unheimlich. Ich glaube, dass sie letztens auch geheiratet haben.“


„Anya ist auch wieder schwanger. Da kannst du dir vorstellen, dass Elrik gerade riesige Angst um sie hat. Doch sie scheint es diesmal gut wegzustecken.“


„Verstehen sich auch blendend mit den Leuten, auf deren Hof sie wohnen. Elrik arbeitet von früh bis spät auf dem Feld von denen, ist aber glücklich wie sonst was.“


„Und er hat sich eine richtige Expertise in Sachen Wein angeeignet. Kommt mir vor, wie als wenn er schon sein ganzes Leben lang Winzer wäre. Als ich da war, konnte er nicht aufhören, von irgendwelchen Fässern aus Gallien zu schwafeln, von denen er seinen Freund überzeugt hat, und wie viel besser die als Amphoren sind.“


„Während Anya seit kurzem der örtlichen Hebamme hilft. Hab sogar gehört, dass die Frauen bei Fruchtbarkeitsproblemen zu ihr kommen, nachdem sie wegen ihrer Vergangenheit mit den zahlreichen Fehlgeburten bei den örtlichen Frauen eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Also wenn du mich fragst, wäre es für sie beide besser, wenn sie einfach da bleiben würden, wo sie sind.“


Tann hörte es gern, dass sein Sohn endlich sein Glück gefunden hatte, wenn auch weniger gern, dass Wulfgar meinte, sie sollten lieber der Heimat fernbleiben. Aber bevor er das dem Anderen sagen konnte, tauchte plötzlich Alek bei ihnen auf, mit einem Gesicht, als hätte er einen Geist gesehen.
     „Tann! Schnell! Malah ist umgefallen!“, rief er.


Malah war bereits wieder auf den Beinen, als sie sie erreichten, auch wenn deutlich zu sehen war, dass sie schwankte.    
     „Malah, setz dich hin, Liebes!“, ordnete Tann an, doch die Angesprochene schob seine Hand bestimmt weg.
     „Es… geht schon.“
     „Wir müssen dich hinlegen und die Beine hochlagern“, beharrte er.
     Da schaffte es die sture Stammesführerin, den letzten Rest Schwindel aus ihrem Kopf zu bekommen und klarer zu denken. Nur die Schwäche ließ sich leider nicht so einfach abschütteln.


„Das wird nicht nötig sein“, behauptete sie trotzdem mit fester Stimme. „Ich brauche nur eine kleine Pause, das ist alles.“
     „Schläfst du denn genug?“, wollte Tann wissen. „Ich sehe dich immer so früh auf den Beinen und abends bist du auch oft die Letzte, die noch wach ist. Du weißt, dass du dich genügend ausruhen musst, nicht wahr?“
     „Natürlich, Großvater. Du hast mir diesen Vortrag schließlich schon oft genug gehalten.“ Sie versuchte ihn mit einem beruhigenden Lächeln zu besänftigen. „Ich mache jetzt eine Pause, bevor ich weiter arbeite, ja?“
     Sie wollte in den Wohnbereich des Hauses fliehen, aber da hatte sie die Rechnung ohne Alek gemacht.


„Du solltest auch was essen“, erinnerte er und traf sie damit völlig unvorbereitet.
     „Später.“
     „Das sagst du in letzter Zeit dauernd, wenn es Essen gibt. Aber ich sehe dich nie essen.“
     Sie wirbelte herum, funkelte ihn wütend an. „Ich esse eben zwischendurch. Du bist auch nicht immer da, um alles zu sehen, was ich mache.“ Sie atmete tief durch, zwang sich, ihre Wut zu zügeln. „Und jetzt entschuldigt mich, ich will mich ausruhen.“


Diesmal kam sie davon, doch Tann, der bislang nur beobachtet hatte, war noch nicht fertig mit dem Thema.
     „Du meinst also, dass sie nicht isst?“, wandte er sich an Alek, der noch immer ein betretenes Gesicht machte.
     „Ja. Seitdem ich hier bin, hab ich meine Mahlzeiten eigentlich immer mit ihr zusammen eingenommen, aber seit ein paar Tagen sagt sie immer, dass sie keinen Hunger hat und ich ohne sie essen soll.“ Er machte ein noch unglücklicheres Gesicht. „Ich meine, ja, sie hat ja recht, ich sehe auch nicht alles, was sie macht, aber trotzdem…“
     Trotzdem war da etwas faul, das konnte Tann beinahe schon riechen. Und er hatte da auch einen Verdacht.


