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Mittwoch, 10. April 2019

Kapitel 85.2 - Eine zauberhafte Geschichte Teil 2

Erster Teil ist hier


Nero hatte währenddessen die Schuppe benutzt, um Rahn herbeizurufen. Die Geisterfrau Tanna hatte glücklicherweise von einem nahegelegenen See gewusst, und sie hatte es sich auch nicht nehmen lassen, sie zu begleiten und ihren immer noch bewusstlosen Leidensgenossen mitzunehmen, der von Zeit zu Zeit wach wurde, um gleich wieder ohnmächtig zu werden.
     Rahn hatte sich jedenfalls angehört, was passiert war und war gegangen, um Akara zu holen. Er war zwischenzeitlich wieder hergekommen, während die Wölfin sie gerade erst erreichte und sofort schnüffelnd die Nase in die Luft hielt. 
     „Ich rieche ihn“, verkündete sie nach kurzer Zeit und raste sofort wieder davon.


Sie brachte sie bis zu dem steinernen Gemäuer im Wald, das auch schon Ragna gefunden hatte. Doch keine zehn Pferde bekamen sie dort hinein.
     „Da drin riecht es nach Mumien“, erklärte sie. „Und ich mag keine Mumien.“


Also gingen Jana und Nero allein und waren auch nicht überrascht, als sie tatsächlich zwei Mumien in der Gruft gegenüberstanden. Die Frau war so aus dem Häuschen darüber, dass sie schon wieder Besuch hatten, dass sie sie erst beruhigen mussten, bevor sie erfahren konnten, wo der vermisste Ragna war.


„Er sagte, er kann nicht hierbleiben, und da haben wir ihm einen magischen Stein gegeben, der ihm helfen wird, wenn er in Not ist.“
     Das hörte Nero natürlich überhaupt nicht gern. Ragna war wieder in den Wald gegangen. Ganz allein. Während der Schatten noch immer hinter ihm her war.


Ragna war tatsächlich allein, aber er war nicht mehr im Wald. Er hatte irgendwann aus dem Nebel rausgefunden und von da an war es ein leichtes gewesen, den vermaledeiten Wald hinter sich zu lassen. Jetzt war er wieder im Freien, die Ebene vor sich, doch war er noch immer allein und wusste nicht, wo die Anderen waren.


Während er noch darüber nachdachte, ob er nicht einfach nach Hause gehen sollte, fiel ihm auf, dass der Himmel mit einem Mal wieder rot geworden war. Schon wieder! Ausgerechnet jetzt! Das war ja klar gewesen!
     Fehlte nur noch, dass der Schatten direkt hinter ihm auftauchte!


Er wagte einen zögerlichen Blick und als er nur noch schwarz sah, glaubte er, dass sein Herz stehen bleiben würde. Doch stattdessen ergriff sein Fluchtinstinkt Besitz von ihm und er rannte ganz automatisch davon. Egal, wie aussichtslos das auch war. Es war schließlich eine übernatürliche Kreatur, die fliegen konnte, die ihn da verfolgte! Wie sollte er sowas denn entkommen?
     Es wäre jedenfalls überaus hilfreich gewesen, wenn der magische Stein, den er von den Mumien bekommen hatte, ihm endlich mal zu Hilfe kommen würde. Das hier schien ihm nämlich gerade schon ein ziemlicher Notfall zu sein.


Doch er reagierte nicht, und stattdessen sah er sich kurz darauf auch noch dem wilden Wolfsmenschen gegenüber, der seine Flucht augenblicklich beendete.


Großartig! Er hatte also die Wahl, von einem Wolfsmenschen zerfleischt zu werden oder die Lebenskraft von einem Schatten ausgesaugt zu bekommen.


Also entschied er sich für Ersteres. Wölfe waren ihm einfach lieber als gruselige schwarze Kreaturen mit leuchtenden Augen.
     Also rannte er zu dem Wolf und suchte Deckung hinter ihm. Glücklicherweise entschied der sich dazu, dass der Schatten gerade interessanter war, und er begann, ihn bedrohlich anzuknurren.


Wie schon davor, ergriff der Schatten auch diesmal die Flucht vor ihm nach oben. Sein Verschwinden ließ den Himmel wieder normal werden, und Ragna hatte einen Moment lang schon die Hoffnung, dass er seinem sicheren Tod echt noch mal von der Schippe gesprungen war.


Nur, dass sich der Wolf jetzt daran erinnerte, dass da noch eine köstliche Zwischenmahlzeit hinter ihm stand, die blöderweise nicht einfach davonfliegen konnte.
      Ragna durchlief es eiskalt, als die bedrohlich funkelnden Augen des Wolfsmenschen sich auf ihn richteten und er nun ihm die Zähne zeigte. 
     Doch dann erinnerte er sich daran, wie er immer mit den Hunden auf dem Hof gespielt hatte, und als er in die Augen seines Gegenübers sah, sah er nur einen verunsicherten, aber harmlosen Hund vor sich. Der Wolfsmensch würde ihm nichts tun, da war er sich sicher.