Deshalb suchte er seinen jüngsten Bruder auf, der als Verwalter des Stammes tätig war, und bat ihn um ein Gespräch unter vier Augen.
     „Wie unsere Vorräte aussehen?“, fragte Aan überrascht. „Nun, wie ich Malah bereits sagte, sieht das nicht gut aus.“
     „Das heißt?“
     „Nach meiner Schätzung haben wir in spätestens zwei Wochen kein Essen mehr.“


„Und das sagst du mir nicht?“, warf Tann ihm erschrocken vor.
     „Ich habe es Malah gesagt. Vor Wochen schon. Und sie hat gesagt, sie kümmert sich darum. Darauf habe ich vertraut.“ Er stockte. „Warum? Was ist denn los?“
     „Das kann ich noch nicht so genau sagen“, erklärte Tann besorgt und strich sich abwesend über den Bart. „Ich muss erst mit Malah reden. Danke dir für die Auskunft.“
     Aan, glücklich darüber, sich nicht mehr als nötig in die Stammesangelegenheiten einmischen zu müssen, ließ ihn allein. Allein mit einem überaus bösen Gefühl. Er hatte es ja befürchtet.


Tann überfiel seine Enkelin nicht sofort, sondern ließ sie sich erst ausruhen, damit sie ihm nicht gleich wieder aus den Latschen kippte.
      Dafür erwartete er sie jedoch gleich nach dem Aufstehen mit einer Schale Haferbrei. Sie sah tatsächlich nicht nur erschrocken, sondern auch ertappt aus, als sie das bemerkte. Doch sie versteckte es sofort wieder und kam den restlichen Weg mit gefasster Miene zu ihm herüber.
     „Du solltest etwas essen, Malah“, empfing er sie. 


„Ich habe keinen Hunger“, wimmelte sie – natürlich – ab. „Möchtest du noch etwas? Weil ich ansonsten sehr beschäftigt bin und gerne weiterarbeiten würde.“
     „Ich würde gerne etwas mit dir besprechen. Unter vier Augen.“
     Sie zögerte, hatte aber keine andere Wahl, als zu nicken und mit ihm zu gehen. Da Akara und Rahn bereits die Küche besetzten, gingen sie ins Kinderzimmer.


„Ich weiß davon, dass unsere Vorräte in zwei Wochen ausgehen werden“, kam er dort sofort zum Punkt was sie völlig aus der Fassung brachte. „Du brauchst es nicht abzustreiten. Ich habe Aan gefragt. Und er sagte, dass er dir schon vor Wochen Bescheid gegeben hätte und dass du gesagt hättest, du würdest dich darum kümmern. Was ist also los, dass unsere Vorräte nach wie vor zur Neige gehen?“
     Er kannte seine Enkelin gut genug, um genau zu wissen, dass Malah so eine ernste Angelegenheit nie und nimmer so lange hätte schleifen lassen. Sie übte sich jedoch weiterhin im Schweigen, auch wenn sie jetzt ganz offensichtlich um Worte verlegen war.
     „Malah, sprich mit mir! Du weißt doch, dass du mit mir über alles reden kannst. Dass ich dir immer helfen werde.“


Da brach ihr Widerstand schließlich in sich zusammen. Sie ließ die Schultern sinken, dass man ihr die Erschöpfung und die Kraftlosigkeit der letzten Zeit deutlich ansehen konnte.
     „Es gibt nichts mehr“, sagte sie bloß, und Tann verstand.
     „Wen hast du schon alles gefragt?“
     „Alle…den Ahn-Stamm, die Familien – sogar die Hells. Aber es ist nichts mehr da. Nirgends. Das harte Jahr hat überall fast alle Ernten vernichtet. Da bin ich natürlich zu Alin gegangen, um zu verhandeln, doch er hat selber kaum noch genug auf Lager, um über die Runden zu kommen. Er bekommt Lebensmittel ja gerade durch den Handel mit den umliegenden Höfen“, berichtete sie verzweifelt.
     Der Händler hatte ihnen in der Vergangenheit immer wieder aus der Patsche geholfen, selbst wenn er keinen Gewinn dadurch erzielt hatte. Wenn nicht einmal er noch etwas geben konnte, war das wirklich besorgniserregend.
     „Ich habe ihn natürlich gefragt, ob er nicht etwas organisieren kann, aber er sagt, dass es unmöglich ist, bei dem Schneefall eine Karawane über den Pass im Norden zu bekommen. Aus der Verzweiflung heraus hat er letztens Marduk losgeschickt, über die Route nach Osten, wo scheinbar noch Schiffe fahren, wenn wir Glück haben.“ Sie stürzte das Gesicht in die Hände. „Und dann ist auch noch das Wetter so schlecht geworden. Bei Sturm kann Marduk ja nicht mal herkommen! Ich weiß nicht, was ich machen soll, Großvater! Wir haben bald nichts mehr zum Essen!“