Er legte jegliche Angst ab, erinnerte sich daran, was auch die Lu-Fee gesagt hatte und hielt dem Wolf die Hand hin, damit er daran riechen konnte. Tatsächlich schnüffelte der Wolfsmensch daraufhin einen Moment lang interessiert, bevor er sich zurückzog und sich an den Kopf fasste. Ein jammervoller Ton entwich seiner Kehle, er taumelte, dass Ragna dachte, er würde gleich umfallen, aber dann fing er sich wieder.


Als er ihn jetzt ansah, war die Vernunft in seine Augen zurückgekehrt. Er sondierte erstmal aufmerksam die Umgebung, bevor er zu Ragna sprach: „Entschuldige, Junge, ich war nicht ganz bei mir. Sag, wer bist du und warum sind wir hier?“
      Also erzählte Ragna ihm alles, was ihm an diesem Tag so Verrücktes passiert war.


Als der Himmel sich blutrot färbte, waren Jana und Nero gerade aus der Gruft der Mumien zurückgekehrt, und Nero war sofort alarmiert, als er das sah. Er schaute sich hastig um, aber da der Schatten nicht auftauchte, befürchtete er, dass Ragna nun in ernsten Schwierigkeiten steckte.
      Diesen Zeitpunkt suchte sich der immerzu bewusstlose Geist auf, um aufzuwachen. Er blickte verwirrt in die versammelte Runde und sah schon wieder so aus, als würde er gleich wieder ohnmächtig werden, aber Jana war diesmal schneller.


Sie flog zu ihm und sagte: „Hey! Hey! Guck mal!“
     Auch er fiel darauf herein und folgte ihrem Fingerzeig, was Jana gleich mal ausnutzte, um ihm eine Portion Feenstaub ins Gesicht zu werfen. Der arme Kerl wurde zwar von dampfenden Ohren verschont, aber seine klappernden Zähne und die Schneeflocken, die ihn umschwirrten, verrieten, dass er trotzdem kein sehr besseres Los als der Letzte gezogen hatte, der Janas Feenstaub zu schmecken bekommen hatte. Die war natürlich gut amüsiert, aber Nero war gerade überhaupt nicht zum Lachen zumute.


„Wo ist Akara hin?“, fragte er erschrocken, als er bemerkt hatte, dass sie fehlte. „Wir müssen schnell Ragna finden! Er ist in Gefahr!“
      „Gefahr hat sie auch gerochen, hat sie gesagt“, antwortete Tanna ihm. „Deshalb hat sie den Schwanz eingezogen und ist abgehauen.“
     „Was? Aber wie sollen wir denn jetzt Ragna finden?“
     Da meldete sich erstmals der gerade noch unter Schüttelfrost leidende Geist zu Wort und sagte: „Ich weiß ja nicht, um was es geht – und eigentlich glaube ich auch nicht an solch einen Humbug aber in meinem Stamm erzählt man sich von einer alten, weisen Frau, die an den Klippen haust und die Zauberkräfte hat. Vielleicht kann sie euch weiterhelfen, diesen Ragna zu finden.“
      Als der Himmel in diesem Moment wieder normal wurde, hoffte Nero nur, dass es dafür nicht schon zu spät war.


Es ging also aus dem Wald raus und zurück Richtung Meer. Jana und Nero mussten den Weg ganz klassisch zurücklegen, während die Geister den Luxus hatten, einfach immer überall erscheinen zu können, weshalb sie bereits da waren, als sie das besagte Lager an den Klippen erreichten. Eine blauhäutige Frau mit weißem Haar, die ganz eindeutig ebenfalls ein Dschinn war, und eine sauertöpfisch dreinblickende Tanna erwarteten sie bereits.
     „Sie will uns nicht helfen!“, erzählte sie sauer.
     Der Dschinn hob mahnend einen Finger. „Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, ich kann euch nicht helfen, solange ich meine Lampe nicht habe. Solange mein letzter Meister seine drei Wünsche nicht geäußert hat oder mich jemand anderes gerufen hat, bin ich machtlos.“


„Kannst du vielleicht die Lampe von einem anderen Dschinn benutzen?“, fragte Nero sie. „Unten am Strand ist nämlich gerade einer.“
     Anscheinend konnte sie das, da der Dschinn mit dem Namen Sharla daraufhin ganz aufgeregt dreinschaute.


Es ging mit dem neuen Dschinn also zum Strand hinunter, wo der Jin-Dschinn immer noch mit der Meerjungfrau im Sand saß und die Sterne beobachtete. Die beiden Geister waren bereits wieder da, aber die Sternengucker erhoben sich erst, als sie Jana und Nero näherkommen sahen.


„Ich würd dir meine Lampe ja gern geben“, begann der Jin-Dschinn achselzuckend, „aber mein alter Meister hat sie mitgenommen.“
     Marduk! Den hatte Nero ja völlig vergessen! Wo er wohl war? Ob er Ragna gefunden hatte? Vielleicht war Ragna ja doch in Sicherheit, weil er bei ihm war. Er wagte jedenfalls wieder zu hoffen.
     Trotzdem hatten sie nach wie vor keine Ahnung, wo sich Ragna aufhielt. Von der Herrin des Waldes ganz zu schweigen Rahn zu rufen, wo Akara ausgebüxt war, schien ihm auch nicht mehr viel Sinn zu haben. Wie sollten sie die beiden nur finden?
      „Hey, guck, da kommt der andere Wachhund“, sagte Jana plötzlich in die aufkommende Stille hinein.


Und sie konnten nicht nur besagten Wachhund, sondern auch den vermissten Ragna auf sich zukommen sehen. Nero fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als Ragna unbeschadet vor ihnen zum Stehen kam. Doch leider war damit nur die Hälfte ihrer Probleme gelöst.


„Ich bin der Herrin in den Nebel gefolgt“, erzählte Wulfgar wütend, nachdem sich die erste Wiedersehensfreude gelegt hatte. „Ich hätte sie beinahe eingeholt, aber dann war da so ein helles Licht, das vom Himmel kam. Es hat die Herrin mitgenommen, das habe ich noch gesehen, aber als ich ihr nachsetzen wollte, setzt mein Gedächtnis aus.“
      „Das war dieser grüne Kerl mit dem fliegenden Schiff“, mutmaßte der lampenlose Dschinn. „Er nimmt sich andauernd irgendwelche Dinge oder entführt Leute. Er hat bestimmt auch eure Herrin. Ich hatte ärgerlicherweise auch schon mit ihm zu tun und weiß deshalb, wo wir ihn finden können.“
     Wulfgar fletschte wütend die Zähne und er sah so aus, als ob er gleich loslaufen würde, aber er wurde von Jana unterbrochen, die gerade „Hey, Lu!“ rief und der anderen Fee, die sich ihnen näherte, grinsend zuwinkte.


„Marduk!“, begann Lu erschrocken, als er sie erreicht hatte. „Er ist bei mir aufgetaucht und hat mich angegriffen!“
      „Was? Warum sollte er das tun?“, fragte Nero skeptisch. „Bist du sicher, dass er dich nicht nur angerempelt hat oder dich vor dem Schatten schützen wollte oder so?“
      „Ich bin jedenfalls nicht aus Spaß im See baden gewesen“, entgegnete Lu und schüttelte sich dabei die nassen Flügel aus. „Als ich wieder rauskam, war er jedoch ohnmächtig. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist, doch ihr solltet vielleicht nach ihm sehen gehen.“


„Dafür haben wir jetzt keine Zeit!“, fiel Wulfgar ihm barsch ins Wort. „Wir müssen die Herrin retten!“
      Er hob den Kopf und stieß ein lautes Heulen aus, das kurz darauf aus der Ferne erwidert wurde.
      „Aber Marduk!“, merkte Lu empört an, aber er wurde von dem wütenden Wolf übergangen, der einfach davonpreschte.


Sie teilten sich letztendlich auf. Die Kinder gingen mit dem Wolfsmenschen, und als sie den Ort erreicht hatten, den der Sharla-Dschinn beschrieben hatte, waren auch Akara und Rahn zwischenzeitlich zu ihnen gestoßen. Es war ein alter, heiliger Ort am Rande des Tals, an dem ein Steinkreis stand. Aber es war dennoch der riesige, mit Wasser gefüllte Krater, der bis vor kurzem noch nicht dagewesen war, der ihre Aufmerksamkeit zuerst auf sich zog.
      Doch bevor sie sich weiter damit befassen konnten, wirbelte Wulfgar plötzlich herum und knurrte. Jemand näherte sich ihnen.