„Warum bist du damit denn nicht zu mir gekommen?“
     „Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht. Deswegen habe ich ja auch gehungert. Ich dachte, dass das Essen dann ein bisschen länger reicht. So lange, bis Marduk mit Nachschub wiederkommt, vielleicht.“
     „Ach, Malah, das bisschen, was du isst, wird den Braten auch nicht fett machen. Und du weißt doch, dass es eine der obersten Prioritäten eines Stammesführers sein muss, auf seine Gesundheit zu achten.“
     Es war die erste Lektion gewesen, die Tann ihr mit auf den Weg gegeben hatte. Ein guter Anführer musste stets ein Vorbild für alle anderen sein. Er musste Sicherheit und Stärke ausstrahlen, und schon allein deshalb war es wichtig, auf ein gesundes Leben zu achten. Genügend zu essen und zu trinken, zu schlafen und sich auszuruhen. Denn wenn sie ausfiel, war auch niemandem geholfen.
     Malah wusste das. Doch wenn Tann seine Enkelin jetzt so ansah, konnte er genau ihren Vater in ihr sehen. Elrik hatte zwar nie Stammesführer werden wollen und den Großteil seiner Arbeit hatten, zugegebenermaßen, andere erledigt, aber im Endeffekt hatte er dennoch zu seiner Verantwortung gestanden. Obwohl er es gehasst hatte, hatte er so lange durchgehalten gehabt, bis er beinahe ausgebrannt gewesen war. Zu arbeiten bis ins Ungesunde, das hatte Malah definitiv von ihm.


„Ich weiß“, sagte sie niedergeschlagen. „Es tut mir leid.“
     „Entschuldige dich nicht. Jetzt isst du erstmal was, dass du wieder zu Kräften kommst, ja?“
     „Und danach? Was soll ich danach machen?“
     „Was glaubst du denn, ist das Richtige, zu tun?“
     „Ich weiß es nicht. Ich bin völlig am Ende mit meinen Ideen, wo ich noch etwas zum Essen auftreiben kann.“
     „Du willst schon wieder drei Berge weiter sein als ich. Eins nach dem Anderen. Erst einmal rufst du eine Versammlung ein und sagst den Anderen, was Sache ist.“
     „Ich soll es den Anderen sagen?“, fragte sie skeptisch. „Ich will doch nicht, dass sie sich Sorgen machen.“


„Das ist verständlich, dass du die Anderen schützen willst. Aber du kannst sie nicht eines Tages plötzlich damit überfallen, dass es ab jetzt nichts mehr zum Essen gibt. Du musst ihnen die Chance geben, sich darauf vorzubereiten. Außerdem“, er schmunzelte, was ihr in dieser Situation ganz unpassend vorkam, „dies ist nicht der erste Winter, in dem uns die Vorräte ausgehen.“
     „Wirklich?“
     „Ja, und wir haben bislang jeden Winter überlebt. Hab ein bisschen Vertrauen in die Gemeinschaft unseres Stammes.“


Nachdem Malah bei einer großen Schüssel Haferbrei mit ihrem Großvater das weitere Vorgehen besprochen hatte, hatte sie also die anderen Stammesmitglieder zur Versammlung gerufen. Bis auf Lulu, die noch immer im Handelsposten war, waren alle erschienen. Selbst Lu hatte sich aus dem Bett gequält und saß, blass wie Schnee, auf seinem Schemel am Feuer.