„Ganz ruhig, das ist nur Marduk“, sagte Nero, als er den Näherkommenden erkannte hatte.
     Aber Wulfgar schien sich nicht einkriegen zu wollen. „Er stinkt nach dem Schatten! Er stinkt nach Gefahr! Wir sollten ihn töten!“
     „Ich rieche nach dem Schatten, weil ich ihn schon seit Jahren jage“, ergriff nun Marduk selber unbeeindruckt das Wort. Und zu den Jungs sagte er: „Ich bin froh, dass ihr unversehrt seid. Ich habe euch schon überall gesucht.“ Er deutete hinter sich, auf den Steinkreis. „Und ich habe dabei die Spur der Herrin des Waldes aufgenommen. Ich folgte einem grünen Mann, der dort hinten in einem Lichtstrahl verschwand. Ich habe versucht, ihm zu folgen, aber es war mir nicht möglich.“


Wulfgar brauchte gar nicht mehr zu hören. Er ging sofort zu dem Steinkreis hinüber. Doch der Wolfsmensch mit dem feinen Gespür wagte trotzdem nicht, das Innere des Kreises zu betreten.
     „Ich gehe vor“, bot sich schließlich Rahn an, als niemand den ersten Schritt wagte.
      Mutig betrat er den Steinkreis, und zunächst sah es so aus, als ob Marduk recht gehabt hatte und nichts geschehen würde.


Aber dann erschien plötzlich das Licht, von dem Marduk erzählt hatte. Es blendete sie, hüllte Rahn vollständig ein, und als sie wieder sehen konnten, war der Fischmann verschwunden.
     „Verdammt!“, fluchte Wulfgar, und er war der Nächste, der ging und verschwand.


Ragna stolperte eher als dass er den Steinkreis freiwillig betrat, aber letztendlich wurden sie alle von dem Licht mitgenommen. Er schloss die Augen, weil es so hell war, und konnte deshalb nichts sehen, aber er fühlte die unheimliche Leichtigkeit. Als würde er nach oben gerissen. Dann kribbelte es überall auf seiner Haut, dass es beinahe schon unangenehm war, und als es endlich aufhörte und er wieder sehen konnte, glaubte er für einen Moment, er würde in einen tiefen Abgrund fallen.
     Da war nur Schwärze unter ihm und über ihm. Aber er fiel nicht, spürte festen Boden unter den Füßen. Er sah die Anderen, die nach und nach in Lichtsäulen um ihn herum auftauchten. Und waren das Fische, die da in den Wänden schwammen?


Er drehte sich einmal um sich selbst, um das alles zu sehen und erschrak noch mehr, als er sich plötzlich selber ins Gesicht sah. Da stand er, genau vor sich selber und starrte sich an. Schlimmer noch, der andere Ragna machte exakt alles nach, was er machte!
      „Das ist ja eine Wand!“, rief Nero erstaunt, bevor er anfing, mit seinem neuen Zwillingsbruder Grimassen zu schneiden. Ragna fand das ja weniger lustig. Er war, ehrlich gesagt, ein bisschen überfordert mit der Situation.


„Willkommen!“, war plötzlich eine fremde Stimme zu hören. Es hörte sich an, als hätte der Sprecher einen Topf auf dem Kopf, während er sprach.
     Die Stimme gehörte zu einem glatzköpfigen, grünen Mann ohne Haare und mit schwarzen Augen. Seine Ohren waren oben ganz spitz und er trug merkwürdige Kleidung. Sie war schneeweiß und ein blaues Licht blinkte an seiner Brust. Das musste der sein, von dem der Sharla-Dschinn ihnen erzählt hatte.
     Wulfgar sprang sofort nach vorn und knurrte: „Wo ist die Herrin? Was hast du mit ihr gemacht?“
     Der grüne Mann zeigte keinerlei Regung. „Wenn ihr mir folgen wollt“, sagte er ruhig und drehte ab.


Sie gingen einen Gang mit strahlend weißen Lichtern an der Decke entlang, in dem Rahn immer wieder Versuche unternahm, die armen Fische zu befreien. Der grüne Mann blieb auf der Hälfte des Ganges vor einer der schwarzen Wände stehen, schwenkte die Hand vor sich und ließ sie damit einfach verschwinden.
      Leuchtende Wassersäulen kamen zum Vorschein und in ihrer Mitte saß eine Frau auf einem von der Decke hängenden Stuhl. Sie war in eine prächtige, violette Robe gehüllt und hatte ebenfalls spitze Ohren. Aber sie war nicht grün. Das musste wohl die Herrin des Waldes sein.


„Herrin!“, bestätigte Wulfgar ihren Verdacht.
     Er beugte vor ihr das Knie und senkte demütig das Haupt, während sie sich erhob. Sie ließ ihre majestätischen Augen über die Versammelten schweifen, dann lächelte sie, und als sie sprach, tat sie das mit einer sanften, lieblichen Stimme, die sie alle berührte.
     „Mein Herz ist gerührt, dass ihr alle hergekommen seid, um mich zu finden.“
     „Herrin! Hat dieser Kerl dir auch kein Leid zugefügt?“, fragte Wulfgar sie besorgt.
     Doch die Herrin lächelte beruhigend und breitete die Arme aus. „Nein, er hat mich vor der dunklen Kreatur beschützt, die auf der Jagd nach mir ist.“


Während sie sprach, veränderte sich die Umgebung. Der Himmel kehrte zurück, ein großer Baum mit einer wunderbaren Krone und prächtigen Blumen und Büschen zu seinen Füßen, erschien. Ragna und Nero mussten zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass dies der heilige Hain war, an dem sie schon einmal gewesen waren. Der einst verdorrende Baum stand wieder in voller Blüte, jetzt, wo seine Herrin zurückgekehrt war.
     „Aber nun, da ihr alle hier seid, droht mir keine Gefahr mehr und ich kann wieder dorthin zurückkehren, wo ich hingehöre.“


„Da wäre ich mir nicht so sicher“, schnitt eine kalte Stimme in die magische Szene.
     Es war Marduk, der bislang als einziger gefehlt hatte. Er war nicht mit ihnen in der Domäne des grünen Mannes gewesen, wie den Jungs jetzt erst auffiel.
     „Es wird Zeit, dass ich dich endlich finde, du lästiges Weib!“, zischte er.
     „Du bist das!“, rief die Herrin bei seinem Anblick erschrocken. „Der dunkle Schatten!“
     Wulfgar war sofort alarmiert nach vorn vor seine Herrin gesprungen. Doch Marduk hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig.
     „Nun, da die Katze aus dem Sack ist, muss ich mich wohl nicht länger verstecken“, sagte er.


Er breitete die Arme aus, hob den Kopf gen Himmel, und während dieser erneut in Blut getaucht wurde, hob er ab. Die Erde erzitterte und es wurde mit einem Schlag eiskalt. Ein heftiger Wind peitschte wütend durch die Äste und Gräser und ließ sie rauschen. Und all derweil ergriff die Dunkelheit von Marduk Besitz, umhüllte ihn, bis er davon verschlungen worden war. Arme und Beine bildeten sich, und als er die Augen wieder aufschlug, waren sie nur noch weiß leuchtende Punkte und sie hatten den Schatten vor sich.


Wulfgar zögert nicht lange und sprang ihn an, aber der Schatten brauchte nur einen Arm in seine Richtung zu heben, dass der Wolf in hohem Bogen davonflog. Als hätte ein heftiger Windstoß ihn getroffen. Er ging hilflos zu Boden.
     Akara und Rahn nahmen seinen Platz sofort ein und stellten sich schützend vor die Herrin des Waldes. Auch Nero trat neben sie, doch er malte sich keine großen Chancen aus. Etwas war anders. Der Schatten hatte sich verändert und er war stärker geworden. Zu stark für sie.


„Dein Leben ist mein, Weib!“, sagte er mit einer unheimlich zischenden Stimme. „Sag mir, wo die letzten Zauberer sind, damit ich sie auslöschen kann, und dann wird dein Tod schnell und schmerzlos sein.“
     Doch die Angesprochene beachtete ihn nicht, weil sie zu sehr in Sorge um den verletzten Wächter war. Stattdessen tauchten nun die beiden Pflanzenleute auf. Sie entwuchsen ihrem heiligen Baum und eilten zu Hilfe. Doch ihre Hilfe war ein bisschen anderer Natur.


Sie bezogen Aufstellung vor dem Schatten, Tanja hob einen Zeigefinger und begann zu schimpfen: „Was soll denn dieses Benehmen? Hat deine Mutter dir keinen Anstand beigebracht? Dies hier ist ein heiliger Ort! Schämen solltest du dich!“
      Das ging eine Weile so weiter, in der sie ab und an von ihrem pflanzlichen Kumpan Unterstützung erhielt, der ebenfalls entsetzlich entrüstet über dieses schlechte Benehmen war.


Es brachte den Schatten jedenfalls dazu, verdutzt innezuhalten, und es gab dem grünen Mann die Zeit, um zu Ragna zu gehen und ihn um den magischen Stein zu bitten, den er von den Mumien bekommen hatte. 
     Es war eigentlich eine Raumspaltentasche, die er damals dort vergessen hatte. Er drückte auf die glatte Oberfläche und – schwupps – kam die Lampe zum Vorschein, die bislang ihr Bestes gegeben hatte, verschwunden zu bleiben.