Die junge Stammesführerin hatte gerade erzählt, dass sie bald keine Vorräte mehr hatten, sachlich und nüchtern, wie ihr Großvater es empfohlen hatte, und sie war froh, dass sie vorher gegessen hatte. Es hatte die Schwäche aus ihren Gliedern geschüttelt und endlich war die Kraft zu ihr zurückgekehrt, die sie nun auch den Anderen zeigen konnte.
     „Deshalb ist es jetzt an der Zeit“, fuhr sie ihre Rede selbstsicher fort, „dass wir wieder die Wege unserer Vorfahren beschreiten. Unser Stamm hat schon schwerere Winter überstanden, und so wird es auch diesmal sein.“
 

„Wie meine Urgroßmutter Luma, die den Wölfen entkam und unseren Stamm begründete.“
 

„Meine Urgroßmutter Tara, die immer wusste, wo es etwas zu finden gab.“
 

„Meine Urgroßväter Enn und Tibit, die mit dem großen Jäger Sen und dem ehrwürdigen Tuck zusammen in einen Schneesturm hinauszogen, um zu jagen, so werden auch wir wieder in die Wälder gehen und nicht eher zurückkehren, bis uns die Göttin der Jagd reichlich beschenkt hat.“
 

Als sie geendet hatte, konnte sie in zahlreiche leuchtende Gesichter sehen. Nicht gerade wenige schwelgten in alten Erinnerungen und vor allen Dingen Jin, der in diesem Moment vortrat, war voller Vorfreude und Elan.
     „Endlich können wir mal wieder Jagen gehen!“, rief er begeistert, bevor er sein schallendes Lachen hören ließ. „Das ist beinahe so ein bisschen wie damals, als du eingepennt bist und das Pferd unsere Vorräte gefressen hat, Dana, weißt du noch?“
     „Also, Jin!“, rügte Dana ihn empört, dann stahl sich jedoch ein verschmitztes Lächeln auf ihre Lippen.
 

„Wie könnte ich das je vergessen? Der Winter, in dem du mich mit deinen Jagdkünsten beeindruckt hast.“


Jin erwiderte das Grinsen stolz und zahnreich, während ein paar andere mit Zustimmung einfielen, und Malah nutzte die Chance, das Wort wieder an sich zu nehmen.
     „Gut“, beschloss sie. „Sobald das Wetter es zulässt, werden die Männer – “
     „Und ich“, warf Jana enthusiastisch ein.
     „ – und Jana auf die Jagd gehen, während die Frauen zum Fischen ans Meer hinunter gehen.“
     Sie schaute in die Runde, sah nur in zustimmende Gesichter, und da blühten auch in ihr Zuversicht und Elan wieder auf. Ihr Großvater hatte recht damit gehabt, dass sie dem Stamm mehr Vertrauen hätte schenken sollen. Denn der Zusammenhalt des Stammes war stärker und größer als alles, was sie allein je hätte erreichen können. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie den Winter überstehen würden.


Gerade, als sie diese Erkenntnis hatte, flog die Tür auf und der etwas leichter gewordene Schneesturm wehte Lulu herein. Sie sah so aufgeregt aus, dass man schon befürchtete, dass etwas passiert war.
     Es war in der Tat etwas passiert, aber glücklicherweise handelte es sich dabei um etwas erfreuliches, wie sich herausstellte, als Lulu mitten in die Runde herausplatzte: „Ich werde heiraten!“


Völlig aus dem Häuschen war da auch Dana, die sofort angesprungen kam, die Hände der Anderen ergriff und mit leuchtenden Augen fragte: „Wirklich? Wen?“
     „Alin!“
     „Oh, Lulu, das ist ja so großartig! Ich freu mich so für dich! Ich und Jin werden ja auch bald heiraten!“
     Beide Frauen umarmten sich und gerieten dann in eine Art Freudenrausch, der darin bestand, die übrigen Anwesenden um ihr Gehör zu bringen, indem sie ohrenbetäubend hohen Jubel von sich gaben.


Erst, als Tann und Jin auftauchten, die den unwillig aussehenden Aan im Schlepptau hatten, hörten sie, zur Freude aller, wieder auf damit.
     „Na da haben wir aber auch noch ein Wörtchen mitzureden“, erklärte Tann.
     Und Jin fügte grimmig hinzu: „Alin muss erstmal beweisen, dass er überhaupt für dich sorgen kann, Schwesterchen!“
     Aan enthielt sich jeglichen Kommentars, was auch besser war, da Lulu ohnehin schon so verschreckt aussah, als würde sie demnächst die Flucht ergreifen.