Der grüne Mann polierte sie, wie man es tun musste, um den Bewohner zu beschwören, der daraufhin in Form von Sharla-Dschinn in einer schon bekannten Lichtwolke auftauchte und sich darüber freute, endlich Zuhause zu sein.
      „Ich wünsche mir, dass du den Schatten zurückverwandelst“, wünschte sich der grüne Mann.
      Sie nickte, merkte an: „Das wird aber nur zeitlich begrenzt sein.“


Er bat sie, es trotzdem zu tun, also schnippte sie mit den Fingern und der Schatten verschwand und an seiner Stelle erschien Marduk wieder. Der schien reichlich verwirrt und er taumelte beträchtlich. Er war ganz offensichtlich ziemlich wehrlos, was ziemlich blöd für ihn war, da Wulfgar sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, um ihn zu zerfleischen, wie er sagte.
      „Nein, nicht!“, rief die Herrin da aber. „Er ist keine Gefahr mehr.“
     Ihr Wächter knurrte zwar unwillig, tat aber, wie ihm geheißen, und auch die Anderen zogen sich zurück. Marduk bekam einen Moment, um sich zu erholen, während nach und nach auch andere eintrudelten, die sie in dieser Nacht getroffen hatten, bevor er seine Geschichte erzählen musste.


„Es tut mir leid. Ich hätte euch von Anfang an die Wahrheit sagen sollen. Es stimmt, dass ich den Schatten jage, aber er jagt gleichzeitig auch mich. Das ist, weil wir vor langer einmal eins waren“, begann er. „Vor vielen Jahrhunderten, als ich noch ein Mensch war, habe ich einen Weg gesucht, um meinen Tod abzuwenden und Unsterblichkeit zu erlangen. Ich habe mich verbotenen und dunklen Künsten zugewandt und es letztendlich geschafft, meine Sterblichkeit abzulegen. Aber der Preis, den ich dafür gezahlt habe, war zu hoch. Als ich meine Sterblichkeit ablegte, schuf ich den Schatten, der sich seitdem vom Leben anderer ernährt, um mein eigenes Leben zu verlängern. Um mich unsterblich zu machen. 
     Gleichzeitig verlor ich den Teil von mir, der mich menschlich machte, und seitdem bin ich nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu empfinden.
     Ich habe seitdem oft versucht, rückgängig zu machen, was ich angerichtet habe. Den Schatten und mich zu töten, doch er hat stattdessen immer wieder von mir Besitz ergriffen. Es ist unmöglich, wie ich feststellen musste. Man kann ihn nicht töten. Selbst wenn ihr mich jetzt töten solltet, werden weder er, noch ich sterben.“
     Er ließ den Kopf hängen und eine Weile sagte niemand ein Wort. Nur das Rauschen der Blätter und Gräser im Wind war zu hören.


„Was du brauchst, ist ein Zauberer“, zerbrach die Herrin die Stille schließlich.
     „Das weiß ich“, sagte Marduk bitter, „aber ich habe nie einen gefunden. Sie sind wahrscheinlich schon vor langer Zeit allesamt gestorben.“
     „Sie haben sich vor langer Zeit zerstritten und in alle Winde zerstreut; sie wissen nicht mehr, wer sie sind, aber sie sind mitnichten tot“, meinte die Herrin. „Zwei von ihnen sind sogar hier.“
      Sie deutete auf die beiden Kinder, aber während Nero sofort verstand und heillose Freude auf seinem Gesicht ausbrach, brauchte Ragna eine ganze Weile, um zu verstehen, dass er gemeint war. Und dann wollte er es am liebsten nicht verstehen. Er, ein Zauberer? Das konnte nicht sein!


Doch es war so. Die Herrin gab ihnen Zauberstäbe, die sie aus Zweigen ihres heiligen Baumes fertigte, und schon als Ragna ihn in den Händen hielt, musste er einsehen, dass sie recht hatte. Da war so ein merkwürdiges, warmes und belebendes Gefühl, das von dem Stab ausging. Als sei er lebendig. Nero ging es scheinbar ebenso, konnte er sehen.
      „Ihr könnt ihn wieder zusammenfügen“, erklärte ihnen die Herrin.
      Sie wussten nicht, wie sie das machen sollten, aber etwas ganz tief in ihnen übernahm glücklicherweise die Führung. Sie schwangen ihre Zauberstäbe, als hätten sie das schon immer getan, Lichtfunken kamen zum Vorschein und hüllten Marduk ein. Er fasste sich an den Kopf und einen Moment befürchtete Ragna schon, etwas falsch gemacht zu haben.


Aber dann veränderte sich Marduk plötzlich. Seine Haut wurde blass, geradezu aschfahl, dass Nero sich noch mehr Sorgen zu machen begann, und eine Aura umgab ihn, die sie sogar spüren konnten. Einen Moment noch war sie so kalt und furchteinflößend wie die des Schattens, dann wurde sie brennend heiß, bevor sie gänzlich verschwand und zu einer Art Hintergrundsummen verebbte.


Als es vorbei war und er die Augen aufschlug, leuchteten sie beinahe so wie die des Schattens. Aber er war es nicht länger.
     „Was ist mit mir passiert? Ich lebe ja noch“, stellte er verwundert fest und entblößte dabei zwei Paar Reißzähne.
     „Deine Lebenszeit ist längst vorüber“, widersprach die Herrin. „Aber all die Leben, die der Schatten genommen hat, sind nun dein, und das hat dich wahrhaft unsterblich gemacht. Ich fürchte, deine Nahrung wird auch nach wie vor die Lebenskraft anderer sein, aber du wirst sie nicht mehr töten müssen, um fortzubestehen.“
     Und das war der Grund, warum die Herrin ihn, trotz des Protestes ihres Wächters, am Leben ließ.


„Warum lungerst du denn schon wieder draußen herum?“, fuhr Rahns Stimme mitten in Ragnas Erzählung, und das brachte die beiden Jungen in die Realität zurück, in der Nero gerade den tadelnden Blick seines Vaters abbekam. „Du sollst dich doch ausruhen.“
     Er hasste es so sehr, wenn sein Vater ihn fand und ihm den Spaß verdarb. Mal wieder. Er wollte nicht schlafen, er wollte sich nicht ausruhen.
     Aber trotzdem sagte er: „Ja, Papa.“
     Rahn gab sich damit zufrieden, kündigte an, nachher nochmal nach ihm zu sehen, und ging dann Richtung Haus davon.


 „Und dann? Was ist dann passiert?“, fragte Nero den Erzähler aufgeregt, als sein Vater fort war.
     „Ich glaube, du solltest lieber tun, was dein Vater dir gesagt hat“, sagte Ragna kleinlaut. „Ich kann dir ja später erzählen, wie es ausgeht.“
      Nero sah nicht zufrieden aus, aber dann legte er sich schließlich hin. Während Ragna zum Austreten davongehen wollte, fragte er den Anderen noch: „Wirst du mir auch in Zukunft Geschichten erzählen, wenn ich krank bin?“


Ragna nickte, bevor er Nero allein ließ. Er konnte es nicht wissen, weil Nero es ihm nicht gesagt hatte, aber an diesem Tag wurde er Neros erster und bester Freund. Von da an war es für den immerzu Kranken nur noch halb so schlimm, so oft drinnen eingesperrt zu sein.


Doch davon wusste Ragna nichts. Er ging austreten, und als er sich wieder aus dem Pinkelbusch freigekämpft hatte, sah er sich plötzlich einem Mädchen mit roten Haaren gegenüber. Er hatte sie hier noch nie zuvor gesehen, war er sich ziemlich sicher.
    „Wie ist es ausgegangen?“, fragte sie aufgeregt.
    „Ähm… was?“
    „Die Geschichte! Wie ist sie ausgegangen? Was ist mit Marduk und all den anderen passiert?“
     Scheinbar hatte sie zugehört und er hatte es nicht mal mitbekommen.
     Ragna brauchte daraufhin erstmal einen Moment, bevor er den ersten Schrecken verdaut hatte und erzählen konnte:


Marduk ging danach zu seiner alten Arbeit am Handelsposten zurück. Er musste zwar Alins Gedächtnis ein bisschen verändern, damit der ihm nicht auf die Spur kam, aber er hat von da an nie wieder jemanden getötet.


Doch er musste sich tatsächlich nach wie vor von der Lebenskraft anderer ernähren, wie die Herrin prophezeit hatte. Auch das Sonnenlicht, das mit dem Verschwinden des Schattens zurückkehrt war, konnte er nicht mehr ertragen, da es ihn verbrannte. Und so zog er tagsüber in die Gruft der Mumien, was vor allen Dingen die gesellige Anya sehr freute.


Die beiden Mumien wurden kurz darauf erstmals Eltern, als sich ein elternloser, gemeiner Junge in ihre Gruft verirrte, den sowieso niemand vermissen würde. Also behielten sie ihn.


Sharla bekam ihre Lampe zurück und konnte nach vielen Jahrhunderten endlich zurück nach Hause gehen.


Auch wenn sie nicht lange dort blieb.


Tanna konnte ihren Geisterfluch dank Sharlas Zauberkraft loswerden und sie wurde wieder ein Mensch. Sie bezog die alte Lagerstätte ihrer Retterin und lebte dort glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.


Der andere Geist, Aan, wiederum hatte es der frechen Fee Jana so sehr angetan, dass sie beschloss, ihn zu behalten. Also blieb er (zu seinem Unmut) ein Geist und bei ihr.


Sie schaffte es zwar auch in Zukunft immer wieder, ihren ängstlichen Geist bis zur Besinnungslosigkeit zu erschrecken, aber gründeten die beiden (irgendwie) trotzdem eine Familie und waren (irgendwie) glücklich miteinander.