„Ignorier sie“, mischte sich Lu ein, bevor Dana es tun konnte, und schob sich nach vorn, zwischen die drei Brüder. „Du weißt doch, wie das ist. Sie sind deine Brüder und wollen nur das Beste für dich. Aber am Ende werden sie ja doch nichts machen, weil sie wissen, dass Alin ein guter und anständiger Mann ist.“ Er lächelte. „Es sind wohl Glückwünsche angebracht, Lulu. Ich freue mich für euch beide.“
     Lulu erwiderte das Lächeln unsicher. Sie fühlte sich so unheimlich schuldig Lu gegenüber, und das wurde nicht besser, als jetzt auch noch Wulfgar auftauchte.


„Auch von mir Glückwünsche!“, sagte er. „Es stimmt zwar, was Lu bezüglich deiner Brüder sagt, aber in einem haben sie recht: Wenn Alin nicht gut zu dir sein sollte, kriegt er es mit uns allen zu tun.“
     „Wulf…“, krächzte sie und verfluchte sich, dass ihre Stimme gerade jetzt den Geist aufgeben musste. Sie räusperte sich. „Du bist wieder da…“
     „Ja, aber so wie du guckst, habe ich das Gefühl, dass das für dich eine ziemlich traurige Angelegenheit sein muss. So schlimm, dass ich wieder da bin?“
     „N-nein! T-tut mir leid! Für alles… ich…“


Er lachte herzlich, packte sie bei den Schultern, dass sie ihn ansah. „Jetzt guck doch nicht so! Ich hab mir nur einen Spaß mit dir erlaubt! Es ist alles gut! Du solltest lieber wieder lächeln, wo heute so ein freudiger Tag für dich ist.“
     Also lächelte sie zaghaft.
     „So ist’s gut.“ Er ließ sie los und streckte ihr die Hand hin. „Alles gut, ja?“

Sie nickte scheu, ergriff vorsichtig die dargebotene Hand, und da umarmte er sie. Als sie sich wieder voneinander lösten, erkannte sie, dass es das tatsächlich war. Für Wulfgar war alles wieder gut zwischen ihnen – es war nie anders gewesen – auch wenn sie sich noch immer nicht so fühlte. Im Gegenteil, sie fühlte sich auch ihm gegenüber fürchterlich schuldig. Dafür, dass sie sich so ausdauernd zwischen ihn und Lu gedrängt hatte.
     Doch wie so oft verließ sie mal wieder der Mut und sie sagte ihm das nicht. Nicht, dass er das hätte hören wollen.
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Da ich es letztes Kapitel völlig vergessen habe, anzukündigen, dass Zeitalter letzte Woche sein Dreijähriges hatte, hier nochmal der Link für das Special vom 16. Dezember, das gleichzeitig Kapitel 128.5 ist: 
 
 

Zudem habe ich heute noch ein kleines Extra-Kapitel an Outtakes, in dem ich mal wieder den freien Willen angeschaltet habe, um zu schauen, was die Sims so alles anstellen. Diesmal jedoch an anderem Schauplatz. Wenn ihr also wissen wollt, was die Sims-Männerwelt zu einem blumenschenkwütigen Wulfgar sagt, hier lang:

 


Abschließend zum Kapitel übrigens gibt es diesmal gar nicht so viel zu sagen, nur soviel, dass es Lu wohl sehr offensichtlich schaffen wird. Also keine Sorge, er wird noch ein bisschen länger hier mitspielen.
 
 
Wenn ihr wissen wollt, wie das fertige Werk aussah, hier übrigens (den Sensenschneemann hat übrigens Geist Leah gemacht):


Und die Hunde haben auch mitgeholfen:


Das war es auch schon von mir, wir sehen uns dann im neuen Jahr wieder, wo Wulfgar Isaac besuchen wird und beide ein längeres Gespräch miteinander führen werden. Bis dahin wünsche ich euch ein frohes, friedliches und vor allen Dingen gesundes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Auf dass das nächste Jahr ein glücklicheres wird!

Passt auch euch auf, und ich verabschiede mich!

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