Die Lu-Fee pendelte zwischen seinem Zuhause und dem heiligen Hain, um den Wächter Wulfgar zu besuchen. Manchmal kam der auch selber zu Besuch, um mit ihm gepflegt Stöckchenholen zu spielen (oder auch nicht).


Doch natürlich war der Platz des Wächters bei der Herrin des Waldes. Zusammen mit der anderen Wächterin Akara, den beiden Pflanzenleuten, und seit neuestem auch dem kleinen Zauberer Ragna, der öfter mal zu Besuch kam.
      Irgendwann bekam die Herrin mit ihrem Wächter sogar einen kleinen Wolfswelpen namens Leif, und Ragna entschloss sich, vollends zu bleiben, um die Magie zu erlernen.


Nero tat das auch, aber er war mehr daran interessiert, eines Tages ein Wolfsmensch zu werden. Er verbrachte seine Tage deshalb oft am Strand mit Rahn und Akara.


Tann wiederum schaffte es nach Jahren endlich, sich von seiner störrischen Tochter zu lösen, und er ging, um sich einen neuen Setzling heranzuziehen. Und er führte ein glücklicheres Leben damit, seiner Enkelin Malah alles beizubringen, was sie wissen musste, um eines Tages ein starker Baum zu werden.


Dschinn Jin kehrte nicht mehr in seine Lampe zurück. Stattdessen überzeugte er die Meerjungfrau Dana von sich und zusammen bekamen sie eine kleine Dschinnmeerjungfrau, die sie Jade nannten.


Und was Luis, den grünen Mann angeht, der mit seinem fliegenden Schiff einst von den Sternen kam, so macht er noch immer das, was er schon immer gemacht hat:


Forschen, Dinge „ausborgen“ und Leute „in Sicherheit bringen“.


Nachdem Ragna fertig erzählt hatte, war das Mädchen lange Zeit still und starrte ihn nur an, als wartete sie darauf, dass er weiter erzählte.
     „Ähm, das ist das Ende“, verkündete er deshalb.
     „Das war so…. so….“ Ihre Augen wurden groß. „Ich hab noch nie so eine tolle Geschichte gehört. Ragna“, sagte sie, als würden sie sich schon ewig kennen, „du kannst so toll Geschichten erzählen! Willst du mein Freund sein?“
     „Ähm… ich kenn dich doch nicht mal“, merkte er irritiert an.
     „Ich bin Adelaide. Du kannst mich Aida nennen. Meine Mama macht das auch.“
     Sie war seltsam, aber er musste zugeben, dass er sich ein bisschen geschmeichelt fühlte.
     „Und willst du jetzt mein Freund sein?“
     Also sagte er: „Okay.“


Da lächelte sie noch breiter, versprach, bald wieder vorbeizukommen, und dann war sie weg.
     „Ich mag keine anderen Leute“, erklärte sie noch. „Und da kommt wer.“
      Und damit war die Geschichte nun aber wirklich zu Ende. Sie ging ja auch schon lang genug. 
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Hier weiterlesen -> Kapitel 86 

Das ging sie in der Tat, und sie war an manchen Stellen vielleicht auch etwas holprig, muss ich zugeben. Das liegt daran, dass mir beim Planen einfach nichts einfallen wollte. Ich hatte nur so ein grobes Konzept, dass die beiden Jungs Zauberer sind und die Geschichte um den Schatten und dass alle möglichen Wesen vorkommen sollten, aber sonst nichts. Also hab ich einfach mal losgelegt mit dem Bildermachen und da hat sich die Geschichte von ganz allein entwickelt.

Ich habe bis jetzt ja, ehrlich gesagt, noch nie mit den okkulten Sims in Sims 3 gespielt und ich muss sagen, dass ich ganz begeistert von meinen Leuten in ihren jeweiligen Rollen war (manche waren aber  weniger von ihren Rollen begeistert). Ich hab mal noch ein paar Bilder in die Outtakes getan, falls sich wer dafür interessiert. Ach ja, und Marduk (der übrigens natürlich kein Vampir ist) habe ich inzwischen bei den Charakteren hinzugefügt (was ich letztes Mal vergessen hatte), weil man ja doch recht wenig über ihn als Person erfahren hat. Er ist beim Abschnitt zum Handelsposten zu finden.

Ich könnte wohl noch den ganzen Tag über dieses Kapitel schreiben (wird auch das einzige Spin-off bleiben (soweit ich weiß ;) )), aber war ja lang genug, also weiter geht's: Nächstes Mal verabschieden wir uns von einem sehr alten Bekannten und Tanja lernt Wirt mal von einer ganz anderen Seite kennen.

Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen, und ich verabschiede mich! 

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